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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2019, RV/7103712/2019

Aufenthaltstitel einer Fremden im Sinn des NAG während laufendem Verlängerungsverfahren

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/7103712/2019-RS1
wie RV/1265-L/07-RS1
Hat ein Fremder einen Aufenthaltstitel nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) und stellt er rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeitsdauer einen Antrag auf Verlängerung, bleibt der Anspruch auf Familienbeihilfe bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen auch noch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin bestehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerde­sache Bf, vertreten durch S, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe vom , zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit abgeändert, als dem Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2014 bis Dezember 2017 stattgegeben wird. Hinsichtlich des Zeitraumes Jänner 2018 bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist montenegrinische Staatsbürgerin. Sie lebt mit ihrem Ehemann (kosovarischer Staatsbürger) und ihrer Tochter A (geboren im Juli 2012, kosovarische Staatsbürgerin) in Wien im gemeinsamen Haushalt.

Die Bf. bezog für ihre Tochter im Zeitraum Juli 2012 bis Juni 2014 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. einen Antrag auf Zuerkennung der Familien­beihilfe für ihre Tochter rückwirkend von bis sowie ab .

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2018 mit folgender Begründung ab:

Für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, bestehe gemäß § 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) nur dann Anspruch auf Familien­beihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhielten.

Da laut der vorgelegten Bestätigung der Magistratsabteilung 35 ( MA 35) der am gestellte Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels abgewiesen wurde und erst wieder ab ein gültiger Aufenthaltstitel vorliege, sei der Antrag auf Familien­beihilfe für den genannten Zeitraum abzuweisen.

Die Bf. erhob gegen den Bescheid vom Beschwerde, in welcher sie Folgendes ausführte:

Sowohl die Bf. als auch ihre Tochter seien im beantragten Zeitraum (Juli 2014 - Jänner 2018) rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen. Sie hätten beim LH von Wien, MA 35, rechtzeitig vor Ablauf der bisherigen Aufenthaltstitel im Juni 2014 einen Antrag auf Zweckänderung nach § 24 NAG iVm § 26 NAG gestellt, wobei dieses Verfahren erst mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom rechtskräftig negativ beendet worden sei. Gemäß § 24 Abs. 1 NAG sei der Bf. und ihrer Tochter daher ein Aufenthaltsrecht im maßgeblichen Zeitraum zugekommen, weshalb die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe auch für diesen Zeitraum erfüllt gewesen seien.

Tatsächlich seien sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe im beantragten Zeitraum erfüllt. Wie schon ausgeführt, seien die Bf. und ihre Tochter aufgrund des rechtzeitig gestellten Verlängerungs- und Zweckänderungsantrages gemäß § 24 iVm § 26 NAG im Juni 2014 bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-151/007/1216/2015 und VGW-152/007/1216/2015, zugestellt am , rechtmäßig in Österreich aufhältig. Dies sei dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 NAG eindeutig zu entnehmen:

„....Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig....“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt. Der angefochtene Bescheid wurde hinsichtlich des Zeitraumes Juli bis Dezember 2014 aufgehoben. Hinsichtlich des Zeitraumes Jänner 2015 bis Jänner 2018 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Finanzamt führte in der Begründung aus, die Anträge vom auf Verlängerung der Aufenthaltstitel ab Juli 2014 seien mit Bescheiden der MA 35 vom abgewiesen worden. Die dagegen am beim Verwaltungsgericht Wien eingebrachten Beschwerden seien am zurückgezogen worden. Die Bf. und ihre Tochter hätten sich bis zur Zustellung der Abweisungsbescheide im Dezember 2014 rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Die rechtzeitigen Verlängerungsanträge hätten einen rechtmäßigen Aufenthalt der Bf. und ihrer Tochter nur bis zur Rechtskraft der Abweisungsbescheide im Dezember 2014 bewirkt.

Die Bf. stellte gegen die Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab im Vorlagebericht folgende Stellungnahme ab:

„Gemäß § 24 Abs 1 NAG idF BGBl I 2009/122 sind Verlängerungsanträge (Anträge auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, § 2 Abs 1 Z 11 NAG) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen.

Der Abweisungsbescheid ist durch die Zurücknahme der Beschwerde am in Rechtskraft erwachsen. Bis , sohin nach Einbringung eines Verlängerungs­antrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag, hielt sich die Bf gemäß § 24 Abs 1 NAG weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Hat ein Fremder einen Aufenthaltstitel nach § 8 (oder § 9) NAG und stellt er rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeitsdauer einen Antrag auf Verlängerung, bleibt der Anspruch auf Familienbeihilfe bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen auch noch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin bestehen (; ; ).

Daher steht der Bf auch bis zu diesem Zeitpunkt die Familienbeihilfe zu. Die in der Beschwerde kundgegebene rechtliche Ansicht, dass die Zustellung des Einstellungs­beschlusses des Verwaltungsgerichtes im Jänner 2018 den Anspruch auf Familienbeihilfe verlängere, trifft jedoch nicht zu. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes und somit daraus folgend auch der Anspruch auf Familienbeilhilfe erlischt mit rechtskräftiger Entscheidung über den Verlängerungsantrag. Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag, der Abweisungsbescheid vom , wurde mit am erfolgter Zurücknahme der Beschwerde vom rechtskräftig.

Aufgrund der obigen Ausführungen beantragt die belangte Behörde, das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde teilweise stattgeben und Familienbeihilfe bis einschließlich Dezember 2017 gewähren und die Beschwerde bezüglich der Gewährung der Familienbeihilfe für Jänner 2018 abweisen.“

Mit Schriftsatz vom zog die Bf. ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

§ 24 NAG regelt das Verfahren im Fall von Anträgen auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels. Nach Absatz 1 sind derartige Anträge vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Die Bf. und ihre Tochter haben im Juni 2014 - rechtzeitig vor Ablauf der bisherigen Aufenthaltstitel - Verlängerungsanträge gestellt. Diese Anträge wurden von der zuständigen Behörde (Landeshauptmann von Wien, MA 35) mit Bescheiden vom abgewiesen. Gegen die Abweisungsbescheide wurden am Beschwerden erhoben, welche am zurückgezogen wurden. Mit der Zurückziehung der Beschwerden sind die angefochtenen Abweisungsbescheide in Rechtskraft erwachsen. Das Verwaltungsgericht Wien hat mit Beschlüssen vom die Beschwerdeverfahren eingestellt. Die Verfahren betreffend die Verlängerungsanträge wurden im Zeitpunkt des Einlangens der Zurückziehung der Beschwerden formell rechtskräftig beendet (vgl. ). Bis zur Zurückziehung der Beschwerden am haben sich die Bf. und ihre Tochter rechtmäßig in Österreich aufgehalten.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt. Demnach bestand bis einschließlich Dezember 2017 Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () folgt.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at