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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.10.2019, RV/4100539/2018

Verrechnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. H.L in der Beschwerdesache S.T, Str., L.a.D, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes S. vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Rückzahlung eines Guthabens betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Beschluss vom tt.mm.2015 wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin beim Bezirksgericht das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom des Bezirksgerichtes im Verfahren Aktenzahl wurde der Zahlungsplan bestätigt. Der Zahlungsplan sieht eine Quote iHv 10%, zahlbar in 10 Halbjahresraten, beginnend mit vor.

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.) beantragte mit schriftlicher Eingabe vom die Rückzahlung einer Abgabengutschrift in Höhe von € 14.665,00, welche aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 resultierte (Bescheid vom ).

Das Finanzamt wies mit angefochtenem Bescheid vom den Antrag als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Gutschrift mit offenen Insolvenzforderungen aufgerechnet wurden.

In der Beschwerde vom  wendete die Bf. ein, dass es sich beim Guthaben um ein Post-Konkursguthaben handle, das nach Konkurseröffnung am (gemeint: ) entstanden sei. 

Nachdem das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen hat, beantragte die Bf. die Entscheidung durch das BFG. In der Beschwerdevorentscheidung stellte das Finanzamt ausführlich die geltende Rechtslage dar und führte begründend aus, dass die Bf. weder die Einkommensteuervorauszahlungen noch die Einkommensteuer 2015 entrichtet hat. Das Finanzamt musste im Schuldenregulierungsverfahren Konkursforderungen iHv. € 29.540,40  anmelden.

Rechtslage und Erwägungen:

Gemäß § 239 Abs 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs 4 BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO ist ein aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben deren Einhebung ausgesetzt ist, sich ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Nach § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen.

Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben für jeden Abgabepflichtigen die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.

Das Finanzamt hat die Einkommensteuer für das Jahr 2015 mit Bescheid vom aufgrund (negativer) Einkünfte in Höhe von "-25.992.37" in Höhe von "0" festgesetzt. Die bisher vorgeschriebenen Einkommensteuervorauszahlungen für 2015 betrugen € 14.655,00.

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom entstandene Abgabengutschrift ein rückzahlungsfähiges Guthaben am Abgabenkonto bewirkt.

Mit der Frage der Rückzahlung ist somit untrennbar die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung, damit die Frage der Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto verbunden.

Die Bf hält die Aufrechnung aus insolvenzrechtlicher Sicht für unzulässig, weil es sich bei der Abgabengutschrift um ein "Post-Konkursguthaben", welches nach Beendigung des Schuldenregulierungsverfahrens entstanden ist, handelt. Nach der hier in Betracht kommenden Bestimmung des § 20 Abs 1 erster Satz IO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Dieser insolvenzrechtlichen Aufrechnungsbeschränkung kommt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zu (vgl zB ).

Abgabenrückforderungsansprüche (Guthaben) sind "negative Abgabenansprüche", die wie Abgabenansprüche im engeren Sinn kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt entstehen, in dem ein gesetzlicher Tatbestand verwirklicht wird, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet (vgl zB ).

Bei der zu veranlagenden Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch im Wege von Vorauszahlungen schon früher entstanden ist. Der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuervorauszahlung entsteht mit Beginn des Kalendervierteljahres für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind.

Aufgrund dieser Rechtslage ist die Aufrechnung der Gutschrift mit den bereits entstandenen und nicht entrichteten Vorauszahlungen zu Recht erfolgt, zumal die Höhe der Abgabengutschrift aus der Einkommensteuer 2015 der Summe aus den Vorauszahlungen für das Jahr 2015, welche nicht entrichtet wurden, entspricht und die Aufrechnungslage rückwirkend bereits zum Zeitpunkt der ersten Fälligkeit bestanden hat. 

Wenn auch das Finanzamt erst nach der Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens Schuldner des Gegenanspruches der Bf geworden ist, gilt nach herrschender Auffassung, dass - worauf das Finanzamt zutreffend hingewiesen hat - die Aufrechnungsbeschränkung des § 20 Abs 1 erster Satz IO nur während des Insolvenzverfahrens, sodass diese ab dem Zeitpunkt der Eröffnung bis zur Aufhebung angewendet werden kann.

Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens findet § 20 Abs IO keine Anwendung (Beschluss vom ). Nach der Aufhebung kann sich der vormalige Insolvenzschuldner auf die Beschränkung des § 20 Abs 1 IO nicht berufen (siehe dazu ).

Der eine Gutschrift ausweisenden Einkommensteuerbescheid vom  ist nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens ergangen und sind auch die Buchungsvorgänge sowie die Aufrechnungserklärung nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Die vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung des Guthabens unterlag damit nicht mehr dem Aufrechnungsverbot des § 20 Abs 1 erster Satz IO.

Vielmehr ist nach rechtskräftiger Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens eine auf § 215 Abs 1 BAO gestützte Verrechnung einer Insolvenzforderung sowohl mit vor als auch mit nach Aufhebung entstandenen Steuergutschriften ohne Einschränkung zulässig.

Der Abgabenanspruch hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsanspruch handelt es sich um negative Abgabenansprüche.

Abschließend wird festgestellt, dass die Bf. Einkommensteuervorauszahlungen 2015 neben weiteren Umsatzsteuerzahllasten nicht geleistet hat und infolge der Aufrechnung durch das Finanzamt ein rückzahlbares Guthaben nicht bestanden hat.

Da sich somit gemäß § 239 BAO kein rückzahlbares Guthaben am Abgabenkonto befand, erweist sich die Abweisung des Antrages als rechtsrichtig.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Revision an den VwGH ist nicht zulässig, weil die im gegenständlichen Fall zu lösende Rechtsfrage der Zulässigkeit der Verrechnung durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung des VwGH (Erk vom , 2006/15/0155) geklärt ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 215 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100539.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at