Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.11.2019, RV/1100188/2018

Anforderungen an den Nachweis einer überwiegenden Verwendung im Ausland bei einem Fahrzeug mit inländischer Standortvermutung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache der Adr,

vertreten durch Reiner & Reiner Steuerberatungs- GmbH, Schillerstraße 22, 6890 Lustenau,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Normverbrauchsabgabe 04/2014

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen und Sachverhalt:

Im Hinblick auf den zu beurteilenden Sachverhalt wird auf das zur Geschäftszahl RV/1100437/2015 bereits durchgeführte Vorverfahren, das zu einem Beschluss über die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde führte sowie auf das Erkenntnis des , betreffend Kfz-Steuer, hingewiesen.

In der streitgegenständlichen Beschwerde erläuterte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter: Der Bescheid über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sich in Österreich befinde und aufgrund der Standortvermutung NoVA-Pflicht bestehe.

Entgegen der von der Abgabenbehörde vertretenen Standortvermutung sei aber das Fahrzeug überwiegend in Deutschland verwendet worden. So fahre die Beschwerdeführerin regelmäßig zu ihrem deutschen Wohnsitz, um dort ihren Lebensgefährten, aber auch Bekannte zu besuchen. Zudem überquere sie das große deutsche Eck, wenn sie zu ihrer in A studierenden Tochter fahre, oder sie kommen mit dem Fahrzeug zum Tanken, Waschen, für Reparatur-und Servicezwecke nach B.

Die steuerliche Vertretung führte in diesem Zusammenhang mehrere Tankstellen bzw. Autowerkstätten in B und C zur Zeugenschaft darüber an, dass sich das in Streit stehende Fahrzeug immer wieder dort zum Service, für Reparaturen, für Ölwechsel oder für den Reifenwechsel befunden habe.

Die kilometermäßige Aufstellung für Juni bis November 2014 zeige eine Nutzung von 83 % in Deutschland. Aus diesen Gründen finde die überwiegende Verwendung des Fahrzeuges in Deutschland statt. Die Standortvermutung sei daher hinfällig und es werde beantragt, den NoVA- Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Seitens der Abgabenbehörde erging in der Folge eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, die, ausgehend von der auf dem Mittelpunkt der Lebensinteressen beruhenden inländischen Standortvermutung die Entstehung der NoVA-Pflicht per annahm.

Die Beschwerdeführerin brachte daraufhin durch ihren steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Sie erläuterte, die vorgelegte kilometermäßige Aufstellung für Juni bis November 2014 zeige eine Nutzung des Fahrzeuges zu 83 % in Deutschland. Die überwiegende Verwendung des Fahrzeuges finde somit in Deutschland statt.

Ein ursprünglich eingebrachter Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Beschwerdesenat wurde im Zuge des Beschwerdeverfahrens zurückgezogen.

II. Ergänzungen des Sachverhalts:

  • Das Fahrzeug wurde im Zeitraum zwischen seiner Einbringung nach Österreich im Oktober 2013 und dem April 2014 immer wieder nach kurzer Zeit für Fahrten nach Deutschland verwendet.

  • Es stand das Jahr 2014 hindurch weiterhin in Verwendung der Beschwerdeführerin.

  • Die Beschwerdeführerin ist Hausfrau, die sich in ihrer Freizeit künstlerisch betätigt.

  • Es wurde kein Fahrtenbuch geführt.

  • Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde versucht, die Nutzung des Fahrzeuges für den Zeitraum Juni bis November 2014 anhand von Kalendereintragungen in Form einer Aufstellung zu rekonstruieren.

Die Sachverhaltsergänzungen beruhen auf der durch den steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin eingereichten Beantwortung des Fragenkataloges, den die Richterin des BFG im Rahmen ihres Beschlusses RV/1100437/2015 vom erstellte.

III. Gesetzliche Grundlagen:

Neben § 1 NoVAG 1991, § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, § 4 Z 3 NoVAG 1991, § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991 und § 36 KFG 1967 (vgl. ) ist zentrale Norm für den gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt § 82 Abs. 8 KFG 1967.

Demnach sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Der mit Gesetzesnovellierung (BGBl. I 2014/26) neu in § 82 Abs. 8 KFG 1967 eingefügte Satz, wonach eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet die Einmonatsfrist ab Einbringung nicht unterbricht, entfaltet seine Rechtswirksamkeit bei Sachverhalten, die nach dem verwirklicht wurden.

IV. Rechtliche Würdigung:

In dem die selbe Beschwerdeführerin betreffenden Erkenntnis zur Kfz-Steuer vom , RV/1100143/2018 - auf das verwiesen wird - hat das BFG herausgearbeitet:

  • Die Beschwerdeführerin ist im zu beurteilenden Zeitraum Verwenderin des in Streit stehenden Kfz.

  • Sie hat dieses Fahrzeug auf inländischen, öffentlich-rechtlichen Straßen benützt.

  • Ihr Hauptwohnsitz befindet sich an der Adresse Adr1.

  • Dort liegt auch der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen.

  • Ebenso ist  infolgedessen der dauernde Standort des Kraftfahrzeuges im Inland anzusiedeln.

Soweit eine Standortvermutung grundsätzlich durch Erbringung eines Gegenbeweises widerlegt werden kann, ist auszuführen:

Die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Fahrzeug seinen dauernden Standort entgegen der Vermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 außerhalb des Bundesgebietes hat, erfordert Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeugs. Aus diesen müssen sich tragfähige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung für Zwecke der Vollziehung des KFG einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes - zu welchem es demnach eine größere Bindung als zu Österreich hat - zuzuordnen ist. Ein Fahrzeug kann zwar in mehreren Staaten verwendet werden, jedoch nur in einem Staat einen dauernden Standort haben.

Dabei trifft den Verwender die Pflicht, dafür vorzusorgen, dass er die behauptete, im wesentlichen dauernde, Verwendung des Fahrzeuges in einem anderen Land durch Beweise dokumentieren kann (Beweisvorsorgepflicht).

Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes („Gegenbeweis“) ist eine Glaubhaftmachung der überwiegenden Verwendung in einem anderen Staat nicht ausreichend. Vielmehr muss die Behörde aufgrund der vorgelegten Beweise im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Vermutung des dauernden Standortes im Inland widerlegt ist.

Gelingt der Nachweis des dauernden Standortes in einem anderen Staat nicht, muss die Behörde für den angenommenen dauernden Standort im Inland nicht die überwiegende Verwendung im Inland nachweisen. Diese wird gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 vermutet (vgl. , mit Hinweisen auf weitere BFG-Judikate sowie auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung).

Umgelegt auf den Streitfall ist daraus abzuleiten:

Die in Beantwortung eines Ergänzungsersuchens erstmals im November 2017 - somit Jahre nach dem zu beurteilenden Streitzeitraum (2014) - eingereichte Rekonstruktion einer Fahrtenaufstellung ist kein geeigneter Gegenbeweis, um die inländische Standortvermutung zu widerlegen. Sogar im Antwortschreiben selbst wurde die Aufstellung als „Versuch einer Rekonstruktion“ bezeichnet, in der Überschrift der Liste sind die Kilometerangaben als "cirka- Angaben" bezeichnet.

Soweit Tankstellen-und Werkstattbetreiber, überwiegend in B, ein Werkstattbetreiber auch in C, zur Ablegung der Zeugenschaft darüber vorgeschlagen wurden, dass das in Streit stehende Fahrzeug dort zum Service gegeben bzw. betankt wurde, wird ein Eingehen darauf von Seiten des Bundesfinanzgerichtes nicht als der Entscheidungsfindung dienlich in Betracht gezogen. Zum einen sind die Betriebe nur mit vagen Adressangaben und ohne konkrete Namennennungen umschrieben, zum anderen können von nicht einmal persönlich benannten Menschen im Ausland nach Verstreichen von nun schon mehr als fünf Jahren nach der Lebenserfahrung realistischerweise keine beweiskräftigen Aussagen zur Thematik mehr erwartet werden.

Es mutet zudem nicht ungewöhnlich an, dass in E wohnhafte Autofahrer allenfalls im grenznahen B, einem beliebten Ausflugs- und Einkaufsziel, tanken oder einen Autoservice in Anspruch nehmen.

Indem daher die Beschwerdeführerin als Verwenderin eines Fahrzeuges mit Auslandsbezug weder ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt, noch andere geeignete Nachweise aufbewahrt und beigebracht hat, ist sie ihrer Beweisvorsorgepflicht nicht nachgekommen.

Die Verwendung des Fahrzeuges ohne Zulassung war daher nur während eines Monats ab Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Seit der Neufassung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 unterbricht eine vorübergehende Verbringung eines Fahrzeuges in das Ausland die Monatsfrist nicht mehr, weshalb die Verwendung des in Streit stehenden Kfz auf inländischen Straßen nur einen Monat ab Inkrafttreten des § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF BGBl. I 2014/26 am zulässig war, d. h., sie war ab widerrechtlich.

Die Festsetzung der NoVA für den Zeitraum 04/2014 gemäß § 1 NoVAG 1991 iVm § 82 Abs. 8 KFG 1967 erfolgte daher zu Recht und die Beschwerde war spruchgemäß abzuweisen.

V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu behandelnde Rechtsfrage findet Deckung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 4 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 36 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100188.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at