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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.10.2019, RV/2101309/2018

Vorsteuererstattung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, vertreten durch Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Vorsteuererstattung 1-12/2017 zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Vorsteuererstattung 1-12/2017 erfolgt im Ausmaß von 69.458,93 Euro.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, Bf mit Sitz in der Schweiz im Bereich der Entwicklung und Projektleitung im Bereich Marketing, Mediengestaltung und Konzertveranstaltungen tätig.

Am beantragte die Bf. fristgerecht die Erstattung von Vorsteuern iHv 74.714,60 Euro.

Die Vorsteuern stammen aus Rechnungen der Firma A und der Firma B GmbH.

Den Rechnungen liegt – wie in den Vorjahren – folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Die Firma A hat der Bf. Werbeartikel verkauft und diese an das Event Logistics Warehouse der Bf. in Belgien versandt. Dafür wurde der Bf. österr. Umsatzsteuer im Gesamtausmaß von 4.452,81 Euro in Rechnung gestellt, weil die Bf. keine ausländische UID bekanntgeben konnte (über eine belgische UID verfügte die Bf. nach eigenen Angaben nicht).

2. Die Bf. lässt Tickets für in verschiedenen Mitgliedstaaten stattfindende Konzerte in Österreich drucken. Die Tickets werden aus Sicherheitsgründen in Österreich auf den Käufer personalisiert.

Zwischen dem Lieferanten, der B GmbH und der Bf. ist vereinbart, dass die Bf. die personalisierten Tickets abholt (Lieferklausel „ex works“).

Die Tickets werden im Auftrag der Bf. von einem Botendienst abgeholt und von diesem zu den Käufern der jeweiligen Eintrittsberechtigungen in verschiedene Mitgliedstaaten gebracht. Die Firma B GmbH hat dafür im Jahr 2017 insgesamt 69.458,93 Euro USt in Rechnung gestellt.

3. Die B GmbH hat „Broschüren“ betr. Konzerte gedruckt. Aus dem Zusatz „transport, customs duties and handling“ lässt sich ableiten, dass die Gegenstände ins Drittland befördert wurden. Dennoch wurde in den Rechnungen im Jahr 2017 österr. USt iHv insgesamt 802,86 Euro ausgewiesen.

Mit Bescheid vom wurde die Erstattung für 1-12/2017 mit Null festgesetzt. Begründend führt das Finanzamt dazu aus:

Es liegen innergemeinschaftliche Lieferungen vor, da die Waren von Österreich aus in verschiedene EU-Mitgliedstaaten versendet werden.

Eine zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer ist nicht als Vorsteuer abzugsfähig. Es ist möglich, die Verbringungsnachweise zu erbringen und damit kann eine Rechnungsberichtigung durchgeführt werden.“

Die Beschwerde betr. Vorsteuererstattung 1-12/2017, die die Bf. im Wesentlichen damit begründete, dass die Lieferungen seitens der Rechnungsaussteller mangels UID der Bf. nicht steuerfrei belassen werden könnten, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Behandlung der Beschwerde betr. Vorsteuererstattung 1-12/2017 durch das BFG. Gemäß AOF 2010/37 sei folgendes für die Behörde anzuwenden: „Steht jedoch endgültig fest, dass eine Lieferung von Gegenstanden nicht steuerfrei erfolgen kann (zB mangels Beförderungs- oder Versendungsnachweisen), bleibt die VorsteuererstattungsVO bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen anwendbar. Vgl. Rz 2839 der UStRL.“

Rechtslage

Art. 7. (1) UStG 1994: Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder 
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.

Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

Das BFG hat erwogen

1. Lieferung von Werbeartikel

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2005/15/003 ausgesprochen, dass die Verwendung der UID-Nummer eine wichtige Funktion für die Behandlung der Umsätze hat. Der Lieferant, dem der Abnehmer seine UID-Nummer eines anderen Mitgliedstaats bekannt gibt, kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der Erwerber damit erklärt, im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung zu unterliegen, sodass die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung zu Recht in Anspruch genommen werden kann.
Die Angabe der UID-Nummer ist zwar nach Art. 7 UStG 1994 keine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung, jedoch nach § 6 der Verordnung BGBl Nr. 401/1996 zwingend aufzuzeichnen. Damit wird die UID-Nummer Bestandteil des Buchnachweises; die fehlende oder unrichtige Aufzeichnung kann zur Versagung der Steuerfreiheit führen.

Wird in einer Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung, bei der die sonstigen materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen, eine Umsatzsteuer ausgewiesen (etwa weil der Empfänger über keine UID-Nummer verfügt), ist die ausgewiesene Steuer beim Empfänger nicht erstattungsfähig (vgl. und die dort zitierte höchstgerichtliche Judikatur) bzw. berechtigt ihn nicht zum Vorsteuerabzug.

In richtlinienkonformer Interpretation ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist ( und unter Hinweis auf , "Genius Holding"; , Rn 25: dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer). Dies deshalb, weil die Steuerschuld auf Grund der Rechnung nach § 12 Abs. 12 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug führt (, vgl. und die dort zitierte Judikatur).

Die Vorsteuern iHv 4.452,81 Euro berechtigen die Bf. nicht zum Vorsteuerabzug.

2. Lieferung von Eintrittskarten (B GmbH)

Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt gem. Art 7 Abs 1 UStG 1994 vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

Wesentlich ist dabei, dass der Gegenstand der Lieferung befördert wird (Ruppe/Achatz, UStG 1994 Art 7 Tz 13).

Der Gegenstand der Lieferung sind im Beschwerdefall die Eintrittskarten in Form bedruckten Papiers.

Die gedruckten Eintrittskarten wurden nach der Abholung bei der B GmbH im Auftrag der Bf. an die jeweiligen Käufer der Eintrittsberechtigungen zu Konzerte in deren Heimatländer versendet. Die versendeten Eintrittskarten dienten den Käufern zum Nachweis ihrer Eintrittsberechtigung und stellen eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung Eintrittsberechtigung dar.

Es liegt im Beschwerdefall kein Reihengeschäft vor (Lieferung von B an Bf und Lieferung von Bf an Käufer, wobei die Ware direkt von B zum Käufer befördert wird), weil die Bf. an ihre Kunden keine Ware (Eintrittskarte), sondern eine sonstige Leistung (Eintrittsberechtigung) verkauft.

Dadurch, dass sich die Eigenschaft der Eintrittskarten vor dem Transport geändert hat (zunächst wurde bedrucktes Papier verkauft, danach die sonstige Leistung der Eintrittsberechtigung veräußert) wird der Gegenstand der Lieferung nicht ins übrige Gemeinschaftsgebiet befördert.
Die Eintrittskarten wurden nicht zur Verfügung der Bf. in die verschiedenen Mitgliedstaaten gebracht. Vielmehr wurden sie zu einer unselbständige Nebenleistung der Eintrittsberechtigung zur Fußballveranstaltung im jeweiligen Mitgliedstaat und unterliegen dort als sonstige Leistung iSd § 3a Abs 11a UStG 1994 der Besteuerung.

Die Firma B GmbH muss damit österreichische Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die die Bf. im Ausmaß von 69.458,93 Euro zum Abzug als Vorsteuer berechtigt weil kein Fall einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegt.

3. Lieferung Broschüren

Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung liegt nach § 7 Abs 1 Z 1 UStG 1994 vor, wenn der Lieferant den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat.

Das ist im Beschwerdefall nach der Aktenlage gegeben. Die Firma B GmbH hat dennoch Umsatzsteuer iHv 802,86 Euro ausgewiesen.

In diesem Fall gilt dasselbe wie beim Verkauf der Werbeartikel: Eine für eine steuerfreie Lieferung ausgewiesene Umsatzsteuer ist beim Empfänger nicht erstattungsfähig ( , vgl. und die dort zitierte Judikatur) bzw. berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Die Vorsteuererstattung hat damit im Ausmaß von 69.458,93 Euro (Ticketverkauf) zu erfolgen. Der Bescheid war abzuändern.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine divergierende Rechtsprechung vor weshalb keine Rechtsfrage grundlegender Bedeutung gegeben ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2101309.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at