Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2019, RV/3100582/2019

Keine unbeschränkte KöSt-Pflicht bei KÖR Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. A in der Beschwerdesache Agrargemeinschaft B, Str 3, PlZl C, vertreten durch D Steuerberatungs- gesellschaft m.b.H., Str1, PlZl E, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes F betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2017 mit Ausfertigungsdatum

zu Recht erkannt: 

1. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2017 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

2. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Körperschaftsteuer 2017 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) ist als Agrargemeinschaft eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Am  wurde die Umsatz- und Körperschaftsteuererklärung 2017 auf elektronischem Wege bei der Abgabenbehörde eingereicht. Die Gewinnermittlung erfolgte gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988

2. In der Umsatzsteuererklärung 2017 wurde ein Umsatz in Höhe von € 409.198,88 erklärt, der sich aus Grundstücksumsätzen im Betrag von € 67.844,85 und dem Normalsteuersatz unterliegenden Umsätzen von € 341.354,03 zusammensetzte. Eine Vorsteuer wurde im Betrag von € 648,20 geltend gemacht.

3. Die Körperschaftsteuererklärung 2017 wies Erlöse und sonstige Betriebsausgaben in Höhe von € 396.162,41 und € 5.684,89 aus.

4. Die Abgabenbehörde fertigte am einen erklärungsgemäßen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheid 2017 aus.

5. Gegen diese Bescheide erhob der steuerliche Vertreter im Namen der Bf. mit Schreiben vom Beschwerde und beantragte die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Unter Anschluss einer händisch erstellten Umsatz- Körperschaftsteuererklärung 2017 samt Beilage K 2a wurde zum einen die Berücksichtigung einer Vorsteuer gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nach Durchschnittssätzen in Höhe von € 3.960,00 und zum andern die Berücksichtigung von € 26.400,00 pauschaler Betriebsausgaben im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG 1988 begehrt. Im konkreten Fall überlasse die Agrargemeinschaft entgeltlich Grundstücke zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, wie an Schiliftgesellschaften als Skipisten, an Hoteliers als Parkplätze und an Gastwirte zum Betrieb von Gaststätten.

Begründend wurde vorgebracht, dass in der Vergangenheit die Betriebsausgaben und die Vorsteuerbeträge pauschal nach § 17 EStG und § 14 UStG angesetzt worden seien. Aufgrund gestiegener Umsätze in den letzten Jahren übersteigen die Umsätze die in § 17 Abs. 2 Z 2 EStG angeführten Grenzen und können diese Beträge nicht mehr angesetzt werden.
Nach Ansicht der Bf. widerspreche diese Konsequenz der Gleichheit aller Steuerpflichtiger vor dem Gesetz und belaste somit § 17 Abs. 2 Z 2 EStG und daraus folgend § 14 Abs. 1 Z 1 UStG mit Verfassungswidrigkeit.
Wörtlich wiedergegeben wurde Folgendes vorgebracht:

"§ 17 EStG erlaubt bei Einkünften aus Tätigkeiten im Sinne des § 22 EStG oder des § 23 EStG die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG anhand eines Durchschnittssatzes zu ermitteln. Dieser beträgt grundsätzlich 12 % der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 BAO, höchstens jedoch 26.400,- €.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Durchschnittssatzes ist nach § 17 Abs. 2 Z 2 EStG allerdings, dass die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 BAO im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 220.000,- € betragen haben.

Diese Voraussetzung widerspricht der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen vor dem Gesetz:

Wenn ein Steuerpflichtiger mit einem Jahresumsatz von 220.000,- € pauschal 26.400,- € als Betriebsausgaben ansetzen kann, dann muss ein Steuerpflichtiger der gleichen Branche mit einem höheren Jahresumsatz wohl auch mindestens 26.400,- € an Betriebsausgaben ansetzen dürfen. Es entspricht den Erfahrungen der Praxis und auch den logischen Denkgesetzen, dass bei einem Steuerpflichtigen der gleichen Branche, der einen höheren Umsatz erwirtschaftet, auch mehr Betriebsausgaben anfallen als bei einem Steuerpflichtigen, der weniger Umsatz erwirtschaftet. Diese Überlegung wird aber von der geltenden Rechtslage offensichtlich nicht geteilt.

Das gleiche muss in der Umsatzsteuer gelten: In einem Unternehmen der gleichen Branche mit höherem Jahresumsatz wird tendenziell mehr Vorsteuer anfallen, als in einem Unternehmen mit weniger Umsatz.

Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Einschränkung der Möglichkeit des Ansatzes pauschaler Betriebsausgaben bzw. pauschaler Vorsteuerbeträge auf Steuerpflichtige, deren Jahresumsätze eine bestimmte Höhe nicht übersteigen, den logischen Denkgesetzen widerspricht und diese Vorschrift damit verfassungswidrig macht.

Dem Gesetzgeber muss es unbenommen bleiben, bestimmten Steuerpflichtigen den Ansatz pauschaler Betriebsausgaben bzw. Vorsteuerbeträge zu ermöglichen; auch muss es dem Gesetzgeber unbenommen bleiben, die Höhe dieser pauschalen Betriebsausgaben bzw. Vorsteuerbeträge absolut zu begrenzen. Im konkreten Fall würde die aus unserer Sicht bestehende Gleichheitswidrigkeit nicht eintreten, wenn alle Steuerpflichtigen, die Einkünfte nach § 22 EStG oder § 23 EStG erzielen und diese Einkünfte nach § 4 Abs 3 EStG ermitteln, höchstens 26.400,- € an pauschalen Betriebsausgaben und 3.960,- € an pauschalen Vorsteuerbeträgen ansetzen könnten.

Die grundsätzliche Möglichkeit des Ansatzes pauschaler Betriebsausgaben bzw. Vorsteuerbeträge aber an die Höhe des Umsatzes zu binden, erscheint aus den genannten Gründen der Gleichheit aller Steuerpflichtigen vor dem Gesetz zu widersprechen."

4. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht den Regelungen des § 262 Abs. 3 BAO entsprechend ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung mit Vorlagebericht am zur Entscheidung vorgelegt.

5. Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Entscheidungsbefugnis obliegt der für den Beschwerdefall zuständigen Einzelrichterin.

II. Körperschaftsteuer 2017

1. Sachverhalt

1.1. Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 34 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG) 1996 eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

1.2. Der mit Ausfertigungsdatum erlassene Körperschaftsteuerbescheid für 2017 war nicht an einen als "Betrieb gewerblicher Art" bezeichneten Bescheidadressaten der Agrargemeinschaft B, sondern an die Körperschaft öffentlichen Rechts selbst gerichtet.

2. Rechtslage

2.1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 KStG 1988 sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

2.2. Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist "Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die   
– wirtschaftlich selbständig ist und
– ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und
– zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und
– nicht der Land- und Forstwirtschaft (§ 21 des Einkommensteuergesetzes 1988) dient. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit der Einrichtung gilt stets als Gewerbebetrieb."

Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 2 KStG 1988 Sonderformen von Betrieben gewerblicher Art darunter die entgeltliche Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken durch Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes) und Siedlungsträger,
die nach den zur Ausführung des § 6 Abs. 2 des landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anerkannt sind (§ 2 Abs. 2 Z 3 leg. cit.), vor.

2.3. Der Betrieb gewerblicher Art ist ein selbständiges fiktives Steuersubjekt, das neben die Körperschaft öffentlichen Rechts tritt und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (vgl. ; vgl. ).

3. Erwägungen

3.1. Körperschaften öffentlichen Rechts sind nicht unbeschränkt körpersteuerpflichtig, sondern unterliegen grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Z 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988. 
Der Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts stellt ein eigenes Rechtssubjekt dar, das von der Person des Rechtsträgers - der Körperschaft öffentlichen Rechts - verschieden ist. Zivilrechtlich existiert allerdings nur eine juristische Person und zwar die Körperschaft öffentlichen Rechts.
Das Gesetz weist die Steuerpflicht dem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts und nicht der Körperschaft öffentlichen Rechts für ihren Betrieb gewerblicher Art zu (vgl. ; vgl. ).

3.2. Ein Körperschaftsteuerbescheid hat daher unmittelbar an den Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft öffentlichen Rechts als Bescheidadressaten zu ergehen. Betreibt die Körperschaft öffentlichen Rechts mehrere Betriebe gewerblicher Art, so stellt ein jeder dieser Betriebe für sich ein eigenes Steuersubjekt dar. Für jeden einzelnen Betrieb gewerblicher Art hat die Abgabenbehörde eine eigene Steuernummer zu vergeben zu der mittels Körperschaftsteuererklärung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erklären sind.

3.3. Im gegenständlichen Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin (Trägerkörperschaft) über Jahre hinweg, unter anderem auch im Beschwerdejahr, zu ihrer Steuernummer als Unternehmerin im Sinne des UStG 1994 neben der Umsatzsteuererklärung auch die Körperschaftsteuererklärung bei der Abgabenbehörde eingereicht, in denen sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte.

3.4. Die am bei der Abgabenbehörde elektronisch eingereichte Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2017 wurde mit Bescheid vom erklärungsgemäß veranlagt.
Indem die Abgabenbehörde die Körperschaft öffentlichen Rechts selbst als Steuersubjekt für Einkünfte aus einem Betrieb gewerblicher Art zur Körperschaftsteuer heranzog, hat sie die Rechtslage verkannt.

Der am ausgefertigte an den Bescheidadressaten "Agrargemeinschaft B" gerichtete Körperschaftsteuerbescheid war mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, da die Körperschaft öffentlichen Rechts nicht der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt.

3.5. Der Körperschaftsteuerbescheid 2017 vom war daher aufzuheben.

III. Umsatzsteuer 2017

1. Rechtslage

1.1. § 17 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 117/2016 lautet:

   "Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 können die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden. Der Durchschnittssatz beträgt
   - bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6%, höchstens jedoch 13 200 €,
   - sonst 12%, höchstens jedoch 26 400 €,

der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung. Daneben dürfen nur folgende Ausgaben als Betriebsausgaben abgesetzt werden: Ausgaben für den Eingang an Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 BAO) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Ausgaben für Löhne (einschließlich Lohnnebenkosten) und für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden, weiters Beiträge im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1 und Reise- und Fahrtkosten, soweit ihnen ein Kostenersatz in gleicher Höhe gegenübersteht; diese Reise- und Fahrtkosten vermindern die Umsätze im Sinne des zweiten Satzes. § 4 Abs. 3 vorletzter Satz ist anzuwenden."

Abs. 2 bestimmt:
   "Die Anwendung des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 setzt voraus, daß
   1. keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglichen,

   2. die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 220 000 Euro betragen,

   3. aus der Steuererklärung hervorgeht, dass der Steuerpflichtige von der Pauschalierung Gebrauch macht."

Absatz 3 regelt:
"Geht der Steuerpflichtige von der Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 auf die Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften über, so ist eine erneute Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 frühestens nach Ablauf von fünf Wirtschaftsjahren zulässig."

1.2. § 14 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 118/2015 lautet:

   "1. Unternehmer können die abziehbaren Vorsteuerbeträge wahlweise nach folgenden Durchschnittssätzen ermitteln:
Unternehmer, bei denen die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 2 Z 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 für die Ermittlung der Betriebsausgaben mit einem Durchschnittssatz vorliegen, können die abziehbaren Vorsteuerbeträge mit einem Durchschnittssatz von 1,8% des Gesamtumsatzes aus Tätigkeiten im Sinne des § 22 und § 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 mit Ausnahme der Umsätze aus Hilfsgeschäften, höchstens jedoch mit einer abziehbaren Vorsteuer von 3 960 Euro, berechnen. Eine Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge mit dem Durchschnittssatz ist gesondert für jeden Betrieb möglich. Mit diesem Durchschnittssatz werden sämtliche Vorsteuern abgegolten, ausgenommen
   a) Vorsteuerbeträge für Lieferungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungskosten 1 100 Euro übersteigen, sowie für die Lieferung von Grundstücken des Anlagevermögens. Diese Ausnahme gilt sinngemäß für die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren, die diesen Lieferungen entsprechen;
   b) Vorsteuerbeträge für sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Herstellung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, deren Herstellungskosten 1 100 Euro übersteigen;

   c) Vorsteuerbeträge für Lieferungen von Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 der Bundesabgabenordnung) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Vorsteuerbeträge für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand bilden. Diese Ausnahme gilt sinngemäß für die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Einfuhren, die diesen Lieferungen entsprechen.
Diese Vorsteuerbeträge sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 zusätzlich abziehbar."

2. Erwägungen

2.1. Die Pauschalierung nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 stellt eine eigenständige Gewinnermittlungsart (basierend auf den Grundsätzen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) dar. Das ergibt sich bereits aus der Regelung des § 17 Abs. 3 leg. cit., die einen Wechsel der Gewinnermittlungsart von der Gewinnermittlung durch Pauschalierung einerseits zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 leg. cit. oder zur "normalen" Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. (unter Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften) anspricht (vgl. ).

2.2. Die Pauschalierungsregelung des § 17 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 stellt auf den Umsatz des Vorjahres ab, womit die Bestimmung den Steuerpflichtigen Planungssicherheit bietet. Hat der Steuerpflichtige in einem bestimmten Jahr die Umsatzgrenze nicht überschritten, steht fest, dass für das Folgejahr das Pauschale zusteht, wie hoch die Umsätze im laufenden Jahr auch immer sein mögen (vgl. Prodinger, Umsatzgrenze und Basispauschalierung, SWK 6/2008, S 292; vgl. ). 

2.3. Damit dienen Pauschalierungsregelungen nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern bieten dem Steuerpflichtigen grundsätzlich die Möglichkeit, die jeweils steuerlich günstigere Variante (gegenständlich Abzug der tatsächlichen oder der pauschal ermittelten Betriebsausgaben) zu wählen (vgl. ).

2.4. Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zulässig, wenn feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt (vgl. ).

2.5. Der Gesetzgeber bestimmt als Anwendungsvorausseztung der Basispauschalierung des § 17 Abs. 1 EStG  1988 unter anderem in der Z 2 EStG 1988, dass die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 BAO des vorangegangenen Jahres nicht mehr als 220.000 Euro betragen dürfen. Damit fehlt ein jeglicher verlässlicher Anhaltspunkt, dass der Höchstbetrag der pauschalierten Betriebsausgaben auch dann zustehen sollte, wenn diese Umsatzgrenze überschritten wird. 

2.6. Die gesetzliche Vorsteuerpauschalierung ist der gesetzlichen Betriebsausgabenpauschalierung nach § 17 EStG 1988 nachgebildet. Der Durchschnittsatz ist mit 1,8 % der Umsätze aus diesen Tätigkeiten fixiert, allerdings mit höchstens 3.690 Euro begrenzt. Die zusätzlich abziehbaren Vorsteuern sind vom Gesetz taxativ aufgezählt. Bei Inanspruchnahme der gesetzlichen Pauschalierung besteht gemäß § 18 Abs. 9 UStG 1994 eine Befreiung von entsprechenden Aufzeichnungspflichten. Anders als die Betriebsausgabenpauschalierung war die Vorsteuerpauschalierung bis einschließlich 2015 nicht mit der Buchführungspflicht verknüpft (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 14 Tz 4).

2.7. § 14 UStG 1994 ist eine Ausnahme zu § 12 leg. cit., soweit auf einen Nachweis der Vorsteuern im Einzelfall durch Rechnung verzichtet wird. Die abziehbaren Vorsteuern werden im Geltungsbereich der Pauschalierung anhand anderer Merkmale - speziell anhand des Umsatzes - in pauschaler Höhe festgesetzt. Das geschieht einerseits durch die gesetzliche Vorsteuerpauschalierung im § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 und andererseits durch die durch den Bundesminister für Finanzen erlassenen Verordnungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 14 Tz 3).

2.8. Gegenstand des Beschwerdevorbringens ist im Sinne des § 262 Abs. 3 BAO ausschließlich die Frage, ob es nicht sachlich gerechtfertigt sei, jenen Unternehmern, die Einkünfte nach § 22 EStG 1998 oder § 23 EStG 1988 erzielen und ihre Einkünfte gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, auch bei Überschreiten der gemäß § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 festgelegten Umsatzgrenze von  220.000,00 Euro, die nach einem Durchschnittsatz ermittelten pauschalen Betriebsausgaben und die nach einem Durchschnittsatz ermittelten pauschalen Vorsteuern zuzuerkennen. Dahingehend würde die Regelungen des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen vor dem Gesetz widersprechen.

2.9. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.10. Der Gleichheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Sachlich gerechtfertigte Differenzierungen stehen mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht in Widerspruch.

2.11. Nach dem Vorbringen der Bf. wurde die Umsatzsteuer mit dem bekämpften Bescheid auf Grundlage der von ihr im elektronischen Wege bekanntgegebenen Bemessungsgrundlagen festgesetzt. Nachdem aus der Aktenlage hervorgeht, dass bereits seit mindestens dem Jahr 2010 jährlich eine Umsatzüberschreitung der Umsatzhöhe im Sinne des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vorgelegen hat, ist eine Gesetzwidrigkeit des Bescheides damit nicht zu erblicken. Wie die Verwaltungsbehörden haben auch die Gerichte die geltenden gesetzlichen Bestimmungen solange anzuwenden, als diese dem Rechtsbestand angehören.

2.12. Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Steuerreformgesetz 1993 (BGBl. 818/1993 vom ) soll mit den neu eingefügten Bestimmungen des § 17 Abs. 1 bis 3 EStG 1988 im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 die Möglichkeit eingeräumt werden, die Betriebsausgaben mit einem Durchschnittsatz von 12 % der im § 125 Abs. 1 lit. a BAO definierten Umsätze, die im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 3 Mio S betragen haben, zu ermitteln. In den erläuternden Bemerkungen dieser Regierungsvorlage zum § 14 Abs. 1 UStG 1994 wird darauf hingewiesen, dass es wie bei der Einkommensteuer hinsichtlich der Betriebsausgaben auch auf dem Gebiet der Umsatzsteuer Unternehmern die Möglichkeit geboten werden soll, einen Mindestbetrag an Vorsteuern pauschal zu ermitteln.
Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 (BGBl. I 118/2015) wird der Verweis im Abs. 1  auf die Z 1 des § 17 Abs. 2  EStG 1988 ausgedehnt. Die Vorsteuerpauschalierung ist, wenn Buchführungspflicht besteht oder freiwillig Bücher geführt werden ausgeschlossen. Die Materialien begründen sich damit, dass im Fall der Buchführung die notwendigen Aufzeichnungen für den Vorsteuerabzug nach allgemeinen Grundsätzen vorliegen und eine pauschale Ermittlung nicht notwendig sei.  

2.13. Pauschalierungen dienen der vereinfachten Ermittlung der Einkünfte. Nach der Rechtsprechung des VfGH verstößt eine Pauschalierung von Werbungskosten durch den Gesetzgeber an sich nicht gegen das Gleichheitsgebot. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Arten von Werbungskosten Pauschalbeträge vorsieht, die ohne besonderen Nachweis der tatsächlich getätigten Aufwendungen absetzbar sind, so dient dies der Vermeidung eines unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwandes und findet darin eine sachliche Rechtfertigung (vgl. zB ).

Der Verfassungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen und so eine am Ziel der Verwaltungsökonomie orientierte Gesetzesvollziehung zu ermöglichen.

2.14. Die seitens der Bf. vorgetragenen Argumente, wonach die Voraussetzung des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen vor dem Gesetz widerspreche, überzeugen nicht. Wenn die Bf. ausführt, es entspreche den Erfahrungen der Praxis und den logischen Denkgesetzen, dass bei Steuerpflichtigen der gleichen Branche, die höhere Umsätze erwirtschaften auch höhere Betriebsausgaben anfielen, trifft genau diese Aussage auf den Betrieb gewerblicher Art der Bf. nicht zu, wenn bei einem Umsatz von € 409.198,88 Vorsteuern im Betrag von € 648,20 geltend gemacht und bei Erträgen von 396.162,41 € Betriebsausgaben in Höhe von € 5.861,05 ausgewiesen werden.
Entgegen der Ansicht der Bf. soll nach den Erläuterungen (59 BlgNR 22. GP, 268) ein überhöhter Betriebsausgabenabzug - verglichen mit den tatsächlichen Verhältnissen - verhindert werden, weil erfahrungsgemäß bei umsatzstarken Betrieben der Zuwachs der Betriebsausgaben nicht linear mit dem Umsatz steigt, weshalb der Gesetzgeber mit BGBl. I Nr. 71/2003 eine Höchstgrenze des Pauschales im § 17 Abs. 1 EStG 1988 mit 6 % bzw. 12 % von 220.000 EUR normierte (vgl. ).
Andernfalls haben Steuerpflichtige das Recht, mit Übersteigen der Umsatzgrenze des § 17 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die tatsächlichen Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 und bei nicht Zutreffen der Vereinfachungsregelung des § 14 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 die tatsächlichen Vorsteuern gemäß § 12 UStG 1994 geltend zu machen.  

2.15. Das Bundesfinanzgericht hegt keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Normen und sieht daher keine Veranlassung für eine Antragstellung eines Normprüfungsverfahrens durch den VfGH nach Art 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG.
Die Beschwerde war daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dass ein Betrieb gewerblicher Art neben der Körperschaft öffentlichen Rechts ein fiktives selbständiges Steuersubjekt darstellt, findet Deckung in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Punkt II. 2.).
Zum andern wurden in der Bescheidbeschwerde ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht, deren Beurteilung in die Zuständigkeit des VfGH fällt, weshalb eine Revision an den VwGH nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

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