Schätzung von Fahrtkosten bei Einkünften aus einem freien Dienstverhältnis
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensverlauf
Laut Mitteilung gemäß § 109a EStG 1988 bezog der Berufungswerber (nunmehr Beschwerdeführer, in weiterer Folge abgekürzt Bf) im streitgegenständlichen Jahr 2009 als freier Dienstnehmer der T-Gmbh ein Entgelt iHv 15.817,52 Euro.
Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Bf ua für das Jahr 2009 eine Einkommensteuererklärung nachzureichen. Da der Bf diesem Ersuchen nicht nachkam, setzte die belangte Behörde mit Bescheid vom die Einkommensteuer 2009 von Amts wegen mit 703,52 Euro fest. Dabei wurden die Einkünfte aus Gewerbetrieb anhand der Mitteilung gemäß § 109a EStG 1988 im Schätzungswege ermittelt und vom Entgelt iHv 15.817,52 Euro der Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung iHv 2.591,73 Euro sowie die an die Vorsorgekasse eingezahlten Beiträge iHv 238,35 Euro in Abzug gebracht.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 erhob der Bf am fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung (nunmehr Beschwerde) und beantragte die steuerliche Berücksichtigung von Fahrkosten iHv insgesamt 3.940 Euro. Zur Begründung führte der Bf zusammengefasst aus, dass er bis einschließlich November 2009 täglich von seinem Wohnort in Bundesland zum Dienstort in C habe pendeln müssen. Im Zeitraum Jänner bis November 2009 seien ihm dadurch Treibstoffkosten iHv 2.400 Euro für die Fahrt mit dem Pkw vom Wohnort zum Hauptbahnhof B sowie Kosten für öffentliche Verkehrsmittel iHv 1.540 Euro für die Fahrten nach bzw in C entstanden.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bf um Vorlage eines Fahrtenbuches und belegmäßigen Nachweis der geltend gemachten Kosten. Der Bf teilte der belangten Behörde daraufhin mit, dass es ihm nach über 3 Jahren nicht mehr möglich sei, Fahrscheine bzw ein Fahrtenbuch (welches er nie geführt habe) vorzulegen. Zum Beweis der Fahrtkosten könne er lediglich auf seinen damaligen Meldezettel verweisen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Berufung (nunmehr Beschwerde) als unbegründet ab und führte zur Begründung aus, dass die beantragten Betriebsausgaben nicht nachgewiesen worden seien.
Am stellte der Bf den Antrag auf Entscheidung über die Berufung (nunmehr Beschwerde) durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte neuerlich vor, dass es ihm nicht möglich sei, die beantragten Fahrtkosten belegmäßig nachzuweisen.
Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte ergänzend aus, dass mangels Nachweis oder Glaubhaftmachung die Anerkennung der Reisekosten zu versagen gewesen sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Der Bf war im Jahr 2009 als freier Dienstnehmer bei der T-Gmbh beschäftigt und erzielte aus dieser Tätigkeit – einschließlich des Dienstnehmeranteils zur Sozialversicherung iHv 2.591,73 Euro und der an die Vorsorgekasse eingezahlte Beiträge iHv 238,35 Euro – ein Entgelt iHv 15.817,52 Euro.
Bis einschließlich November 2009 hatte der Bf seinen Hauptwohnsitz in PLZ1 A, anschließend übersiedelte er nach PLZ2 C. Die Strecke zwischen Wohn- und Dienstort legte er von Jänner bis November 2009 zum Teil mit dem Pkw, zum Teil mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück.
Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz in A und dem Hauptbahnhof B beträgt 21,2 Straßenkilometer. Die Kosten einer Monatskarte für die Fahrt von B nach C inklusive Fahrten innerhalb Cs betrugen im Zeitraum Jänner bis Juni 2009 151,50 Euro monatlich, im Zeitraum Juli bis November 2009 157,40 Euro monatlich. Die Kosten einer Monatskarte für die Fahrt von A nach C inklusive Fahrten innerhalb Cs betrugen im Zeitraum Jänner bis Juni 2009 163,50 Euro monatlich, im Zeitraum Juli bis November 2009 169,50 Euro monatlich.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf das Vorbringen des Bf, den Inhalt der vorgelegten Akten sowie den elektronischen Steuerakt.
Die Straßenkilometer wurden dem Online-Kartendienst Google Maps entnommen. Die Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel wurden dem Bundesfinanzgericht auf Anfrage von der VOR-GmbH mitgeteilt.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung
Im vorliegenden Fall ist die Berücksichtigung von Fahrtkosten als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Bf aus Gewerbebetrieb strittig.
Gemäß § 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Gemäß § 138 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.
Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Gemäß § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag.
Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Tätigkeit auf Grund eines freien Dienstvertrages sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abzugsfähig. Darunter fallen beispielsweise Fahrscheine, Wochen- bzw Monatskarten für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmittel oder tatsächliche Kfz-Kosten bzw das amtliche Kilometergeld für Fahrten mit dem eigenen Pkw. Abzugsfähig als Fahrkosten sind immer (nur) die tatsächlichen Kosten und zwar auch zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Betriebsausgaben sind dem Grunde und der Höhe nach nachzuweisen bzw – wenn der Nachweis dem Abgabepflichtigen nicht zugemutet werden kann – glaubhaft zu machen. Steht fest, dass eine Betriebsausgabe vorliegt, ist aber ihre Höhe nicht erwiesen, so ist die Behörde zur Schätzung nach § 184 BAO berechtigt (vgl Doralt, EStG 198819, § 4 Tz 269f).
Aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens ist davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit auch betrieblich verursachte Aufwendungen entstehen. Liegen diesbezüglich keine bzw keine glaubwürdigen Unterlagen vor, kann eine Schätzung der Betriebsausgaben erfolgen ().
Können die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt (berechnet) werden, so sind sie zu schätzen; die Schätzung sbefugnis erstreckt sich neben dem Sachverhalt der Höhe nach auf den Sachverhalt dem Grunde nach (Ritz, BAO6, § 184 Tz 1). Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl Ritz, BAO6, § 184 Tz 3, mit Verweis auf ; , 98/14/0026; , 96/14/0111; , 2009/17/0119 bis 0122).
Im konkreten Fall ist davon auszugehen, dass dem Bf iZm seiner gewerblichen Tätigkeit auch Kosten für die Fahrten zwischen Wohnort und Dienstort entstanden sind. Die Besteuerung der Einkünfte ohne Berücksichtigung dieser Fahrkosten, wie es im angefochtenen Bescheid erfolgt ist, ist mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht vereinbar.
Der Bf konnte diesbezüglich aber weder Aufzeichnungen (zB ein Fahrtenbuch) noch belegmäßige Nachweise (Tankrechnungen, Fahrscheine etc) vorlegen.
Hinsichtlich des mit dem Pkw zurückgelegten Streckenteils (Wohnort – B Hauptbahnhof) hat der Bf angegeben, dass ihm im Zeitraum Jänner bis November 2009 Treibstoffkosten iHv insgesamt 2.400 Euro (50 Euro pro Woche x 48 Wochen) entstanden seien. Zu diesen Angaben ist festzuhalten, dass einerseits die Kosten angesichts der Entfernung (ca 21 km pro Strecke) als zu hoch erscheinen und andererseits Angaben über die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten fehlen. Bei der gegebenen Sachlage kommen mangels Kenntnis der maßgebenden Umstände für das Bundesfinanzgericht weder die tatsächlichen Kfz-Kosten noch der Ansatz des amtlichen Kilometergeldes als Schätzungshilfe in Frage.
Hinsichtlich des mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Streckenteils (B Hauptbahnhof – Dienstort) hat der Bf Kosten iHv insgesamt 1.540 Euro (140 Euro pro Monat x 11 Monate) geltend gemacht. Diese Angaben sind im Wesentlichen zutreffend bzw wurden die Kosten vom Bf etwas zu niedrig angesetzt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Kosten einer Netzkarte aber nach Maßgabe der beruflichen (hier betrieblichen) und privaten Nutzung in Komponenten mit unterschiedlichem einkommensteuerlichen Schicksal aufzuteilen ().
Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass eine Schätzung der Fahrtenkosten in Höhe von 1.462,80 Euro (das entspricht den Kosten der Monatskarten für die Fahrten zwischen Wohn- und Dienstort für den Zeitraum Jänner bis November 2009 iHv 6 x 163,50 Euro plus 5 x 169,50 Euro unter Berücksichtigung eines 20%igen Privatanteils iHv 365,70 Euro) den tatsächlichen Verhältnissen ausreichend Rechnung trägt.
Im Übrigen wird der Bf auf die oben angeführten und von Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Grundsätze verwiesen, wonach jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist und derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt, die mit der Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen muss.
Als Betriebsausgaben werden daher Fahrtkosten iHv 1.462,80 Euro anerkannt. Die Einkünfte aus Gewerbetrieb reduzieren sich dadurch von bisher 12.987,44 Euro auf nunmehr 11.524,64 Euro. Zur Berechnung der Einkommensteuer des streitgegenständlichen Jahres 2009 wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Die Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind deshalb grundsätzlich keiner Revision zugängig. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Schätzung der geltend gemachten Fahrtkosten sind hingegen durch die zitierte höchstgerichtliche Judikatur ausreichend geklärt.
Beilagen: 1 Berechnungsblatt für das Jahr 2009
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 138 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101295.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at