Beschwerdelegitimation – Beschwerde – Vorlageantrag
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0002. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7102748/2021 erledigt.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RA, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 vom beschlossen:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO idgF als nicht zulässig zurück gewiesen.
II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
A. Die im Spruch dieses Beschlusses angeführte und in Folge als Beschwerdeführerin (Bf.) bezeichnete Gesellschaft war von ... bis ... in Konkurs. Masseverwalter war der Rechtsanwalt RA1.
Am erließ das Finanzamt die im Spruch dieses Beschlusses aufgezählten Bescheide und stellte sie an RA1 als Masseverwalter der Bf. zu.
Diese Bescheide waren innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar. Die Beschwerdefrist war mit innerhalb der Beschwerdefrist eingebrachten Fristverlängerungsanträgen verlängerbar. RA1 brachte innerhalb offener Beschwerdefrist den Fristverlängerungsantrag vom ein und das Finanzamt verlängerte die Beschwerdefrist bis .
B. Am brachte Rechtsanwalt RA2 die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 namens der Bf. ein und gab an, dass er vom Gesellschafter der Bf., XX, dazu bevollmächtigt worden sei.
C. Am erließ das Finanzamt einen Mängelbehebungsauftrag und adressierte ihn an die Bf. per Adresse RA2. Am antwortete RA2 innerhalb offener Mängelbehebungsfrist.
D. Alle Beschwerden wurden mit der an RA2 adressierten Beschwerdevorentscheidung vom wegen fehlender Aktivlegitimation zurückgewiesen. Der Spruchteil der Beschwerdevorentscheidung lautet:
"Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom von RA2, [Adresse lt. Adressfeld], gegen nachfolgend genannte an RA1 als Masseverwalter des/der [namentlich genannten Bf.] erlassene Bescheide: Umsatzsteuerbescheid 2016 vom , Körperschaftsteuerbescheid 2016 vom und Anspruchszinsenbescheid 2016 vom ".
Die Beschwerdevorentscheidung begründend brachte das Finanzamt im Wesentlichen vor: Da XX nach der vom Finanzamt durchgeführten Firmenbuchabfrage kein Gesellschafter Bf. war, war er nicht legitimiert, die Bf. zu vertreten und konnte RA2 nicht rechtsgültig bevollmächtigen, die Beschwerden vom einzubringen. Auch war die Bf. damals noch in Konkurs, weshalb nur ihr Masseverwalter RA1 die Beschwerden hätte einbringen dürfen.
Die Beschwerdevorentscheidung vom war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Vorlageantrag anfechtbar und wurde von RA2 mit dem Vorlageantrag vom namens der Bf. angefochten.
E. Den Vorlageantrag vom brachte RA2 namens der Bf. ein und brachte darin vor:
Der Masseverwalter RA1 habe eine Steuerberatungskanzlei beauftragt und bevollmächtigt, an seiner Stelle die Beschwerden für die Bf. einzubringen. Die Steuerberatungskanzlei habe RA2 beauftragt und bevollmächtigt, weshalb er berechtigt sei, für die Bf. einzuschreiten. RA2 sei jetzt auch von der Bf. beauftragt und bevollmächtigt worden. XX habe als Bote zwischen der Bf. und RA2 fungiert. Bei Bedarf könne RA2 nachweisen, bevollmächtigt zu sein; jedoch berufe er sich ausdrücklich auf § 8 Abs 1 RAO.
F. Mit Mail vom teilte RA2 mit, dass er von der Bf. bevollmächtigt worden sei, sie allgemein vor den Abgabenbehörden zu vertreten und dass ihm auch die Zustellvollmacht erteilt worden sei.
G. Am legte das Finanzamt die Beschwerden gegen die im Spruch dieser Entscheidung aufgezählten Bescheide dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, den Vorlageantrag aus folgenden Gründen zurückzuweisen: Bescheidadressat der Beschwerdevorentscheidung sei RA2, weshalb nur RA2 berechtigt sei, den Vorlageantrag in eigenem Namen einzubringen. Er habe jedoch den Vorlageantrag namens der Bf. eingebracht.
H. Den Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, dass RA1 irgendjemanden bevollmächtigt oder beauftragt hatte, die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 einzubringen.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
1. Beschwerdepunkte
Strittig ist, wer berechtigt ist, den Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom einzubringen. Das Finanzamt behauptet, dass RA2 den Vorlageantrag nicht namens der Bf. einbringen darf sondern in eigenem Namen hätte einbringen müssen, da er der Adressat der Beschwerdevorentscheidung gewesen sei und beantragt, den Vorlageantrag zurückzuweisen.
2. Sach- und Beweislage
Der Entscheidung ist folgende, aus dem Firmenbuch, der Insolvenzdatei, den angefochtenen Bescheiden, den Beschwerden, der Beschwerdevorentscheidung, dem Vorlageantrag und den Verwaltungsakten sich ergebende Sach- und Beweislage zugrunde zu legen:
a) Als das Finanzamt die Bescheide vom betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 erlassen hat, ist die Bf. in Konkurs gewesen. Das Finanzamt hat die Bescheide an RA1 als Masseverwalter der in den Bescheiden namentlich genannten Bf. adressiert und zugestellt.
b) Als RA2 namens der Bf. und bevollmächtigt von XX die Beschwerden vom eingebracht hat, ist die Bf. in Konkurs und RA1 ihr Masseverwalter gewesen. XX ist lt. Firmenbuchauszug nicht befugt gewesen, die Bf. zu vertreten.
c) Den Verwaltungsakten ist nicht zu entnehmen, dass RA1 irgendjemanden bevollmächtigt oder beauftragt hat, die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 einzubringen.
d) Als das Finanzamt die Beschwerdevorentscheidung vom erlassen hat, ist die Bf. nicht mehr in Konkurs gewesen. Der Spruch der Beschwerdevorentscheidung lautet: "…gegen … an RA1 als Masseverwalter des/der [namentlich genannten Bf.] erlassene Bescheide: …". Im Adressfeld der Beschwerdevorentscheidung stehen Name und Adresse von RA2.
e) Den Vorlageantrag vom hat RA2 namens der Bf. eingebracht und hat sich dabei auf eine von der Bf. erteilte Vertretungs- und Zustellvollmacht nach § 8 Abs 1 RAO berufen.
3. Rechtslage
Gemäß § 264 Abs 2 Bundesabgabenordnung - BAO idgF sind Beschwerdeführer und Personen, gegenüber denen Beschwerdevorentscheidungen wirken, befugt, Vorlageanträge einzubringen.
4. Rechtliche Würdigung und Entscheidung
4.1. Mit einer Beschwerdevorentscheidung wird über eine Beschwerde gegen angefochtene Bescheide entschieden. Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt daher für und gegen die gleichen Personen wie die angefochtenen Bescheide. Angefochtene Bescheide wirken für und gegen die Personen, für die sie inhaltlich bestimmt sind. Wer diese Personen sind, ergibt sich aus dem Spruch der Beschwerdevorentscheidung, zu dem nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch das Adressfeld der Beschwerdevorentscheidung gehört (, und die do. zit. Vorjudikate).
Von dieser Rechtsprechung ausgehend wird über die Beschwerdevorentscheidung vom festgestellt:
Da der Spruch der Beschwerdevorentscheidung "…gegen … an RA1 als Masseverwalter des/der [namentlich genannten Bf.] erlassene Bescheide: …" lautet, ist die Bf. die Bescheidadressatin und damit Diejenige, für die die Beschwerdevorentscheidung inhaltlich bestimmt ist.
RA1 wird im Spruch der Beschwerdevorentscheidung mit seiner Funktion als Masseverwalter angeführt, weshalb aus dem Spruch der Beschwerdevorentscheidung eindeutig hervorgeht, dass die Beschwerdevorentscheidung nicht inhaltlich für ihn bestimmt ist.
RA2 ist Parteienvertreter und Zustellbevollmächtigter der Bf. und er wird in der Beschwerdevorentscheidung nicht als Adressat der angefochtenen Bescheide angeführt. Aus den Spruch der Beschwerdevorentscheidung geht daher eindeutig hervor, dass die Beschwerdevorentscheidung nicht inhaltlich für ihn bestimmt ist.
Wie die angefochtenen Bescheide wirken auch Beschwerdevorentscheidungen nur dann, wenn sie Demjenigen, für den sie inhaltlich bestimmt sind, zugestellt werden. Als die Beschwerdevorentscheidung erlassen und zugestellt worden ist, ist der Konkurs über die Bf. bereits aufgehoben gewesen. Sie hat daher RA2 rechtsgültig mit ihrer Vertretung beauftragen und ihm Zustellvollmacht erteilen können. Da die Beschwerdevorentscheidung an RA2 adressiert ist, ist sie der Bf. rechtswirksam zugestellt worden. RA2 hat daher den Vorlageantrag rechtsrichtig namens der Bf. eingebracht. Der Antrag des Finanzamtes, den von RA2 namens der Bf. eingebrachten Vorlageantrag wegen fehlender Aktivlegitimation zurückzuweisen, ist daher abzuweisen und wird mit dieser Entscheidung abgewiesen.
4.2. Da der Vorlageantrag von einer dazu befugten Person innerhalb offener Vorlageantragsfrist eingebracht worden ist, gelten die Beschwerden als unerledigt.
Über die Beschwerden vom wird festgestellt:
Die Beschwerden hat der von RA2 vertretene XX eingebracht, der nachweislich nicht befugt ist, die Bf. zu vertreten und er hat die Beschwerden eingebracht, als die Bf. noch in Konkurs gewesen ist:
Wer in Konkurs ist, ist nicht berechtigt über das Massevermögen zu verfügen, weshalb nur der Masseverwalter legitimiert ist, Abgabenbescheide mit Beschwerde anzufechten (vgl. VwGH B , 87/14/0141, AnwBl 1988/2886; , ÖStZB 1990, 363; , AnwBl 1988/2886; , ÖStZB 1992, 437). Derjenige, über den der Konkurs eröffnet ist, kann weder selbständig noch durch Vertreter Rechtsmittel in Abgabenverfahren erheben. Er kann jedoch Rechtsmittel als Vertreter des Masseverwalters mit dessen ausdrücklicher Genehmigung einbringen (, ÖStZB 2005, 504). Dass der Masseverwalter RA1 eine derartige Genehmigung der Bf., XX, einem Steuerberater oder RA2 erteilt hat, hat die Bf. nicht nachgewiesen. Die Beschwerden sind daher von einer Person eingebracht worden, die dazu nicht legitimiert gewesen ist.
Fehlt die Aktivlegitimation, eine Beschwerde einzubringen, ist sie gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO idgF als nicht zulässig zurückzuweisen. Die Beschwerden vom sind daher als unzulässig zurückzuweisen und werden mit diesem Beschluss als unzulässig zurück gewiesen.
5. Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt.
Grundsätzlich bedeutende Rechtsfragen musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da die Antwort auf die Sachfrage, wann die Bf. selbstbestimmt entscheiden kann, wen sie mit ihrer Vertretung bevollmächtigt, entscheidungsrelevant ist.
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102590.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at