Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2019, RV/2100695/2015

Alleinerzieherabsetzbetrag wird für verheiratete Bf., die mehr als sechs Monate im Jahr allein lebt, gewährt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Judenburg Liezen vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2013 wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf.), der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht gewährt. Das Finanzamt begründete dies damit, dass sie im gegenständlichen Jahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe‑)Partner gelebt habe.

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde, mit der Begründung, dass ihr nunmehr geschiedener Ehepartner geschiedener_Ehepartner den gemeinsamen Haushalt in Adr, bereits im April des Streitjahres verlassen habe und ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag deshalb zustünde. Beigelegt wurde eine Bestätigung des geschiedenen Ehemannes vom , dass er am aus dem gemeinsamen Wohnhaus ausgezogen sei und mit Angabe seiner neuen Adresse.

Laut Abfrage im Zentralen Melderegister ist der geschiedene Ehemann der Bf. ab an seiner neuen Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet, die Adresse des ehemaligen gemeinsamen Haushaltes ist nach wie vor als Hauptwohnsitzes angeführt. Dies wurde der Bf. auch im Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Judenburg Liezen vorgehalten und sie wurde ersucht, Nachweise vorzulegen, die die Beendigung der Partnerschaft und die Auflösung des gemeinsamen Haushaltes im ersten Halbjahr 2013 beweisen oder glaubhaft machen.

Am erging die abweisende Beschwerdevorentscheidung, mit der Begründung, dass die Bf. die entsprechenden Nachweise nicht vorgelegt habe und weiters die Einkommensteuererklärung des geschiedenen Ehepartners in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen sei. Laut dieser habe er für das Jahr 2013 den Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind geltend gemacht und dieser setze das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes mit dem Kind über mindestens sieben Monate im betreffenden Jahr voraus. Somit habe der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2013 bei der Bf. nicht berücksichtigt werden können.

Daraufhin stellte die Bf. einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag), mit der Begründung, dass ihr Ehepartner den gemeinsamen Haushalt am verlassen habe und sie somit mit ihrem Sohn mehr als sechs Monate ohne Ehepartner im Haushalt gelebt habe und ihr der Alleinerzieherabsetzbetrag deshalb zustünde. Weiters sei der der geschiedene Ehemann der Alleineigentümer der Liegenschaft des ehemaligen gemeinsamen Haushaltes und sei deshalb dort noch mit Hauptwohnsitz gemeldet, seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe er aber seit April 2013 in der Adr.2. Als Nachweis dafür wurde von der Bf. eine Bestätigung des geschiedener_Ehepartner vom , dass er am aus dem gemeinsamen Wohnhaus ausgezogen sei und mit Angabe seiner neuen Adresse, sowie ein Schreiben des Rechtsvertreters der Bf. vom bzgl. der Ehescheidung an den Rechtsvertreter des geschiedenen Ehemannes, in dem die neue Anschrift angeführt wird, beigelegt.
Nachgereicht wurde von der Bf. die Vergleichsausfertigung der einvernehmlichen Scheidung vom , in der u.a. festgehalten wurde dass der geschiedene Ehepartner der Bf. im April 2013 aus der gemeinsamen Liegenschaft ausgezogen sei.

Nach Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes, Nachweise für die Beendigung des gemeinsamen Haushaltes im ersten Halbjahr 2013 zu erbringen, legte die Bf. noch Kontoauszüge vor, die die Unterhaltszahlung des geschiedenen Ehemannes für das gemeinsame Kind ab Februar 2013 belegen würden und eine Unterhaltsvereinbarung vor der Bezirkshauptmannschaft A-Jugendwohlfahrt vom mit Gültigkeit ab September 2013 sowie einen Mailverkehr zwischen den damaligen Ehepartnern bzgl. der Beendigung der Partnerschaft und Auflösung des gemeinsamen Haushaltes am und am .

Am teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit, dass auf Grund der nachgereichten Unterlagen auch die Behörde davon ausgeht, dass der Bf. der Alleinerzieherabsetzbetrag für das Jahr 2013 zusteht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 idgF steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich

bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,

bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind iSd § 106 Abs. 1, mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner leben.

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 ist ein Kind im steuerrechtlichen Sinne ein Kind, wenn der Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 3 mehr als sechs Monate im jeweiligen Kalenderjahr zusteht. Der Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 3 steht dann zu, wenn für das Kind Familienbeihilfe im Sinn des FLAG 1967 gewährt wird.

Gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist ein (Ehe-)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-GesetzesEPG eingetragen ist.

Als negatives Anspruchskriterium für den Erhalt des Alleinerzieherabsetzbetrages ist normiert, dass der Alleinerziehende nicht mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft leben darf. (Kanduth-Kristen in Kanduth-Kristen/Laudacher/Lenneis/Marschner/Vock (Hrsg), Jakom EStG10 § 33 Rz 34‑35)

Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind iSd § 106 Abs. 1 mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe‑)Partner gelebt hat. Voraussetzung für den Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag ist somit, dass der Steuerpflichtige alleine im Haushalt mit mindestens einem Kind lebt. Verheirateten Steuerpflichtigen steht der Alleinerzieherabsetzbetrag dann zu, wenn sie mehr als sechs Monate im Kalenderjahr von ihrem Ehepartner getrennt leben (-F/06).

Leben die Ehepartner dauernd getrennt, lebt der Steuerpflichtige somit mehr als sechs Monate im Kalenderjahr, alleine mit mindestens einem Kind in einem Haushalt, so steht ihm der Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Ein dauerndes Getrenntleben liegt dann vor, wenn ein Ehepartner den gemeinsamen Haushalt verlässt, ohne die eheliche Gemeinschaft wiederaufzunehmen und auf Dauer seinen Aufenthalt in einer eigenen Wohnung nimmt. Grundsätzlich spricht eine Ehe gegen dauerndes Getrenntleben, jedoch kann diese Vermutung widerlegt werden. (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG18 § 33 Rz 42). Hinsichtlich der Frage ob die getrennte Lebensführung auf Dauer oder nur vorübergehend ist, ist die subjektive Absicht der Ehegatten maßgeblich, wenn nicht objektive Umstände, wie eine lebenslängliche Haftstrafe dagegen sprechen (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG18 § 33 Rz 42; ). Der polizeilichen Meldung an einem Wohnsitz kommt in diesem Zusammenhang nur eine Indizfunktion zu und schafft für sich keine dauernde Trennung, es ist entscheidend, ob der Steuerpflichtige tatsächlich in einer Gemeinschaft mit dem Ehepartner lebt (Herzog in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG18 § 33 Rz 42; ). Überdies ist der Zeitpunkt der Beendigung der Gemeinschaft mit dem (Ehe-)Partner im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 2 EStG in freier Beweiswürdigung festzustellen und kann sich vom Zeitpunkt der behördlichen Ummeldung unterscheiden ().

Im ggst. Fall war die Bf. im Jahr 2013 verheiratet. Im Falle einer aufrechten Ehe kann der Alleinerzieherabsetzbetrag nur geltend gemacht werden, wenn die Ehepartner im Kalenderjahr mehr als sechs Monate dauerhaft voneinander getrennt leben und ein Ehepartner alleine mit mindestens einem Kind im Haushalt lebt.

Die Bf. und ihr damaliger Ehegatte machten in ihrer Einkommensteuererklärung, bzw. Arbeitnehmerveranlagung jeweils den halben Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind geltend. Dieser setzt nach § 106a EStG idF BGBl I 112/2012 voraus, dass die Ehepartner, mehr als sechs Monate gemeinsam in einem Haushalt leben. Somit lagen widersprüchliche Anträge der Bf. und ihres inzwischen geschiedenen Ehepartners vor.

Aus den Kontoauszügen die von der Bf. vorgelegt wurden, geht eine Unterhaltszahlung des geschiedenen Ehemannes der Bf. an die Bf. für den gemeinsamen Sohn, beginnend mit Februar 2013 iHv 72,67 Euro, jeweils am Beginn des Monats, bis einschließlich , hervor. Ab September 2013 trat die Unterhaltsvereinbarung vor der Jugendwohlfahrt in Kraft und der Kindesunterhalt wurde erhöht. Ebenso zeigt der vorgelegte Schriftverkehr, dass zumindest ab Jänner 2013 eine Zerrüttung der Ehe bestanden hat. In diesem Schriftverkehr geht es bereits um den Auszug aus dem gemeinsamen Haus, der damalige Ehemann der Bf. schlägt eine gesonderte Wohnungnahme für sich vor. Ein weiteres Mail vom Juli 2013 beinhaltet ebenso Lösungsvorschläge für die Aufteilung des gemeinsamen Hauses und dass der damalige Ehemann der Bf. eine Freundin hat. Aus diesem Mail ist ersichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt kein gemeinsamer Haushalt und keine aufrechte Partnerschaft zwischen den Ehepartnern mehr bestanden haben kann. Dass die Trennung eine dauerhafte und nicht bloß vorübergehende war, zeigt auch die anschließende Ehescheidung im Jahr 2015.

Der polizeilichen Meldung kommt in diesem Zusammenhang nur eine Indizfunktion zu. Zur Feststellung des Zeitpunktes der dauernden Trennung sind die tatsächlichen Umstände maßgeblich. Durch die Unterhaltszahlung ab Februar 2013 und den Mailverkehr, der die Zerrüttung ab Jänner 2013 deutlich macht, war davon auszugehen, dass die Partnerschaft im ersten Halbjahr 2013 aufgelöst wurde. Somit konnte die Beschwerdeführerin glaubhaft machen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages im Jahr 2013 vorliegen.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2013 berechnet sich wie folgt:


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Abgabennachforderung lt. ESt-Bescheid vom
1.033,00 €
abzüglich AEAB bei einem Kind
-494,00 €
neu berechnete Abgabennachforderung
539,00 €

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da keine Rechtsfrage strittig ist, sondern der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100695.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at