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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2019, RV/7102273/2017

Grunderwerbsteuerpflicht bei originärem Erwerb einer Liegenschaft durch Aneignung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102273/2017-RS1
Die Aneignung (Okkupation) einer herrenlosen Liegenschaft unterliegt gemäß § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Schon durch das GrEStG 1955 wurde in dieser Gesetzesstelle der im GrEStG 1940 verwendete Begriff „Übergang“ durch das Wort „Erwerbung“ (seit dem GrEStG 1987 „Erwerb“) ersetzt. Dadurch sollte klargestellt werden, dass unter § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG die Rechtsvorgänge des originären Erwerbs von Grundstücken fallen. Demgegenüber wurde die ursprüngliche Fassung des GrEStG in Deutschland beibehalten, sodass das deutsche Grunderwerbsteuerrecht grundsätzlich nur solche Rechtsvorgänge erfassen will, bei denen ein Übergang von einem auf einen anderen Rechtsinhaber stattfindet (vgl. Fellner, Aneignung eines herrenlosen Grundstücks, in SWK Heft-Nr 12/2012, 632).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF, ADR, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr*** Team 13 betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid  gemäß § 279 BAO abgeändert wie folgt:

Die Grunderwerbsteuer wird festgesetzt mit 3,5 % der Gegenleistung in Höhe von € 34.500,00, somit mit einem Betrag von € 1.207,50..

Das darüber hinausgehende Begehren wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

1. elektronische Grunderwerbsteuererklärung - Rechtsvorgang

Mit elektronischer Grunderwerbsteuererklärung vom wurde dem Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel (kurz Finanzamt) über FINANZONLINE zur ErfNr*** angezeigt, dass am die Steuerschuld für durch BF (der nunmehrige Beschwerdeführer, kurz Bf.) und EHEFRAU-BF (zwischenzeitig EHEFRAU-BF)  verwirklichten Erwerbsvorgang entstanden sei. Als Bemessungsgrundlage wurde darin € 0,00 erklärt und dazu angeführt „Wert nicht ermittelbar“.

Mit ebenfalls am beim Finanzamt eingebrachten Schreiben führte die rechtsfreundliche Vertretung des Bf. zu dieser Abgabenerklärung aus, dass BF und EHEFRAU-BF beabsichtigen würden, das herrenlose Grundstück Nr**, EZ***, KG*** ORT mit beiliegender Erklärung vom je zur Hälfte in Besitz zu nehmen. Laut beiliegendem Versteigerungsedikt des Bezirksgerichtes X vom betrage der Schätzwert/Vadium/Verkehrswert € 145.000,00.

Die Erklärung vom hat folgenden Inhalt:

Wir, BF, ..., und EHEFRAU-BF, …, erklären an Eides statt, das herrenlose Grundstück Nr**, inneliegend EZ***, KG*** ORT, am in Besitz genommen zu haben, dies mit dem Willen, darauf je zur Hälfte Eigentum zu erwerben.“

2. Grunderwerbsteuerbescheid

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Bf.  Grunderwerbsteuer mit € 2.537,50 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage (Wert des Grundstücks - Grundstückswert) iHv € 72.500,00 fest.

3. Beschwerde

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass der ortsübliche Grundstückspreis in ORT derzeit bei € 65,- / m2 liege, womit sich bei einer Grundstücksgröße von 1.877 m2 ein Betrag von € 122.005,- ergäbe. Jedoch liege dieses Grundstück auf der südlichen Seite an der Hauptstraße, angrenzend auf einer stark befahrenen Landesstraße, womit eine wesentliche Wertminderung hinsichtlich Lärmbelästigung gegeben sei. Auch sei dieses Grundstück im Bereich der Hauptstraße nur 12,44 Meter breit und entspreche nicht den heutigen Ansprüchen von optimalen Bauplätzen in einer Grundstücksbreite von 20 Meter, womit eine weitere Wertminderung dieses Grundstückes feststehe.

Von den 1.877 m2 seien 1.011 m2 mit einem baufälligen alten Haus samt Nebengebäuden verbaut, das seien rund 54% der Gesamtgrundstücksfläche (siehe Datenauszug sowie beigelegte Bilder).

Das Haus sei bisher herrenlos, weise feuchtes Mauerwerk auf, weil keine Isolierung vorhanden sei und sei nicht mehr bewohnbar, sodass der gesamte Gebäudekomplex abgetragen werden müsse. Diese Abbruchkosten samt Entsorgung der anfallenden Materialien würden € 40.000,- betragen. Somit ergebe sich für dieses Grundstück der reelle Kaufpreis von € 69.000,- der auch als Höchstwert angesehen werden könne. Um einen höheren Betrag hätten die Bf. dieses Grundstück nicht erworben. Bedenke man auch, dass dieses Grundstück jahrelang brach gelegen, verwildert und verwahrlost sei, so sei es nachvollziehbar, dass sich bisher jahrelang kein Kaufinteressent dafür gefunden habe, obwohl sogar ein Immobilienmakler beauftragt worden sei.

Aus vorgenannten Gründen sei daher die Grunderwerbssteuer in der Höhe von gesamt € 2.415,- (3,5% von € 69.000,-) für diesen Grundankauf seitens des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel richtig zu stellen.

5. Beschwerdevorentscheidung

Am erließ das Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung und setzte die Grunderwerbsteuer je Erwerber mit € 1.207,50 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage iHv jeweils € 34.500,00 fest.

Die Begründung lautet jeweils wie folgt:

Antragsgemäß

6. Vorlageantrag

Im Vorlageantrag vom brachte der Bf. ergänzend vor, dass ein öffentlicher Notar darauf aufmerksam gemacht habe, dass bei Herrenlosigkeit, wie dies im Grundbuch KG*** ORT EZ*** Grundstücksnummer ** der Fall sei, aufgrund eines originären Eigentumserwerbes keine Grunderwerbsteuer anfalle.

Vorhalteverfahren des Finanzamtes

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. vom Finanzamt aufgefordert, das Schätzungsgutachten vorzulegen, den nach der Grundstückswertverordnung ermittelten Grundstückswert bekanntzugeben und einen allenfalls geringeren gemeinen Wert durch ein Gutachten nachzuweisen.

Das Antwortschreiben des Bf. vom (dem die erwähnten Unterlagen beilagen) hat folgenden Inhalt:

„Wie Sie in Ihrem Schreiben festhalten, sind Sie der Annahme, dass für das Herrenlose Gut KG*** EZ*** keine Gegenleistung vorhanden ist. Dies ist tatsächlich aber nicht so, da wir dafür € 69.000,-auf Raten bezahlen.

Im Anhang finden Sie die Verträge mit den drei Parteien, denen wir diesen Betrag abbezahlen, um die Liegenschaft unbelastet in unseren Besitz zu übertragen.

Sie finden im Anhang außerdem das Gutachten eines Sachverständigen vom . Wie daraus ersichtlich ist, war das Gebäude zu diesem Zeitpunkt schon unbewohnt. Bei den Bauschäden finden sich u.a. Mauerfeuchtigkeit in allen vorhandenen Mauern, massive Putz- und Mauerschäden sowie eine schadhafte Dacheindeckung. Desweiteren ist festgehalten, dass das Gebäude aufgrund des Streckhofes eine ungünstige Grundrissform aufweist und die Nutzungsmöglichkeit der Bauteile 2 bis 5 stark eingeschränkt ist. All diese Faktoren führten bis heute zu dem Verfall der beinahe gesamten Gebäude sowie einer Unnutzbarkeit, was uns Abbruchkosten von ca. € 50.000,- bis € 70.000,- verursachen wird.

Die Gebäude, welche 1.011 m2 von einer Gesamtnutzfläche von 1.877m2 ausmachen, haben für uns deshalb keinen Wert, sondern verursachen uns durch den Abbruch sogar noch erhebliche Kosten.

(Fotos des abbruchreifen Gebäudes haben wir Ihnen im Schreiben vom bereits übermittelt).

Laut dem Gutachten von 2010 wurde der Verkehrswert auf € 145.000,- inkl. MwSt geschätzt, lastenfreie Übergabe vorausgesetzt! -> da eine lastenfreie Übergabe aber erst nach Abbezahlung des mit den drei Parteien (FA, SVA und Gemeinde ORT) vereinbarten Betrages von € 69.000,- stattfindet, wäre der Verkehrswert - abgesehen von dem weiteren Verfall der Gebäude von 2010 bis heute - um die € 69.000,- zu verringern.

Mehr als € 69.000,- wären wir nie bereit gewesen dafür zu bezahlen, da dies für uns in keinster Weise rentabel gewesen wäre.“

Über neuerlichen Vorhalt legte der Bf. mit Schreiben vom dem Finanzamt eine von beiden Erwerbern unterzeichnete Grundstückswertberechnung vor, wonach der Grundstückswert insgesamt € 63.284,00 (ergibt anteilig je € 31.642,00) beträgt.

Vorlage der Beschwerde ans BFG

Mit Vorlagebericht vom (der in Kopie auch dem Bf. übermittelt wurde) legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin gab das Finanzamt noch folgende Stellungnahme ab:

"Nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG unterliegt der Grunderwerbssteuer der Erwerb des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Nach den EB zum GrEStG 1955 (556 Blg NR 7. GP) sollte durch das verwendete Wort "Erwerbung" klargestellt werden, dass unter § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG die Rechtsvorgänge des originären Erwerbes von Grundstücken fallen, wie etwa der Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung, durch Enteignungsbeschluss oder durch Ersitzung. Die Aneignung eines Grundstückes, das im Grundbuch als herrenloses Gut ausgewiesen ist, stellt einen originären Eigentumserwerb dar, der gem. § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Eine herrenlose Liegenschaft kann von jedermann durch Aneignung erworben werden. Die Zueignung (Okkupation) ist die Besitzergreifung einer herrenlosen Sache, mit dem Willen, an dieser Eigentum zu erwerben. Der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG ist nicht beschränkt auf bestimmte Arten des Erwerbs des Eigentums, falls kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Besteuert wird jeder Vorgang, durch den eine Rechtsänderung in Bezug auf ein inländisches Grundstück herbeigeführt wird. Eine Rechtsänderung setzt voraus, dass Rechte über ein Grundstück von einer Person auf eine andere Person übergehen (Rechtsträgerwechsel). Wenngleich der Erwerb herrenloser Grundstücke gem. § 387 ABGB neues Eigentum schafft, kann nicht gesagt werden, dass es an einem Veräußerer mangelt. Bei einer Dereliktion eines Grundstücks wird nämlich die Grundbuchseinlage nicht gelöscht. Es wird lediglich die Herrenlosigkeit des Grundstücks eingetragen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, durch die Okkupation des derelinquierten Grundstückes komme es zu keiner Rechtsänderung.“

Beweisaufnahme durch das BFG

Vom BFG wurde Beweis erhoben durch Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr*** und ergibt sich dadurch der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Weiters wurde noch Beweis erhoben durch Abfragen bei FINANZONLINE und im Abgabeninformationssystem des Bundes (kurz AIS) zu ErfNr*** sowie durch eine Grundbuchabfrage zu EZ*** Grundbuch 30028 ORT samt Einsicht in die Urkundensammlung.

Daraus ergeben sich nachstehende

II. Sachverhaltsfeststellungen:

Die Liegenschaft EZ*** Grundbuch 30028 ORT stand ursprünglich im Eigentum von ERBL, die am **.**.2008 verstorben ist. Die Liegenschaft war mit diversen Pfandrechten belastet.

Im Verlassenschaftsverfahren wurden zwei Schätzgutachten eingeholt, die zum Stichtag einen Schätzwert iHv € 202.800,00 und zum Stichtag einen Schätzwert iHv € 145.000,00 ergaben.

Zwei Termine zur Zwangsversteigerung – am und am – des BG X zur AZ **** verliefen mangels Angeboten erfolglos. Aufgrund dessen wurde das Zwangsversteigerungsverfahren von Amtswegen eingestellt.

Der erbliche Schwiegersohn der Verstorbenen bekundete gegenüber dem Gerichtskommissär sein Kaufinteresse an obgenannter Liegenschaft zu einem Kaufpreis von € 65.000;- lastenfrei. Auch mit anderen Kaufinteressenten, wie zum Beispiel dem erblichen Sohn der Verstorbenen, sowie dem ortsansässigen Immobilienmakler, konnte kein Verkauf zum Schätzpreis erzielt werden. Grund dafür waren in allen Fällen die zahlreichen auf der Liegenschaft grundbücherlich sichergestellten Forderungen.

Seitens der Finanzprokuratur wurde die Übernahme der Verlassenschaft samt der erblichen Liegenschaft als erblos abgelehnt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Y vom zu **** wurde dem Antrag des Verlassenschaftskurator, ihn zu ermächtigen, beim zuständigen Grundbuchsgericht den Antrag auf Eintragung der Herrenlosoigkeit der erblichen Liegenschaft zu stellen, abhandlungsbehördlich genehmigt. In der Begründung wurde ua ausgeführt, dass die Herrenlosigkeit auf die zahlreichen grundbücherlich sichergestellten Forderungen beziehungsweise den Dritten daraus erwachsenden Rechten keinen Einfluss hat.

Am erklärte der Verlassenschaftskurator gemäß der beschlussmäßiger Ermächtigung vom namens der Verlassenschaft nach ERBL das Eigentumsrecht an der Liegenschaft EZ*** KG*** ORT aufzugeben und willigte ein, dass ob der genannten Liegenschaft die Herrenlosigkeit angemerkt werde. Infolge dessen wurde sodann unter Tz 369/2012 im Grundbuch die Herrenlosigkeit der gegenständlichen Liegenschaft eingetragen.

Im Jahr 2012 wurde ein Gesuch der Republik Östereich um Zwangsversteigerung der gegenständlichen Liegenschaft zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von € 121.569,79 s.A. vom Gericht abgewiesen (****).

Auch die nunmehrigen Erwerber waren nicht bereit, den Schätzwert für die Liegenschaft zu bezahlen oder sämtliche aushaftenden Forderungen zu übernehmen. Bereits vor Abgabe der Aneignungserklärung erzielten sie mit den Pfandgläubigern Einigung darüber, unter welchen Bedingungen eine Zustimmung zur Löschung der Pfandrechte erteilt wird.

Mit der Republik Österreich wurde folgende Vereinbarung getroffen:

"Eine Anzahlung von EUR 10.000,00 ist binnen 14 Tagen nach Eintragung Ihres Eigentumsrechtes … einzuzahlen.

Der Restbetrag ist in 35 Monatsraten, … von je EUR 552,00 und einer Restrate von EUR 530,00 zu entrichten, sodass die Abschlagszahlung innerhalb von drei Jahren ab Verbücherung Ihres Eigentumsrechtes zur Gänze bezahlt ist.

Bei Verzug mit einer Rate tritt Terminsverlust ein. Die zu diesem Zeitpunkt noch aushaftende Forderung wird zur Gänze fällig und ist binnen 14 Tagen ab Fälligkeit zu bezahlen.“

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erklärte mit Schreiben vom , dass nach Bezahlung von € 39.150,00 (€ 13.000,00 bis und 120 Monatsraten zu € 217,92, 1. Rate fällig am , letzte Rate fällig am ) eine Pfandrechtslöschung ausgestellt werden kann.

Die Gemeinde ORT teilte mit Schreiben vom mit, dass sie für den Fall der Inbesitznahme durch BF und EHEFRAU-BF die Zusage erteilt, das unter C-LNr. 24a eingetragene Pfandrecht zur Löschung zu bringen und entsprechenden Einstellungs- und Löschungsanträge zu stellen.

Am unterzeichneten der Bf. und seine nunmehrige Ehegattin eine notariell beglaubigte Erklärung mit folgendem Inhalt, die dem Grundbuchsgericht vorgelegt wurde:

„Wir, BF, ..., und EHEFRAU-BF, …, erklären an Eides statt, das herrenlose Grundstück Nr**, inneliegend EZ***, KG*** ORT, am in Besitz genommen zu haben, dies mit dem Willen, darauf je zur Hälfte Eigentum zu erwerben.“

Unter der Tagebuchzahl 3630/2016 wurde im Grundbuch ob der gegenständlichen Liegenschaft zunächst das Eigentumsrecht für BF und EHEFRAU-BF vorgemerkt (mit der Anmerkung- „mangels UB“). Mittlerweile  sind BF und EHEFRAU-BF Huber je zur Hälfte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Im Zeitpunkt der Abgabe der Aneignungserklärung war die Liegenschaft noch mit den Pfandrechten zu Gunsten der Republik Österreich, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und der Gemeinde ORT belastet.

Die mit der Republik Österreich vereinbarten Ratenzahlungen wurde alle fristgerecht erfüllt und trat kein Terminverlust ein und wurden ist in der Zwischenzeit die Pfandrechte zugunsten der Republik Österreich und der Gemeinde ORT bereits gelöscht. 

Der Grundstückswert iSd Grundstückswertverordnung beträgt zum € 63.284,00.

III. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Einsicht in die vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr***, die durchgeführten Grundbuchsabfragen und dem damit im Einklang stehenden Vorbringen des Bf. in seinen Schriftsätzen.

Es liegt kein Hinweis dafür vor, dass die dem Finanzamt vom Bf. übermittelte Grundstückswertberechnung nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und wurde dazu auch vom Finanzamt kein dem entgegenstehendes Vorbringen erstattet.   

IV. Rechtslage und Erwägungen

1. Zur Verwirklichung eines grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorganges

Nach § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ua. folgende Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

Z 1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet;

Z 2. der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist;

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Ist die Wirksamkeit eines Erwerbsvorganges von einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.   

Die durch § 362 iVm §§ 386, 387 ABGB eröffnete Möglichkeit eines Eigentümers, sich seines Eigentumsrechtes zu begeben und die ihm gehörigern „Sachen" zu derelinquieren, wird von der überwiegenden Lehre auch für Grundstücke bejaht. Die Preisgabe erfolgt durch die tatsächliche Aufgabe des Besitzes mit dem Willen, das Eigentum aufzugeben (§ 362 ABGB). Sie ist eine Willensbetätigung und setzt voraus, dass der Wille zur Aufgabe des Eigentums aus dem verwirklichten äußeren Tatbestand zu erschließen ist. Bei fehlendem Willen geht das Eigentum nicht verloren. Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre besteht die Möglichkeit der Preisgabe unbeweglicher Sachen und deren Aneignung. Bei verbücherten Liegenschaften muss nach den das österreichische Sachenrecht beherrschenden Grundsätzen (§ 444 ABGB) die Preisgabe des Eigentums im öffentlichen Buch eingetragen werden, was durch die Einverleibung der Herrenlosigkeit bewirkt wird. Eine herrenlose Liegenschaft kann von jedermann durch Aneignung (Okkupation) erworben werden. Eigentümer wird derjenige, dessen Einverleibungsgesuch zuerst beim Grundbuchsgericht einlangt. Eine solche Aneignung eines Grundstückes iS des § 2 GrEStG unterliegt gemäß § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer (vgl Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band II, Rz 230b zu § 1 GrEStG).

Schon durch das GrEStG 1955 wurde in dieser Gesetzesstelle der im GrEStG 1940 verwendete Begriff „Übergang“ durch das Wort „Erwerbung“ (seit dem  GrEStG 1987 „Erwerb“) ersetzt. Dadurch sollte klargestellt werden, dass unter § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG die Rechtsvorgänge des originären Erwerbs von Grundstücken fallen. Demgegenüber wurde die ursprüngliche Fassung des GrEStG in Deutschland beibehalten, sodass das deutsche Grunderwerbsteuerrecht grundsätzlich nur solche Rechtsvorgänge erfassen will, bei denen ein Übergang von einem auf einen anderen Rechtsinhaber stattfindet.

Der klare Wortlaut des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG stellt ausdrücklich nur auf den Erwerb des Eigentums ab. § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG ist nicht beschränkt auf bestimmte Arten des Erwerbs des Eigentums, falls kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Zwischen einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG (Rechtsgeschäft mit Übereignungsanspruch in Bezug auf den Erwerb eines Grundstücks) und einem solchen nach § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG besteht aus steuerrechtlicher Sicht kein Unterschied.

Dadurch, dass die Antragstellerin bestätigte, das derelinquierte und herrenlose Superädifikat in Besitz genommen zu haben, wurde der Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG erfüllt. Die dem entgegenstehende Rechtsprechung des BFH vom , BStBl. III, 238, und vom , BStBl. II,488, 13 ist für die Auslegung der österreichischen Rechtslage ohne Bedeutung, weil es in Österreich – wie ausgeführt – nicht auf den „Übergang“, sondern auf den „Erwerb“ des Eigentums ankommt.

Besteuert wird jeder Vorgang, durch den eine Rechtsänderung in Bezug auf ein inländisches Grundstück herbeigeführt wird. Eine Rechtsänderung setzt voraus, dass Rechte über ein Grundstück von einer Person auf eine andere Person übergehen (Rechtsträgerwechsel). Wenngleich der Erwerb herrenloser Grundstücke gemäß § 387 ABGB neues Eigentum schafft, mangelt es nicht an einem Veräußerer. Bei einer Dereliktion eines Grundstücks wird nämlich – wie oben ausgeführt – die Grundbuchseinlage nicht gelöscht. Es wird lediglich die Herrenlosigkeit des Grundstücks eingetragen, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, durch die Okkupation des derelinquierten Grundstücks sei es zu keiner Rechtsänderung gekommen (vgl. Fellner, Aneignung eines herrenlosen Grundstücks, in SWK Heft-Nr 12/2012, 632).

Im gegenständlichen Fall wurde in der Erklärung vom ausdrücklich bestätigt, die Liegenschaft bereits in Besitz genommen zu haben. Auf Grund der Aneignungserklärung wurde auch das Eigentumsrecht je zur Hälfte auch im Grundbuch einverleibt.

Der Erwerb von jeweils einer Hälfte der Liegenschaft unterliegt daher nach § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

Der oben dargestellten Auffassung von Fellner folgend, ist daher im vorliegenden Fall die Grunderwerbsteuerschuld mit Bestätigung über die Inbesitznahme am entstanden.  

2. Höhe der Bemessungsgrundlage

Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 idF BGBl I 2015/118, in Geltung ab , ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen, mindestens aber vom Grundstückswert.

Dieser Grundstückswert ist entweder

- als Summe  des hochgerechneten (anteiligen) Bodenwertes   gemäß § 53 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955BewG. 1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes oder

  - in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes zu berechnen.

Die jeweils näheren Regelungen sind in der Grundstückswertverordnung (GrWV), BGBl II Nr. 442/2015, getroffen.

§ 4 Abs. 1 letzter Absatz GrEStG 1987 idgF. lautet:

"Weist ein Steuerschuldner nach, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als der nach der Verordnung ermittelte Grundstückswert, gilt der geringere gemeine Wert als Grundstückswert. Erfolgt dieser Nachweis durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die Vermutung der Richtigkeit für sich".

Gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 GrEStG 1987 gehören zur Gegenleistung Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten.

Solche Belastungen werden auch dann der Bemessungsgrundlage zugerechnet, wenn deren Übernahme nicht vereinbart ist. Zu diesen Belastungen gehören vor allem die auf dem Grundstück einverleibten Hypotheken im Ausmaß des am Stichtag aushaftenden Betrages. Durch diese Vorschrift soll erreicht werden, dass der Steuer der Wert des Grundstückes im unbelasteten Zustand unterzogen wird, indem jene Belastungen zur Bemessungsgrundlage zuzurechnen sind, die den Barkaufpreis bei der Preisvereinbarung entsprechend der bestehenden Belastung herabgesetzt haben. Unter „Belastungen“ sind hier im Gegensatz zu den sofort, mindestens aber in absehbarer Zeit fälligen Leistungen, auch noch nicht fällige Schulden zu verstehen. Aus § 5 Abs 2 Z 2 GrEStG 1987 ergibt sich, dass zur Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne auch diejenigen Lasten gehören, die abzulösen wären, wenn das Grundstück sofort lastenfrei übergehen würde. Dabei kommt es in zeitlicher Hinsicht darauf an, ob und in welcher Höhe Belastungen im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorganges bestehen ( und ).

Bei den im § 5 Abs 2 Z 2 GrEStG genannten „Belastungen“ spielt keine Rolle, ob der Erwerber diesbezüglich Haftungserklärungen abgegeben hat. Entscheidend ist allein, dass der Erwerber durch die Erfüllung (vorher und nachher) die Liegenschaft letztlich in diesem Umfang unbelastet erwirbt ().

Begriff und Umfang der Gegenleistung ergibt sich aus § 5 GrEStG 1987, wobei die Aufzählung im § 5 Abs. 1 GrEStG 1987 lediglich eine beispielsweise ist. Unter einer Gegenleistung ist jede geldwerte entgeltliche Leistung zu verstehen, die für den Erwerb des Grundstückes - in den Fällen der Abs. 2 und 3 des § 5 GrEStG 1987 auch nur mittelbar - zu entrichten ist. Überall dort, wo die Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung (§ 4 Abs. 1 GrEStG 1987) zu berechnen ist, weil eine solche vorliegt und ermittelt werden kann, bildet jede nur denkbare Leistung, die für den Erwerb des Grundstücks vom Erwerber versprochen wird, Teil der Bemessungsgrundlage. Der Umstand, dass im Einzelfall keiner der im § 5 Abs. 1 GrEStG 1987 genannten Vertragstypen vorliegt, steht einer Heranziehung der Grundsätze des § 5 GrEStG 1987 nicht entgegen (vgl. Fellner, aaO, Rz 1 bis 5 zu § 5 GrEStG 1987).

Eine Gegenleistung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein zur Übereignung verpflichtendes Rechtsgeschäft fehlt und der Eigentumsübergang selbst der Steuer unterliegt (BFH II R 48/73).

Im gegenständlichen Fall ist von den beiden Erwerbern insgesamt ein Betrag von € 69.000,00 aufzuwenden, um die Liegenschaft letztlich lastenfrei zu erwerben.

Das Pfandrecht der Republik Österreich, die sich bei einem Zahlungsverzug eine Fälligstellung der gesamten Forderung vorbehalten hat, ist inzwischen gelöscht und dadurch klargestellt, dass für die Ablöse dieses Pfandrechtes ein Betrag von insgesamt € 29.850,00 zu leisten war.

Für die Löschung des Pfandrechtes der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wurde ausdrücklich die Bezahlung eines Betrages von € 39.150,00 vereinbart, weshalb auch hier die Höhe der ursprünglich offenen Forderung keine Relevanz mehr zukommt.

Den Bf. ist daher beizupflichten, dass der Betrag von € 69.000,00, ds anteilig je € 34.500,00  die Gegenleistung für den Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft darstellt. Der Grundstückswert iSd Grundstückswertverordnung beträgt im gegenständlichen Fall € 63.284,00, weshalb hier der – höhere - Wert der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage anzusetzen ist.

Der gemeine Wert der Liegenschaft ist in der seit geltenden Rechtslage bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer – anders als in der zwischen und geltenden Rechtslage - nur mehr dann von Bedeutung, wenn der – nachgewiesene - gemeine Wert niedriger ist, als der Grundstückswert iSd Grundstückswertverordnung. Es sind daher keine weiteren Ermittlungen über die Höhe des gemeinen Wertes erforderlich.

Der Beschwerde ist daher teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung abzuändern.

Dem darüber hinausgehende Begehren kommt hingegen keine Berechtigung zu. 

V. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet w

Soweit überblickbar liegt bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage vor, ob der originäre Erwerb einer herrenlosen Liegenschaft durch Aneignung (Okkupation) gemäß § 1 Abs 1 Z 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102273.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at