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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2019, RV/6101104/2015

Zulässigkeit der doppelten Haushaltsführung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter A in der Beschwerdesache BF, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde FA vom , St.Nr. betreffend Einkommensteuer 2011, 2012 und 2013 zu Recht erkannt: 

1. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

2. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der BF zur Einkommensteuer 2011 veranlagt. Mit Bescheid vom wurde der BF zur Einkommensteuer 2012 veranlagt. Mit Bescheid vom wurde der BF zur Einkommensteuer 2013 veranlagt. Dabei versteuerte der BF in allen Jahren neben Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit abzüglich der Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Vermietung drei Appartements, die er in einer Miteigentümergemeinschaft mit seiner Gattin betrieb.

Im Rahmen einer Nachschau bei der Miteigentümergemeinschaft am wurde festgestellt, dass in den Aufwendungen auch Entgelte für Tätigkeiten der Gattin enthalten waren. Dies führte zu einer Änderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Jahren 2011, 2012 und 2013. In weiterer Folge wurden auch die oben angeführten Einkommensteuerbescheide des BF für 2011, 2012 und 2013 gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert. Diese Änderung umfasste nicht nur die Änderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch die Höhe der anerkannten Werbungskosten. Dies begründete das FA im Wesentlichen damit, dass die Kosten der Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Arbeitsplatz und die daraus resultierenden Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nur so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten würden, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in die übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Die Unzumutbarkeit könne ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder einer Erwerbstätigkeit seiner Ehepartnerin haben. Berücksichtigungswürdige Einkünfte der Gattin lägen nicht vor, da es sich bei den von ihr erzielten Einkünften nicht um steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1-4 EStG 1988 handle, sondern um Einkünfte aus der Vermögensverwaltung im Rahmen der Apartmentvermietung. Somit liege keine Erwerbstätigkeit des Ehepartners am Ort des Familienwohnsitzes vor. Selbst wenn man diese Einkünfte berücksichtigen wollte, wären sie in Bezug auf das Familieneinkommen nicht von wirtschaftlicher Bedeutung. Mangels Vorliegen einer aktiven Erwerbstätigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung für das Familieneinkommen könne auch nicht damit argumentiert werden, dass bei der Übersiedlung aufgrund fehlender Kinderbetreuung eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung vorliege. Die weiteren angeführten Gründe, wonach die Verlegung des Wohnsitzes an den Arbeitsort unzumutbar sei, da die Gattin dafür ihre unkündbare Stellung im öffentlichen Dienst in Deutschland aufgeben müsse, seien in den strittigen Jahren 2011-2013 nicht von Bedeutung, da die Zumutbarkeit für jedes Veranlagungsjahr gesondert überprüft werden müsse und zukünftige Ereignisse, wie ein geplanter Arbeitsantritt im Jahr 2016 nach der Phase der Betreuung der Kinder nicht relevant sei. Damit sei aber eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort zumutbar.

Gegen diese Bescheide erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte dabei unter Darstellung verschiedener Tätigkeiten des BF und seiner Gattin am Ort des Familienwohnsitzes im Wesentlichen aus, dass eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes deswegen gegeben sei, da im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigte, minderjährige und betreuungsbedürftige Kinder wohnten und eine Übersiedlung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Weiters müsse die Gattin vor Ort sein, um die Vermietung der Appartements und deren Betreuung (Reparaturen, Gästebetreuung Endreinigung, etc.) durchzuführen. Dies sei wesentlich mehr als eine normale vermögensverwaltende Tätigkeit und führe - wenn man den wirtschaftlichen Mittelzufluss betrachte - dazu, dass das steuerliche Ergebnis der Gemeinschaft rund 13 % des Einkommens des BF betrage. Weiters führte der steuerliche Vertreter aus, dass es für einen Musiker, der in einem Symphonieorchester spiele, schwierig sei einen Arbeitsplatz in der Nähe seines Familienwohnortes zu finden. Darüber hinaus beantragte der BF den Alleinverdienerabsetzbetrag für das Jahr 2013 sowie das Pendlerpauschale für die Fahrten zwischen A und B in Höhe eines Drittels im Ausmaß von € 3672,00.

Mit Beschwerde vor Entscheidung vom wies das FA die Beschwerden gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 und 2012 als unbegründet ab und gab der Beschwerde des BF gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 im Hinblick auf den Alleinverdienerabsetzbetrag und teilweise statt.

Darauf beantragte der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG.

Das BFG hat dazu erwogen:

Das BFG legt seiner Entscheidung den im Folgenden dargestellten, als erwiesen angenommenen Sachverhalt zugrunde.

Der BF ist Musiker und als solcher seit dem Jahr 1994 bei einem großen X Orchester beschäftigt. Seinen Hauptwohnsitz hat der BF seit dem an der derzeit aktuellen Adresse in A. Seit dem hat der BF einen Nebenwohnsitz in B, im Jahr 2010 erwarb er in B eine Eigentumswohnung.

Der BF ist seit mit seiner Gattin verheiratet, die seit 1996 im Landratsamt C in unkündbarer Stellung tätig ist. Vom bis zum beanspruchte sie Elternzeit, ab dem wurde ihr von ihrem Arbeitgeber Sonderurlaub gewährt. Im Jänner 2017 nahm die Gattin ihre Tätigkeit beim Landratsamt C wieder auf. Ihre Einkünfte betrugen dabei im Jahr 2017 ca. € 12.000,00. Die Gattin hat ihren Hauptwohnsitz seit dem Jahr 2005 ebenfalls an der gemeinsamen Familienadresse in A. Der Ehe entstammen zwei Kinder, die im Jahr 2007 und im Jahr 2008 geboren worden sind und in A in den Kindergarten bzw. zur Schule gehen.

Das Haus in A wurde dem BF von seinen Eltern gegen Einräumung eines Wohnrechtes für die Eltern und weiterer Reallasten (insbesondere der Pflege der Eltern) im Jahr 2011 übergeben. Seit diesem Zeitpunkt vermieten der BF und seine Gattin die drei Apartments in diesem Gebäude und erklären Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Abwicklung der Vermietung (Gäste check-in, Werbetätigkeit, Reparaturen, Gästebetreuung, Endreinigung etc.) wird von der Gattin des BF durchgeführt. Aus dieser Vermietung resultierten in den Jahren 2011-2013 Gesamtüberschüsse in Höhe von € 3.880,80 (2011), € 5.622,80 (2012) und € 5.665,30 (2013).

Der BF fährt im Schnitt viermal pro Monat von seinem Arbeitsort B an den Familienwohnsitz zurück.

Dieser als erwiesen angenommene Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens, den Datenbanken der Finanzverwaltung sowie aus dem Vorbringen der Parteien im gegenständlichen Beschwerdeverfahren und ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.

In rechtlicher Hinsicht ist zum gegenständlichen Verfahren auszuführen, dass gemäß § 295 Abs. 1 BAO ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben ist. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

Bei Änderungen nach § 295 Abs 1 bzw Abs 2 kann der Bescheid nach jeder Richtung abgeändert werden (zB VwGH 28.5.1998, 96/15/0083; 19.10.1999, 98/14/0118; 28.11.2001, 97/13/0204). Er kann in vollem Umfang – abgesehen von den sich aus § 252 Abs 1 und 2 ergebenden Einschränkungen – mit Bescheidbeschwerde angefochten werden (§ 251, vgl ; 28.5.1998, 96/15/0083; 19.10.1999, 98/14/0118). (Ritz, BAO6, § 295, Tz. 8)

Die Änderung der Einkommensteuerbescheide des BF für 2011 bis 2013 im Jahr 2015 war daher auf Grund der Feststellungen durch die Nachschau bei der Vermietungsgemeinschaft nach § 295 Abs. 1 BAO verfahrensrechtlich zulässig und konnte nicht nur die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit umfassen.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. …Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträgen nicht abgezogen werden

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 .lit. e) EstG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit nicht abgezogen werden, als sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Dazu ist festzuhalten, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst wird, die außerhalb des Erwerbstätigkeit liegen wird. Derartige Aufwendungen sind so lange durch die Erwerbstätigkeit veranlasst, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in die übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. (So z.B. unter Verweis auf ) die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit eines Partners, oder aus Umständen der privaten Lebensführung. Dabei ist die Frage der der Unzumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes in dem Bereich des Berufsortes im Einzelfall zu beurteilen ( unter Verweis auf ) dies kann z.B. auch in der Bewahrung des familiären Umfeldes für minderjährige Kinder begründet sein. () dabei ist auf die Umstände des jeweiligen Veranlagungsjahres abzustellen. ( u.a.)

Für die Zumutbarkeit einer Übersiedelung von Familienangehörigen von einem weit entfernten Wohnort an den Beschäftigungsort des BF ist aus Sicht des BFG auch von Bedeutung, ob eine Übersiedelung auf Dauer oder nur befristet möglich ist. (So z.B. )

Überträgt man diese Überlegungen der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung auf den gegenständlichen Fall so ist das BFG der Ansicht, dass im konkreten Einzelfall eine Übersiedlung der Familienangehörigen an den Beschäftigungsort des BF in den Streitjahren aus verschiedenen, einander gegenseitig bedingenden Umständen nicht zumutbar war.

Der BF hatte im gegenständlichen Zeitraum zwei Kinder im Kindergarten- bzw. Schulalter, die von seiner Gattin betreut wurden. Die Kinder sind am Wohnort seit ihrer Geburt sozialisiert.  Seine Gattin war und ist in einem aufrechten Dienstverhältnis zu einer deutschen Gebietskörperschaft, das sie nun wieder vom Wohnort aus ausübt. Damit erwirtschaftet die Gattin einen wesentlichen Beitrag zum Familieneinkommen.

Auch wenn für die Beurteilung der Zulässigkeit der doppelten Haushaltsführung die Umstände des jeweiligen Veranlagungsjahres von Bedeutung sind und die Gattin des BF in den streitgegenständlichen Jahren ihren Beruf als Beamtin nicht ausübte und keine Einkünfte erzielte, so kann diese Jahresbetrachtung nach Sicht des BFG nicht dazu führen, dass geplante und absehbare Veränderungen in den Folgejahren, die ihre Wurzel bereits vor den Streitjahren haben, nicht berücksichtigt werden.

Eine Verlegung des Hauptwohnsitzes ist bei der gegenständlichen Ausgangslage aus Sicht des BFG nur befristet möglich, da die Gattin des BF ansonsten entweder gezwungen wäre ihre Tätigkeit in C endgültig aufzugeben und damit auf ein gesichertes Einkommen in den Folgejahren zu verzichten. Sie könnte diese Tätigkeit nicht von B aus ausüben und müsste somit ihre unkündbare Stellung aufgeben.

Will die Gattin des BF dagegen ihren Beruf weiter ausüben, müsste sie ab dem Jahr 2017 wiederum zurückübersiedeln, während der BF beruflich in B verbleiben müsste. Betrachtet man den Beruf des BF als Musiker, der seinen Beruf neben Proben am Tag vorrangig am Abend und an Wochenenden ausübt, so wäre es ihm allein wahrscheinlich nur schwer möglich in B die Aufsicht und Erziehung der zwei Kinder allein auszuüben. Die Kinder würden daher wahrscheinlich bereits im Jahr 2017 wiederum mit der Mutter nach A übersiedeln.

Damit ergibt sich bei einer solchen befristeten Verlegung des Wohnsitzes, dass die Kinder sowohl in den Streitjahren als auch im Schuljahr 2016/2017 aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden. Aus Sicht der oben zitierten Judikatur () ist eine Aufgabe des vom Beschäftigungsort des BF weit entfernten Familienwohnsitzes daher nicht zumutbar.

Die sonstigen vom BF angeführten Gründe (insbesondere die Liebhabereitätigkeiten des BF selbst am Wohnort und die Tätigkeit der Gattin des BF im Rahmen der Vermietung von Apartments, die nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb sondern zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen) würden eine solche Unzumutbarkeit aus Sicht des BFG nicht begründen.

Den Beschwerden war daher unter Berücksichtigung der Änderungen nach § 295 BAO im Jahr 2015 stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert hinsichtlich der Frage der Berücksichtigung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung auf den im Begründungsteil zitierten gesetzlichen Bestimmungen und den dazu ergangenen Entscheidungen des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
doppelte Haushaltsführung
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6101104.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at