Zuzugsfreibetrag gemäß §103 Abs.1a EStG 1988 - Zuzugszeitpunkt bei späterem Familiennachzug
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. BMF-010203/0103-IV/8/2019, vom , betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988, zu Recht erkannt:
1.) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2.) Die Revision gegen dieses Erkenntnis ist g emäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I) Sachverhalt und Verfahrensgang:
Mit Eingabe vom , welche am beim Bundesminister für Finanzen per Telefax einlangte, beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) die Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988. Der Zuzug nach Österreich sei am aus Indien erfolgt und der Bf. sei seit bei der X GmbH & Co KG beschäftigt.
Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Gewährung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1 a EStG 1988 zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass ein solcher Antrag gemäß § 1 Abs. 2 ZBV 2016 spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen sei. Da der Bf. laut seinen eigenen Ausführungen am nach Österreich zugezogen sei habe die Frist zur Antragstellung am geendet. Der Antrag des Bf. auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages sei jedoch erst am per Fax beim Bundesminister für Finanzen eingelangt, sodass er als verspätet zurückzuweisen war.
In der – nach einem Mängelbehebungsverfahren - rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wendete der Bf. im Wesentlichen ein, dass er am nach Österreich gekommen sei, um seine Aufenthaltserlaubnis abzuholen. Seine Familie (Ehefrau und Sohn) seien jedoch erst am vollständig nach Österreich gezogen, sodass dieser Tag zum Zentrum des vitalen Interesses (gemeint: Mittelpunkt der Lebensinteressen) geworden sei.
Mit Eingabe vom übermittelte der Bf. Kopien der ecards und der Aufenthaltstitel für seine Frau, seinen Sohn und sich selbst sowie Meldebestätigungen für die gesamte Familie, aus welchen ersichtlich ist, dass die Ehefrau und der Sohn des Bf. ihren Hauptwohnsitz in Österreich am begründeten.
Mit Vorlagebericht vom legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II) Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Bf. ist indischer Staatsangehöriger, welcher am aus New Delhi nach Österreich zugezogen ist. Am beginnt sein Dienstverhältnis mit der X GmbH & Co KG.
Mit Eingabe vom , übermittelt per Fax am , beantragt der Bf. die Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988. Diesen Antrag hat der Bundesminister für Finanzen wegen Verspätung zurückgewiesen.
Laut Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres hat der Bf. am einen Hauptwohnsitz in Österreich begründet. Seine Ehefrau und der gemeinsame Sohn haben ihren Hauptwohnsitz am in Österreich begründet.
Das Vorbringen des Bf., wonach der Familiennachzug erst am erfolgte, ist daher glaubwürdig.
Beweiswürdigung:
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
Strittig ist im vorliegenden Fall die Frage, ob der Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 fristgerecht gestellt wurde.
Gesetzesgrundlage
§ 103 EStG 1988 lautete vor dem Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015 (StRefG 2015/2016):
„Zuzugsbegünstigung
§ 103. (1) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen für die Dauer des im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkens dieser Personen steuerliche Mehrbelastungen bei nicht unter § 98 fallenden Einkünften beseitigen, die durch die Begründung eines inländischen Wohnsitzes eintreten. Dabei kann auch die für eine Begünstigung in Betracht kommende Besteuerungsgrundlage oder die darauf entfallende Steuer mit einem Pauschbetrag festgesetzt werden.
(2) Abs. 1 ist auf Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen aus Österreich wegverlegt haben, nur dann anzuwenden, wenn zwischen diesem Wegzug und dem Zuzug mehr als zehn Jahre verstrichen sind.
(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, mit Verordnung näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde in öffentlichem Interesse gelegen ist.“
Das StRefG 2015/2016 fügte in § 103 EStG 1988 folgenden Abs. 1a ein:
„(1 a) Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden.“
Zugleich wurde Abs. 2 auf die Fälle des Abs. 1 a ausgedehnt und Abs. 3 wie folgt neu gefasst:
„(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren betreffend die Erteilung der Zuzugsbegünstigung im Sinne des Abs. 1 und des Abs. 1 a mit Verordnung zu regeln. Dabei ist auch näher zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist. Ebenso kann die Verordnung den sachlichen Umfang und die Dauer von Zuzugsbegünstigungen im Sinne des Abs. 1 regeln. In dieser Verordnung kann festgelegt werden, dass die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung im Sinne des Abs. 1 in Form der Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes, der sich aus der tatsächlichen Steuerbelastung vor dem Zuzug ergibt, erfolgt. Dieser Steuersatz darf 15 % nicht unterschreiten.“
Zuzugsbegünstigungsverordnung
Auf Basis der Bestimmung des § 103 Abs. 3 EStG 1988, BGBl I Nr. 118/2015, idF des StRefG 2015/2016 wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Zuzugsbegünstigungen (Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016 – ZBV 2016), BGBl. II Nr. 261/2016, erlassen.
Die am in Kraft getretene ZBV 2016 lautet auszugsweise:
„Antragstellung und Bescheid
§ 1 (1) Der Bundesminister für Finanzen kann auf Antrag der zuziehenden Person die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) und einen Zuzugsfreibetrag (§ 103 Abs. 1a EStG 1988) zuerkennen. Dem Antrag ist ein Verzeichnis im Sinne des § 7 Abs. 1 samt den dazugehörigen Nachweisen beizulegen.
(2) Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen.
(3) Ist es dem Antragsteller nicht möglich, bei der Antragstellung alle erforderlichen Unterlagen (§ 7 Abs. 1) vorzulegen, kann der Bundesminister für Finanzen auf Antrag eine Frist zur Nachreichung der Unterlagen gewähren.
(4) Der Bundesminister für Finanzen hat über einen Antrag für die gesamte Dauer der Zuzugsbegünstigung (§ 6) abzusprechen. Im Fall der Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastung durch Anwendung eines pauschalen Durchschnittssatzes ist auch die Höhe des Durchschnittssteuersatzes im Sinne des § 5 Abs. 1 festzusetzen.
[…]
Schluss und Übergangsbestimmungen
§ 10 (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Zuzugsbegünstigungsverordnung, BGBl. II Nr. 102/2005, außer Kraft.
(3) Erfolgte der Zuzug vor dem , gelten folgende Übergangsbestimmungen:
1. Die gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 erforderliche Mindestvergütung gilt nicht.
2. Abweichend von § 5 erfolgt die Beseitigung der durch den Zuzug eintretenden steuerlichen Mehrbelastungen bei Personen, denen bereits eine Zuzugsbegünstigung gewährt wurde, durch Anwendung der im zuletzt ergangenen Bescheid vorgesehenen Entlastungsmethode.
3. Die Zuzugsbegünstigung ist für Zeiträume nach dem nicht zuzuerkennen, wenn die gesamte Dauer der Begünstigung 20 Jahre überschreiten würde.
4. § 6 Abs. 1 ist nicht anzuwenden.“
Rechtzeitigkeit des Antrages auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988
Da der Bf. am – und somit nach dem - nach Österreich zugezogen ist, kommen die Übergangsbestimmungen des § 10 ZBV 2016 hier nicht zur Anwendung.
Die in § 1 Abs. 2 ZBV 2016 festgelegte Frist schließt Personen, die nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Zuzug den Antrag auf Zuzugsbegünstigung stellen, von der Zuerkennung der Begünstigung aus.
Der Bf. hat seinen Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 mit Eingabe vom gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die ZBV 2016 bereits in Kraft.
§ 1 Abs. 2 iVm § 10 ZBV 2016 ist verfassungs- und gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass Anträge betreffend Zuzüge vor dem innerhalb von sechs Monaten ab dem und Anträge für Zuzüge nach dem innerhalb von sechs Monaten ab Zuzug zu stellen sind.
Ausgehend von einem Zuzugszeitpunkt am wäre der Antrag im gegenständlichen Fall bis spätestens zu stellen gewesen. Da er erst am eingebracht wurde, hat ihn der Bundesminister für Finanzen als verspätet zurückgewiesen.
Zu prüfen ist jedoch das Vorbringen des Bf., wonach seine Familie erst am nach Österreich zugezogen und somit von einem späteren Zuzugszeitpunkt auszugehen sei.
Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen
Laut Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres hat der Bf. am einen Hauptwohnsitz in Österreich begründet.
Neben der Begründung eines inländischen Wohnsitzes bedingt der Zuzug im Sinne des § 103 EStG 1988 aber auch die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich. Im Hinblick auf den Zuzugszeitpunkt kommt es daher darauf an, wann sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. von Indien nach Österreich verlagert hat.
Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Bf. die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. Hofstätter – Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, § 1 Tz 9; ; ).
Das Vorbringen des Bf., wonach der Familiennachzug erst am erfolgte, ist im Hinblick auf die Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres, aus welcher hervorgeht, dass die Ehefrau des Bf. und der gemeinsame Sohn ihren Hauptwohnsitz am in Österreich begründet haben, glaubwürdig.
Auch wenn der wirtschaftliche Anknüpfungspunkt des Bf. zu Österreich bereits seit bestand, so kommt doch den persönlichen Beziehungen – und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens – der Vorrang zu (vgl. , mwN).
Mit dem Nachzug der Familie des Bf. nach Österreich erfolgte nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die Verlagerung des Lebensmittelpunktes. Ab diesem Zeitpunkt ist von einem Überwiegen der Beziehungen des Bf. zu Österreich und somit von einem Zuzugszeitpunkt am auszugehen.
Ausgehend von einem Zuzugszeitpunkt am ist der Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrages gemäß § 103 Abs. 1a EStG 1988 fristgerecht erfolgt. Denn in Anwendung des oben Gesagten wäre der Antrag spätestens bis zu stellen gewesen.
Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (z.B. ; , 2010/16/0032; , 2012/15/0161). Ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes darf daher gemäß § 279 BAO einen Zurückweisungsbescheid nicht in ein abweisendes Erkenntnis abändern (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 279 Rz 11).
Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufzuheben.
C) Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Betreffend die Rechtsfrage der Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen orientierte sich das Bundesfinanzgericht an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur. Im Übrigen standen Sachverhaltsfragen im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung, welche im Zuge der freien Beweiswürdigung zu beurteilen waren. Beweiswürdigungsfragen sind als solche einer ordentlichen Revision nicht zugänglich.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 Abs. 1a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 Abs. 2 ZBV 2016, Zuzugsbegünstigungsverordnung 2016, BGBl. II Nr. 261/2016 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105514.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at