Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2019, RV/5100861/2018

Übernahme von Pflegekosten durch die Tochter bei in zeitlichem Zusammenhang stehender Liegenschaftsschenkung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. R in der Beschwerdesache AB, St.Nr. 000/0000, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 der belangten Behörde Finanzamt FA vom zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2016 veranlagt. Der Bescheid erging ohne Berücksichtigung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 11.718,97 €.

Begründend wurde ausgeführt, dass die geltend gemachten Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes seien.

Mit einer als Einspruch bezeichneten Beschwerde wandte die Bf ein, dass sie nicht wisse, was tatsächliche, rechtliche oder sittliche Gründe seien.

Tatsache sei, dass sie für die häusliche Pflege ihrer Mutter aufkommen müsse und diese auch tatsächlich bezahle, weil ihre Mutter mit ihrer kleinen Pension dafür nicht aufkommen könne.

Sie habe die Aufstellung der verbleibenden Kosten übermittelt. Dazu komme der Erhalt des Hauses (Gemeinde, Strom, Gas, Reparaturen, Wasser, etc.) samt Verpflegung. Die Pflegerinnen hätten freie Kost und Logis. Sie fahre mit ihrem PKW einkaufen, zu Arztterminen, Medikamente besorgen, etc.

Ihre Mutter habe einen Behindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 %, sie könne absolut nichts mehr alleine machen. Durch die häusliche Pflege habe sie ein Minimum an Würde und persönlichem Rhythmus.

Sie arbeite Vollzeit, habe selber ein Haus abzubezahlen und könne versichern, dass dies alles mehr als eine außergewöhnliche Belastung für sie sei – sowohl finanziell als auch körperlich und psychisch. Sie mache sowohl Haus als auch Garten doppelt und habe als Vorstandsassistentin keinen „8 bis 5“-Job. Sie ersuche daher um Anerkennung ihrer tatsächlich außergewöhnlichen Belastungen.

In einer beigelegten Aufstellung schlüsselte die Bf ihre Kosten auf:


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Honorare Pflegerinnen
29.001,00
 
abzüglich Bundessozialamt und Pflegegeld
-17,424,00
11.577,00
Selbstbehalt Medikamente
 
141,97
Darlehen für das Haus der Bf
 
3.465,04
Plan Deutschland-Patenkind Nepal
 
336,00
Feuerwehr
 
20,00
Kurse Wifi Linz PowerPoint und MS-Outlook abzüglich AK 100,00 €
 
397,00
Physio (Frozen Shoulder)
 
540,00
Summe
 
16.477,01

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Würden Pflegekosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern übernommen (z.B. durch Übergabe- oder Schenkungsverträge) bzw. würden einer Partei zwangsläufige Aufwendungen nur deshalb erwachsen, weil ihr das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen sei, sei eine Auswirkung auf die (einkommensbezogene) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liege insoweit keine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vor ().

Habe die pflegebedürftige Person ihr Vermögen (z.B. Wohnung, Sparbuch) noch nicht übertragen, gingen die Pflegekosten zunächst zu Lasten dieses Vermögens. Erst ein im Nachlass voraussichtlich nicht gedeckter Teil komme bei den vorgesehenen Erben als außergewöhnliche Belastung in Betracht, soweit er den potenziellen Erbteil übersteige. Sollten die zunächst vorgesehenen Erben (aus welchen Gründen auch immer) das Vermögen nicht erben, liege ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 295a BAO vor, das die rückwirkende Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung ermögliche.

Im Vorlageantrag ersuchte die Bf abermals um Anerkennung ihrer außergewöhnlichen Belastungen. Tatsache sei, dass sie einen Kredit aufgenommen habe, um die Kosten der Pflege für ihre Mutter aufbringen zu können und sie jetzt große finanzielle Aufwendungen habe. Ihre Mutter könne nicht mehr sprechen und sei halbseitig gelähmt (Behindertenausweis 100 %), so könne sie ihr ein Minimum an Würde ermöglichen.

Die Richterin übermittelte der Bf nachstehendes Schreiben zur Stellungnahme und Beantwortung der dort gestellten Fragen:

„Verursachen Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen, kann eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 vorliegen. Die Aufwendungen sind um erhaltene steuerfreie Zuschüsse (z.B. Pflegegeld, Zuschuss zu den Betreuungskosten) zu kürzen.

Die Übernahme von Pflegekosten durch Angehörige ist dann möglich, wenn die Mittel der pflegebedürftigen Person nicht ausreichen.

Eine "Belastung" liegt nur vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einer endgültigen Vermögensminderung führen.

Hat eine pflegebedürftige Person ihr Vermögen (z.B. eine Liegenschaft oder ein Sparbuch) noch nicht übertragen, gehen die Pflegekosten zunächst zu Lasten dieses Vermögens.

Dem entsprechend kann nach § 9 Abs. 6 Oö Sozialhilfegesetz in der für das Beschwerdejahr anzuwendenden Fassung die Leistung sozialer Hilfe von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden kann, wenn die hilfebedürftige Person Vermögen hat, dessen Verwertung ihr vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Hat eine pflegebedürftige Person ihr Vermögen bereits übertragen und erfolgte die Vermögensübertragung in zeitlicher Nähe zum Anfall der Pflegekosten, liegt bis zur Überschreitung des Vermögenswertes durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belastung vor.

Bezahlen daher Sie als Tochter Kosten einer 24-Stunden-Betreuung und besteht ein konkreter (zeitlicher oder vertraglicher) Zusammenhang zwischen der Belastung mit den Pflegekosten und einer Vermögensübertragung, liegt insoweit keine außergewöhnliche Belastung vor, als die Kosten im Wert des übertragenen Vermögens Deckung finden. Erst wenn die Pflegekosten den Wert des erworbenen Vermögens (der übertragenen Liegenschaft) übersteigen, können - bei Zutreffen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen - steuerlich anzuerkennende außergewöhnliche Belastungen gegeben sein.

Übergebene Grundstücke sind mit ihren wirtschaftlichen Werten (Verkehrswerten) anzusetzen.

Nach dem vorliegenden Schenkungsvertrag betrug der dreifache Einheitswert der geschenkten Liegenschaft 33.138,81 €. In aller Regel übersteigen die Verkehrswerte die einfachen Einheitswerte um etwa das Zehnfache, weshalb im vorliegenden Fall im Schätzungsweg von einem Verkehrswert von rund 110.000,00 € auszugehen ist.

1) Waren Sie zur Leistung eines Kostenersatzes in Höhe der Pflegekosten, die nicht durch das Pflegegeld und den Zuschuss des Sozialministeriumservice gedeckt werden konnten, verpflichtet?

Legen Sie allfällige Vereinbarungen, die Sie zum Kostenersatz verpflichteten, zur Einsicht vor.

2) Aus welchen Gründen war es im Fall Ihrer Mutter, die 2016 noch Eigentümerin eines Einfamilienhauses war, nicht möglich, dass der Sozialhilfeverband die nicht gedeckten Pflegekosten vorerst übernommen und gegebenenfalls zur Sicherstellung ein Pfandrecht im Grundbuch eingetragen hätte?

3) Ihren Angaben zufolge nahmen Sie zur Aufbringung der Pflegekosten für Ihre Mutter einen Kredit auf.

Wann wurde dieser Kredit aufgenommen? Wie hoch war die Kreditsumme?

Aus welchen Gründen wurde dieser Kredit nicht in Form einer Hypothek auf der Liegenschaft besichert, die 2016 noch im Eigentum Ihrer Mutter stand?

Wann, durch wen und mit welchen monatlichen Raten wird dieser Kredit zurückgezahlt?

Legen Sie entsprechende Unterlagen (in Kopie) zur Einsicht vor.

4) Sowohl Sie als auch Ihre Mutter machten in den entsprechenden Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 eine außergewöhnliche Belastung (Honorare für Pflegerinnen (11.577,00 €) und nicht von der GKK bezahlte Medikamente (141,97 €)) geltend.

Die entsprechenden Belege (in Kopie) mögen zum Nachweis dafür, wer diese Kosten tatsächlich getragen hat, vorgelegt werden.“

Die Bf beantwortete dieses Schreiben wie folgt:

„1) War ich zur Leistung eines Kostenersatzes verpflichtet?

Wie eine Tochter sich eben um die Mutter kümmert, die aus ihrem Leben gerissen wird, nicht mehr sprechen kann und halbseitig gelähmt ist, eine schriftliche Unterlage dazu gibt es nicht.

2) Sozialhilfeverband - Pfandrecht

Von dieser Möglichkeit wusste ich nichts, und niemand informierte mich darüber.

3) Als erstes habe ich mir privat 10.000,00 € geborgt für notwendige Umbauten im Haus (Rampe, Waschmaschine verlegen, Raum für Pflegerin, Aufgehrichtung Badezimmertür ändern, Selbstbehalte Pflegeausstattung). Meine PKW-Kosten sind ausgeufert, jeden Tag von D nach F, dann H. Ich brachte und bringe sie auch zu allen notwendigen Arztterminen.

Als sich im Lauf der Zeit das Minus wieder aufbaute, war genau die Hypothek meine Idee. So kann meine Mutter zu Hause bleiben, und irgendwann gehört eben alles der Bank. Das ging aber nicht, weil meine Mutter nicht mehr geschäftsfähig ist. Deshalb habe ich das Haus übernommen und erst einmal einen Kredit in Höhe von 30.000,00 € aufgenommen. Dazu kann ich Ihnen keine Unterlagen mehr übermitteln, da ich diese Summe im letzten Jahr umgeschuldet und alles auf meine Liegenschaft übernommen habe. Einen Kontoauszug dazu lege ich bei.

Davor hatte ich ein separates Konto dafür bei meiner Bank, der Raiffeisenbank C.

4) Hier kann ich Ihnen die Kopien der Apotheke übermitteln. Nachdem bei mir die Ablehnung kam, habe ich diese bei meiner Mutter eingereicht, tatsächlich bezahlt habe diese ich.

Mein einziges Anliegen war, dass meine Mutter zu Hause bleiben kann. Ich bin Vorstandssekretärin und hatte wirklich nicht die Zeit, mich über alle Möglichkeiten zu informieren. Ich habe menschlich gehandelt und nur noch funktioniert. Seit fünf Jahren habe ich einen 14-Stunden-Tag (Vollzeitjob, Betreuung, Organisation, Pflege von 2 Häusern).

Meine Tochter wird noch in diesem Jahr das Haus meiner Mutter übernehmen, die Schenkung ist beim Notar in Vorbereitung. Ich bin seit September in Altersteilzeit und im nächsten Jahr in Pension und weiß derzeit nicht, ob ich mein Haus halten kann. Ich musste meine Mutter nun im Heim unterbringen. Bis auf 2 Tage die Woche bringe ich sie dort jeden Tag zu Bett, Samstag und Sonntag hole ich sie am Nachmittag nach Hause.

Ich weiß, das alles ist menschlich und persönlich, und doch bitte ich Sie um positive Beurteilung meines Einspruches, ich versichere Ihnen, es ist auf allen Ebenen eine außergewöhnliche Belastung für mich.“

Mit Eingabe vom übermittelte die Bf einen Vertragsentwurf betreffend Schenkung der Liegenschaft, die sie im Jahr 2017 unentgeltlich von ihrer Mutter übernommen hatte, an ihre Tochter.

Rechtslage

Der Abzug von Belastungen bei Ermittlung des Einkommens setzt gemäß § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 voraus, dass die Belastung außergewöhnlich ist (Abs. 2), zwangsläufig erwächst (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt (Abs. 4).

Aufwendungen sind außergewöhnlich, wenn sie höher sind als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen (Abs. 2).

Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich die Partei ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3).

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist dann wesentlich beeinträchtigt, wenn sie den von der Partei zu tragenden, von der Einkommenshöhe und dem Familienstand abhängigen Selbstbehalt übersteigt (Abs. 4).

Sämtliche der genannten Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 müssen kumulativ vorliegen.

Außergewöhnliche Belastungen liegen vor, wenn Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit Aufwendungen verursachen (). Derartige Kosten hat eine betreuungsbedürftige Person grundsätzlich aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

Die Aufwendungen sind um erhaltene steuerfreie Zuschüsse (z.B. Pflegegeld, Zuschuss zu den Betreuungskosten) zu kürzen.

Kann die pflegebedürftige Person nicht den gesamten pflegebedingten Mehraufwand abdecken, kann bei geringem Einkommen ein Unterhaltsanspruch gegenüber den Kindern aufleben ().

Die rechtliche Verpflichtung zur Tragung von Krankheits- bzw. Pflegekosten der Eltern ergibt sich aus § 234 ABGB.

Nach § 234 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist.

Abzugsfähig sind jene Krankheits- und Pflegekosten, die auch im Falle der eigenen Erkrankung bzw. Behinderung zu einer außergewöhnlichen Belastung führen (§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988).

Aus der Wortfolge "wenn er sich ihr (…) nicht entziehen kann“ in § 34 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich die Partei aus freien Stücken entschlossen hat (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, 54. Lfg (März 2013), § 34 Abs. 2 bis 5, Tz. 8, sowie die dort angeführte Judikatur).

Auch die Annahme einer Schenkung kann ein derartiges Verhalten darstellen ().

Aus dem Begriff "Belastung" ist abzuleiten, dass nur endgültige Vermögensminderungen abzugsfähig sind und bloße Vermögensumschichtungen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Eine außergewöhnliche Belastung liegt daher nicht vor, soweit ihr eine Bereicherung gegenübersteht.

Hat die pflegebedürftige Person ihr Vermögen (z.B. ihre Wohnung oder ihr Haus, ein Sparbuch) noch nicht übertragen, gehen die Pflegekosten zunächst zu Lasten dieses Vermögens (vgl. auch Rz 823 der Lohnsteuerrichtlinien).

Im Erkenntnis vom , Ro 2014/13/0038, hielt der Verwaltungsgerichtshof die pfandrechtliche Belastung auch einer selbst bewohnten Liegenschaft zur Finanzierung von Pflegekosten für nicht unzumutbar.

Auch nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes steht der Umstand, dass die zu pflegende Person ein Einfamilienhaus selbst bewohnt, einer Belastung dieser Liegenschaft nicht entgegen (vgl. ).

Besteht zwischen einer unentgeltlichen Vermögensübertragung und dem Anfall von Pflegekosten ein konkreter zeitlicher oder vertraglicher Zusammenhang, können - bei Zutreffen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen - steuerlich anzuerkennende außergewöhnliche Belastungen erst dann gegeben sein, wenn die Pflegekosten den Wert des erworbenen Vermögens (der übertragenen Liegenschaft) übersteigen ().

Übergebene Grundstücke sind mit ihren wirtschaftlichen Werten (Verkehrswerten) anzusetzen ().

Ob das Verhalten der Partei (die Annahme der Schenkung) die spätere Bedürftigkeit des Angehörigen entscheidend mit verursacht hat, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Zu diesen Umständen zählen insbesondere Alter und Gesundheitszustand des Übertragenden. Erfolgt die Vermögensübertragung beispielsweise zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Geschenkgeber bereits im Ruhestand befindet, und verfügt er - von Rentenbezügen abgesehen - über keine weiteren Einkunftsquellen, liegen Umstände vor, die dafür sprechen, dass die Partei durch die vorbehaltlose Übernahme der Vermögenswerte des Angehörigen dessen spätere Bedürftigkeit adäquat mit verursacht hat ().

Nach § 9 Abs. 1 Oö Sozialhilfegesetz (SHG) in der für das Beschwerdejahr anzuwendenden Fassung hat die Leistung sozialer Hilfe unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person, bei sozialer Hilfe zur Pflege auch unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, zu erfolgen.

Nach Abs. 6 dieser Gesetzesbestimmung kann die Leistung sozialer Hilfe von der Sicherstellung des Ersatzanspruches abhängig gemacht werden, wenn die hilfebedürftige Person Vermögen hat, dessen Verwertung ihr vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Nach § 45 Z 5 Oö SHG haben für die Kosten von Leistungen sozialer Hilfe Personen, denen der Empfänger sozialer Hilfe Vermögen geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat, Ersatz zu leisten.

Die mit eingefügte Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG lautet:

„Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.“

Ein Verbot des so genannten Pflegeregresses auch bei der 24-Stunden-Betreuung erfolgte nicht.

Erwägungen

Die Mutter der Bf bezieht laut den in den Finanzamtsdatenbanken gespeicherten Lohnzetteln seit August 2014 Pflegegeld. Im Jahr 2016 bezog sie Pflegegeld der Stufe 5.

Im Beschwerdejahr machten sowohl die Bf als auch ihre Mutter in ihren Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung Kosten für Pflegerinnen in Höhe von 11.577,00 € und Kosten von 141,97 € für nicht von der Gebietskrankenkasse bezahlte Medikamente als außergewöhnliche Belastung geltend.

Der Einkommensteuerbescheid 2016 der Mutter, deren Pensionseinkünfte 13.270,00 € betrugen, erging am .

Eine Abfrage des Zentralen Melderegisters ergab, dass die Mutter am ins Seniorenwohnheim G übersiedelte.

Am schlossen die Bf und ihre Mutter einen Notariatsakt betreffend eine Vollmacht und Vorsorgevollmacht.

Die Punkte I.d) „Unterbringung“ und I.e) „Verfügungen über Liegenschaften“ lauten auszugsweise:

„Die Vollmachtnehmerin ist auch berechtigt und ermächtigt, den Aufenthaltsort der Vollmachtgeberin zu bestimmen, für diese einen Heimplatz in einem Alten- oder Pflegeheim zu beantragen und eventuell Unterbringungsmaßnahmen zu verfügen, die mit einer Freiheitsbeschränkung verbunden sind. (…)

Die Vollmachtnehmerin ist auch berechtigt, über das Liegenschaftsvermögen der Vollmachtgeberin (…) ohne gerichtliche Zustimmung (…) zu verfügen.“

Mit Schenkungsvertrag vom schenkte die Mutter der Bf die bis dahin in ihrem Alleineigentum gewesene, unbelastete und von ihr und ihren Pflegerinnen bewohnte Liegenschaft. Weder wurden in diesem Schenkungsvertrag Pflegeleistungen, noch ein Wohnrecht oder ein Belastungs- oder Veräußerungsverbot vereinbart (nach Punkt Drittens des Schenkungsvertrages bedingte sich die Geschenkgeberin keinerlei Gegenleistungen und sicherzustellende Rechte aus).

Weshalb unter diesen Umständen im Beschwerdejahr die Heranziehung dieses Vermögens (die Eintragung eines Pfandrechtes auf dieser Liegenschaft) zur Finanzierung der Pflegekosten nicht möglich gewesen wäre, war unter diesen Umständen nicht nachvollziehbar. Dem Vorbringen der Bf in Punkt 3. ihres Schreibens vom , die Eintragung einer Hypothek sei wegen der fehlenden Geschäftsfähigkeit ihrer Mutter nicht möglich gewesen, war zu entgegnen, dass die o.a. Vollmacht sie ermächtigt hätte, die Liegenschaft auch ohne Zustimmung ihrer Mutter zu belasten.

Laut Punkt Sechstens des Schenkungsvertrages betrug der dreifache Einheitswert der übertragenen Liegenschaft 33.138,81 €. (Einheitswert: 11.046,27 €; 10-facher Einheitswert: zumindest 110.000,00 €)

Im vorliegenden Fall war entscheidend, ob die Bf zur (teilweisen) Abdeckung der Kosten für die 24-Stunden-Betreuung ihrer Mutter verpflichtet war, weil diese nicht durch deren eigenes Einkommen, Pflegegeld und Landeszuschüsse sowie eigenes Vermögen abgedeckt werden konnten.

Nach der Lebenserfahrung übernehmen Angehörige Pflegekosten vor allem deshalb, um den Zugriff des Sozialhilfeverbandes auf die Liegenschaft zu vermeiden und dadurch das Vermögen im Familienbesitz zu bewahren.

Die pflegebedürftige Mutter war im Beschwerdejahr noch Eigentümerin der der Bf erst im Jahr 2017 geschenkten Liegenschaft. Die Mutter war daher grundsätzlich verpflichtet, die aus der 24-Stunden-Betreuung erwachsenen Kosten selbst zu tragen und dafür ihr Einkommen und Vermögen heranzuziehen, wogegen die Bf nicht verpflichtet gewesen war, für die Pflegekosten aufzukommen.

Diese Vorgangsweise hätte auch den Anforderungen des § 9 Abs. 6 Oö SHG entsprochen.

Der Wert der übertragenen, unbelasteten Liegenschaft betrug – unwidersprochen – rund das Zehnfache des Einheitswertes, somit 110.000,00 €.

Der Verkehrswert der Liegenschaft hätte zur Abdeckung der bis zum Beschwerdejahr entstandenen Kosten ausgereicht. Erst wenn die Pflegekosten im Wert der geschenkten Liegenschaft nicht mehr gedeckt wären, könnten diese zu einer außergewöhnlichen Belastung führen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bezweckte die Bf mit der Übernahme der Pflegekosten die Erhaltung der Liegenschaft im Familienbesitz. Wären die Pflegekosten durch Aufnahme einer Hypothek finanziert worden, hätte die Liegenschaft in der Folge unter Umständen verkauft werden müssen. Dieses Bestreben wurde durch die unmittelbar bevorstehende Schenkung dieser Liegenschaft an die Tochter bestätigt.

Obwohl das Verhalten der Bf menschlich verständlich war, die mit der Pflege verbundene Belastung sie an ihre physischen und psychischen Grenzen führte und von ihr nachvollziehbar als "außergewöhnliche Belastung" empfunden wurde und wird, lag mangels Vorliegens sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des Einkommensteuergesetzes vor.

Zum einen bestand ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Liegenschaftsschenkung und der Übernahme der Pflegekosten und fehlte es an einer endgültigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil dem Aufwand (der Übernahme der Pflegekosten) eine Bereicherung (die Schenkung einer unbelasteten Liegenschaft) gegenüberstand. Zum anderen setzte die Bf mit Annahme der geschenkten Liegenschaft ein freiwilliges Verhalten, das zur Vermögenslosigkeit ihrer Mutter und zur daraus folgenden Notwendigkeit der Unterhaltsleistung führte, weshalb die Belastung der Bf auch nicht zwangsläufig erwuchs.

Zu den übrigen beantragten Aufwendungen war festzustellen, dass diese bereits im angefochtenen Erstbescheid antragsgemäß berücksichtigt worden waren.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall erfolgte die Lösung der zu klärenden Rechtsfragen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. ergab diese sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG lag somit nicht vor, weshalb eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100861.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at