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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2019, RV/6100370/2018

Beschwerde gegen von Feststellungsbescheiden abgeleitete Einkommensteuerbescheide

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, vertreten durch Vertreter, Adresse2, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Land vom , betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2012 bis 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Nachdem das Finanzamt Salzburg-Land (kurz FA) eine Außenprüfung abgeschlossen hatte erließ es mit datierte abgeleitete Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 (aufgrund der Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung).

Gegen diese Bescheide erhob der steuerlich vertretene Bf. rechtzeitig eine mit datierte Beschwerde und führte zur Begründung Folgendes aus:
Die Bescheide sind abgeleitete Bescheide auf Grundlage einer erstmals in einem abgesonderten Verfahren für die fraglichen Zeiträume gemäß § 188 BAO vorgenommenen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und deren persönliche Zurechnung. Abweichend von den Steuererklärungen wurden die erwirtschafteten Einkünfte demnach in Übereinstimmung mit den Eigentums- bzw. Dienstbarkeitsverhältnissen an den Vermietungsobjekten zu jeweils 50 % meinem Mandanten und seiner Frau zugerechnet.

Gegen die Feststellungsbescheide bzw. gegen die Aufteilung der Vermietungseinkünfte auf die Ehegatten im Ausmaß von jeweils 50 % wurde bereits mit Beschwerde vom ein Rechtsmittel eingebracht, über welches bis dato noch nicht entschieden wurde. Die Feststellungsbescheide für die genannten Jahre sind somit nicht rechtskräftig.

Gemäß § 295 BAO „kann“ mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides zugewartet werden, bis ua. der geänderte Feststellungsbescheid oder der erst nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden sind. Insofern kommt der Behörde also ein Gestaltungsbereich (Ermessen) zu. Das macht Sinn und wurde auch der Verwaltungsökonomie dienen. (…) Für die Ermessensübung, d.h. für die Frage, weshalb von der eingeräumten Gestaltungsfreiheit Gebrauch oder kein Gebrauch gemacht wurde, fehlt eine solche aber zur Ganze. Gerade dafür brauchte es aber eine nachvollziehbare Begründung, um zu erkennen, ob das Ermessen tatsachlich „im Sinne des Gesetzes“ geübt wurde.“

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Argumentation als unbegründet ab:
Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen können nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden. § 252 Abs. 2 BAO erfasst Fälle, in denen ein Abgabenbescheid die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Grundlage für einen davon abzuleitenden anderen Abgabenbescheid darstellt.“

Der Bf. beantragte daraufhin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Vorlageantrag vom ). Begründend führte der steuerliche Vertreter Folgendes aus:
" Die Beschwerden gegen die ESt-Bescheide 2012 bis 2016 wurden nicht mit der Begründung angefochten, dass die in den jeweiligen Feststellungsbescheiden getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien. Insofern ist die Begründung nicht nachvollziehbar. Vielmehr wurden sie mit der Begründung angefochten, dass der Ermessensgebrauch gemäß § 295 BAO nicht dargestellt wurde. Darüber verschweigt sich das do. Finanzamt in der BVE erneut."

Das FA legte das Rechtsmittel und diverse Aktenteile am elektronisch an das Bundesfinanzgericht vor.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

§ 188 BAO lautet:

§ 188. (1) Festgestellt werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten)

          a) aus Land- und Forstwirtschaft,

          b) aus Gewerbebetrieb,

           c) aus selbständiger Arbeit,

          d) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens,

wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 144/2001 )

(3) Gegenstand der Feststellung gemäß Abs. 1 ist auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.

(4) Die Vorschriften des Abs. 1 finden keine Anwendung, wenn

          a) das unbewegliche Vermögen (Abs. 1 lit. a und d) nicht im Inland gelegen ist,

          b) in den Fällen des Abs. 1 lit. b und lit. c die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit weder ihre Geschäftsleitung, noch ihren Sitz, noch eine Betriebsstätte im Inland hat.

           c) im Falle des Abs. 1 lit. d hinsichtlich aller Grundstücksanteile Wohnungseigentum besteht, sofern die Feststellung nur allgemeine Teile der Liegenschaft (§ 2 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz 2002 ) betreffen würde, oder

          d) sich der alleinige Zweck bei einer nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit auf die Erfüllung eines einzigen Werkvertrages oder Werklieferungsvertrages beschränkt, es sei denn, der mit dem Auftraggeber bei Auftragsvergabe vereinbarte Auftragswert übersteigt 700.000 Euro (ohne Umsatzsteuer).

(5) Werden in einem Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides hat, gemeinschaftliche Einkünfte auch Personen oder Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet, die nicht oder nicht mehr rechtlich existent sind (insbesondere infolge Todes, Beendigung der Gesellschaft, Gesamtrechtsnachfolge) oder die nicht oder nicht mehr handlungsfähig sind (z.B. infolge Sachwalterbestellung), so gilt dies als Feststellung (Abs. 1) und steht der Wirksamkeit als Feststellungsbescheid nicht entgegen. Ein solcher Bescheid wirkt lediglich gegenüber den Übrigen, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.

§ 252 BAO lautet:

§ 252. (1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

(3) Ist ein Bescheid gemäß § 295 Abs. 3 geändert oder aufgehoben worden, so kann der ändernde oder aufhebende Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die in dem zur Änderung oder Aufhebung Anlass gebenden Bescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

§ 295 BAO lautet:

§ 295. (1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist.

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines

             - Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines

             - Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmeanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen.

(5) Die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 3 steht der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs. 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

Bei den vom Bf. bekämpften Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2012 bis 2016 handelt es sich ohne Zweifel um von den jeweiligen Feststellungsbescheiden für die Jahre 2012 bis 2016 gem. § 188 BAO abgeleitete Bescheide.

Der Bf. begründete seine Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 damit, dass er eine Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide eingebracht hat. Eine Anfechtung des abgeleiteten Einkommensteuerbescheides mit der Begründung, dass gegen den Grundlagenbescheid ein Rechtsmittel eingebracht wurde und sohin die im Grundlagenbescheide getroffenen Entscheidungen (wie etwa die Höhe der Einkünfte) unzutreffend seien, ist § 252 Abs. 1 BAO zufolge nicht möglich.

Im Sinne dieses aus der Bundesabgabenordnung hervorgehenden Systems von Grundlagenbescheiden und davon abgeleiteten Bescheiden kann gemäß § 252 Abs. 1 BAO ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ist damit insoweit eingeschränkt, als Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen mit Erfolg nur in dem den Grundlagenbescheid betreffenden Verfahren vorgebracht werden können. Die Anfechtung eines Steuerbescheides, welche lediglich mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines dem Steuerbescheid zugrundeliegenden Feststellungsbescheides begründet ist, ist in der Sache abzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 252 Tz 3; ; ; ).

Folglich konnten aber die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 nicht mit Einwendungen, die das Verfahren des jeweiligen Feststellungsbescheides gem. § 188 BAO betreffen, mit Aussicht auf Erfolg bekämpft werden.

Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist. Im den Gesellschafter betreffenden Einkommensteuerverfahren besteht somit eine gesetzliche Bindung an die im Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO getroffenen Feststellungen (vgl. Ritz, BAO 6, § 192 Tz 3, und die dort angeführten Judikate). Im Falle der nachträglichen Abänderung des Feststellungsbescheides ist ein von diesem abgeleiteten Bescheid nach § 295 Abs. 1 BAO von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen.

Zur Begründung der Beschwerde , dass der Ermessensgebrauch gemäß § 295 BAO in den Bescheiden bzw. in den Beschwerdevorentscheidungen nicht dargestellt wurde, muss Folgendes ausgeführt werden:

Mit der Maßnahme gem. § 295 BAO kann bis zur formellen Rechtskraft des nachträglich erlassenen Grundlagenbescheides gewartet werden (§ 295 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Nach dem VwGH-Erk. Vom , 87/13/0002, ist in diesem zeitlichen Dispositionsrecht „nicht die Einräumung eines Ermessens zu erblicken, dessen Übung der Begründungspflicht unterliegt“; die Möglichkeit des Abwartens der Rechtskraft sei von der prozessökonomischen Erwägung getragen, der Abgabenbehörde die wiederholte Bescheidanpassung zu ersparen. Es besteht kein Rechtsanspruch des Abgabepflichtigen auf ein solches Zuwarten. Die Begründung der Beschwerde, dass der Ermessensgebrauch gemäß § 295 BAO nicht dargestellt worden sei, geht somit ins Leere.

Zum Antrag des Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass der Bf. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () in seinem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch im Hinblick darauf, dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes infolge der vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass er bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt nicht vor, weil sich der Spruch des Erkenntnisses sowohl aus dem Gesetz selbst ergibt als auch auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes basiert.  

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 192 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100370.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at