Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.11.2019, RV/5100074/2019

Kein Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe während Maßnahmenvollzug

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Linz vom zu VNR, mit dem ein Eigenantrag vom , eingelangt am , auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2016 bis August 2017 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Vom Bundessozialamt wurde im Jahr 2006 festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einer paranoiden Schizophrenie leidet, er voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und „das Leiden vor dem 21. Lebensjahr begann“.

Das Finanzamt bejahte daher das Vorliegen eines Eigenanspruches des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d iVm Abs. 5 FLAG und gewährte ihm erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag).

Der Beschwerdeführer bezieht eine Invaliditätspension der Pensionsversicherungsanstalt.

Im Zuge einer Überprüfung des Beihilfenanspruches erlangte das Finanzamt am Kenntnis davon, dass der Beschwerdeführer im Forensischen Zentrum in X untergebracht ist. Daraufhin wurde die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe eingestellt.

Der damals für den Beschwerdeführer bestellte Sachwalter beantragte mit Schriftsatz vom , eingelangt am , die erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2016 zu gewähren. Der Beschwerdeführer befinde sich seit Dezember 2015 im Maßnahmenvollzug. Während dieser Unterbringung gemäß § 21 Abs. 1 StGB bestehe gemäß § 324 Abs. 4 ASVG eine Pensionsteilung zugunsten des Bundes. Ein Kostenbeitrag (des Beschwerdeführers) an den Bund schließe eine Anstaltspflege aus, weshalb der Beschwerdeführer Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe habe.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. In der Begründung wurde ausgeführt, dass beim Eigenanspruch von Kindern, denen die Eltern nicht überwiegend Unterhalt leisten (§ 6 Abs. 5 FLAG), der Anspruch auf Familienbeihilfe voraussetze, dass sich das Kind nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder Sozialhilfe in Heimerziehung bzw. in Haft oder einer forensischen Einrichtung befindet. Hier leuchte der Gedanke hervor, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorge. Dies sei bei einer Unterbringung in einer forensischen Einrichtung (gegenständlich seit Dezember 2015) der Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom damals bestellt gewesenen Sachwalter eingebrachte Beschwerde vom , eingelangt am . Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer gemäß § 324 Abs. 4 ASVG monatlich mit 80 % seiner Pension, damals 680,40 €, zu den Kosten seiner Unterbringung im Forensischen Zentrum X beitrage. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () liege eine den Beihilfenanspruch ausschließende Anstaltspflege nicht vor, wenn die untergebrachte Person selbst (auf Grund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches) zu ihrem Unterhalt beitrage. Eine Kostentragung durch die öffentliche Hand zur Gänze liege in diesem Fall nicht vor.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Nach § 31 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes hätten Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen für den Unterhalt von Strafgefangenen zu sorgen. Dies gelte auch für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB. Dass gemäß § 32 Abs. 1 StVG für die Zeit der Unterbringung ein Teil der Pension zum Ersatz der Haftkosten einbehalten wird, ändere nichts an der Verpflichtung der Anstalt, für den Unterhalt des Beschwerdeführers zu sorgen. § 6 Abs. 5 FLAG finde in diesem Fall daher keine Anwendung. Nach der jüngeren Judikatur des VwGH bestehe ab dem Zeitpunkt des Maßnahmenvollzuges kein Anspruch auf Familienbeihilfe (vgl. ). Im Beschwerdefall sei der typischerweise anfallende Unterhalt in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG erfasst. Die für einen nach § 21 Abs. 1 StGB Verurteilten verbleibenden Restbedürfnisse änderten daran nichts.

Im Vorlageantrag vom wurde vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshofes habe sich in der Entscheidung vom mit der Frage zu befassen gehabt, ob während einer Strafhaft ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe. Im Gegensatz zum Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB ruhe die Pension während der Strafhaft (vgl § 89 Abs. 1 Z 2 ASVG). In § 324 Abs. 4 ASVG sei eine Pensionsteilung im Wege der Legalzession für den Fall vorgesehen, dass ein Pensionsberechtigter nach § 21 Abs. 1 StGB auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist. Der Beschwerdeführer trage mit 80 % seiner Pension monatlich zu den Kosten seiner Unterbringung im Forensischen Zentrum X bei. Zusätzlich habe er nach wie vor (in der Beschwerde näher dargestellte) Ausgaben (für Kaffee, Filter, Zigaretten, Naschereien, Getränke, Bekleidung und diverse Anschaffungen wie MP3-Player, CD´s, Kopfhörer, Bücher, Uhr, Handy und dergleichen) zu bestreiten. Ein Anspruchsverlust, der sich allein auf die Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB stütze, stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es ausschließlich auf die Kostentragung durch die öffentliche Hand zur Gänze ankomme (). Schließlich käme ein Entzug der erhöhten Familienbeihilfe im Falle einer Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB, unabhängig davon, ob ein Beitrag zu den Unterbringungskosten geleistet wird, einer im österreichischen Strafrecht verpönten Bestrafung von schuldunfähigen Straftätern gleich.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Ferner teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht am mit, dass die Erwachsenenvertretung (vormals Sachwalterschaft) für den Beschwerdeführer mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom beendet worden sei. Im auszugsweise vorgelegten Beschluss wird dies damit begründet, dass sich der Beschwerdeführer weiterhin im Forensischen Zentrum X befinde und dort sowohl medizinisch als auch sozial die notwendige Versorgung erhalte. Mit Hilfe des vorhandenen Unterstützungssystems sei er ausreichend handlungs- und entscheidungsfähig.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt, insbesondere der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Forensischen Zentrum X im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, ist unstrittig. Zu klären ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Rechtsfrage, ob im Hinblick auf diese Unterbringung des Beschwerdeführers ein Eigenanspruch auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe besteht.

Rechtslage

§ 6 FLAG 1967, zuletzt geändert durch BGBl I 77/2018, normiert auszugsweise (Hervorhebungen durch das BFG):

§ 6 (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie …

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, …

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

§ 55 Abs. 39 FLAG bestimmt:

§ 6 Abs. 1 lit. d, Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des BGBl. I Nr. 77/2018 tritt mit in Kraft.

Im Strafvollzugsgesetz wird auszugsweise normiert:

§ 1 Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist:

3. Strafgefangener: jeder Verurteilte, an dem eine in einem Strafurteil verhängte Freiheitsstrafe vollzogen wird;

4. Untergebrachter: jede Person, an der eine mit Freiheitsentziehung verbundenevorbeugende Maßnahme vollzogen wird;

§ 31 (1) Die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen.

§ 32 (1) Soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§ 31 Abs. 1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges zu leisten.

§ 165 (1) Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches gelten folgende besondere Bestimmungen:

1. Die Untergebrachten sind unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 20 bis 129 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, dürfen dabei nur insoweit beschränkt werden, als dies zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerläßlich ist. Die Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 119 bis 122 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, sowie die Menschenwürde der Untergebrachten dürfen nicht beeinträchtigt werden. Beschwerden, von denen es offensichtlich ist, daß ihre Erhebung ausschließlich auf die geistige oder seelische Abartigkeit des Untergebrachten und nicht auf eine Beeinträchtigung seiner Rechte zurückzuführen ist, sind jedoch ohne förmliches Verfahren zurückzulegen.

2. Die Z 1 gilt dem Sinne nach auch für allgemein oder im Einzelfall getroffene Anordnungen hinsichtlich der Pflichten der Untergebrachten sowie hinsichtlich der Maßnahmen gegenüber Untergebrachten, die Handlungen begangen haben, die bei einem Strafgefangenen als Ordnungswidrigkeiten anzusehen wären; solche Maßnahmen dürfen außerdem den Untergebrachten in ihrer Gesamtauswirkung keiner ungünstigeren Behandlung unterwerfen, als dies bei einem Strafgefangenen zulässig wäre.

(2) Soweit sich aus Abs. 1 nichts anderes ergibt, gelten auch für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches die Bestimmungen des § 166.

§ 167 (1) Soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, gelten die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 dem Sinne nach.

§ 21 StGB bestimmt:

(1) Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

§ 324 Abs. 3 und 4 ASVG normieren:

(3) Wird ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Trägers der Sozialhilfe oder auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Alters(Siechen)heim oder Fürsorgeerziehungsheim, einer Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke, einer Trinkerheilstätte oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. außerhalb einer dieser Einrichtungen im Rahmen eines Familienverbandes oder auf einer von einem Träger der öffentlichen Wohlfahrtspflege oder von einer kirchlichen oder anderen karitativen Vereinigung geführten Pflegestelle verpflegt, so geht für die Zeit dieser Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension (einschließlich allfälliger Zulagen und Zuschläge) bis zur Höhe der Verpflegskosten, höchstens jedoch bis zu 80 vH, wenn der Renten(Pensions)berechtigte aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung für den Unterhalt eines Angehörigen zu sorgen hat, bis zu 50 vH dieses Anspruches auf den Träger der Sozialhilfe oder auf den Träger der Jugendwohlfahrt über; das gleiche gilt in Fällen, in denen ein Renten(Pensions)berechtigter auf Kosten eines Landes im Rahmen der Behindertenhilfe in einer der genannten Einrichtungen oder auf einer der genannten Pflegestellen untergebracht wird, mit der Maßgabe, daß der vom Anspruchsübergang erfaßte Teil der Rente (Pension) auf das jeweilige Land übergeht. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich für jeden weiteren unterhaltsberechtigten Angehörigen um je 10 v. H. dieses Anspruches. Der vom Anspruchsübergang erfaßte Betrag vermindert sich in dem Maß, als der dem unterhaltsberechtigten Angehörigen verbleibende Teil der Pension (Rente) zuzüglich seines sonstigen Nettoeinkommens (§ 292 Abs. 3) den jeweils geltenden Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb nicht erreicht. Die dem Renten(Pensions)berechtigten für seine Angehörigen zu belassenden Beträge können vom Versicherungsträger unmittelbar an die Angehörigen ausgezahlt werden.

(4) Abs. 3 ist sinngemäß auch in den Fällen anzuwenden, in denen eine renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches oder nach § 179a des Strafvollzugsgesetzes auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht ist, und zwar so, dass der vom Anspruchsübergang erfasste Betrag dem Bund gebührt. Diesen Betrag kann der Versicherungsträger unmittelbar an jene Anstalt oder Einrichtung auszahlen, in der die renten(pensions)berechtigte Person oder eine Person mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld untergebracht ist.

Erwägungen

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom , 99/15/0210, noch aus, dass eine – den Beihilfenanspruch ausschließende – Anstaltspflege im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG nur dann vorliege, wenn der Unterhalt der behinderten Person unmittelbar und zur Gänze durch die öffentliche Hand gewährt werde. Dies sei nicht der Fall, wenn zum Unterhalt durch die untergebrachte Person selbst beigetragen werde.

Im Erkenntnis vom , 2011/16/0173 vertrat der Verwaltungsgerichtshof dagegen die Ansicht, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe. Wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, sei ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen, auch wenn vom Anspruchsberechtigen hinsichtlich verbleibender Restbedürfnisse des Kindes Leistungen erbracht werden.

Diese Rechtsansicht wiederholte der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner Entscheidung vom , Ra 2014/16/0014.

Am wurde im Parlament ein Initiativantrag von Abgeordneten eingebracht (386/A XXVI. GP), der die mit BGBl I 77/2018 in weiterer Folge auch beschlossenen Änderungen des FLAG zum Inhalt hatte. Begründet wurde der Abänderungsantrag auszugweise wie folgt:

Für den Fall, dass keinem Elternteil ein Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, besteht durch eine Sonderregelung die subsidiäre Möglichkeit, dass das Kind für sich selbst die Familienbeihilfe beanspruchen kann (Eigenanspruch auf Familienbeihilfe). Ein solcher Eigenanspruch ist nach der derzeitigen Rechtslage ausgeschlossen, wenn sich die Kinder auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder (überwiegend) durch die öffentliche Hand gedeckt ist, ein Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wobei es nicht auf die Form der Unterbringung ankommt. Die in diesem Zusammenhang stehende Thematik, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten trotzdem einen Anspruch vermitteln kann, ist durch eine gesetzliche Präzisierung zu lösen.

Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.

Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierten Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Nach der durch die Novelle des BGBl I 77/2018 ab geltenden Rechtslage steht daher der Umstand, dass der Unterhalt einer Person nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sondern die öffentliche Hand nur den typischen Unterhalt abdeckt, dem Beihilfenanspruch nicht entgegen. Der Beitrag des Beschwerdeführers zur Deckung seines Unterhaltes (aufgrund der Legalzession seiner Pensionsansprüche nach den zitierten Bestimmungen des ASVG) stünde daher dem Eigenanspruch des Beschwerdeführers auf erhöhte Familienbeihilfe nicht entgegen.

Im Zuge der Novellierung des FLAG durch das BGBl I 77/2018 wurde dem § 6 Abs. 5 FLAG aber auch die Bestimmung des Abs. 6 angefügt, wonach der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für Personen im Sinne des § 1 Zif. 3 und 4 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wurde.

Dem bereits zitierten Initiativantrag sowie dem insoweit gleichlautenden Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend (292 der Beilagen XXVI. GP) ist dazu zu entnehmen:

Im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden, bei welchen es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, soll ein Eigenanspruch der betroffenen Personen ausgeschlossen werden.

Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser betroffenen Personen umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.

In diesen Fällen folgte der Gesetzgeber damit der oben aufgezeigten jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließe (in diesem Sinne auch ).

Während jener Zeit, in der sich der Beschwerdeführer somit gemäß § 21 Abs. 1 StGB im Maßnahmenvollzug im Sinne des § 1 Zif. 4 Strafvollzugsgesetz im Forensischen Zentrum X befindet, ist ein Eigenanspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ausgeschlossen. Da dies im beschwerdegegenständlichen Zeitraum unbestritten der Fall gewesen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Ausschluss des Beihilfenanspruches für Personen im Sinne des § 1 Zif. 4 des Strafvollzugsgesetzes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 6 Abs. 6 FLAG). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, die einer Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfte. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. ).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100074.2019

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