Voraussetzungen für eine antragsgebundene Wiederaufnahme des Verfahrens
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ri über die Beschwerde des Bf, Adr1, vertreten durch Mag. STB, Adr2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg, dieses vertreten durch HR Mag. T, vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer (Bf) mit Erinnerung vom unter Fristsetzung auf, die Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2015 nachzuholen.
Nach Ablauf der gesetzten Nachfrist wiederholte die Behörde ihre Aufforderung, wobei diese mit Bescheid vom die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von 200 Euro androhte. Da der Bf der Aufforderung eine Einkommensteuererklärung für 2015 zu legen weiterhin nicht nachkam, setzte die Behörde die angedrohte Zwangsstrafe mit Bescheid vom fest.
Mit Datum erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid für 2015, wobei es die Steuerbemessungsgrundlagen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) im Wege der Schätzung mit 15.000 Euro ermittelte.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2015 und legte seinem Antrag eine "berichtigte" Einkommensteuererklärung bei. In dieser wurden gewerbliche Einkünfte von 4.321,47 Euro ausgewiesen.
Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde von Seiten der steuerlichen Vertretung wie folgt begründet:
"Die Bemessungsgrundlagen wurden wegen Nichtabgabe der Steuererklärung gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt. Da Herr Bf mich mit seiner steuerlichen Vertretung beauftragt hat, habe ich die Steuererklärung 2015 erstellt und reiche nun eine berichtigte Einkommensteuererklärung ein".
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet ab; dies mit der Begründung, dass bei einem derartigen Antrag das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei. Im gegenständlichen Fall sei davon auszugehen, dass die "neu hervorgekommenen Tatsachen", nämlich die Besteuerungsgrundlagen, dem Bf wohl bekannt gewesen sein mussten, zumal diesen einzig und allein Sachverhalte zugrunde liegen, die vom Bf selbst verwirklicht worden seien.
In der gegen diesen Abweisungsbescheid erhobenen Beschwerde führte der Bf aus, dass er seiner ehemaligen steuerlichen Vertretung den Auftrag erteilt habe, den Jahresabschluss zu erstellen und die Steuererklärung einzureichen. Er sei davon ausgegangen, dass dies auch geschehe bzw. geschehen sei.
Wenn das Finanzamt argumentiere, dass eine amtswegige Wiederaufnahme ebenso nicht in Betracht komme, da nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist bzw. nach Verhängung einer Zwangsstrafe, die Besteuerungsgrundlagen ex offo im Wege der Schätzung zu ermitteln gewesen seien, so sei dem entgegenzusetzen, dass weder er (Bf) noch seine derzeitige steuerliche Vertretung einen Bescheid über eine Nachfristsetzung bzw. Verhängung einer Zwangsstrafe erhalten hätten. Ferner sei anzumerken, dass die Behörde im bekämpften Abweisungsbescheid ihre Ermessensübung nicht begründet habe.
In seiner Beschwerdeschrift beantragte der Bf zudem den prozessualen Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Beschwerdevorentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend dazu aus:
"Wie bereits im Abweisungsbescheid vom ausgeführt, ist bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen. Im vorliegenden Fall wurde davon ausgegangen, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen dem Antragsteller bekannt gewesen waren.
Der Wiederaufnahmeantrag war daher aus Rechtsgründen mit Bescheid vom abzuweisen (keine Ermessensentscheidung), weil die tatbestandsmäßige Voraussetzung der fehlenden Kenntnis von den Wiederaufnahmsgründen beim Antragsteller nicht gegeben war.
Auch aus der Begründung der nunmehr gegen den Abweisungsbescheid vom eingebrachten Beschwerde ist das Hervorkommen von neuen Tatsachen aus der Sicht des Abgabepflichtigen ebenfalls nicht zu erblicken, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Ergänzend wird noch ausgeführt, dass erst eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen (allenfalls nach Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages) im Ermessen der Behörde stehen würde. Im vorliegenden Fall spricht im Rahmen der Ermessensübung die Tatsache, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichteinreichung der Steuererklärungen trotz Nachfrist und Festsetzung einer Zwangsstrafe durch Schätzung ermittelt werden mussten, gegen eine Wiederaufnahme."
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
In ihrem Vorlagebericht gab die belangte Behörde folgende Stellungnahme ab:
"Aus dem klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (, und ).
Da das Wissen über (selbst) verwirklichte Sachverhalte beim Abgabepflichtigen in der Regel anzunehmen ist, folgt daraus, dass Wiederaufnahmeanträge bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen aus Rechtsgründen zwingend abzuweisen sind, weil die tatbestandsmäßige Voraussetzung der fehlenden Kenntnis von den Wiederaufnahmegründen beim Antragsteller nicht gegeben ist.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die in der berichtigten Erklärung angegebenen Zahlen - auch wenn sie stimmen sollten - aus der Sicht des Bf nicht nach dem Ergehen des Erstbescheides neu hervorgekommene Tatsachen sind, sondern dass ihm diese Zahlen vielmehr schon im abgeschlossenen Verfahren bekannt waren.
Ob Gründe für eine amtswegige Wiederaufnahme vorliegen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Es wird daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Mit Eingabe vom zog der Bf seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über diese Beschwerde hat das Gericht erwogen:
Das Gericht sieht nachstehenden Sachverhalt als erwiesen an:
Der Bf unterließ die fristgerechte Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2015, weshalb die belangte Behörde die Steuerbemessungsgrundlage im Schätzungswege ermittelte. Im so ergangenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom brachte die Behörde gewerbliche Einkünfte von 15.000 Euro in Ansatz.
Eine Beschwerde gegen diesen Einkommensteuerbescheid wurde nicht eingebracht.
Mit Datum stellte der Bf den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, welcher von Seiten der Behörde abgewiesen wurde. Mit Beschwerdevorentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid als unbegründet ab. Aufgrund eines eingebrachten Vorlageantrages ging die Entscheidungskompetenz in dieser Sache auf das Bundesfinanzgericht über.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Die Bestimmung des § 303 BAO idF des FVwGG 2012, BGBl I Nr. 13/2014, ordnet an:
"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamen Umstände zu bestimmen."
Tatsachen und Beweismittel sind dann ein tauglicher Wiederaufnahmegrund, wenn sie neu hervorgekommen sind, dh wenn sie im abgeschlossenen Verfahren bereits vorhanden waren, aber nicht berücksichtigt wurden (sog. "nova reperta"); kein tauglicher Wiederaufnahmegrund hingegen sind sie, wenn sie erst nach Erlassung des Bescheides im abgeschlossenen Verfahren neu entstanden sind (sog. "nova producta"; vgl , ÖStZB 1973, 16 = Slg 4389/F). Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungsrelevanten Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl ; , 96/13/0185).
Der Neuerungstatbestand gilt in gleicher Weise für die Behörde (amtswegige WA) als auch für den Steuerpflichtigen (antragsgemäße/antragsgebundene Wiederaufnahme) und zwar auch dann, wenn die Tatsachen oder Beweismittel aus Verschulden der Behörde oder der Partei im abgeschlossenen Verfahren nicht bekannt waren. Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel dient allerdings nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung des bereits bekannt gewesenen Sachverhaltes zu beseitigen.
Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit b iVm Abs 2 lit b BAO ist abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind (; ; vgl. dazu Papst , ÖStZ 2017, 49 ff, sowie Fuchs , ÖStZ 2017, 70). Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind" (; Ro 2016/15/0036).
Der Antrag des Bf vom enthält keinen Hinweis auf das Vorliegen neuer Tatsachen, sondern lediglich den Hinweis auf eine Säumnis seines vormaligen steuerlichen Vertreters die erforderliche Erklärung zu erstellen bzw. beim Finanzamt einzureichen. Eine derartige Säumnis stellt allerdings keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund dar. Dass der Bf über jene Sachverhalte (Tatsachen), die der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage zugrunde liegen, im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2015 nicht Bescheid gewusst hätte, wurde weder behauptet noch liegen ansatzweise Gründe für eine derartige Annahme vor. Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass der Bf allfälliges Fehlverhalten seines Vertreters sich ebenso zurechnen lassen muss wie eigenes.
Sollte der Bf mit dem Ergebnis der von der Behörde vorgenommenen schätzungsweise Ermittlung seiner Einkünfte nicht einverstanden gewesen sein, dann wäre es geboten gewesen, gegen den ergangenen Sachbescheid eine Bescheidbeschwerde einzubringen. Die Korrektur eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides im Wege einer Wiederaufnahme eignet sich nur bedingt, zumal die prozessualen und materiellen Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Rechtskraft weitaus enger ausgelegt sind als bei einer gegen den Sachbescheid (im offenen, nicht rechtskräftig abgeschlossen Verfahren) gerichteten Beschwerde.
Ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO vorliegen - diese wären gegeben, wenn der Bf glaubhaft machen kann, dass er oder sein Rechtsvertreter durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war eine prozessuale Handlung fristgerecht vorzunehmen - hat das Finanzamt in einem eigenen Verfahren zu beurteilen; dessen bescheidmäßiger Abspruch ist wiederum rechtsmittelfähig.
Wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass dem Bf jene Sachverhalte, welche zur Verwirklichung des Steuertatbestandes und in der Folge der sich daraus ergebenden Steuerbemessungsgrundlage geführt haben, im Zeitpunkt der Erlassung des vom Wiederaufnahmeantrag belasteten Einkommensteuerbescheides bekannt waren bzw. bekannt gewesen sein mussten, so erweist sich eine derartige Annahme als schlüssig und mit den Denkgesetzen in Einklang stehend.
Der Bf hat auch in keiner Lage des Verfahrens behauptet, dass ihm die besagten Sachverhalte im Zeitpunkt des Ergehens des Sachbescheides, sohin per , nicht bekannt gewesen wären. Im Gegenteil, aus der Beschwerde lässt sich das Vorbringen erschließen, dass der Bf die für die Erstellung der Steuererklärung 2015 erforderlichen Unterlagen und Informationen seinem damaligen Steuerberater zeitgerecht zur Verfügung gestellt, dieser aber in der Folge keine weiteren Handlungen mehr vorgenommen habe.
Da gegenständlich die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegen, war die Beschwerde zwingend als unbegründet abzuweisen.
Begründung gemäß § 25a Abs. 1 VwGG
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die genannten Gründe liegen gegenständlich allesamt nicht vor.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiederaufnahme vorliegen Antrag neuer Tatsache Antragsteller |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100209.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at