Die EU-Körperschaft wurde vom Inland aus geleitet und daher findet keine Vorsteuererstattung statt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde - Finanzamt Graz-Stadt - vom , betreffend Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume 1-3/2016, 4-6/2016 und 7-9/2016 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) handelt es sich um eine in der Slowakei domizilierte s.r.o. (Gesellschaft), die einer inländischen GmbH entspricht. Das Gesellschaftskapital wird zur Gänze von einem im Inland ansässigen Gesellschaftergeschäftsführer gehalten.
Die für die Voranmeldungszeiträume eingereichten Erstattungen an Vorsteuern für ausländische Unternehmer ohne Sitz und Betriebstätte im Inland wurden vom angefochtenen Bescheid mit Null festgesetzt. In seiner Begründung führte dieser aus, bei der Außenprüfung sei festgestellt worden, dass eine Betriebstätte im Inland vorliege und der Akt an das (örtlich) zuständige Finanzamt abgetreten würde. Das Vorsteuererstattungsverfahren komme deshalb nicht zur Anwendung.
In ihrer überreichten Beschwerde führte die Bf. aus, im Prüfungsbericht vom (nicht aus den Akten ersichtlich, möglicherweise das Schreiben der Großbetriebsprüfung vom betreffend Aktenabtretung an die zuständigen AVOG-Ämter nach Abschluss der Prüfungen der slowakischen Spediteure) wurde zunächst ausgeführt, die Geschäftstätigkeit der Speditionen mit Sitz in der Slowakei bestehe in der Durchführung von internationalen Transporten innerhalb Europas - auch von nach und durch Österreich. Beim Gesellschaftergeschäftsführer handle es sich um einen österreichischen Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich.
Die Akquisition der Aufträge erfolgte überwiegend durch den österreichischen Gesellschafter und diese würden dann vom zu 100% im Eigentum dieses Gesellschafters befindlichen slowakischen Unternehmen ausgeführt. Am slowakischen Firmensitz verfüge das Unternehmen über Büroräumlichkeiten und behördlich genehmigte LKW-Abstellplätze. Nach Ansicht der Außenprüfung sei der österreichische Gesellschaftsgeschäftsführer der Entscheidungsträger, der großteils von Österreich aus arbeiten und nur bei Bedarf in die Slowakei fahren würde. Damit läge der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit des slowakischen Unternehmens in Österreich.
Der Bf. sei es nicht erkennbar, auf Grund welcher Sachverhaltsfeststellungen die Schlussfolgerung getroffen wurde, wonach "von einem Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich auszugehen" wäre, weil im Bericht der Betriebsprüfung vielmehr darauf hingewiesen werde, sie verfüge über ein Büro mit mehreren Fahrern und LKW-Stellplätzen, über welches tatsächlich sämtliche Geschäfte abgewickelt würden.
Im Bericht blieben auch die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben der handelnden Organe und Personen einer Kapitalgesellschaft unberücksichtigt bzw. würden diese vermengt und zusammengeführt. Diese Rollen und Aufgaben seien rechtlich und faktisch jedoch klar voneinander zu trennen.
In einer der inländischen GmbH vergleichbaren Kapitalgesellschaft habe der Gesellschafter als Eigentümer nicht nur die strategische Ausrichtung und die Unternehmenspolitik der Gesellschaft vorzugehen und deren Umsetzung zu überwachen, sondern insb. auch den Gesellschaftszweck zu fördern. In der Praxis komme diese Treuepflicht des Eigentümers insb. in der laufenden Kundenakquise zum Ausdruck. Eine der wesentlichen Aufgaben des Gesellschafters sei es daher das Unternehmen zu repräsentieren, bestehende Geschäftsbeziehungen zu pflegen und auszubauen sowie neue Geschäftsaufträge für das Unternehmen zu erwerben. Die Feststellung der Betriebsprüfung, wonach die "Akquisition der Aufträge überwiegend durch die österreichischen Gesellschafter erfolge und die Aufträge dann vom zu 100% im Eigentum dieser Gesellschafter befindlichen slowakischen Unternehmen ausgeführt würden" spiegle diese zentrale Aufgabe des Eigentümers wieder. Der Umstand, dass die lukrierten Aufträge vom Gesellschafter auf kurzem Weg telefonisch oder per E-Mail an das Unternehmen weitergeleitet werden, sei in der Praxis üblich und werde auch in vielen anderen Branchen mit kurzfristigen Auftrags-, Liefer- oder Produktionszeiten so gehandhabt.
Ein Geschäftsführer habe die Gesellschaft nach außen zu vertreten und für sie zu zeichnen. In diesem Sinne nehme der Gesellschafter-Geschäftsführer auch seine Leitungsfunktion wahr und vertrete das Unternehmen vor Ort in D. (SK), beispielsweise wenn es darum gehe, Standorte für ein Büro zu suchen und den betreffenden Mietvertrag zu verhandeln, notwendige Adaptierungen oder Instandhaltungen durchführen zu lassen, den Ankauf oder die Reparatur von LKW zu veranlassen, Mitarbeitergespräche zu führen oder das Unternehmen gegenüber slowakischen Behörden und Gerichten zu vertreten.
Zu diesem Zweck sei der Gesellschaftergeschäftsführer regelmäßig in der Slowakei, je nach Bedarf ca. einmal pro Woche oder einmal in 14 Tagen. Auf Grund der geringen Unternehmensgröße unserer Klientin sei diese Frequenz zur Ausübung der Geschäftsleitung völlig ausreichend. In dringenden Fällen könne es auch vorkommen, dass Anordnungen von Österreich aus telefonisch erfolgen, in der Regel würden aber Termine in D. (SK) dafür vereinbart, die vom Gesellschaftergeschäftsführer persönlich wahrgenommen werden. Dass Termine dabei insofern gesammelt werden, wenn versucht werde, die Zeit in der Slowakei möglichst effizient zu nutzen und möglichst viele Aufgaben im Rahmen eines Aufenthalts vor Ort zu erledigen, sei in der Geschäftsführungspraxis völlig normal und entspreche auch der Lebenserfahrung. Die Abwicklung der Geschäfte erfolge direkt in der Slowakei. Zu diesem Zweck werde am Betriebsstandort ein sehr erfahrener und verlässlicher Disponent beschäftigt, der als Herzstück eines Transportunternehmens von der Größe der Bf. anzusehen sei und sämtliche Einsätze der Fahrer plane, begleite und überwache. Ein Geschäftsführer sei in diese täglichen Abwicklung der beauftragten Fahrten idR nicht involviert und müsse - wie oben ausgeführt - nur ausnahmsweise telefonisch von Österreich aus eingreifen. lm Normalfall reichten die regelmäßigen Termine mit dem Geschäftsführer aus, um notwendige Abstimmungsarbeiten im Büro durchzuführen.
Zusammengefasst seien die verschiedenen Rollen der handelnden Personen einer Kapitalgesellschaft klar voneinander zu trennen. Der Alleineigentümer habe als Ausfluss seiner Treuepflichten gegenüber seiner Gesellschaft Geschäftsbeziehungen zu pflegen und in Ausnutzung seiner Kontakte und Netzwerke neue Aufträge für das Unternehmen zu akquirieren. Dass er lukrierte Aufträge von Österreich auf kurzem Weg telefonisch oder per E-Mail weiterleite, sei üblich und werde in auch vielen anderen Branchen so praktiziert. In seiner gesetzlich vorgegebenen Rolle als Geschäftsführer habe der Eigentümer die Leitung des Unternehmens auszuüben. Zu diesem Zweck sei er regelmäßig vor Ort im Büro des Unternehmens (im Durchschnitt mehrere Male pro Monat) und koordiniere seine Termine und Aufgaben entsprechend. Die Frequenz der Termine sei der Unternehmensgröße angepasst und völlig ausreichend. Im Ausnahmefall erfolgen telefonische Anweisungen aus Österreich. Die Transportgeschäfte werden ausschließlich im slowakischen Büro im Zusammenspiel zwischen einem erfahrenen Disponenten und seinen Fahrern abgewickelt. Notwendige Abstimmungsarbeiten mit dem Geschäftsführer werden im Rahmen der regelmäßigen Termine im Büro des Unternehmens durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund bestehe kein Zweifel, dass die Handlungen zur Geschäftsabwicklung und zur zentralen Verwaltung des Unternehmens in D. (SK) vorgenommen werden. Auch die wesentlichen Entscheidungen in der Geschäftsleitung würden bis auf wenige Ausnahmen in der Slowakei getroffen.
In der erlassenen Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerde dahingehend stattgegeben, dass die angefochtenen Bescheide infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben wurden.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, im Lichte der unionsrechtlichen Vorgaben sei dies so auszulegen, dass der Unternehmer weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung - sofern ein solcher Unternehmenssitz oder eine Niederlassung überhaupt fehlen - den Wohnsitz haben darf. Für die Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit sei nach Art. 10 EU-DVO Nr. 282/2011 auf jenen Ort abzustellen, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Danach könne nur ein Staat Ansässigkeitsstaat sein.
Die Mehrwertsteuerrichtlinie und das UStG 1994 stellen für die Beurteilung, ob es sich um einen österreichischen (einen in Österreich) ansässigen Unternehmer handelt, nicht auf den firmenbuchmäßigen Sitz, sondern auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ab. Der EuGH führe in seiner Entscheidung C-73/07 vom aus, der "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" iSd. Dreizehnten Richtlinie beziehe sich auf den Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zur deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden.
Da die wesentlichen Entscheidungen in Österreich getroffen würden, sei die belangte Behörde nach § 17 AVOG 2010 nicht zuständig. Die Zuständigkeit richte sich nach § 21 AVOG 2010. Ihre Zuständigkeit ende mit der Kenntnisnahme des Aktenvermerkes vom an das neu zuständige Finanzamt. Da die Zuständigkeit bereits zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide übergegangen sei, seien die Bescheide aufzuheben.
In ihrem Vorlageantrag betont die Bf., der Umstand, dass der Alleineigentümer der Bf. Geschäftsbeziehungen pflege und in Ausnutzung seiner Kontakte und Netzwerke neue Aufträge für das Unternehmen akquiriere, sei als Ausfluss seiner Treuepflichten gegenüber seiner Gesellschaft zu sehen. Als Geschäftsführer sei er zu diesem Zweck regelmäßig vor Ort im Büro des Unternehmens (mehrmals pro Monat) und koordiniere seine Termine entsprechend. Nur im Ausnahmefall erfolgten telefonische Anweisungen aus Österreich. Die Transportgeschäfte werden ausschließlich im slowakischen Büro im Zusammenspiel zwischen einem erfahrenen Disponenten und den Fahrern des Unternehmens abgewickelt. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Zweifel, dass die Handlungen der Geschäftsabwicklung und zur zentralen Verwaltung des Unternehmens in D. (SK) vorgenommen werden. Ihres Erachtens seien die Voraussetzungen für einen Wechsel der Zuständigkeit, konkret das Vorliegen einer Betriebstätte in Österreich, nicht erfüllt und die beantragten Vorsteuerbeträge zu erstatten.
In ihrem Vorlagebericht verwies die belangte Behörde auf ihre fehlende Zuständigkeit, weshalb die erlassenen Vorsteuererstattungsbescheide (Anmerkung: mit Null Euro) mit Rechtswidrigkeit behaftet seien. Im Rahmen der Beschwerdebearbeitung sei auf Grund des vorliegenden verfahrensrechtlichen Mangels und die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit nicht auf das inhaltliche Vorbringen der Bf. eingegangen worden.
Im Hinblick auf fehlende Unterlagen im vorlegten Akt wurden von der belangten Behörde am weitere Beweismittel wie folgt angefordert:
"Im angefochtenen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, dass die Bf. als in der Slowakei registriertes Unternehmen vom Inland aus geleitet werde.
Im vorgelegten Aktenvermerk findet sich der Hinweis, am statutarischen Firmensitz der Bf. befinde sich auch die Firma I. spol sro., die für mehrere Transportfirmen Büroräumlichkeiten zur Verfügung stelle, die Abwicklung der Aufträge organisiere und Bürotätigkeiten wie Lohnverrechnung und Buchhaltung übernehme.
Weiters hätte die bf. Gesellschaft in der Slowakei behördlich genehmigte Abstellplätze für Lastkraftwagen, die die Voraussetzung für die Ausstellung der EU-Lizenz für das Transportgewerbe darstelle. Die Entscheidungsträger sei/-en der/die in Österreich wohnhafte/n Gesellschaftergeschäftsführer.
Die entsprechenden Beweismittel wie Satzung, Firmenbuchauszug, Jahresabschlüsse, Anlageverzeichnisse, Mietverträge über Büroräumlichkeiten und Abstellplätze, Ausstattung der Büroräumlichkeiten mit firmeneigenen Geräten und Büromöbeln zur Abhaltung entsprechenden Geschäftsbesprechungen, Führung der Aufnahmegespräche mit einzustellenden Mitarbeitern, Geschäftspapiere über den Abschluss von Transportverträgen, Ausgangsfakturen, Genehmigungsbescheide über die Abstellplätze, Arbeitsverträge über das am Firmensitz tätige Verwaltungspersonal ("erfahrener Disponent"), Telefon- und Telefaxanschlüsse, Fahrtenbücher und Aufenthaltsnachweise der Geschäftsführer in die Slowakei, um ihren Leitungsverpflichtungen nachzukommen, Erhebungsersuchen an die slowakischen Finanzbehörden mit entsprechenden Feststellungen am Firmensitz, Nachweis über entsprechende geschäftliche Aktivitäten am Firmensitz wie die Hereinnahme von slowakischen Güterbeförderungen etc. sind den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.
Daher kann sich das Bundesfinanzgericht sachverhaltsmäßig noch keinen Überblick darüber verschaffen, wie die überreichte Beschwerde zu erledigen sein wird.
Die Beschwerdevorentscheidung enthält sachverhaltsmäßig kaum konkrete Ausführungen auf Grund welcher Tatsachenfeststellungen sich der angefochtene Bescheid gründet. …"
Dieses Ersuchen wurde mit der Nachreichung folgender Beilagen Nr. 10-24 ohne weitere Erläuterungen beantwortet:
Nr. 10: Firmenanschrift (3 Fotos v. April 2012 an der Firmenadresse)
Nr. 11: Fragenkatalog für Besprechung
Nr. 12: Orbis Unternehmen Bericht (Wirtschaftsauskunftei mit Bilanzdaten)
Nr. 13: KSV-Auskunft (Wirtschaftsauskunftei mit Bilanzdaten)
Nr. 14: Aufstellung Fahrer (Bekanntgabe der Bf. über die LKW Kennzeichen und Mobiltelefone, die den jeweiligen LKW zugeordnet waren sowie ein Liste der Fahrer und des Disponenten)
Nr. 15: Fuhrpark- Fahrzeugpapiere und Leasingverträge (Ablichtungen der kraftfahrrechtlichen Zulassungen und Leasingverträge mit österreichischen Leasinggesellschaften, soweit leasingfinanziert)
Nr. 16: Aktenvermerk Prüferin - Besprechung (mit dem Geschäftsführer der Bf. in K. (Ö) bei der Steuerberatungsgesellschaft
Nr. 17: Kontoauszüge (kaum leserliche Aufstellung der am Bankkonto vorgenommenen Gutschriften und Belastungen)
Nr. 18: Beispiel Auftrag (Transportauftrag Pos S 560/15 der JB GmbH & Co KG v. , v. , Pos S 561/15 sowie Faktura der Bf. vom )
Nr. 19: Beispiel Ausgangsrechnung (der Bf. v. Nr. 150100002, , Nr. 130100043, sowie Re Nr. 2013-09-004 mit österreichischer Mobiltelefonnummer und österreichischer Bankverbindung)
Nr. 20: Firmen in gleicher Adresse (kaum lesbare und z.T. geschwärzte Liste mit 8 an der Firmenadresse domizilierter anderer Firmen)
Nr. 21: Vertrag + Rechnungen I. sro (Bereitstellung von Büroräumlichkeiten, Übernahme aller Buchhaltungsarbeiten, Erstellung und Überwachung der Faktura, Behördengänge, Personalbereitstellung, LKW-Einteilung etc. in deutscher Sprache vom )
Nr. 22: Vertrag Abstellplätze (v. mit H. Trans - H. Zsolt in slowakischer ? Sprache)
Nr. 23: Handelsregisterauszug (schlecht leserlich)
Nr. 24: business register
Mit Schreiben vom wurde ein weiteres Ergänzungsersuchen an die belangte Behörde folgenden Inhalts gesandt:
"Mit elektronischer Aktenvorlage vom wurden dem Bundesfinanzgericht die Dokumente 10-24 ohne weitere Hinweise vorgelegt.
Nach Durchsicht dieser Unterlagen ist es dem Bundesfinanzgericht bedauerlicherweise nicht möglich, die Sachverhaltsfeststellung nachzuvollziehen, dass am statutarischen Firmensitz der Gesellschaft keine ausreichende Geschäftstätigkeit und somit die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens der Bf. vom Inland aus erfolgt wäre. Die finanzamtliche Argumentation stützt sich vorwiegend auf die Tatsache der Bestellung eines inländischen Geschäftsführers, der im Inland ebenfalls ein Transportunternehmen betreibt und Transportaufträge an ein nahestehendes slowakisches Unternehmen weiterreicht.
Die Dokumente 10, 12, 13, 20, 23 und 24 sind allgemein gehaltene Firmenrecherchedaten, die über den tatsächlichen Ablauf der Führung der Geschäfte am Sitz nichts aussagen. Was sich letztlich aus den Dokumenten 15, 17, 19 ableiten soll, erschließt sich dem Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht.
Lediglich die Dokumente 18 und 21 liefern u.U. Indizien dafür, dass die Gesellschaft vom Inland aus geleitet sein könnte.
Das Dokument 22 ist in slowakischer Sprache verfasst und damit für das Bundesfinanzgericht nicht weiter verwertbar. Da hier zumindest bescheinigt wurde, dass ein entsprechender Abstellplatz für die betriebenen Lastkraftwagen angemietet wurde, müsste das Finanzamt durch entsprechende Ermittlungsergebnisse beweisen, dass dies nicht so ist. Insgesamt ist vorerst festzustellen, dass durch die Einbringung von Erstattungsanträgen über das elektronische Portal, dies zumindest eine Anscheinswirkung der umsatzsteuerlichen Registrierung im Sitzstaat (ähnlich der ehemaligen Unternehmerbescheinigung) vermittelt, die nach der Rechtsprechung des EuGH von den Abgabenbehörden des Erstattungsstaates bezweifelt werden können. Undeutlich bleibt, ob die Bf. im Sitzstaat außer den Fahrzeugen über weitere Betriebsmittel und eigene Büroräumlichkeiten verfügte. Ebenso ist unklar, ob der Disponent P.N., der angeblich die Einteilung der Fahrer und LKWs vornimmt von der Bf. mit einem entsprechenden Dienstvertrag eingestellt wurde. Die Ausstellung der Rechnungen besorgte Herr M.G. (I.sro, SK). Derartige genaue Sachverhaltsfeststellungen über den Ablauf der Geschäftsgebarung wären wohl im Wege der Amtshilfe mit den slowakischen Finanzbehörden zu treffen, die eine Vorortbesichtigung mit Einvernahmen von Auskunftspersonen vornehmen könnten.
Der beigeschlossene Aktenvermerk über die Besprechung mit Herrn B. am , 9:00 Uhr, in K. (Ö) reicht nicht aus, um den angefochtenen Bescheid bestätigen zu können, zumal er größtenteils von der Bf. erhobene Parteibehauptungen wiedergibt. Insbesondere die Punkte 4 und 6 sprechen eher für die Bf.
Auf Grund der nur bruchstückhaft vorliegenden Indizien ist der Anschein der unternehmerischen Tätigkeit im Sitzstaat nach richterlicher Ersteinschätzung noch nicht ausreichend widerlegt. …"
Mit Schreiben vom führte das Finanzamt Folgendes aus:
"Im gegenständlichen Fall kam es aufgrund einer internen Information zur Überprüfung der Adresse xxxxxxxxx in der Slowakei, wo sich auch der Sitz der Beschwerdeführerin befindet. Dabei stellte es sich heraus, dass es sich bei dieser Adresse um einen Hochhaus im Wohngebiet handelt, bei dem 11 Firmen domiziliert sind.
Darunter haben 9 dieser Firmen einen österreichischen Gesellschaftergeschäftsführer mit Wohnsitz in Österreich. Aufgrund des Verdachts, dass es sich bei den 9 Firmen um sog. Domizilgesellschaften handeln könnte, wurde bei einigen Firmen eine Außenprüfung durchgeführt.
Bei einer anderen Firma ist deshalb ebenfalls ein Verfahren vor dem BFG (bei Dr. Y.)
anhängig.
Aufgrund dieses Verdachts wurde daher bereits ein Auskunftsersuchen an die slowakischen Finanzbehörden gestellt (siehe Beilage). Dabei wurde ua. gefragt, ob eine Geschäftstätigkeit bei der slowakischen Steuerbehörde gemeldet wurde, ob sich in der Slowakei am Sitz der Firma eine Geschäftstätigkeit feststellen lässt und ob es sich bei diesen Adressen um eine
reine Domizilgesellschaft handelt. Die Antwort der slowakischen Behörde lautete ua.: "In dieser Adresse sind 8 Firmen registriert (darunter auch die Beschwerdeführerin). Keiner dieser Adressen ist der ständige Aufenthalt von den Privatpersonen". Ansonsten wurde hauptsächlich auf das angeschlossene Unternehmensregister verwiesen.
Nach Art. 44 MWStSysRl gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Die DVO 282/2011 regelt in Artikel 10 Abs. 1, dass für die Anwendung der Artikel 44 und 4-5 der Richtlinie 2006/112/EG als Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, der Ort gilt, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden.
Auch nach § 27 Abs. 2 BAO ist der Ort der Geschäftsleitung jener Ort, an dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung befindet. Der Ort der Geschäftsleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird, wo also die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen angeordnet werden, wo die unternehmenslenkenden Dispositionen getroffen werden. Welche Maßnahmen für die Führung des Unternehmens notwendig und wichtig sind, muss im Einzelfall gewichtet und abgewogen werden. Wo die unternehmenslenkenden Dispositionen vollzogen und wirksam werden, ist für die Frage nach dem Ort der Geschäftsleitung nicht wesentlich. Wenn sich die kaufmännische und die technische Leitung an verschiedenen Orten befinden, kommt es auf den Ort der kaufmännischen (Ober-)Leitung an. Wird die Geschäftsleitung vom dafür zuständigen Organ vertraglich an eine andere Person übertragen und hat diese die übertragenen Aufgaben grundsätzlich in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu erledigen, ist für die Feststellung des Ortes der Geschäftsleitung von der Person des Auftraggebers auszugehen. Der Ort der Geschäftsleitung wird sich für gewöhnlich dort befinden, wo sich die Büros des oder der leitenden Geschäftsführer befinden. Fehlen Büroräume, kann der Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung angesehen werden.
Der Aufenthaltsort des beherrschenden Gesellschafters ist relevant, wenn dieser die Geschäftsleitung an sich gezogen hat, indem er sich ständig über die einzelnen Geschäfte auf dem Laufenden halten lässt und deren Abwicklung durch seine Entscheidungen maßgeblich beeinflusst.
Nicht maßgeblich sind der Ort der Entscheidung über außergewöhnliche Maßnahmen, der Ort der wirtschaftlichen Auswirkung unternehmerischer Entscheidungen sowie der Ort der Ausführung der getroffenen Entscheidungen.
Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass der Ort der Geschäftsleitung im Inland liegt, da sich dieser nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt.
Dabei ist es unerheblich, ob es tatsächlich Büroräumlichkeiten in der Slowakei gibt. Denn es kommt darauf an, wo die wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft getroffen werden. Diese werden nach Ansicht des Finanzamtes zweifellos am Wohnsitz des Gesellschafts- Geschäftsführers in Österreich getroffen. Da der Gesellschaftergeschäftsführer auch für ein anderes Unternehmen im Inland als Gesellschaftergeschäftsführer tätig ist, ist davon auszugehen, dass er beide Unternehmen vom Inland aus führt und in Österreich die wesentlichen Entscheidungen für beide Unternehmen trifft. Eine gelegentliche Fahrt einmal in 14 Tagen in die Slowakei reicht nicht aus, um den Ort der Geschäftsleitung in der Slowakei zu begründen. Die geschäftliche Oberleitung ist aufgrund der Dispositionsbefugnis beim Weisungsgeber zu qualifizieren, auch wenn laufende Büro- (Verwaltungs-)tätigkeiten auf Weisung von einem Mitarbeiter erfolgen. Auch die Ausführungen in der Beschwerde, dass die lukrierten Aufträge vom Gesellschafter telefonisch oder per Email weitergeleitet werden, deuten darauf hin, dass wesentliche Entscheidungen in Österreich getroffen werden. Weitere Indizien dafür sind die inländischen Mobiltelefonnummern der LKW-Fahrer, die abgeschlossenen Leasingverträge mit österreichischen Banken (Dokument 15 von der elektronischen Aktenvorlage vom ) und ein österreichisches Bankkonto der Beschwerdeführerin (Dokument 17).
Der gewöhnliche Geschäftsbetrieb bzw. das Tagesgeschäft im gegenständlichen Fall manifestiert sich hauptsächlich im Einholen der Aufträge für die Transporte, diese läuft Großteils über eine österreichische Firma (Dokument 19), die ebenfalls vom selben Gesellschaftergeschäftsführer geführt wird. Die für den qualifizierten Ort der Geschäftsleitung wesentlichen Maßnahmen und unternehmenslenkenden Dispositionen liegen funktional beim österreichischen Gesellschafter, der einem Mitarbeiter vor Ort Anweisungen erteilt. Da dieser seine Geschäftsleitungshandlungen von seinem Wohnsitz in Österreich aus durchführt, ist der Ort der Geschäftsleitung der Beschwerdeführerin in Österreich verwirklicht. Bei dem angemieteten Büro in der Slowakei handelt es sich de facto um eine reine Sitzgesellschaft, welche vom Gesellschafter-Geschäftsführer gelegentlich aufgesucht wird.
Auch wenn sich der (Gründungs-)Sitz der Beschwerdeführerin in der Slowakei befindet, ist davon auszugehen, dass an diesem Ort nicht die Hauptverwaltung erfolgt, da es darauf ankommt, wo der maßgebliche geschäftliche Wille gebildet wird (vgl. BFG, , RV/4100330/2012).
Nach Ansicht des Finanzamtes zeigen die Umstände des Falles genügend Indizien auf um den Ort der Geschäftsleitung im Inland anzunehmen."
Mit weiterem Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde auf gemäß § 269 Abs. 2 BAO auf, im Wege der Amtshilfe durch die slowakischen Steuerbehörden zwei ausdrücklich genannte Personen über den Ablauf der Geschäftstätigkeit einzuvernehmen und tatsächliche Feststellungen über das Vorhandensein eigener Betriebsmittel (Büro und technische Ausstattung) und insbesondere dahingehend zu treffen, ob diese ausschließlich von der Bf. benutzt werden.
Am übersandte die belangte Behörde den mit den slowakischen Finanzbehörden durchgeführten Informationsaustausch. Die Anfrage der österreichischen Finanzverwaltung erfolgte in deutscher, englischer und slowakischer Sprache, die Antwort auf Slowakisch und Englisch.
Aus den Erhebungen der slowakischen Finanzbehörde geht hervor, dass die Adresse am Sitz der Bf. nur eine Briefadresse sei. Seit Jänner 2018 verwende die Bf. die Räume an der Adresse K.c. 1244, SK-D.S. durch die I. s.r.o., die auf Grundlage eines Mandatsvertrages die Buchhaltung, Verwaltung und Versandleistungen übernommen habe. Die Geschäfts- und Büroräumlichkeiten werden nicht nur von der Bf., sondern auch von verschiedenen Gesellschaften, für die die I. s.r.o. Buchhaltungsaufgaben und andere Dienstleistungen erbringe. Die Bf. gebe in der Slowakei Steuererklärungen für Umsatz-, Körperschaft- und Kraftfahrzeugsteuer und Lohnabgaben ab. Der bevollmächtigte Vertreter der Bf. Frau K.C. sei bei der Erhebung anwesend gewesen und habe die Fragen beantwortet. Die Bf. habe internationale LKW-Transporte mit eigenen Fahrzeugen und eigenen Angestellten mittels Versandleistungen der I. s.r.o. durchgeführt. Die Geschäfte wurden vom gesetzlichen Vertreter J.B. (Österreich) organisiert. Die gewöhnliche Verwaltung werde von der bevollmächtigten Vertreterin K.C. besorgt. Dies seien der Abschluss und die Befristung der Arbeitsverträge, Verkehr mit Behörden, Typisierung der Fahrzeuge und Änderungen mit der Transportaufsichtsbehörde. Diese Tätigkeiten sei immer mit dem gesetzlichen Vertreter Herrn J.B. entweder telefonisch oder persönlich besprochen worden. Ebenso erfolgten Überweisungen am Geschäftskonto in der Slowakei, für das sie ein Verfügungsrecht eingeräumt bekommen habe, nur mit Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Die geschäftlichen Aktivitäten und Aufträge seien von Herrn J.B. abgewickelt worden.
Die Transportaufträge habe die J.B. GmbH & Co KG per E-Mail verschickt und Herr P.N. die Fahrzeuge und Fahrer per Telefon eingeteilt. Herr P.N. habe mit der Bf. keinen Arbeitsvertrag und daher wurde auch keine Einvernahme mit ihm durchgeführt. Dieser war Angestellter der I. s.r.o. und arbeite nach deren Anweisungen. Herr J.B. führte seine Tätigkeit über elektronische Kommunikation sowie persönlich durch. Tatsächlich sei er mehrere Male persönlich in die Slowakei gereist. Seit August 2018 würde die Fahrzeuge von der Bf. lediglich vermietet.
Ähnliche Auskünfte gab auch A.C., der ebenfalls bestätigte, dass die Bf. Transportaufträge von der J.B. GmbH & Co KG mittels elektronischer Kommunikation erfolgte. Auf Grundlage dieser Anforderungen organisierte der Angestellte der Firma I. s.r.o. oder er den Transport und entschied dies anhand der verfügbaren Fahrzeuge und Fahrern. Nach Abschluss des Transports übergaben die Fahrer die Transportpapiere im Büro in D.S. (Slowakei) oder der J.B. GmbH & Co KG (Österreich). Die Fahrzeuge, die keine Transporte ausführten, seien in Ku. (Österreich) oder bei der Firma H. s.r.o. in M. (Slowakei) abgestellt worden, wo auch Reparaturen durchgeführt wurden.
Der Bf. wurden die Verfahrensergebnisse des gegenständlichen finanzgerichtlichen Verfahrens zur Äußerung gesandt.
In ihrer Äußerung führt die einschreitende Steuerberatungsgesellschaft aus, der Geschäftsführer übe seine die Geschäftsführungsagenden überwiegend in der Slowakei aus.
Als Nachweise seiner Aufenthalte in der Slowakei seien Übernachtungsbelege sowie Tankrechnungen für Fahrten in die Slowakei an das Finanzamt Innsbruck übermittelt worden. Die Frequenz der Termine vor Ort ist der Unternehmensgröße und der Unternehmenskomplexität angemessen und wäre völlig ausreichend. Termine vor Ort seien konzentriert an den Anwesenheitstagen vorgenommen und die Zeit sei somit effizient genutzt worden. Nur in Ausnahmefällen erfolgen daher telefonische Anweisungen aus Österreich.
Im Prüfbericht vom wurden keine Feststellungen vom Finanzamt Graz Stadt betreffend den Prüfzeitraum 1-9/2015 getroffen. Die Vorsteuererstattungsanträge wurden kommentarlos gewährt. Es sei dem Gesellschaftergeschäftsführer daher nicht bewusst gewesen, dass eine lückenlose Dokumentation seiner Anwesenheiten in der Slowakei erforderlich ist. Eine umfangreiche, zeitnahe Beweisvorsorge konnte daher nicht erstellt werden.
Die operative Tätigkeit erfolgte im Büro in D.S. (16m2); die Büroausstattung habe im Wesentlichen einen Arbeitsplatz inklusive zugehöriger IT beinhaltet. Aus dem Jahresabschluss 2016 sei ersichtlich, dass in das bewegliche Anlagevermögen EUR 237.600 investiert wurden. Der Personalaufwand 2016 belief sich auf EUR 45.379. Arbeitsverträge der Kraftfahrer sowie Abrechnungen über Disponentenleistungen seien Stellungnahme beigefügt. Leitungsaufgaben des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes wurden von Herrn A.C. eigenständig, ohne die vorherige Genehmigung vom Geschäftsführer in der Slowakei wahrgenommen. Die der Unternehmensgröße angemessenen eingesetzten Betriebsmittel in der Slowakei gewährleisteten den reibungslosen operativen Betrieb dieses Unternehmens in der Slowakei.
Vorrangig bestimme sich gem. DVO 282/2011 Art. 10 als Ort,
- an dem die Steuerpflichtige den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit habe,
- nach dem Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden,
- nach dem Ort des satzungsmäßigen Sitzes sowie nach dem Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkomme.
Wie bereits umfangreich dargelegt liegt dieser Ort für die Bf. in D.S. (Slowakei). Erst wenn an Hand der oben angeführten Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht mit Sicherheit bestimmt werden könne, sei der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, heranzuziehen. Dieses Ersatzkriterium komme ihres Erachtens nach gar nicht zur Anwendung. Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse liege somit der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit in der Slowakei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach dem Vorbringen der beteiligten Parteien wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Bei der bf. Gesellschaft handelt es sich um eine in der Slowakei registrierte s.r.o., die einer GmbH österreichischen Rechts entspricht. Sämtliche Anteile werden vom inländischen Gesellschaftergeschäftsführer J.B. gehalten. Am statutarischen Sitz befindet sich auch die slowakische I. s.r.o., die für mehrere Transportfirmen organisatorische Tätigkeiten wie Behördenkontakt, Lohnverrechnung und Buchhaltungsarbeiten abwickelt. Die Akquisition der Transportaufträge erfolgte überwiegend durch den österreichischen Gesellschaftergeschäftsführer. Von den gesamten ausgestellten Ausgangsrechnungen des Jahres 2016 in Höhe von 593.840,83 € entfallen 580.429 € auf die inländische J.B. GmbH & Co KG - eine dem Geschäftsführer nahestehende Gesellschaft -, das sind rd. 98% des Umsatzes. Mit anderen Worten war eine neue Transportaufträge akquirierende Tätigkeit am Firmensitz in der Slowakei weder durch den inländischen Geschäftsführer noch durch den slowakischen Beauftragten von der I. s.r.o. erforderlich.
Nach den Erhebungen der slowakischen Steuerverwaltung auf Grund der Auskünfte der maßgeblichen Personen der I. s.r.o. Herrn A.C. und Frau K.C. wurden für die Bf. vorwiegend administrative Tätigkeiten erbracht wie z.B. Abwicklung von Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsagenden, Verkehr mit Ämtern und Behörden in der Slowakei. Die Einteilung der Fahrer- und Fahrzeuge wurde durch den bei der I. s.r.o. angestellten Herrn P.N. vorgenommen. Eigene Geschäfts- und Büroräumlichkeiten der Bf. wurden nicht festgestellt. Die I. s.r.o. stellte verschiedenen Gesellschaften ihre Geschäftsräume zur Verfügung und erbrachte entsprechende Bürodienstleistungen. Weiters existiert bei der Firma H. Trans s.r.o. ein angemieteter LKW- Abstellplatz, wo die Fahrzeuge abgestellt und repariert werden.
Vier Zugfahrzeuge (von fünf) wurden größtenteils über inländische Leasinggesellschaften finanziert. Nach den Ausführungen der slowakischen Finanzbehörden sei der Geschäftsführer mehrere Male in die Slowakei gewesen. Den bf. Ausführungen seien dies 1-2 Mal pro Monat gewesen, was zu Gunsten der Bf. als glaubhaft angesehen werden kann.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei Unternehmern, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln.
In der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der für die Entscheidung wesentlichen Fassung BGBl. II Nr. 389/2010 ("Erstattungsverordnung"), wurde "ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen".
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a UStG durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen, ausgeführt hat.
Die Verordnung betrifft nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben.
Im Lichte der unionsrechtlichen Vorgaben ist das so auszulegen, dass der Unternehmer in Österreich weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung noch - sofern ein solcher Unternehmenssitz oder eine Niederlassung überhaupt fehlen - den Wohnsitz haben darf (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 Tz 57/1).
Der in § 1 Abs. 1 der Verordnung verwendete Begriff der (umsatzsteuerlichen) Betriebsstätte ist in unionsrechtlicher Interpretation im Sinne der Bedeutung einer "festen Niederlassung" zu verstehen (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 Tz 57/1). Bei der Auslegung des Begriffes der Betriebsstätte in umsatzsteuerlicher Hinsicht sind die Besonderheiten des Unionsrechtes zu berücksichtigen. Das Unionsrecht gebraucht diesen Begriff in einer eigenständigen Bedeutung, die deutlich enger ist als die des im § 29 BAO verwendeten Begriffes der Betriebsstätte (Ruppe/Achatz, UStG5 § 3a Tz 60).
Für den vorliegenden Fall und die Auslegung der Erstattungsverordnung sind daher die Bestimmungen des § 29 BAO oder allfälliger Doppelbesteuerungsabkommen nicht ausschlaggebend.
Eine feste Niederlassung ist nach Art 11 EU-Durchführungsverordnung 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2011 L 77/1, jede Niederlassung (mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit), die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden bzw. Dienstleistungen zu erbringen. Das entspricht der Rechtsprechung des EuGH ( "Berkholz", Slg 2251; "Planzer", Slg I 5655, Rn 54).
Nach der Rechtsprechung des EuGH verlangt der Niederlassungsbegriff einen durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildeten Mindestbestand (siehe auch "DFDS", Slg I-1005, Rn. 20; , "Aro Lease", Slg I-4383, Rn. 15). Der EuGH setzt einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (, "Aro Lease", Slg I-4383, Rn. 16).
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2001/14/0226, (unter Hinweis auf die dort zitierte Judikatur des EuGH), den Begriff der Betriebsstätte unionsrechtskonform dahingehend interpretiert, dass ein hinreichender Mindestbestand von Personal und Sachmitteln, die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlich sind, sowie ein hinreichender Grad an Beständigkeit im Sinne eines ständigen Zusammenwirkens von Personal und Sachmitteln, kennzeichnend sei.
Nach den Informationen der slowakischen Finanzbehörde konnten eigene Geschäftsräumlichkeiten mit einer entsprechenden Büroausstattung nicht festgestellt werden. Somit war auch keine eigene unternehmerische Infrastruktur, wo die entsprechenden Verwaltungshandlungen des Geschäftsführers vorgenommen hätten werden können, nicht feststellbar. Es wurden am Sitz einer slowakischen Firma lediglich entsprechende Personen beauftragt, für die Bf. tätig zu werden. Die Akquirierung der Aufträge erfolgte vom Inland aus und dies wurden unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel an die Bf. weitergereicht. Die von der belangten Behörde aufgezeigten Umstände (Mehrfachdomizile registrierter Firmen mit in Österreich wohnhaften Geschäftsführern, Finanzierung der Betriebsmittel durch inländische Leasinggesellschaften, Auftragsakquirierung durch österreichische Geschäftsführer, Inanspruchnahme österreichischer Mobiltelefongesellschaften) lassen darauf schließen, dass die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen vom Inland aus getroffen wurden.
Ein selbständiges Auftreten am Markt der Bf. durch Anbieten und Durchführen von Leistungen möglich ist, kann nicht darin erblickt werden, dass Transportaufträge, die ein nahestehendes inländisches Unternehmen entgegengenommen hat, bloß ausgeführt werden.
Zu den maßgeblichen Anknüpfungspunkten sind nach Unionsrecht "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassung. Der Niederlassungsbegriff fordert einen gewissen Mindestbestand, der durch das ständige Zusammenwirken der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel gebildet wird (). Daher setzt er einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht.
Im Hinblick auf Transporttätigkeiten verlangt dieser Begriff für die Anwendung der Gemeinschaftsrechtsregelung über die Mehrwertsteuer zumindest ein Büro, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können. Eine feste Einrichtung, die nur dazu verwendet wird, für das Unternehmen Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten vorzunehmen wie z.B. das Anwerben von Personal ist keine feste Niederlassung. Ein zur eigenen Verfügung der Bf. stehender Büroraum i.S. einer darüber bestehenden ausschließlich Verfügungsgewalt konnte nicht ausgemacht werden. Die bloße Mitbenützung von Räumlichkeiten und Personal einer anderen dort tatsächlich tätigen Gesellschaft reicht hierzu nicht aus (Vereinbarung mit der I. s.r.o. v. ). Das Anwerben und Einstellen von Personal stellen bloß Tätigkeiten vorbereitender Art dar. Der "Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit" bezeichnet den Ort, an dem wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung der Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden.
Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statuarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Im Hinblick auf die Tätigkeit des bf. Alleingesellschaftergeschäftsführers mit Wohnsitz in Österreich kann nicht angenommen werden, dass der Ort, an dem die Unternehmenspolitik bestimmt wird, in der Slowakei gelegen ist. Die von der Bf. ins Treffen geführten Umstände, dass es zu den Aufgaben des Gesellschafters gehöre, neue Geschäftsaufträge zu erwirken, kann nicht beigepflichtet werden, denn vorrangig führt der Geschäftsführer die Geschäfte und die Gesellschafter stellen der Gesellschaft die erforderlichen Mittel zur Verfügung und wirken in der Generalversammlung an der internen Willensbildung der Gesellschaft mit. Die auch in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Mittel der "Ferngeschäftsführung" durch elektronische Kommunikationsmittel sprechen eher gegen eine Führung des Unternehmens vom slowakischen statutarischen Sitz. Allein die Tatsache, dass der Geschäftsführer zweimal im Monat in die Slowakei gereist sei, reicht noch nicht aus, um einen tatsächlichen Ort der wirtschaftlichen Leitung des Unternehmens zu vermitteln. Abgesehen davon verfügt die Bf. am Unternehmenssitz über keine eigenen Einrichtungsgegenstände, sondern wird in administrativen Belangen idR von der I. s.r.o. vertreten. Die bloß eher allgemein gehaltene Bezugnahme auf nicht näher konkretisiertes bewegliches Anlagevermögen im Jahresabschluss 2016 lässt keine andere Schlussfolgerung zu, zumal sich daraus kein Hinweis ergibt, dass tatsächlich auf das Vorliegen eines echten Unternehmensstandortes geschlossen werden konnte, zumal bewegliches Anlagevermögen bei einem Transportunternehmen eher in Investitionen in den Fuhrpark vermuten lässt. Die Annahme der zentralen Verwaltung des Unternehmens in der Slowakei kann nicht angenommen werden, wenn lediglich die Geschäftsbücher und Aufzeichnungen geführt werden. Ebenso erfolgte die Beschaffung und Finanzierung der der eingesetzten Lastkraftwagen über österreichische Leasinggesellschaften. Was die Umsatzseite anlangt, wurden nahezu sämtliche Umsätze mit der nahestehenden österreichischen Gesellschaft ausgeführt, wobei gar kein eigenes Tätigwerden des Geschäftsführers mehr erforderlich war, weil lediglich im Inland bereits akquirierte Aufträge "weitergereicht" wurden. Es hat in Wahrheit eine Auslagerung inländischer Aufträge durch einen ausländischen Rechtsträger stattgefunden.
Diese Faktoren lassen bei der Gesamtabwägung der ins Treffen geführten Umständen der Geschäftsgestaltung den Schluss nicht in der Weise zu, um von einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Bf. im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der Slowakei auszugehen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | DVO 282/2011, ABl. Nr. L 77 vom S. 1 Art. 44 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Wisiak in BFGjournal 2022, 196 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2101386.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at