Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.10.2019, RV/7105257/2019

Sonderklassegebühren iZm Hüftoperation als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde der Bf., Adresse, PLZ-Ort, vertreten durch Steuerschreck Steuerberatungs GmbH, Adresse PLZ-Ort, vom , gegen den Bescheid der belangten Behörde, Finanzamt Baden Mödling, vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf. bezeichnet), erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machte bei der Einreichung der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 Aufwendungen für eine Hüftoperation samt Krankenhausaufenthalt im Gesamtbetrag von EUR 4.144,38 als Krankheitskosten ohne Selbstbehalt aufgrund einer Erwerbsminderung von 40% geltend.

1. abweichende Veranlagung:

Im Zuge der Veranlagung der Bf. zur Einkommensteuer 2018 wich das Finanzamt von der eingereichten Erklärung insoweit ab, als die geltend gemachten Aufwendungen für eine Hüftoperation im Gesamtbetrag von EUR 4.144,38 nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen wurden.

Begründend wurde ausgeführt, Kosten für einen Privatarzt, Privatkrankenhaus bzw. für die Sonderklasse seien nur dann absetzbar, wenn eine medizinische Notwendigkeit vorliege. Diese sei durch eine ärztliche Verordnung nachzuweisen. Mangels dieser Voraussetzungen haben die beantragten Ausgaben nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.

Die Einkommensteuer wurde iHv EUR 15.133,11 festgesetzt, infolge der Anrechnung einbehaltener Lohnsteuern resultierte daraus eine Gutschrift iHv EUR 878,00.

2. Beschwerde vom :

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom erhob die Bf. mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die steuerliche Berücksichtigung der strittigen Aufwendungen für eine Hüftoperation iHv EUR 4.144,38 als außergewöhnliche Belastung.

Begründend wurde ausgeführt, im vorliegenden Fall handle es sich bei der in Rede stehenden Hüftoperation um eine medizinisch notwendige Operation samt Spitalsaufenthalt, die mit der Behinderung der Bf. (40%) in Zusammenhang stehe. Im Anhang werde daher die medizinische Verordnung vom ausführenden Facharzt Dr.W. übermittelt, dass die mit durchgeführte Hüftoperation samt dem Aufenthalt im G-Spital, deren Kosten sich auf insgesamt EUR 4.144,38 belaufen, medizinisch notwendig gewesen sei.

Es werde daher die korrekte Veranlagung der Einkommensteuer 2018 unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt iHv EUR 4.144,38 - nebst anderen unstrittigen Aufwendungen - beantragt.

Nach dem vom ausführenden Facharzt vorgelegten medizinischen Attest sei der ausführende Facharzt für Orthopädie nicht mehr in einem öffentlichen Krankenhaus angestellt. Dadurch sei es nur möglich gewesen, die Hüftoperation in einem Privatspital durchführen zu lassen.

Darüber hinaus habe die Vorerkrankung der Bf. (maligner Tumor) für die notwendige orthopädische Operation (Hüfttotalendoprothese) eine besondere Hausforderung dargestellt. Da dem ausführenden Facharzt die Krankengeschichte bestens vertraut sei, maligne Tumore oft in den Beckenknochen streuen, sei daher ein erhebliches Risiko für Komplikationen gegeben gewesen. Daher sei es für die Bf. essentiell gewesen, dass ihr Vertrauens(fach)arzt diese Hüftoperation durchgeführt habe.

3. Beschwerdevorentscheidung vom :

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, mangels fehlender Zwangsläufigkeit der in einem Privatkrankenhaus durchgeführten Hüftoperation haben die beantragten Kosten nicht als zusätzliche Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen würden aus tatsächlichen Gründen erwachsen (vgl. Zl. 85/14/0149; , Zl. 85/14/0181; , Zl. 87/14/0116; LSt-RL 2002, Rz. 818). Nach der Rspr des Verwaltungsgerichtshofes sei die Zwangsläufigkeit bei Krankheitskosten, die die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen, jedoch nur dann gegeben, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen erfolgen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden.

Im gegenständlichen Fall sei die (Hüft)Operation in einem Privatspital durchgeführt worden. Den abverlangten medizinischen Nachweis, dass die Operation durch einen selbstgewählten Privatarzt aus medizinischen Gründen notwendig gewesen sei, weil bei einer Operation durch einen angestellten Arzt in einem öffentlichen Krankenhaus mit erheblichen medizinischen Nachteilen zu rechnen gewesen wäre, habe die Bf. nicht erbringen können.

Dazu halte das BFG in der Entscheidung vom , GZ. RV/2100796/2014, zutreffend fest, dass ein Verweis auf die im ASVG verankerte Möglichkeit der freien Arztwahl, eine somit nach Sozialversicherungsrecht bestehende Wahlfreiheit nichts an dem Umstand ändere, dass eine steuerliche Berücksichtigung des über die sozialversicherungsrechtlich gedeckten Kosten hinausgehenden Mehraufwandes nur im Falle des Vorliegens triftiger medizinischer Gründe zulässig sei.

Ob ein Arzt bzw. Chirurg des öffentlichen Krankenhauses nicht auch die erforderlichen operativen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit getroffen hätte, kann jedenfalls nicht durch den Wahlarzt, der die Operation durchführt, bestätigt werden. Es liege vielmehr am Steuerpflichtigen, die Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit seiner getätigten Maßnahmen zweifelsfrei nachzuweisen.

Da dieser Nachweis nicht erbracht worden sei, haben die beantragten Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 anerkannt werden können.

4. Vorlageantrag vom :

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Betreffend der Beschwerdegründe werde seitens der Bf. auf die Ausführungen in der Beschwerde sowie der Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom inkl. ärztlicher Bestätigungen verwiesen. Es werde daher um eine stattgebende Erledigung ersucht.

5. Vorlagebericht des Finanzamtes vom :

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien Aufwendungen für Operationen in Privatkrankenanstalten, die über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehen, dann als zwangsläufig anzusehen, wenn triftige medizinische Gründe vorliegen (vgl. Zl. 85/14/0149). In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall sei die Nasenoperation in einer privaten Krankenanstalt unter Heranziehung eines Wahlarztes durchgeführt worden.

Zur Beurteilung der Frage, ob die Kosten zwangsläufig erwachsen seien, sei die Bf. mit Vorhalt vom aufgefordert worden, eine geeignete fachärztliche Bestätigung nachzureichen, die zum Ausdruck bringe, welche medizinische Behandlung ausschließlich im Privatkrankenhaus möglich gewesen sei bzw. welche konkreten medizinischen Nachteile hätten durch die Nichtanspruchnahme des Privatkrankenhauses gedroht hätten.

In diesem Zusammenhang werde auf die Judikatur des VwGH (vgl. Zl. 87/14/0116; , Zl. 85/14/0181) verwiesen, wonach höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden, nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen getragen würden. Da ein derartiger Nachweis nicht erbracht worden sei, sei die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen nicht nachgewiesen worden.  

6. Eingabe vom :

Nach den weiteren Ausführungen in der Eingabe vom sei von der Krankenkasse ein Kostenersatz iHv EUR 1.257,02 für Operation samt Klinikaufenthalt gewährt worden. Der o.a. Ersatz sei durch die Krankenkasse am überwiesen worden. Aus diesem Grund werde seitens der Bf. die Berücksichtigung von Kosten iHv EUR 2.887,36 für die in Rede stehende Hüftoperation samt dem Krankenhausaufenthalt als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt beantragt, da triftige medizinische Gründe als gegeben anzusehen seien.

Da der die Operation ausführende Facharzt Dr.W., dem Vertrauensarzt der Bf. und dem auch die Krankengeschichte aufgrund der Krebserkrankung und der damit verbundenen operativen Entfernung der Brust bestens bekannt sei, nicht mehr in einem öffentlichen Krankenhaus angestellt gewesen, sei die Durchführung der Operation nur im Spital St.G. unter Inanspruchnahme der Sonderklasse möglich gewesen.

Die Bf. habe aufgrund der Arthrosen im Hüftgelenk, die sehr wahrscheinlich Spätfolgen der Krebserkrankung seien, unter starken Schmerzen gelitten, die über den Oberschenkel bis ins Knie ausgestrahlt haben. Diese chronischen Schmerzen haben durch Infiltrationen und Infusionen nur kurzzeitig gemildert werden können. Eine umgehende Hüftoperation sei für die Bf. die einzige Möglichkeit gewesen, in angemessener Zeit ihre Lebensqualität zu wiederzuerlangen.

Aufgrund der Vorerkrankung der Bf. sei weiters mit erheblichen Komplikationen bei der Hüftoperation zu rechnen gewesen, da eine Streuung der malignen Tumore in den Beckenknochen sehr häufig laut Auskunft von Dr.W. vorkomme (s. beiliegendes Mail). Dieses Risiko der Komplikationen nehme mit zunehmenden Alter noch weiter zu, daher sei ein schnelles Handeln gefragt gewesen.

Im vorliegenden Fall habe Dr.W. die Hüftoperation ohne Wartezeit durchführen können, wie sie in einem öffentlichen Krankenhaus angekündigt worden sei. Im Spital St.G. sei die Operation durch Dr.W. nur unter Inanspruchnahme der Sonderklasse möglich gewesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Dieser Entscheidung legt das Bundesfinanzgericht folgenden Sachverhalt zu Grunde:

Die Bf. müsste sich im Jahre 2018 aufgrund der Vorerkrankung durch einen malignen Tumor einer Hüftoperation unterziehen. Für Operation samt Krankenhausaufenthalt mit Sonderklassebehandlung in einer Privatkrankenanstalt erwuchsen der Bf. Kosten iHv EUR 4.144,38, für die von der gesetzlichen Krankenversicherung 1.257,02 ersetzt wurden. Es wurden demnach Aufwendungen im nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckten Restbetrag iHv EUR 2.887,36 als Krankheitskosten ohne Selbstbehalt geltend gemacht, da die Erkrankung iZm einer 40% Erwerbsminderung der Bf. steht.

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob Mehraufwendungen aus Sonderklassegebühren iZm einer Hüftoperation samt Krankenhausaufenthalt iHv EUR 2.887,36 der Bf. zwangsläufig erwachsen sind.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung ist nach Abs. 2 leg.cit. außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Die Belastung erwächst nach Abs. 3 leg.cit. dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach § 34 Abs. 6 sechster Teilstrich EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Hat nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche Behinderung und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein Ehepartner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35% bis 44% wird nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 ein Freibetrag von EUR 99 gewährt.

In § 16 Abs. 1 lit. d KaKuG (Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz) 2004 wird normiert, dass für die Behandlung von Patienten und Patientinnen in einem Spital ausschließlich der Gesundheitszustand heranzuziehen ist.

Als außergewöhnliche Belastungen kommen u.a. auch Krankheitskosten, wie zB Kosten für Arzt und Krankenhausaufenthalt in Betracht.

Mit der Frage, ob bei pflichtversicherten Steuerpflichtigen höhere Aufwendungen als jene, die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, dem Steuerpflichtigen noch zwangsläufig erwachsen, befassen sich die nachstehenden grundsätzlichen höchstgerichtlichen Erkenntnisse VwGH-Erkenntnis vom , Zl. 85/14/0146, und vom , Zl. 85/14/0181.

Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Frage bejaht, sofern solche Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen geboten sind (vgl. Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 34, Einzelfälle "Krankheitskosten"; Baldauf in Jakom, EStG, 2014, § 34, Rz. 90, Stichwort "Krankheitskosten"). Diese Rechtsprechung ist auf Sonderklassegebühren uneingeschränkt anzuwenden, da durch den Entschluss eines Steuerpflichtigen, sich nicht in der allgemeinen Gebührenklasse eines Krankenhauses behandeln zu lassen, wesentlich höhere Kosten entstehen, welche eben nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen als zwangsläufig entstanden angesehen werden können.

Bloße Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen über eine bestimmte medizinische Betreuung mitsamt Behandlung durch einen Wahlarzt stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen.

Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Die Beweislast hiefür trifft stets den Steuerpflichtigen.

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Ausführungen, dass jedenfalls medizinische Gründe für die Durchführung der Hüftoperation vorgelegen sind; dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem von der Bf. übermittelten Arztbericht. Ebenso unstrittig ist, dass die Krankenbehandlung in Zusammenhang mit der zuerkannten Erwerbsminderung von 40% steht und somit kein Selbstbehalt in Abzug zu bringen ist. Den Gegenstand dieses Rechtsstreites bildet daher vielmehr die Frage, ob für die durchgeführte Hüftoperation der Bf. auch triftige medizinische Gründe vorgelegen sind, die Sonderklasse (gegenüber der allgemeinen Gebührenklasse) in Anspruch zu nehmen.

Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Heilbehandlung eintreten würde (vgl. Zl. 87/14/0116; , Zl. 85/14/0181).

Wendet man nun diese von Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Grundsätze auf den gegenständlichen Fall an, so folgt daraus, dass nach Auffassung des BFG der Bf. der Nachweis des Vorliegens von triftigen medizinischen Gründen für die Inanspruchnahme der Sonderklasse im Sinne der o.a. Judikatur nicht gelungen ist:

Aus der von der Bf. vorgelegten ärztlichen Bestätigung des Vertrauensarztes der Bf. Dr.W., geht im Wesentlichen hervor, dass die Vorerkrankung (maligner Tumor) eine besondere Herausforderung für die notwendige orthopädische Hüftoperation (Hüfttotalendoprothese) dargestellt hat. Da der ausführende Arzt nicht (mehr) in einem öffentlichen Krankenhaus angestellt sei, sei es nur möglich gewesen, diese Operation in einem Privatspital durchführen zu lassen. Arthrosen im Hüftgelenk als wahrscheinliche Spätfolgen der vorangegangenen Krebserkrankung der Bf. haben zu starken chronischen Schmerzen geführt, die durch Infiltrationen und Infusionen nur kurzzeitig gemildert werden konnten. Die damit erforderliche Hüftoperation habe ohne Wartezeit - wie sie in einem öffentlichen Krankenhaus angekündigt worden sei - in einer Privatkrankenanstalt durchgeführt werden können.

Vom BFG wird dazu bemerkt, dass es sich bei Patienten oder Patientinnen der Sonderklasse um keine solchen handelt, die eine bessere medizinische Behandlung genießen. Vielmehr liegen die Vorzüge der Sonderklasse beispielhaft darin, ein Zimmer mit geringerer Bettenanzahl mit höherem Wohnkomfort in Anspruch nehmen zu können. Die Sonderklasse dient demnach keinesfalls dazu, im medizinischen Bereich eine Zweiklassengesellschaft zu schaffen.

Unabhängig davon, dass der Einwand der Bf. - nämlich im Rahmen der allgemeinen Krankenversicherung erst später einen Operationstermin bekommen hätte - in den vorgelegten Unterlagen (außer dem Vorbringen im Vorlageantrag fast ein Jahr später) nicht näher dokumentiert wurde, ist in diesem Zusammenhang auf § 16 Abs. 1 lit. d KaKuG (Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz) 2004 zu verweisen. Dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass für die Behandlung von Patienten ausschließlich der Gesundheitszustand heranzuziehen ist. In der medizinischen Versorgung ergibt sich somit keine Unterscheidung zwischen Patienten der Sonderklasse und denjenigen der allgemeinen Krankenversicherung (vgl.  GZ. RV/1386-L/07; GZ. RV/7100517/2014).

Seitens der BVA werden im vorliegenden Fall nicht Mehrkosten bezahlt, die durch den Aufenthalt in der Sonderklasse einer Privatkrankenanstalt anfallen. Bei der medizinischen Behandlung darf es keinen Unterschied zwischen der allgemeinen Gebührenklassen und der Sonderklasse geben. Dies gilt auch für die Vergabe von Operationsterminen.

Auch lässt sich aus der von der Bf. vorgelegten ärztlichen Bestätigung kein expliziter Hinweis entnehmen, dass die Durchführung einer medizinischen Behandlung außerhalb der Sonderklasse zu ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen geführt hätte. Vielmehr ergibt sich aus der vorgelegten medizinischen Bestätigung lediglich, dass eine vorzunehmende Hüftoperation aufgrund der Vorerkrankung (maligner Tumor) eine besondere Herausforderung aufgrund der Vorerkrankung dargestellt hat.

Anders könnte der gegenständliche Fall zu beurteilen sein, wenn im Zuge der Verfahrens hervorgekommen wäre, dass nur der behandelnde (Vertrauens)Arzt über das notwendige Fachwissen und die Erfahrung verfüge, den Eingriff durchzuführen. Anhaltspunkte, dass dieser Sonderfall vorliege, finden sich im vorliegenden Fall jedoch nicht (vgl. GZ. RV/0364-F/08).

Der Entschluss, sich im Falle einer Operation an einen Facharzt des Vertrauens zu wenden, ist durchaus verständlich und nachvollziehbar (vgl. GZ. RV/2100796/2014). Allerdings handelt es sich dabei um eine freiwillige Entscheidung, die nach der Rechtslage keine Zwangsläufigkeit begründet. Das Einsetzen einer Hüftgelenksprothese wird als Standardoperation in zahlreichen öffentlichen Spitälern durchgeführt und von der gesetzlichen Sozialversicherung bezahlt. Auch eine kürzere Wartezeit vermag für sich alleine noch keinen triftigen medizinischen Grund für eine Behandlung in einem Privatspital darstellen.

Wenngleich daher die Entscheidung für die Operation in der Privatklinik plausibel und menschlich verständlich ist, sind die Aufwendungen dafür nicht zwangsläufig erwachsen. Die geltende Rechtslage und die höchstgerichtliche Rechtsprechung erlauben daher keine Berücksichtigung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung.

Anders ausgedrückt, führt nicht jeder gesundheitliche Nachteil (wie etwa die von der Bf. angeführten chronischen Schmerzen) dazu, höhere Aufwendungen als solche, die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind, beim Steuerpflichtigen als zwangsläufig erwachsen anzusehen. Es muss sich vielmehr um erhebliche gesundheitliche Nachteile handeln, die ohne die teurere Behandlung zu erwarten wären. Für das BFG ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass es nicht erwiesen ist, dass die Bf. ernsthafte gesundheitliche Nachteile erlitten hätte, wenn sie sich nicht für eine Behandlung in der Sonderklasse entschieden hätte. Die Beweislast, dass sämtliche Voraussetzungen für eine Anerkennung als außergewöhnliche Belastung vorliegen, obliegt stets dem Steuerpflichtigen.

Da gegenständlich das Element triftiger medizinischer Gründe für die Behandlung in der Sonderklasse nicht nachgewiesen werden konnte, fehlt es im anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 den von der Bf. getätigten Aufwendungen an der Zwangsläufigkeit, weshalb die von ihr geltend gemachten Kosten für die Hüftoperation im nicht durch die Sozialversicherung gedeckten Restbetrag von EUR 2.887,36 nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können.

Nach den Bestimmungen des § 34 Abs. 1 und 3 EStG 1988 liegt daher für die von der Bf. getragenen Sonderklassekosten keine Zwangsläufigkeit vor.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, als dieses Erkenntnis in der Frage der Zwangsläufigkeit von nicht durch die gesetzliche Sozialversicherung abgedeckten Sonderklassegebühren der in dieser Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt (vgl. Zl. 85/14/0146; , Zl. 85/14/0181).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 lit. d KAKuG, Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, BGBl. Nr. 1/1957
§ 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105257.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at