Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2019, RV/2100770/2019

Unvollständiger Vorsteuererstattungsantrag (fehlende Angaben zu den beantragten Rechnungen) im elektronischen Erstattungsverfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100770/2019-RS1
Ein Vorsteuererstattungsantrag für eine Rechnung, die nicht existiert, ist insoweit als inhaltsleer und damit als nicht vorgelegt iSd § 3 Abs. 1 der VO BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 zu werten. Das kann im Rechtsmittelverfahren durch Vorlage und Beantragung der Vorsteuerbeträge aus völlig anderen (wenn auch der richtigen Rechnungen) außerhalb der Antragsfrist nicht saniert werden. Dies widerspricht auch nicht § 270 BAO (kein Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren). Ansonsten würde die Bestimmung des Art. 15 der Richtlinie 2008/9/EG, wonach nur ein Erstattungsantrag, welcher die erforderlichen Pflichtangaben enthält, als vorgelegt gilt, inhaltsleer und ad absurdum geführt. Jeder unzureichende Antrag würde zur Fristwahrung ausreichen. Mit Zulassung der Nachreichung sämtlicher Pflichtangaben im Rechtsmittelverfahren würde auch die Fallfrist der Erstattungsverordnung obsolet.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Rechtsanwälte, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Umsatzsteuer (Vorsteuererstattung 1-12/2017) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF), eine deutsche Spedition, brachte am einen elektronischen Antrag auf Erstattung der Vorsteuern für den Zeitraum 1-12/2017 ein. Im Antrag wurden Vorsteuern in der Höhe von Euro 84.587,58 nur mit Eingabe einer einzigen Rechnung beantragt.

In dieser Rechnung mit der Rechnungsnummer **** und Rechnungsdatum vom wurde als Leistungserbringerin die AB, also die Beschwerdeführerin selbst, eingetragen.

Im Erstbescheid vom wurde die Erstattung versagt, da die eingereichte Rechnung nicht den Formalerfordernissen für Rechnungen entspreche. Beim angeführten Leistungscode sei auch ein Subcode erforderlich.

Mit Beschwerde vom , eingelangt am , bzw. per Fax am , legte die BF Einspruch gegen den Abweisungsbescheid ein. Als Begründung wurde die Vorlage der Rechnungen in Kopie angeführt, die BF bitte um Berücksichtigung.
Es handelt sich hier um 44 unterschiedliche Rechnungen, die von Lieferanten wie AA., aa. oder auch von der CC. ausgestellt sind. Die beantragte Vorsteuersumme betrug laut Aufstellung nur noch Euro 2.823,93.

Mit Vorhalt vom wurde seitens des Finanzamtes um Aufklärung ersucht, weshalb laut vorgelegter Aufstellung nur noch ein MwSt-Betrag von Euro 2.823,93 beantragt werde.

Laut Vorhaltsbeantwortung vom wurde mitgeteilt, dass ursprünglich eine zu hohe Erstattung gemeldet worden sei, denn es hätten sich versehentlich andere Länder mit eingeschlichen. Die vorgelegte Aufstellung entspreche den beigefügten Rechnungen in Höhe von Euro 2.823,93.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen im Ergebnis mit der Begründung, dass für die in der Beschwerde vorgelegten Rechnungen nie ein gültiger Vorsteuererstattungsantrag eingebracht worden sei unter Anführung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen, und weiter:
"Gemäß § 3 der Erstattungsverordnung gilt der Erstattungsantrag aber nur dann als vorgelegt, wenn er alle Merkmale in Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom erfüllt.
Sinn und Zweck dieser strengen Regelung ist es, den Abgabenbehörden der Mitgliedstaaten innerhalb des ihnen für die Erledigung vorgegebenen Zeitraumes von vier Monaten die grundsätzliche Überprüfung der wichtigsten Merkmale jeder einzelnen Rechnung ohne zusätzliche Ermittlungen zu ermöglichen. Insoweit im elektronischen Erstattungsantrag diesen Bestimmungen widersprechende oder keine Angaben gemacht werden, gilt der Antrag daher als nicht vorgelegt.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Beschwerde bereits entschieden:
Im Erstattungsantrag vom ist keine erstattungsfähige Rechnung beantragt worden. Es liegt der beantragten Rechnung Nr. **** keine tatsächliche Leistung zugrunde.
Für die in der Beschwerde vorgelegten Rechnungen jedoch wurde nie ein gültiger Antrag eingebracht, denn diese Rechnungen wurden im Erstattungsantrag mit der Antragsnummer DE**** nicht beantragt. Es wurde lediglich ein Antrag für eine Rechnung gestellt, die es nicht gibt.
Der Erstattungsantrag gilt aber nur dann als vorgelegt, wenn er alle Merkmale in Art. 8, 9
und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom erfüllt.
Die Beschwerde war aus diesen Gründen abzuweisen."

Mit Vorlageantrag vom begehrte die BF die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Nachreichung der Begründung wurde angekündigt.

Mit wiederum als Vorlageantrag bezeichnetem Schreiben vom  wurde von der nunmehr beauftragten Vertretung begründend ausgeführt:
"Gegen die angefochtene Beschwerdevorentscheidung werden die Rechtsmittelgründe unrichtiger und unvollständiger Feststellungen ebenso geltend gemacht wie die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache, und der gegenständliche Vorlageantrag begründet wie folgt:
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde vom im Ergebnis insoweit als unbegründet abgewiesen, als der Erstattungsantrag mit der Antragsnummer DE **** kein gültiger Antrag gewesen sei, er sei „für eine Rechnung gestellt, die es nicht gibt“, worden. Ausdrücklich heißt es dazu auch: „Es liegt der beantragten Rechnung Nummer **** keine tatsächliche Leistung zu Grunde.“

Dies ist mehrfach widersprüchlich, aktenwidrig und unrichtig. lm ursprünglichen Bescheid wurde der Erstattungsbetrag nur mit Euro 0,00 angegeben (also im Ergebnis abgewiesen), weil „folgende Rechnung nicht antragsgemäß für die Ermittlung des Erstattungsbetrages berücksichtigt werden konnte: Sequenz Nummer: ****“.
Außerdem spricht die Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich von einem Vorhalt vom , mit welchem seitens der Finanzbehörde um Aufklärung ersucht wurde, „weshalb laut vorgelegter Aufstellung nur noch ein MwSt-Betrag von Euro 2.823,93 beantragt wird.“

Dies unter Bezugnahme auf die Beschwerde, mit der sämtliche Rechnungen ordnungsgemäß unter Vorlage von Kopien nachgewiesen und eine Auflistung und nachvollziehbare Berechnung des Erstattungsbetrages vorgelegt worden sind, was im Sinne des § 270 BAO zweifelsfrei zulässig war, was durch den Vorhalt auch bestätigt wird. Wäre diese Zulässigkeit nicht gegeben, hätte ja die Erstbehörde entweder die Beschwerde und die damit beantragten konkreten Beträge als verfristet zurückweisen müssen und wäre auch kein Raum für einen solchen Vorhalt mehr gegeben gewesen.

Es ist aufgeklärt worden, dass und warum beim ursprünglich höheren Erstattungsbetrag ein Irrtum passiert war. Ein Minus gegenüber dem ursprünglichen Antrag kann aber niemals zu dessen Unzulässigkeit führen.
Außerdem ist bei allem Verständnis für den auf Seite 3 der Beschwerdevorentscheidung zitierten „Sinn und Zweck dieser strengen Regelung“ die Ratio der Bestimmung sicherlich nicht die, dass berechtigte Ansprüche (wenn bloß noch Urkunden nachgereicht und ursprüngliche Anträge präzisiert und/oder klargestellt werden müssen) im Ergebnis zu Unrecht und somit zum Nachteil der Anspruchsberechtigten verfallen sollen.

Die Diskrepanz zum ursprünglichen Antrag ist außerdem auch nicht so groß wie zitiert, da sich aus dem ursprünglichen Antrag eindeutig ein Umsatzsteuerbetrag von Euro 14.097,93 ergibt und der Vergütungsbetrag natürlich (nur bzw. maximal) dieser gewesen sein konnte. Dass die Gesamtsumme der Rechnungen in der Zeile der Gesamtsumme der Vergütungsbeträge eingesetzt war, ist ein sofort ins Auge springender Irrtum gewesen.
Ebenfalls nicht verständlich ist der 2. Absatz der Begründung der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung: Geltend gemacht wurden Rechnungen von Lieferanten wie AA., aa., CC. etc. und naturgemäß nicht Vorsteuern aus Rechnungen, die mangelhaft ausgestellt sind.

Es wird daher der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge dem Antrag auf Umsatzsteuervergütung im berechtigten Umfang von Euro 2.823,93 im Sinne der mit Beschwerde vom vorgelegten Rechnungen und Auflistungen antragsgemäß Folge geben."

Sachverhalt

Bei der BF handelt es sich um ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das am einen elektronischen Vorsteuererstattungsbetrag für den Zeitraum 1-12/2017 einbrachte.
Beantragt wurde ein abziehbarer Vorsteuerbetrag idHv. Euro 84.587,58 aus der Rechnung mit der Nummer **** vom . Aus den Angaben ergibt sich, dass der beantragte Vorsteuerbetrag der Bruttobetrag der angeführten Rechnung war. Als Lieferant wurde der Name der BF eingefügt, die UID gehörte zu einem anderen Unternehmen.
Dieser Betrag wurde nicht gewährt, der Vorsteuerbetrag mit Euro 0,00 festgesetzt mit dem Hinweis, dass die Rechnung nicht den Formalerfordernissen für Rechnungen entspreche.
Im Beschwerdeverfahren wurde eine Aufstellung mit 44 neuen Rechnungen vorgelegt und ein Vorsteuerbetrag von Euro 2.823,93 begehrt. Eine Rechnung mit der Nummer **** oder mit einem Vorsteuerbetrag von Euro 14.097,93 bzw. Euro 84.587,58 wurde nicht (mehr) zur Erstattung vorgelegt (auch nicht mit einem anderen bzw. richtig gestellten Lieferantennamen).
Die BF erklärte die Diskrepanz zwischen ursprünglich beantragter Rechnung und den neuen Rechnungen bzw. die unterschiedliche Höhe des beantragten Erstattungsbetrages mit dem "versehentlichen Einschleichen anderer Länder" im Erstantrag.

Keine der 44 neu vorgelegten Rechnungen war im (Erst)Antrag vom enthalten.

Das Finanzamt bewertete die neu vorgelegten Rechnungen dahingehend, dass für diese nie ein gültiger Erstattungserstantrag eingebracht worden sei, der ursprünglich angeführten Rechnung liege keine Leistung zugrunde. 
Die BF wies auf eine zulässige Antragskorrektur bzw. Präzisierung im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens hin, da kein Neuerungsverbot bestehe.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.

Rechtslage

Nach § 17 AVOG ist das Finanzamt Graz-Stadt für die Erhebung der Umsatzsteuer der BF zuständig, da diese ihr Unternehmen vom Ausland aus betreibt und im Inland über keine Betriebsstätte verfügt.
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.

Die dazu ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung abziehbarer Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 in der Fassung BGBl. II Nr. 158/2014 (in der Folge kurz: Erstattungsverordnung) legt in § 3 Abs. 1 fest, dass der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln hat.
Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen.
Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige festgelegten Angaben enthält.

Art. 8 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) lautet:
(1) Der Erstattungsantrag muss die folgenden Angaben enthalten:
a) Name und vollständige Anschrift des Antragstellers;
b) eine Adresse für die elektronische Kommunikation;
c) eine Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Antragstellers, für die die Gegenstände und Dienstleistungen erworben werden;
d) der Erstattungszeitraum, auf den sich der Antrag bezieht;
e) eine Erklärung des Antragstellers, dass er während des Erstattungszeitraums keine Lieferungen von Gegenständen bewirkt und Dienstleistungen erbracht hat, die als im Mitgliedstaat der Erstattung bewirkt gelten, mit Ausnahme der Umsätze gemäß Artikel 3 Buchstabe b Ziffern i und ii;
f) die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer oder Steuerregisternummer des Antragstellers;
g) seine Bankverbindung (inklusive IBAN und BlC).

(2) Neben den in Absatz 1 genannten Angaben sind in dem Erstattungsantrag für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung oder jedes Einfuhrdokument folgende Angaben zu machen:
a) Name und vollständige Anschrift des Lieferers oder Dienstleistungserbringers;
b) außer im Falle der Einfuhr die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Lieferers oder Dienstleistungserbringers oder die ihm vom Mitgliedstaat der Erstattung zugeteilte Steuerregisternummer im Sinne der Artikel 239 und 240 der Richtlinie 2006/112/EG;
c) außer im Falle der Einfuhr das Präfix des Mitgliedstaats der Erstattung im Sinne des
Artikels 215 der Richtlinie 2006/112/EG;
d) Datum und Nummer der Rechnung oder des Einfuhrdokuments;
e) Steuerbemessungsgrundlage und Mehrwertsteuerbetrag in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;
f) gemäß Artikel 5 und Artikel 6 Absatz 2 berechneter Betrag der abziehbaren Mehrwertsteuer in der Währung des Mitgliedstaats der Erstattung;
g) gegebenenfalls der nach Artikel 6 berechnete und als Prozentsatz ausgedrückte Prorata-Satz des Vorsteuerabzugs;
h) Art der erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen aufgeschlüsselt nach den Kennziffern gemäß Artikel 9.

Art. 15 der Richtlinie 2008/9/EG lautet:
(1) Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat.

§ 3 Abs. 1 der Erstattungsverordnung ist als richtlinienkonforme Umsetzung des Artikel 15 der Richtlinie 2008/9/EG, die wiederum ihre Grundlage in der Richtlinie 2006/112/EG hat, zu werten.

§ 270 BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 lautet:

15. Kein Neuerungsverbot
§ 270. Auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens zur Kenntnis gelangen, ist von der Abgabenbehörde Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Beschwerdebegehren geändert oder ergänzt wird. Dies gilt sinngemäß für dem Verwaltungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.

Erwägungen

Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren, ob die erstmals im Zuge der Beschwerde vorgelegten Rechnungen für den ursprünglich eingebrachten Erstattungsantrag vom für 1-12/2017 zu berücksichtigen sind, obwohl der Erstantrag die Erstattung der Vorsteuer für eine nicht existente Rechnung beantragte bzw. ohne Zusammenhang mit einer gültigen Rechnung eingereicht wurde.

Der (richtlinienkonforme) Wortlaut von § 3 Abs. 1 der Erstattungsverordnung ist eindeutig und unmissverständlich:
Enthält ein bis 30.9. des Folgejahres eingereichter Antrag nicht alle von Artikel 8 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten (Pflicht)Angaben, gilt er als nicht vorgelegt.
Davon ist auszugehen, wenn der Antrag hinsichtlich einer geforderten Angabe als unvollständig bzw. "inhaltsleer" zu werten ist [vgl. dazu Finanzgericht Köln (FG), Urteil vom 2 K 195/14 (EFG 2016, 2098) zum deutschen Vorsteuervergütungsverfahren; BFH Beschluss vom , XI R 13/17 und die dazu ergangene Pressemitteilung Nr. 25 des BFH vom : ein allenfalls unrichtiger Antrag ist nicht als unvollständig zu werten und damit nicht unwirksam].
Ein Antrag, der nicht alle erforderlichen Angaben zu einer Rechnung enthält, gilt insoweit als nicht vorgelegt (vgl. Melhardt, ÖStZ 2009/333, 150 (151); Rauscher, UFSjournal 2011, 407; -G/11).

Wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung bereits ausgeführt hat, ist Sinn und Zweck dieser strengen Regelung, den Abgabenbehörden der Mitgliedstaaten innerhalb des ihnen für die Erledigung vorgegebenen Zeitraumes von vier Monaten die grundsätzliche Überprüfung der wichtigsten Merkmale jeder einzelnen Rechnung ohne zusätzliche Ermittlungen zu ermöglichen, auch unter dem Gesichtspunkt der Säumnisabgeltung (§ 3 Abs. 4 bis 11 der Erstattungsverordnung) bei verspäteter Erstattung (vgl. auch Rauscher, UFSjournal 2011, 407).
Ein fristgebundenes Massenverfahren wie das Vorsteuervergütungsverfahren verlangt die Einhaltung sämtlicher, wenn auch zum Teil strenger Formalismen.

Hinsichtlich der ursprünglich beantragten Rechnung war der Erstantrag offensichtlich inhaltsleer, ihr lag nach dem Sachverhalt keine Leistung zugrunde, diese Rechnung existiert so nicht (was auch die Beschwerdevorentscheidung (BVE) zum Ausdruck bringt; vgl. zur Vorhaltswirkung einer BVE beispielsweise  mwN).

Der Antrag war hinsichtlich dieser Rechnung einer Mängelbehebung nicht zugänglich.

Der Antrag der BF vom für 1-12/2017 enthielt für keine der nachträglich vorgelegten Rechnungen auch nur eine der von Artikel 8 der Richtlinie 2008/9/EG geforderten Angaben.
Das Nachholen oder Nachbessern von solchen Pflichtangaben im elektronischen Erstattungsverfahren ist ausgeschlossen (vgl. dazu auch Ruppe / Achatz, UStG5, § 21 Tz 60/2, S. 1522 letzter Absatz).
Der Erstattungsantrag gilt daher hinsichtlich aller Rechnungen als nicht vorgelegt.
Die in der Beschwerde nachgereichten Angaben bzw. Rechnungen sind außerhalb der Neunmonatsfrist für das Antragsjahr erfolgt, können damit auch nicht als neuerlicher (berichtigter) rechtzeitiger Antrag gewertet werden.

Aus dem Umstand, dass das Finanzamt die Beschwerde der BF zum Anlass für ein Vorhalteverfahren nahm, ist für die BF nichts zu gewinnen. Der Vorhalt war zur Aufklärung des Sachverhaltes aufgrund der widersprüchlichen Aktenlage geboten und zweckmäßig und steht einer Abweisung der Beschwerde nicht entgegen. Keineswegs bindet das Vorhalteverfahren das Finanzamt in Richtung einer Stattgabe oder auch Abweisung. Die Ergebnisse des Ergänzungsverfahrens lagen ja gerade eben nicht vor. Ziel dieses Verfahrensschrittes war es, die Entscheidungsgrundlagen zu ermitteln.

Die Nachreichung der 44 Rechnungen im Rahmen der Beschwerde war keine bloße Nachreichung von Unterlagen oder eine bloße Präzisierung des ursprünglichen Antrages oder Ausräumung eines unbeachtlichen Irrtums, welche im Zuge des nicht bestehenden Neuerungsverbotes nach § 270 BAO zulässig wäre, sondern inhaltlich die Einbringung eines völlig neuen Antrages für das Jahr 2017, allerdings außerhalb der Ausschlussfrist für das Erstattungsverfahren.
Im Übrigen hätte ein nachgereichter berichtigter Antrag (wäre er rechtzeitig gewesen), elektronisch unter Angabe der erforderlichen Angaben eingereicht werden müssen.

Richtig ist, dass § 270 BAO normiert, dass im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot besteht.
Dazu gibt es jedoch Ausnahmen (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 270 Tz 5 mwH).
Zeitliche Grenzen für die Berücksichtigung von neuem Vorbringen ergeben sich aus der Befristung von Antragsrechten (vgl. Ritz, BAO6, § 115 Tz 26).
Eine solche Befristung beinhaltet § 3 Abs. 1 der Erstattungsverordnung. Der Erstattungsantrag (mit allen Pflichtangaben) ist binnen 9 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist.  Dabei handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist (vgl. Urteil "Elsacom" des ). 
Würde man im Rechtsmittelverfahren die Einbringung eines inhaltlich de facto völlig neuen Antrages zulassen, würde damit die Ausschlussfrist der Erstattungsverordnung unterlaufen bzw. ausgehebelt werden können.

Dieser Auffassung steht auch die Rechtsprechung des VwGH nicht entgegen.
Wie der VwGH im Erkenntnis vom , 2011/15/0183 (noch zur "alten" Erstattungsverordnung, Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 384/2003, welche noch die Einbringung des Antrages in Papierform vorsah) ausgeführt hat, ist bei Formgebrechen, wie dem Fehlen von Originalbelegen ein Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs. 2 BAO durchzuführen.
Der VwGH hat hier aber auch ausgeführt, dass auf § 85 Abs. 2 BAO gestützte Mängelbehebungsaufträge dann ausscheiden, wenn sich aus spezielleren Regelungen ergibt, dass andere Sanktionen vorgesehen sind. So sah beispielsweise § 212a Abs. 3 BAO die Zurückweisung eines Antrages vor, wenn er die Darstellung der Ermittlung des für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages nicht enthielt (auf diese Bestimmung  in der zum Zeitpunkt des Ergehens des Erkenntnisses gültigen Fassung  - vor Ergehen des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013 - verwies der VwGH).

Im Unterschied zur Fassung des  § 3 Abs. 1 der "alten" Erstattungsverordnung (idF BGBl. II Nr. 384/2003, gültig bis ) sieht § 3 (idF BGBl. II Nr. 222/2009, gültig ab ) nunmehr im elektronischen Erstattungsverfahren bei Bestehen von bestimmten Mängeln vor (ua wenn der Antrag nicht alle im Artikel 8 der Richtlinie 2008/9/EG festgelegten Angaben enthält), dass der Antrag als nicht vorgelegt gilt.
Ein Mängelbehebungsverfahren ist somit (bei Unternehmern im Gemeinschaftsgebiet) nicht durchzuführen, weil der Antrag ja als nicht vorgelegt zu werten ist und ein als nicht vorgelegt zu wertender Antrag eben nicht eingebracht bzw. unwirksam ist und nicht gleichzeitig auch mangelhaft und einer Mängelbehebung zugänglich sein kann.

Zudem hat der VwGH (noch zur alten Fassung der Erstattungsverordnung) festgestellt, dass nicht jeder - unvollständige - Antrag zur Wahrung der Antragsfrist gemäß § 3 geeignet ist. Im Erkenntnis vom , 2000/15/0032, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass ein Antrag, der die für die Durchführung eines Vorsteuererstattungsverfahrens notwendigen Angaben - insbesondere über Art bzw. Höhe der Erstattungsbeträge und den Verwendungszweck der bezogenen Leistungen - nicht enthält, kein ordnungsgemäßes Erstattungsverfahren (wenn auch mit Ergänzungsaufträgen, Bedenkenvorhalten, Klarstellungsaufforderungen) in Gang zu setzen vermag. Derartige unvollständige Anträge, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, eine Verlängerung der Ausschlussfrist von (nach damaliger Rechtslage) sechs (jetzt: neun) Monaten herbeizuführen, bieten für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages keinen Raum (vgl. auch und Schefzig in taxlex 2014, 220 [224]).

Der Erstantrag der BF unter Anführung einer nicht existenten Rechnung enthielt auch im Sinne dieser Rechtsprechung nicht die nötigen Mindesterfordernisse und war zur Wahrung der Antragsfrist ungeeignet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Auslegung von § 3 Abs. 1 der VO BGBl. 279/1995 idF BGBl. II 158/2014 (insbesondere zum Passus "gilt nur dann als vorgelegt, ..."), dessen Verhältnis zu § 270 BAO (kein Neuerungsverbot) und (Mängelbehebungsverfahren im Erstattungsverfahren) soweit ersichtlich noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, wird die ordentliche Revision zugelassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 8 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
§ 270 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 15 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
§ 3 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100770.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at