ECTS-Punktenachweis als Maßstab für ein ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner
in der Beschwerdesache der Adr,
betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom hinsichtlich Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für A für den Zeitraum 10/2016 bis 09/2018
zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verwaltungsgeschehen:
Der angefochtene Bescheid enthielt die Begründung, A, der Sohn der Beschwerdeführerin, habe sein B-studium an der Universität C lediglich im Studienjahr 2015/16 zielstrebig betrieben, weshalb für den Zeitraum ab Oktober 2016 die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag zurückgefordert worden sei.
Für den Anspruch auf Familienbeihilfe sei ein Prüfungsnachweis von mindestens 16 ECTS pro Studienjahr erforderlich. A habe im Studienjahr 2016/17 lediglich drei ECTS, in Studienjahr 2017/18 bloß 12,5 ECTS nachweisen können.
In ihrer dagegen eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus:
A habe im Studienjahr 2015/16 den für das erste Studienjahr geforderten Nachweis von mindestens 16 ECTS-Punkten aus Wahl- und Pflichtfächern erbracht. Er habe insgesamt Prüfungen über 27 ECTS-Punkte abgelegt. In weiterer Folge müsse durch Zeugnisse nur noch die Ernsthaftigkeit der Fortsetzung des Studiums nachgewiesen werden. Dieses Erfordernis sei jedenfalls dann erfüllt, wenn pro Semester zumindest eine Prüfung positiv abgelegt werde, was bei A sowohl im Studienjahr 2016/17 als auch im Studienjahr 2017/18 der Fall sei.
Der angefochtene Rückforderungsbescheid sei daher aufzuheben und die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag für A ab Oktober 2016 zuzuerkennen.
In einer daraufhin ergehenden abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde seitens des Finanzamtes nach allgemeinen Ausführungen und Hinweisen auf die gesetzlichen Grundlagen erläutert:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Für die Berechtigung zu der Annahme, dass ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde, stelle das Gesetz die Beweisregel auf, nach welcher Studierende ab dem ersten Studienjahr die positive Ablegung einer Mindestanzahl an Prüfungen nachzuweisen hätten.
A habe in den zurückgelegten Studienjahren nachstehende ECTS-Punkte erreicht: 27 (Studienjahr 2015/16), 3 (Studienjahr 2016/17), 13,5 (Studienjahr 2017/18). Zudem habe er im Studienjahr 2016/17 2 Prüfungen mit negativem Erfolg, im Studienjahr 2017/18 3 Prüfungen mit negativem Erfolg abgelegt. Er habe nebenbei auf geringfügiger Basis für verschiedene Arbeitgeber gearbeitet.
Da er im zweiten und dritten Studienjahr den Mindeststudienerfolg von 16 ECTS-Punkten/Studienjahr nicht erreicht habe, könne nicht von einem ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studium gesprochen werden und bestehe für A kein Anspruch auf Familienleistungen.
Die Beschwerdeführerin brachte in der Folge einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte darin aus:
Ihr Sohn habe den für das erste Studienjahr erforderlichen Nachweis erbracht, indem er in diesem Jahr Prüfungen über 27 ECTS-Punkte abgelegt habe. Für die folgenden Studienjahre habe er zumindest je eine Prüfung positiv absolviert, was für den Familienbeihilfenbezug ausreiche.
Der notwendige Leistungsnachweis sei somit auch für die Studienjahre 2016/17 und 2017/18 erbracht worden.
II. Sachverhalt:
A, der Sohn der Beschwerdeführerin, ist am aabb.1994 geboren.
Er nahm im Wintersemester 2015/16 das Bachelorstudium der B an der Universität C auf.
Im Studienjahr 2015/16 legte er Prüfungen im Umfang von 27 ECTS-Punkten ab.
Im Studienjahr 2016/17 erreichte er 3, im Studienjahr 2017/18 13,5 ECTS-Punkte.
A war nebenbei auf geringfügiger Basis bei mehreren abwechselnden Arbeitgebern berufstätig.
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.
III. Gesetzliche Grundlagen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten ….
Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder aus Prüfungen von Wahl- und Pflichtfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird ….
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Falle zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge anzuwenden.
IV. Rechtliche Würdigung:
Strittig ist: Stand der Sohn der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum in einer den Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe begründenden Berufsausbildung?
Basierend auf den vorhandenen gesetzlichen Grundlagen hat die höchstgerichtliche Rechtsprechung herausgearbeitet, dass von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung in Form eines Studiums nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Ablegung von Prüfungen in einem bestimmten Mindestumfang pro Nachweiszeitraum, d. h., pro Studienjahr, erfolgt ().
Maßstab für die Bemessung des Studienerfolges sind die ECTS-Punkte, die den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende pro Studienjahr angeben. Das Arbeitspensum für ein Studienjahr umfasst generell Studienleistungen von 60 ECTS-Punkten. Bei dem laut FLAG erforderlichen Leistungsnachweis von (nur) 16 ECTS-Punkten handelt es sich um lediglich etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt.
Da die Familienbeihilfe eine Familienleistung im klassischen Sinne und keine unmittelbare Form der Studienförderung darstellt, wird das niedrig angesetzte Anforderungsniveau als vertretbar erachtet (vgl. Romana Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 70).
Werden im Nachweiszeitraum keine Prüfungen oder Prüfungen in einem Umfang von weniger als 16 ECTS-Punkten abgelegt, so liegt keine Berufsausbildung vor, die zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
Die bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums etwa, ist als reiner Formalakt nicht geeignet, eine Berufsausbildung nachzuweisen und damit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen (Hermann Hebenstreit, aaO, § 26, Rz, 5 aa)).
Soweit also die Beschwerdeführerin im Zuge des Beschwerdeverfahrens die nicht näher substantiierte Auffassung vertreten hat, dass nach Erreichen des für das erste Studienjahr erforderlichen Studienerfolges in den Folgejahren bloß eine erfolgreich abgelegte Prüfung pro Semester nachzuweisen sei, kann ihr nicht gefolgt werden.
Indem vielmehr A jeweils das mit 16 ECTS pro Nachweiszeitraum (Studienjahre 2016/17 und 2017/18) ohnehin niedrig angesetzte Anforderungsniveau (siehe oben) unterschritten hat, kann von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung nicht mehr ausgegangen werden, weshalb der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages erloschen ist.
Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge wurden daher für den Streitzeitraum zu Unrecht bezogen und sind gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzuerstatten.
Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ist von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. Deshalb ist z.B. auch der Einwand des gutgläubigen Verbrauches der bezogenen Leistungen unbeachtlich (vgl. Herrmann Hebenstreit aaO, § 26, Rz 4).
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100227.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at