Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.10.2019, RV/1100391/2019

Familienbeihilfenanspruch eines subsidiär Schutzberechtigten, der Arbeitslosengeld bezieht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom hinsichtlich Rückforderung zu Unrecht bezogener Beiträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ABCuD

für den Zeitraum Juli 2014 bis Dezember 2014

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen:

Der Beschwerdeführer wandte sich mit Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für seine vier Kinder zurückgefordert worden waren.

Als Begründung verwies er auf die Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates. Mit einem späteren Schreiben ergänzte er seine Beschwerde und führte aus, er halte sich seit 2004 in Österreich auf und habe, wie seine Kinder, den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß Asylgesetz 2005. Leider sei er derzeit arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld. Er sei jedoch arbeitsuchend und arbeitswillig, weder er, noch seine Kinder erhielten eine Leistung aus der Grundversorgung.

Er erfülle daher die Voraussetzungen des § 3 FLAG 1967. Er verwies auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100602/2012, und halte fest, dass subsidiär Schutzberechtigte mit Einkünften und ohne Leistung aus der Grundversorgung Anspruch auf Familienbeihilfe hätten.

Da auch ein Österreicher, ein EU-Bürger oder ein Drittstaatsangehöriger, der Arbeitslosengeld beziehe, Anspruch auf Familienbeihilfe habe, frage er sich, warum sein Arbeitslosengeld nicht als Einkommen gesehen werde. Er beantrage eine Gleichstellung und die Aufhebung des Rückforderungsbescheides.

Für den Fall, dass seiner Beschwerde nicht stattgegeben werde, ersuche er höflich um die Möglichkeit einer Rückzahlung in Raten.

Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der seitens der Abgabenbehörde erläutert wurde:

§ 13 Abs. 4 FLAG1967 normiere, dass Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe hätten, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielten und unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig seien. Anspruch bestünde auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt worden wäre.

Es müsse eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen. Der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erfülle nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung. Die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Er ersuchte ein weiteres Mal, die Richtlinie 2011/95/EU zur Anwendung zu bringen und seiner Beschwerde stattzugeben.

II. Sachverhalt:

  • Der Beschwerdeführer, seine Frau und seine Kinder, die alle Staatsbürger der A sind, hatten im Streitzeitraum den Status subsidiär Schutzberechtigter mit einer aufrechten, befristeten Aufenthaltsberechtigung bis .

  • Die vier Kinder des Beschwerdeführers waren im Streitzeitraum minderjährig.

  • Seine drei Söhne besuchten im Schuljahr 2014/15 österreichische Schulen.

  • Seine Tochter war ein Kleinkind.

  • Der Beschwerdeführer bezog von bis zum Ende des Jahres 2014 Arbeitslosengeld.

  • Er erhielt zu seinem Tagsatz 5 Familienzuschläge.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt.

III. Gesetzliche Grundlagen:

Die für den Streitfall zentrale Norm ist § 3 Abs. 4 FLAG 1967, wonach, abweichend von Abs. 1, Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe haben, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Falle zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge anzuwenden.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Arbeitslohn liegt dann vor, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (Doralt, EStG12, § 25 Tz 12).

IV. Rechtliche Würdigung:

Strittig ist: Erfüllte der Beschwerdeführer im Streitzeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe iSd § 3 Abs. 4 FLAG 1967?

Das Bundesfinanzgericht stellt - ohne dass dies gegenständlich von streitfallentscheidender Relevanz wäre - klar, dass gemäß § 2a FLAG 1967, wenn ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Ausspruch des anderen Elternteiles vorgeht. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Im Streitfall hat der Beschwerdeführer gemäß Bezugsbestätigung des AMS 5 Familienzuschläge zu seinem Tagsatz an Arbeitslosengeld erhalten, d.h., je einen Zuschlag für seine vier Kinder und seine Ehefrau. Es ist daher davon auszugehen, dass seine Ehefrau kein über die in § 20 Abs. 3 AlVG 1977 umschriebene Geringfügigkeitsgrenze hinausgehendes Einkommen bezogen hat. Im Weiteren ist davon auszugehen, dass sie als Mutter von vier Kindern, von denen eines im Streitzeitraum ein Kleinkind war, jener Elternteil war, der den Haushalt überwiegend geführt hat.

Gemäß § 2a FLAG 1967 wäre daher, zumal sich auch eine Verzichtserklärung der Gattin iSd § 2a Abs. 2 FLAG 1967 nicht im dem Finanzgericht vorliegenden Material findet - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 - grundsätzlich die Gattin des Beschwerdeführers familienbeihilfenanspruchsberechtigt gewesen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der prinzipiellen Auslegung des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 ist auszuführen:

Auch der Beschwerdeführer selbst bestreitet nicht, dass er im streitentscheidenden Zeitraum arbeitslos war und Arbeitslosengeld bezog. Obwohl er keine Leistung aus der Grundversorgung erhielt sowie nach eigenem Vorbringen arbeitsuchend und arbeitswillig war, erfüllt er damit nicht die im Gesetzestext (§ 3 Abs. 4 FLAG 1967) klar definierten Anspruchsvoraussetzungen für einen Familienbeihilfenanspruch.

Das Fehlen einer Erwerbstätigkeit steht bei subsidiär Schutzberechtigte nach § 3 Abs. 4 FLAG 1967 einem Familienbeihilfenanspruch entgegen (vgl. ).

Soweit er sich zur Stützung seines Beschwerdevorbringens auf das Erkenntnis des beruft, ist ihm zu entgegnen, dass darin über einen nicht gleichgelagerten Sachverhalt abgesprochen wurde. Die Beschwerdeführerin in dem zitierten Erkenntnis war nämlich eine subsidiär Schutzberechtigte, die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielte (und keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielt). Sie erfüllte damit die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967.

Unter Arbeitslohn (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) versteht man eine Leistung des Arbeitgebers, die eine unmittelbare Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeistkraft des Arbeitnehmers darstellt (siehe oben, Doralt aaO). Der Arbeitslohn ist dem Arbeitslosengeld, das gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AlVG 1977 eine Geldleistung aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherung ist, nicht gleichzuhalten (vgl.  mit Hinweisen auf die Fachliteratur).

Die Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom („Statusrichtlinie“), auf die der Beschwerdeführer zur Stützung seines Begehrens mehrfach hingewiesen hat, sieht neben der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten die „notwendige Sozialhilfe“ als staatliche Leistung vor, die Flüchtlingen im selben Umfang wie eigenen Staatsangehörigen des jeweiligen Mitgliedstaats, subsidiär Schutzberechtigten nur hinsichtlich der Kernleistungen zusteht.

Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Flüchtlingen und/oder subsidiär Schutzberechtigten Zugang zu Familienleistungen des jeweiligen Mitgliedstaats zu gewähren, sieht die Statusrichtlinie hingegen nicht vor (vgl. nochmals ).

Familienleistungen sind von Leistungen der Sozialhilfe zu unterscheiden. Sie stehen nach österreichischem Recht unabhängig von der finanziellen Bedürftigkeit zu. Sie sind daher weder Sozialleistungen noch Leistungen, die auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

Die Richtlinie 2011/95/EU trägt also nicht zur Stützung des Beschwerdebegehren bei.

Soweit der Beschwerdeführer eine Gleichstellung mit "Österreichern, EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen" postuliert, ist ihm zu entgegnen:

Es kann aus dem Gleichheitssatz gemäß Art. 2 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger nicht abgeleitet werden, dass allen Fremden, d. h. allen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, schlechthin unter denselben Voraussetzungen wie Unionsbürgern Familienbeihilfe zu leisten ist bzw. dass allen Fremden, unabhängig davon, aus welchem Grund und auf welcher Rechtsgrundlage sie sich in Österreich aufhalten, zu denselben Voraussetzungen unterschiedslos Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat etwa in seinem , betreffend Versagung der Familienbeihilfe für Asylwerber während des Asylverfahrens, die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Familienbeihilfe von einer qualifizierten Nahebeziehung zum Inland abhängig machen darf …, dass es daher unbedenklich erscheint, wenn der Gesetzgeber diesen Anspruch einer Personengruppe vorenthält, der eine Aufenthaltsberechtigung nach Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz nicht zukommt …

In Zusammenschau von gesetzlichen Grundlagen und höchstgerichtlicher Judikatur überschreitet der Gesetzgeber daher nicht den ihm bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen zukommenden großen Gestaltungsspielraum, wenn er bei subsidiär Schutzberechtigten die Auszahlung von Familienbeihilfe an eine selbstständige oder nicht selbstständige Erwerbstätigkeit knüpft (vgl. ein weiteres Mal ).

Dem Beschwerdebegehren konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht bei zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträgen). Subjektive Momente wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist ausschließlich, dass der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.

Soweit der Beschwerdeführer für den Fall einer Nicht-Stattgabe um eine Rückzahlungsmöglichkeit in Form von Raten ersucht hat, obliegt eine Entscheidung darüber nicht dem Gericht, sondern der Abgabenbehörde.

Es war insgesamt wie im Spruch zu entscheiden.

V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Recht.sprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der in Streit stehenden Rechtsfrage lässt sich nicht nur klar aus dem Gesetz ableiten, sondern findet auch Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at