Kein Abzug der Einfuhrumsatzsteuer durch Spediteure
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin MMag.Dr. Ingrid Fehrer in der Beschwerdesache Bf GmbH, inXYZ, vertreten durch Mag. AB, inSTV, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom , betreffend Umsatzsteuer 2014, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft (in der Folge kurz: Bf.) betreibt laut Firmenbuch ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Österreich. Sie wurde von dem belgischen Unternehmen "CD" (in der Folge kurz: IT) beauftragt, Tonerkartuschen mit Herkunftsland Türkei, zum zollrechtlich freien Verkehr beim Zollamt Suben abzufertigen. Sie beantragte daher im Jahr 2011 mit vier Anmeldungen die Überführung dieser Tonerkartuschen mit Verfahrenscode 42 in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, mit unmittelbar daran anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung.
Die Bf. war indirekte Vertreterin der in den Anmeldungen angegebenen Empfängerin IT und verwendete die ihr erteilte Sonder-UID. Sie beantragte die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt).
Die angemeldeten Waren wurden sodann in Österreich antragsgemäß vom Zollamt in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt und somit in das Inland eingeführt. Dabei wurde zunächst Einfuhrumsatzsteuerfreiheit gewährt.
Laut den Angaben in den jeweiligen Anmeldungen war der Versender/Ausführer ein in Istanbul ansässiges Unternehmen, die Empfängerin die im Mitgliedstaat Belgien ansässige IT und das Bestimmungsland Deutschland. Die Waren sollten an die "EF Vertriebs GmbH" (Deutschland; in der Folge kurz: EF) geliefert werden.
Im Rahmen einer zollbehördlichen Überprüfung der gegenständlichen Anmeldungen bzw der vier Überführungen in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, kam hervor, dass die Lieferungen Gegenstand eines europaweiten Umsatzsteuerbetruges waren. Auf Grund eines an die deutsche Finanzverwaltung gerichteten Amtshilfeersuchens wurde bekannt, dass die Waren nie zur IT nach Belgien oder zur EF nach Deutschland geliefert wurden. Die Täterbande wurde zwischenzeitig durch das Landesgericht Bochum rechtskräftig verurteilt.
Das Zollamt stellte fest, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Befreiung der Einfuhr von der EUSt nicht vorlagen und nahm mit Bescheid vom eine Nacherhebung der Abgabe in Höhe von 157.429,31 € vor.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Entscheidung vom (GZ. RV/5200065/2014) als unbegründet ab und änderte den Spruch des bekämpften Bescheides dahingehend, dass die EUSt gemäß Art 204 Abs 1 lit b und Abs 3 Zollkodex iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG entstanden war. Das Bundesfinanzgericht ging dabei u.a. davon aus, dass die Waren nicht für das Unternehmen der Bf. (arg. Sonder-UID) eingeführt worden waren. Sie hatte lediglich die Zollabfertigung vorgenommen und die eingeführten bzw in den freien Verkehr überführten Gegenstände nicht erworben. Die Bf. hätte damit keine umsatzsteuerrechtlichen Berechtigungen zum Vorsteuerabzug oder zur Umsatzsteuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (eines gleichgestellten innergemeinschaftlichen Verbringens) erworben.
Der von der Bf. angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom die Behandlung der Beschwerde ab. Die außerordentliche Revision der Bf. an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom als verspätet zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Zollamtes ist somit rechtskräftig.
Im Zuge einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Bf. in der Umsatzsteuervoranmeldung 04/2014 die geschuldete EUSt in Höhe von 157.429,31 € als Vorsteuer abgezogen hatte, obwohl sie nicht entrichtet wurde. Die belangte Behörde versagte daraufhin mit Bescheid vom (Festsetzung 04/2014) die Abzugsfähigkeit der strittigen EUSt als Vorsteuer mit der Begründung, dass diese entsprechend § 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG 1994 nur dann abzugsfähig sei, wenn sie entrichtet worden sei.
In der Umsatzsteuerjahreserklärung machte die Bf. die strittige EUSt nicht mehr geltend. Der Umsatzsteuerjahresbescheid 2014 erging am .
Dagegen wurde mit Schriftsatz vom bzw (Begründung) Beschwerde erhoben sowie nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom ein Vorlageantrag gestellt.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am fand die beantragte mündliche Verhandlung statt.
II. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen, insbesondere aus der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/5200065/2014, worin über die Frage der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld abgesprochen und der oben stehende Sachverhalt als erwiesen angesehen wurde. Dabei stützte sich das Gericht u.a. auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Bochum vom . In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung bestätigten sowohl die belangte Behörde als auch die Vertreter der Bf. den vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt.
III. Streitpunkt
Strittig ist allein die Abzugsfähigkeit der mit Bescheid des Zollamtes vom mitgeteilten Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 157.429,31 € als Vorsteuer. Zu den Einwendungen der Bf. in Bezug auf die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist. Abgesehen davon wurde darüber bereits in einem anderen Beschwerdeverfahren abschließend entschieden.
IV. Rechtliche Grundlagen
Gemäß § 1 Abs 1 Z 3 UStG 1994 unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer). Eine Einfuhr liegt vor, wenn ein Gegenstand aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt.
Nach § 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG 1994 kann der Unternehmer die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Weiters kann der Unternehmer in Fällen des § 26 Abs 3 Z 2 UStG 1994 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, gemäß § 12 Abs 1 Z 2 lit b UStG 1994 abziehen.
Gemäß Art 2 Abs 1 lit d MwStSystRL unterliegt die Einfuhr von Gegenständen der Mehrwertsteuer.
Als "Einfuhr eines Gegenstands" gilt nach Art 30 MwStSystRL die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art 24 des Vertrages befindet, in die Gemeinschaft.
Nach Art 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
Art 168 MwStSystRL lautet auszugsweise:
Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
e) die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist.
Art 178 MwStSystRL lautet auszugsweise:
Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
e) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe e in Bezug auf die Einfuhr von Gegenständen muss er ein die Einfuhr bescheinigendes Dokument besitzen, das ihn als Empfänger der Lieferung oder Importeur ausweist und den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer ausweist oder deren Berechnung ermöglicht;
Art 201 MwStSystRL lautet:
Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
V. Erwägungen
Zur Frage der Voraussetzung der Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer:
§ 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG 1994 verlangt die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer als Voraussetzung für deren Abzug als Vorsteuer. Nach der Rechtsprechung des EuGH (, Rs. C-414/10, Véleclair) darf jedoch das Recht auf Abzug der EUSt nicht von der tatsächlichen vorherigen Zahlung durch den Steuerschuldner abhängig gemacht werden, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte ist.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde reicht es daher aus, dass die EUSt geschuldet wird. Fraglich ist hingegen, ob die Bf. auch die zum Abzug Berechtigte ist.
Zur Frage, ob die Einfuhr für das Unternehmen der Bf. erfolgte:
Gemäß § 12 Abs 1 Z 2 UStG 1994 (sowohl lit a als auch lit b) steht einem Unternehmer der Vorsteuerabzug für die Einfuhrumsatzsteuer nur dann zu, wenn die Gegenstände für sein Unternehmen eingeführt wurden.
Nach herrschender Ansicht (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 223f; Kaduth-Kirsten/Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3.00, § 12; Stadie, in Rau/Dürrwächter, USt-Kommentar, § 15, Anm. 1144f; "DVS Road A/S"; ; , Ra 2016/16/0052; , 2013/15/0238; ) ist zum Abzug der EUSt grundsätzlich nur jener Unternehmer berechtigt, der im Zeitpunkt der Einfuhr die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand hat. Abzugsberechtigt ist daher nicht derjenige, der die EUSt nach zollrechtlichen Vorschriften schuldet, sondern der Unternehmer, für dessen Unternehmen der Gegenstand bestimmt ist. Personen, die lediglich bei der Einfuhr mitwirken, ohne umsatzsteuerlich die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand zu erlangen (Spediteure, Frachtführer, Zolldienstleister, Handelsvertreter), sind folglich nicht vorsteuerabzugsberechtigt, auch wenn sie Schuldner der EUSt auf Grund einer zollrechtlichen Unregelmäßigkeit geworden sein sollten oder die Gegenstände vorübergehend auf Lager nehmen.
Der Steuerpflichtige, der die eingeführten Gegenstände für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, kann in jenem Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände eingeführt werden, die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete EUSt als Vorsteuer abziehen (Art 168 MwStSystRL). Ob ein Steuerpflichtiger die Gegenstände für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, richtet sich nach Ansicht des , DSV Road A/S) danach, ob die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt (Rn. 49). Da der Wert der beförderten und in die Union eingeführten Gegenstände nicht zu den Kosten gehört, die in die von einem Beförderer, dessen Tätigkeit sich auf die entgeltliche Beförderung dieser Waren beschränkt, in Rechnung gestellten Preise einfließen, sind die Gegenstände nicht für Zwecke der besteuerten Umsätze des Beförderers verwendet worden (Rn. 50). Art. 168 lit e ist daher dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die den Abzug der vom Beförderer der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat, geschuldeten EUSt ausschließt (Rn. 51).
In seinem Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0022, führte der Verwaltungsgerichtshof - unter Hinweis auf die Judikatur des EuGH zur Rechtsache DSV Road - aus, dass für den Abzug der EUSt als Vorsteuer entscheidend ist, ob Gegenstände für das Unternehmen des Abgabepflichtigen eingeführt wurden. Maßgeblich ist, ob die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet wurden. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt. Liegen Vereinbarungen vor, die Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports zum Inhalt haben, gehört der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten, die in diese vom abwickelnden Unternehmer erbrachte Leistung einfließen, sodass die darauf entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (, 2013/15/0238) lassen sich die Aussagen des EuGH zum in Art 168 lit a MwStSystRL geregelten Tatbestand der Lieferung von Gegenständen bzw Erbringen von Dienstleistungen zweifellos auf den Fall der Umsatzsteuerentstehung durch Einfuhr nach Art 168 lit e MwStSystRL übertragen und zwar mit der Maßgabe, dass an Stelle der steuerpflichtigen Lieferungen oder Dienstleistungen die Einfuhr als Steuerentstehungstatbestand tritt. Es sei also entscheidend, ob die eingeführten Gegenstände in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit bestimmten Ausgangsumsätzen des Steuerpflichtigen oder zumindest mit der (gesamten) unternehmerischen Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Es genügt demnach nicht, dass der Spediteur an der Einfuhr beteiligt ist. Im Revisionsfall hätten die betreffenden Waren vielmehr für das Unternehmen des Steuerpflichtigen oder für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze eingeführt werden und somit als Kostenfaktor in seine allgemeinen Aufwendungen eingehen müssen, damit er zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Dass Unternehmer, die lediglich an der Einfuhr mitgewirkt haben, auch dann nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt sind, wenn sie beispielsweise eine speditionsübliche Behandlung der Ware vorgenommen haben, entspreche auch der herrschenden Auslegung des (dem § 12 UStG 1994 entsprechenden) § 15 dUStG UStG. Nach Widmann (in Plückebaum/Malitzky) müsse der eingeführte Gegenstand im Unternehmen des Abzugsberechtigten entweder zum Gebrauch, zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein. Eine Einfuhr für das Unternehmen liege nicht vor, wenn der eingeführte Gegenstand nicht in den inländischen Unternehmensbereich des Unternehmers eingehe. Stadie (in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 dUStG, Anm. 784) spreche gerade den Fall einer Steuerschuldentstehung wegen einer zollrechtlichen Pflichtverletzung gemäß Art 203 und 204 ZK an (so genannte unregelmäßige Einfuhrumsatzsteuer) und vertrete dazu gleichfalls die Ansicht, dass kein Abzug der Steuer nach § 15 dUStG durch den Inhaber des Zollagers in Betracht komme, weil das Erfordernis, dass die betreffenden Gegenstände für sein Unternehmen verwendet werden, nicht erfüllt sei.
Der VwGH bestätigte in Folgeentscheidungen seine Rechtsansicht. Keine Vorsteuerabzugsberechtigung bestehe für lediglich die Zollabfertigung vornehmende Spediteure (, Ra 2016/16/0052). Im Erkenntnis vom (Ra 2016/16/0059) wies das Höchstgericht ausdrücklich darauf hin, dass nicht nur der VwGH, sondern auch der EuGH in der Rs. DSV Road A/S, dem Spediteur, welcher die Ware nur befördert und die Zollabfertigung vornimmt, das Recht auf Vorsteuerabzug abgesprochen hat.
Des Weiteren vertritt auch der deutsche Bundesfinanzhof die Ansicht, dass der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs 1 dUStG voraussetzt, dass dem Unternehmer die Verfügungsmacht an dem eingeführten Gegenstand zusteht. Die EuGH-Rechtsprechung gebe keinen Anlass, auf das Auslegungsmerkmal der Verfügungsmacht zu verzichten und sei lediglich unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils in der Rs. DSV Road A/S dahingehend zu präzisieren, dass die für den Vorsteuerabzug aus Einfuhrumsatzsteuer maßgebliche Einfuhr für das Unternehmen des Abzugsberechtigten dann vorliegt, wenn die EUSt Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen findet, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw erbringt. Allein das Entstehen der EUSt reiche für einen Vorsteuerabzug jedenfalls nicht aus (, V R 68/14).
Das bedeutet für den Beschwerdefall:
Die Bf. hält sowohl den Norminhalt des § 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG 1994 als auch die oben angeführte Rechtsprechung für unionsrechtswidrig und vermeint, dass nur der Schuldner der EUSt abzugsberechtigt sei. Das Kriterium der (umsatzsteuerlichen) Verfügungsmacht sei systemfremd und verunmögliche den Vorsteuerabzug für Spediteure, was mit einem Bruch des Neutralitätsgrundsatzes verbunden sei. Der Abzug werde nach den Kriterien einer Leistungsumsatzsteuer vorgenommen, obwohl die EUSt unabhängig von jeder Lieferbeziehung und von jeder Verfügungsmacht sei.
Die von der Bf. vorgebrachten Argumente konnten das erkennende Gericht nicht überzeugen, hat doch der EuGH in der Rechtssache "DVS Road A/S" die Frage, ob einem lediglich die Zollabfertigung vornehmenden Spediteur das Recht auf Abzug einer ihm vorgeschriebenen EUSt als Vorsteuer zusteht, beantwortet und damit die Rechtsansicht des österreichischen und des deutschen Höchstgerichtes bestätigt. Sowohl das von der Bf. herangezogene Urteil des Finanzgerichtes Hamburg vom als auch die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom (RV/4100072/2015), durch welche sich die Bf. in ihrer Rechtsansicht bestätigt fühlt, wurden durch die Höchstgerichte aufgehoben (BFH , V R 8/13; ).
Zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht verweist die Bf. auf die Ausführungen von Bieber, in seinem Werk "Der Einfuhrumsatz" (Seite 607), worin der Autor zum Urteil des EuGH "DSV Road" Stellung nimmt. Seiner Ansicht nach müsste Art 168 MwStSystRL dahingehend ausgelegt werden, dass die Einfuhr eines Gegenstands als Umsatz iSd Art 2 Abs 1 lit d MwStSystRL als im Sinne des Art 168 MwStSystRL für die Zwecke der besteuerten Umsätze eines Logistikdienstleisters ausgeführt gilt.
Diese Auslegung widerspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH, wonach der Wert der beförderten und in die Union eingeführten Gegenstände nicht zu den Kosten gehört, die von einer Spedition in Rechnung gestellt werden. Daher sind die Gegenstände nicht für die Zwecke der besteuerten Umsätze der Spedition verwendet worden. Der bloße mittelbare Zusammenhang der angefallenen EUSt mit den Ausgangsumsätzen einer Spedition (zB Beförderungsleistung) begründet für diese noch kein Recht auf Vorsteuerabzug. Dessen ist sich auch der Autor bewusst und bemerkt (Seite 803), dass die Rechtsprechung der Höchstgerichte und die Entscheidungen der österreichischen und deutschen Finanzverwaltung durch das EuGH Urteil "DSV Road" gestützt werden, auch wenn er sie nicht für überzeugend hält.
Die Bf. vermeint im Urteil des EuGH in der Rechtssache Veleclair SA (, C-414/10) zu erkennen, dass das Recht, die EUSt als Vorsteuer geltend zu machen, ausschließlich dem Schuldner der EUSt zusteht. Mit diesem Urteil verneinte der EuGH die an ihn herangetragene Frage, dass es einem Mitgliedstaat erlaubt sei, das Recht auf Abzug der EUSt von der tatsächlich vorherigen Zahlung dieser Steuer durch den Steuerschuldner abhängig zu machen, wenn dieser auch der zum Abzug Berechtigte sei. Dass der Umstand der Steuerschuldnerschaft jedenfalls mit dem Recht auf Abzug der EUSt als Vorsteuer verknüpft wäre, lässt sich aus dem Urteil jedoch nicht ableiten.
Unter Bezug auf die herrschende Rechtsprechung des EuGH hat auch der Unabhängige Finanzsenat (, RV/1311-L/11) darauf hingewiesen, dass ein Logistikleistungen erbringendes Unternehmen die eingeführten bzw in den freien Verkehr übergeführten Gegenstände nicht erwirbt und daher auch keine diesbezüglichen Kosten hat. Schon daraus gehe klar hervor, dass ein Logistikunternehmer die auf die besagten Waren lastende EUSt nicht als Vorsteuer abziehen dürfe. Darüber hinaus führte der Unabhängige Finanzsenat ins Treffen, dass dem Logistikunternehmer lediglich der Vorsteuerabzug für Leistungen zustehe, die er im Zusammenhang mit seinen Logistikleistungen bezogen hat. Die Rechtsansicht des Unabhängigen Finanzsenates wurde vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt (, 2013/15/0238).
Die Auffassung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Sinne des Art 201 MwStSystRL nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, wenn er keine Verfügungsmacht über die Gegenstände hat und kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Kosten der Gegenstände und seiner wirtschaftlichen Tätigkeit besteht, selbst wenn er ein Dokument besitzt, das den Voraussetzungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts gemäß Art 178 lit e gerecht wird, vertrat auch der MwSt-Ausschuss in seiner 94. Sitzung (Leitlinie des MwSt-Ausschusses vom ).
Die Ausführungen der Bf. in ihrem Schriftsatz vom , dass der EuGH seine Abzugsformel "unreflektiert" bzw "traditionsgemäß" auf die EUSt angewendet habe und "sehr wohl bereit ist, sich von einmal eingenommenen Positionen aufgrund besserer Erkenntnis zu lösen", lassen darauf schließen, dass auch die Bf. zwischenzeitig die eindeutigen Aussagen des EuGH zur Abzugsfähigkeit der EUSt zur Kenntnis genommen hat, wenn sie auch mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist und deshalb eine neuerliche Befassung des EuGH mit dieser Thematik anregt.
Die von der Bf. im Zuge der mündlichen Verhandlung angesprochenen und in den Rechtssachen Enteco Baltic und Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung (FedEx) sind nicht geeignet, dessen Aussagen in der Rechtssache "DSV Road" in Zweifel zu ziehen. Beide Urteile haben Fragen zur Steuerbefreiung und nicht zum Vorsteuerabzug zum Inhalt.
Um somit also EUSt als Vorsteuer abziehen zu können, erfordert der Tatbestand des § 12 Abs 1 Z 2 lit a UStG 1994, dass die Bf. die Tonerkartuschen für ihr Unternehmen eingeführt hat. Diese Norm steht nach dem Vorhergesagten im Einklang mit den einschlägigen Vorgaben der MwStSystRL und ist daher auf den beschwerdegegenständlichen Fall anzuwenden.
Wie das Bundesfinanzgericht in seiner zur GZ. RV/5200065/2014 ergangenen Entscheidung vom festgestellt hat, wurde der IT die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht über die Gegenstände in Istanbul verschafft. Die IT hat die in ihrer Verfügungsmacht stehenden Gegenstände nach Österreich eingeführt und hier verzollt. Zum Zeitpunkt der Einfuhr besaß daher zweifelsfrei nur die IT die Verfügungsmacht über die Gegenstände, welche für das Unternehmen der IT eingeführt wurden. Die Bf. wurde neben der IT als Anmelderin, als indirekte Vertreterin zur Abgabenschuldnerin der EUSt und dafür in Anspruch genommen.
Die Bf. nahm nachweislich als indirekte Vertreterin der IT, unter Verwendung der der Bf. erteilten Sonder-UID, lediglich die Zollabfertigung vor. Sie hatte die eingeführten bzw in den freien Verkehr überführten Gegenstände weder erworben noch wurden diese für ihr Unternehmen (arg. Sonder-UID) eingeführt. Die Bf. hatte daher keine diesbezüglichen Kosten. Sie war auch in der Folge nicht Lieferin im Rahmen der sich an die Verzollung anschließenden innergemeinschaftlichen Lieferung. Damit hat die Bf. keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug erworben. Auch der von der Bf. eingewendete Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer spricht nicht gegen dieses Ergebnis, weil die ausländische Auftraggeberin der Bf. die Vorsteuer grundsätzlich (allenfalls nach umsatzsteuerlicher Registrierung) hätte abziehen können ().
Zur Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten:
Art 267 AEUV (ex Artikel 234 EGV) lautet:
"Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
1. über die Auslegung der Verträge,
2. über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.
Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.
Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. [..]"
Eine Verpflichtung, eine Vorabentscheidung in Fragen der Auslegung des Unionsrechts einzuholen, besteht für das Bundesfinanzgericht demgemäß nicht, da Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes durch Revisionen/Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpft werden können. Solcherart ist es ausgeschlossen, dass das Bundesfinanzgericht, indem es es unterlässt, eine Frage der Auslegung des Unionsrechts dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, Verfahrensvorschriften verletzt (). Die vom Präsidenten des EuGH in einer Rede getätigten Aussagen sind keine für das Bundesfinanzgericht maßgeblichen Rechtsquellen.
Die Anregung auf Vorlage gemäß Art 267 AEUV wird im wesentlich damit begründet, dass die zur gegenständlichen Thematik (Abzugsfähigkeit von EUSt als Vorsteuern) herrschende inländische Rechtslage im Zusammenhalt mit der dazu ergangenen VwGH-Judikatur unionswidrig wäre.
Dem ist das Urteil des EuGH in der Rs. "DSV Road", C- 187/14, entgegenzuhalten, aus dem unzweifelhaft hervorgeht, dass jene Grundsätze, die von ihm in Bezug auf die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern aus Leistungsumsätzen in ständiger Rechtsprechung entwickelt wurden, auch für die EUSt gelten. Dass dieses Urteil - entgegen der Ansicht der Bf. - auf den gegenständlichen Fall anzuwenden ist, wurde bereits unter Pkt. V dargelegt.
Die Auslegung des Art 168 lit e MwStSystRL erscheint daher durch die Rechtsprechung des EuGH, insbesondere in der Rechtsache "DSV Road", C-187/14, ausreichend geklärt, weshalb das erkennende Gericht keine Veranlassung sieht, die von der Bf. aufgeworfenen Fragen im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens an den EuGH heranzutragen.
VI. Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage, ob einem lediglich die Zollabfertigung vornehmenden Spediteur der Vorsteuerabzug zusteht, wurde durch die im Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet, weshalb eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG nicht vorliegt. Eine ordentliche Revision ist somit im Beschwerdefall nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 1 Z 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Zitiert/besprochen in | Bieber in BFGjournal 2020, 99 Summersberger/Bieber in |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101322.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at