Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2019, RV/5101782/2018

Keine Festsetzung eines Verkürzungszuschlages, wenn bereits Strafverfügung versendet wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den undatierten, am zugestellten Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Linz, mit dem der Antrag vom auf Festsetzung eines Verkürzungszuschlages gemäß § 30a FinStrG abgewiesen wurde, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin betreibt als Einzelunternehmerin ein griechisches Restaurant. Im Zuge einer Außenprüfung gemäß § 150 BAO betreffend die Jahre 2013 bis 2015 verbunden mit einer Nachschau betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2016 wurden Mängel bei den Hilfs- und Grundaufzeichnungen, Differenzen in der Kalkulation und Inventurmängel festgestellt. Außerdem lag dem Finanzamt eine Anzeige eines Restaurantbesuchers vor, derzufolge dieser beobachtet hatte, dass nicht allen Gästen eine von einer Registrierkasse erstellte Rechnung ausgehändigt worden sei. Aufgrund dieser Mängel nahm der Prüfer Zuschätzungen zu den erklärten Umsätzen vor.

In der aktenkundigen Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wird dazu festgehalten, dass diese Zuschätzung „bei den 10% und 20% Umsätzen jeweils 10% zum erklärten Umsatz“ betragen. Die gleichen Ausführungen und Berechnungen finden sich auch im vorgelegten Schlussbesprechungsprogramm; diesem ist allerdings auch eine Berechnung der Umsatzerhöhungen angeschlossen, denen eine Zuschätzung von jeweils 20 % zum erklärten Umsatz zugrunde liegt.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und setzte unter Wiederaufnahme der Verfahren mit Bescheiden vom die Umsatzsteuern für die Jahre 2013, 2014 und 2015 sowie ferner die Vorauszahlungen für den Zeitraum Februar bis Dezember 2016 fest. Den Bescheiden liegt dabei eine Zuschätzung zu den erklärten Umsätzen in Höhe von jeweils 10 % zugrunde.

Für das Jahr 2013 ergab sich eine Nachforderung an Umsatzsteuer in Höhe von 3.702,99 €, für das Jahr 2014 eine Nachforderung von 3.237,32 € und für das Jahr 2015 eine solche vom 3.208,48 €. Die Umsatzsteuernachforderung für den Zeitraum 02-12/2016 betrug 8.996,22 €.

Die Bescheide vom wurden laut aktenkundigen Rückscheinen am zugestellt.

Mit Strafverfügung vom wurde die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Umsatzsteuernachforderungen für die Jahre 2013 bis 2015 der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG, und hinsichtlich der Umsatzsteuernachforderung betreffend den Zeitraum 02-12/2016 der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt.

Die Strafverfügung wurde am gebucht und versendet, am durch Hinterlegung zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Die mit 6.400,00 € festgesetzte Geldstrafe sowie die mit 500,00 € bestimmten Kosten des Strafverfahrens wurden entrichtet.

Am wurde von der steuerlichen Vertreterin via FinanzOnline hinsichtlich der oben erwähnten Umsatzsteuernachforderungen ein Antrag auf Festsetzung eines Verkürzungszuschlages gemäß § 30a FinStrG gestellt. Der Nachforderungsbetrag pro Jahr übersteige nicht den Betrag von 10.000,00 € und die Summe der Nachforderungen nicht den Betrag von 33.000,00 €. Gleichzeitig werde ein „Rechtsverzicht betreffend die gegenständlichen Bescheide“ abgegeben. Der Antrag werde innerhalb offener Frist, „jedoch“ zeitgerecht innerhalb der Antragsfrist von 14 Tagen nach Festsetzung der Abgabenschuld gestellt. Die Bescheide vom seien am eingelangt.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom ab und begründete dies zusammengefasst damit, dass gemäß § 30a Abs. 6 FinStrG die Festsetzung einer Abgabenerhöhung unzulässig sei, wenn hinsichtlich der betroffenen Abgaben bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig sei. Dies sei aufgrund der Strafverfügung vom der Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom . In dieser wurde beantragt, „den Verkürzungszuschlag gemäß § 30a Finanzstrafgesetz in Höhe 10 % der im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme festgestellten Nachforderungsbetrag anzuerkennen und die zu viel einbehaltene Finanzstrafe zurückzuzahlen“. Es seien zeitgerecht der Antrag auf Festsetzung eines Verkürzungszuschlags gestellt und sämtliche Voraussetzungen zur Gewährung eines solchen erfüllt worden. So sei insbesondere die Abgabenschuldigkeit zeitgerecht entrichtet worden. Auch sei „der Verkürzungszuschlag zeitgerecht entrichtet“ und ein Antrag auf Zahlungsaufschub nicht gestellt worden. Der Sachverhalt sei durch das Ermittlungsergebnis des Abgabeverfahrens nicht ausreichend geklärt gewesen und die Stellungnahme der Beschwerdeführerin habe keine ausreichende Würdigung erfahren. So sei weder im Rahmen der Schlussbesprechung und auch nicht im Rahmen des Verfahrens auf die Stellungnahmen zu den Vorbringungen der Behörde eingegangen worden. Vielmehr sei festzustellen, dass eine am zugestellte Niederschrift deutlich von der - für die Finanzstraffestsetzung relevanten - Niederschrift, welche am zugestellt wurde, abweiche. An dieser Stelle sei darauf hinzuweisen, dass bereits im Zuge der Schlussbesprechung zur Betriebsprüfung auf die Möglichkeit des Verkürzungszuschlags eingegangen worden sei, aufgrund der Höhe der ursprünglich von der Behörde nachgeforderten Abgaben eine Anwendung dieser jedoch ausgeschlossen werden hätte müssen. Erst aufgrund der letztgültigen, für die Bescheiderlassung relevanten Niederschrift sei die Anwendung eines Verkürzungszuschlags möglich gewesen. Da diese erst am zugestellt worden sei, habe auch der Antrag auf einen Verkürzungszuschlag nicht eher als am gestellt werden können. Die Beschwerdeführerin habe sich mit der ursprünglichen Niederschrift nicht einverstanden erklären können und dies durch die Verweigerung der Unterschrift zum Ausdruck gebracht. Die Entrichtung der nachgeforderten Abgaben sei erst aufgrund der letztgültigen Niederschrift möglich gewesen; wesentliche Änderungen hätten sich auf Verlustvorträge sowie die Höhe der Zuschätzung bezogen. Zwar könne das Ergebnis der Prüfung auch hier inhaltlich nicht nachvollzogen werden, wegen der Höhe der materiellen Auswirkungen sei insofern ein Akzeptieren möglich gewesen, als man die nachgeforderten Abgaben auch tatsächlich entrichten habe können ohne ein Insolvenzverfahren auszulösen. Dies sei auch dadurch zum Ausdruck gebracht worden, dass auf ein Beschwerdeverfahren, welches durchaus zu einem vorteilhafteren Ergebnis für die Abgabepflichtige führen hätte können, verzichtet worden sei. Dies alles jedoch „vorbehaltlich der Gewährung eines Verkürzungszuschlags“. Die Weiterleitung bzw. Übermittlung an die finanzstrafbehördliche Abteilung und die Einleitung eines Finanzstrafverfahren gemäß § 33 FinStrG bereits am habe es nicht erlaubt, auf die Niederschrift in angemessener Zeit zu reagieren; die Niederschrift sei in der Kanzlei der steuerlichen Vertreterin am eingegangen. Dies werde auch durch den Umstand unterstrichen, dass die Beschwerdefrist gegen die auf der Niederschrift basierenden Bescheide zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal abgelaufen gewesen sei. Es könne sohin keinesfalls davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführerin ausreichend Zeit gegeben worden sei, auf die Ermittlungsergebnisse zu reagieren, da erst mit 30. Jänner die endgültigen Ergebnisse zur Kenntnis gebracht worden seien. Insgesamt sei daher das Recht auf Parteiengehör nach § 115 BAO verletzt worden. Dies habe in weiterer Folge dazu geführt, dass der Beschwerdeführerin durch die ungewöhnlich schnelle Einleitung eines Finanzstrafverfahrens die Inanspruchnahme der gesetzlichen Möglichkeit des Verkürzungszuschlags verwehrt worden sei. Dies, obwohl bereits im Zuge der Schlussbesprechung zur Betriebsprüfung der Antrag auf einen Verkürzungszuschlag gestellt worden sei. In Anbetracht der Verletzung des Parteiengehörs sowie „der nicht fristenwahrenden Einleitung eines Finanzstrafverfahrens (Beschwerdefrist gegen die Bescheide der Abgabebehörden war noch nicht abgelaufen)“ werde die Zuerkennung des Verkürzungszuschlags beantragt.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung sei kein Vermerk über einen etwaigen Antrag auf einen Verkürzungszuschlag nach § 30a FinStrG zu finden. Wäre ein solcher Antrag gestellt worden, so hätte die Beschwerdeführerin oder deren Steuerberater die Möglichkeit gehabt, eine Berichtigung der Niederschrift vornehmen zu lassen. Erst am sei via FinanzOnline ein Antrag nach § 30a FinStrG eingelangt. Da an diesem Tag aufgrund der Strafverfügung vom bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig gewesen sei, wäre die Festsetzung eines Verkürzungszuschlages gemäß § 30a Abs. 6 FinStrG unzulässig gewesen. Die derzeitige Gesetzeslage räume der Finanzstrafbehörde jederzeit und ohne Rücksicht auf unerledigte Anträge im Sinne des § 30a oder diesbezüglich anhängige Rechtsmittel die Möglichkeit ein, die Festsetzung von Verkürzungszuschlägen durch Einleitung eines Strafverfahrens zu verhindern (siehe dazu mit Verweis auf Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 30a Tz 76). Die Strafverfügung vom sei inzwischen auch rechtskräftig geworden. Des Weiteren habe es im gegenständlichen Fall auch einer Bestrafung der Beschwerdeführerin bedurft, um sie von der Begehung weiterer Finanzvergehen abzuhalten, da sie die Tat über einen längeren Zeitraum (2013 bis 2016) begangen habe. Zudem habe sie bereits im Jahr 2012 eine Selbstanzeige betreffend einer Umsatzsteuer-Restschuld das Jahr 2011 eingebracht. Im Jahr 2014 sei eine weitere Selbstanzeige betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2013 eingebracht worden. Für das Jahr 2013 liegt somit zusätzlich der Ausschlussgrund der vorliegenden Selbstanzeige vor. Die Festsetzung eines Verkürzungszuschlages sei im vorliegenden Fall daher aus all diesen Gründen ausgeschlossen.

Im Vorlageantrag vom wurde vorgebracht, dass seitens der Behörde keine ausreichende Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin stattgefunden habe, sondern vielmehr eine Abänderung des ursprünglichen Schlussbesprechungsprotokolls vorgenommen worden sei, welches sodann mit dem Hinweis auf „Unterschrift verweigert“ versehen worden wäre. Festzuhalten sei diesbezüglich, dass auf das abgeänderte Schlussbesprechungsprotokoll selbstverständlich die Unterschrift nicht verweigert worden wäre, da ansonsten gegen den daraus abgeleiteten Bescheid Beschwerde erhoben worden wäre. Es sei daher bereits dem Grunde nach die Möglichkeit eines Antrags gemäß § 30a FinStrG ausgeschlossen worden. Die „vorsätzliche unmittelbare Einleitung eines Finanzstrafverfahrens“ sei in diesem Lichte als Willkür der Behörde zu werten. Weiters sei festzuhalten, dass Selbstanzeigen im Rahmen von Umsatzsteuer-Restschulden einzig auf einer Judikatur des VwGH beruhten und bereits bei Bagatellbeträgen zu stellen seien. Es sei nicht ersichtlich, warum darin ein Ausschlusstatbestand erblickt werden könne. Auch sei unverständlich, warum die Behörde eine „zusätzliche Bestrafung“ vornehmen wolle, da ohnedies bereits - auch bei Anwendung des § 30a FinStrG - eine Bestrafung stattfinde.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

Beweiswürdigung

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass erstmals am ein Antrag gemäß § 30a FinStrG gestellt wurde. In der Beschwerde wurde zwar im vorletzten Absatz behauptet, dass bereits im Zuge der Schlussbesprechung „ein Antrag auf einen Verkürzungszuschlag gestellt“ worden sei. Damit setzt sich die steuerliche Vertreterin aber in Widerspruch zu jenem Vorbringen in der Beschwerde, wonach die Niederschrift über die Schlussbesprechung erst am zustellt worden sei und der Antrag auf Festsetzung eines Verkürzungszuschlages „nicht eher als am “ gestellt werden hätte können. Zutreffend und unwidersprochen stellte das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung fest, dass in der Niederschrift über die Schlussbesprechung kein Vermerk über einen etwaigen Antrag auf einen Verkürzungszuschlag nach § 30a FinStrG zu finden sei und auch keine diesbezügliche Berichtigung der Niederschrift verlangt worden sei.

Ferner geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass aufgrund des vorgelegten Schlussbesprechungsprogramms zunächst tatsächlich eine Zuschätzung zu den erklärten Umsätzen in Höhe von jeweils 20 % im Raum stand, was die Festsetzung eines Verkürzungszuschlages aufgrund des mit diesen Zuschätzungen verbundenen Überschreitens der in § 30a FinStrG normierten Betragsgrenzen ausgeschlossen hätte. Zu welchem Zeitpunkt die Zuschätzung auf jeweils 10 % vermindert wurde, geht aus den vorgelegten Aktenteilen nicht hervor, ist für das Beschwerdeverfahren jedoch auch ohne Relevanz. Den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen neuen Umsatzsteuer-Jahresbescheiden 2013 bis 2015 sowie dem Festsetzungsbescheid betreffend den Zeitraum 02-12/20176 liegt unbestritten jedenfalls eine Zuschätzung von nur 10 % zugrunde; gleiches gilt für die Stafverfügung vom .

Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass sämtliche Voraussetzungen des § 30a FinStrG erfüllt worden wären, und auch „der Verkürzungszuschlag zeitgerecht entrichtet“ worden sei, wird festgestellt, dass im vorliegenden Fall ein Verkürzungszuschlag nicht festgesetzt wurde und demzufolge auch nicht entrichtet werden konnte.

Die Strafverfügung vom wurde laut Auskunft des Finanzamtes am gebucht und versendet; die Zustellung erfolgte laut aktenkundigem Rückschein am durch Hinterlegung.

Im Übrigen ergibt sich der oben festgestellte Sachverhalt aus den zitierten Aktenteilen.

Rechtslage

§ 30a FinStrG normiert eine „Strafaufhebung in besonderen Fällen (Verkürzungszuschlag)“ und bestimmt dazu in den Absätzen 1, 6 und 8:

(1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, eine Abgabenerhöhung von 10 % der im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme festgestellten Nachforderungen, soweit hinsichtlich der diese begründenden Unrichtigkeiten der Verdacht eines Finanzvergehens besteht, festzusetzen, sofern dieser Betrag für ein Jahr (einen Veranlagungszeitraum) insgesamt 10 000 Euro, in Summe jedoch 33 000 Euro nicht übersteigt, sich der Abgabe- oder Abfuhrpflichtige spätestens 14 Tage nach Festsetzung der Abgabennachforderung mit dem Verkürzungszuschlag einverstanden erklärt oder diesen beantragt und er auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Festsetzung der Abgabenerhöhung wirksam verzichtet. Werden die Abgabenerhöhung und die dieser zugrunde liegenden Abgabennachforderungen innerhalb eines Monats nach deren Festsetzung tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung zur Gänze entrichtet, so tritt Straffreiheit hinsichtlich der im Zusammenhang mit diesen Abgabennachforderungen begangenen Finanzvergehen ein. Ein Zahlungsaufschub darf nicht gewährt werden.

(6) Die Festsetzung einer Abgabenerhöhung ist weiters ausgeschlossen, wenn hinsichtlich der betroffenen Abgaben bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig ist, eine Selbstanzeige vorliegt oder es einer Bestrafung bedarf, um den Täter von der Begehung weiterer Finanzvergehen abzuhalten.

(8) Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des § 3 BAO.

Erwägungen

Im gegenständlichen Fall lägen die in § 30a Abs. 1 erster Satz FinStrG normierten Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verkürzungszuschlages zwar vor, aufgrund der Ausschlussgründe des § 30a Abs. 6 FinStrG kommt eine solche Festsetzung jedoch nicht in Betracht.

Ist hinsichtlich der betroffenen Abgaben bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig, ist die Festsetzung eines Verkürzungszuschlages ausgeschlossen. Anhängig wird ein Finanzstrafverfahren mit der ersten Verfolgungshandlung gemäß § 14 Abs. 3 FinStrG (Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 30a Tz 63).

Nach der Bestimmung des § 14 Abs. 3 FinStrG ist Verfolgungshandlung jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichtes, einer Staatsanwaltschaft, einer Finanzstrafbehörde, des Bundesfinanzgerichtes oder eines im § 89 Abs. 2 genannten Organs, die sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet, und zwar auch dann, wenn das Gericht, die Staatsanwaltschaft, die Finanzstrafbehörde, das Bundesfinanzgericht oder das Organ zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die Person, gegen die sie gerichtet war, davon keine Kenntnis erlangt hat.

Eine Strafverfügung im Sinne des § 143 FinStrG stellt demnach eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 14 Abs. 3 FinStrG dar, da es sich dabei um eine nach außen erkennbare Amtshandlung der Finanzstrafbehörde handelt, die sich gegen eine bestimmte Person richtet, der ein in der Strafverfügung näher bezeichnetes Finanzvergehen zur Last gelegt wird. „Nach außen erkennbar“ ist alles, was über den Bereich der verfolgenden Behörde hinausgeht. Dazu genügt bereits die Versendung der Strafverfügung, auf den Zeitpunkt der Zustellung kommt es dagegen nicht an (vgl. zur Versendung des Einleitungsbescheides sowie den klaren Wortlaut des § 14 Abs. 3 FinStrG, demzufolge es auf eine Kenntnisnahme der Amtshandlung durch die Person, gegen die sie gerichtet war, nicht ankommt).

Die Strafverfügung vom wurde am versendet. Damit war am bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig, welches der Festsetzung eines Verkürzungszuschlages entgegensteht. Diese Strafverfügung ist in Rechtskraft erwachsen und steht der Festsetzung eines Verkürzungszuschlages durch das Bundesfinanzgericht entgegen, da für die Erlassung von Erkenntnissen – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – stets die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend ist (Ritz, BAO, § 279 Tz 31 ff mit Judikaturnachweisen; zu § 30a FinStrG ausdrücklich ). Nach Ablauf der Einspruchsfrist hat die Strafverfügung gemäß § 143 Abs. 5 FinStrG die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses und ist damit das Finanzstrafverfahren beendet. Ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 143 Abs. 1 FinStrG für die Erlassung der Strafverfügung im vereinfachten Verfahren erfüllt waren, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen.

Weiters wird bemerkt, dass einem Antrag gemäß § 30a FinStrG allein noch keinerlei strafaufhebende Wirkung zukommt und der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens oder der Erlassung einer Strafverfügung auch nicht entgegensteht. Es wäre daher für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen gewesen, wenn der Antrag vor dem gestellt worden wäre, da erst die Festsetzung des Verkürzungszuschlages verbunden mit der fristgerechten Entrichtung desselben und der zugrundeliegenden Abgabennachforderungen die Straffreiheit hinsichtlich der im Zusammenhang mit diesen Abgabennachforderungen begangenen Finanzvergehen bewirkt hätte, und der Erlassung einer Strafverfügung entgegengestanden wäre.

Zutreffend wies das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung darauf hin, dass die derzeitige Gesetzeslage der Finanzstrafbehörde jederzeit und ohne Rücksicht auf unerledigte Anträge im Sinne des § 30a oder diesbezüglich anhängige Rechtsmittel die Möglichkeit einräumt, die Festsetzung von Verkürzungszuschlägen durch Einleitung eines Strafverfahrens zu verhindern (; Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 30a Tz 76). Dies könnte zwar durch den Gesetzgeber geändert werden, wenn er etwa verfahrensrechtlich dafür Sorge trifft, dass zunächst über Anträge auf Verkürzungszuschlage rechtskräftig abgesprochen wird, bevor die Finanzstrafbehörde Verfolgungshandlungen setzt (vgl. Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 30a Tz 77). Dies wäre nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes jedoch insofern nicht sinnvoll, als damit durch ein Verfahren vor der Abgabenbehörde (nach § 30a FinStrG) das Verfahren vor der Finanzstrafbehörde verzögert oder blockiert werden könnte.

Zum Antrag in der Beschwerde, den Verkürzungszuschlag in Höhe von 10 % der Nachforderungen festzusetzen und „die zu viel einbehaltene Finanzstrafe zurückzuzahlen“ wird darauf hingewiesen, dass die (in Rechtskraft erwachsene) Strafverfügung der Finanzstrafbehörde gerade der Festsetzung eines Verkürzungszuschlages durch die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht entgegen stand bzw. steht und nicht – wie dies offenbar die steuerliche Vertreterin meint – dadurch aus dem Rechtsbestand beseitigt werden kann, dass nach Durchführung des mit Strafverfügung beendeten Finanzstrafverfahrens ein Verkürzungszuschlag festgesetzt wird.

Das Finanzamt führte in der Beschwerdevorentscheidung auch noch weitere Ausschlussgründe im Sinne des § 30a Abs. 6 FinStrG ins Treffen. So ist die Festsetzung einer Abgabenerhöhung weiters ausgeschlossen, wenn es einer Bestrafung bedarf, um den Täter von der Begehung weiterer Finanzvergehen abzuhalten, die Bestrafung daher aus spezialpräventiven Gründen geboten ist. Unter dem Aspekt der Spezialprävention kann davon ausgegangen werden, dass in erster Linie bei solchen Täterpersönlichkeiten, die im Prinzip noch als sozialintegriert anzusehen sind, am ehesten ein positives Einwirken durch die Verhängung der Strafe zu erwarten ist (Fellner, FinStrG, § 23 Rz 1c). Dazu kommt, dass sich die Tat über einen längeren Zeitraum (2013 bis 2016) erstreckt hat und die Beschwerdeführerin wiederholt Selbstanzeigen eingebracht hatte, die dokumentieren, dass den abgabenrechtlichen Erklärungspflichten zuvor nicht entsprochen worden war. Schließlich wurde vom Finanzamt auch noch auf eine – allerdings nicht aktenkundige – Selbstanzeige betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 hingewiesen.

Insgesamt gesehen kommt daher aufgrund der vorliegenden Ausschlussgründe im Sinne des § 30a Abs. 6 FinStrG die Festsetzung des beantragten Verkürzungszuschlages nicht in Betracht, der entgegen der im Vorlageantrag zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht auch keine Strafe im Sinne des FinStrG darstellt (Fellner, FinStrG, § 30a Tz 2 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Der Verkürzungszuschlag gilt vielmehr gemäß § 30a Abs. 8 FinStrG als Nebenanspruch im Sinne des § 3 BAO und ist auf dem Abgabenkonto zu verbuchen (Seiler/Seiler, FinStrG, § 30a Tz 2).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage lag im gegenständlichen Fall nicht vor, da nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 30a Abs. 6 FinStrG die Festsetzung einer Abgabenerhöhung ausgeschlossen ist, wenn hinsichtlich der betroffenen Abgaben bereits ein Finanzstrafverfahren anhängig ist, was gegenständlichen der Fall war. Die Bestimmung des § 30a Abs. 6 FinStrG wirft daher insoweit keine Auslegungsfragen auf, die einer höchstgerichtlichen Klärung bedürften. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. ).

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 30a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101782.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at