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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.09.2019, RV/7103627/2010

Abstandnahme von der Festsetzung iZm Überlassung des Nachlasses an Zahlung statt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach Beschwerdeführer, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer des Jahres 2001 zu Recht: 

I. Von der Festsetzung der Einkommensteuer 2001 (bisher bemessen mit EUR 100.358,35) wird gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO Abstand genommen.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr Pensionseinkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit sowie negative Einkünfte aus einer selbstständigen Bauträgertätigkeit, die er als Einnahmen-Ausgabenrechner gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelte. Im Beschwerdefall strittig ist nunmehr, ob ein im Wege einer Grundstücksveräußerung übertragenes Wassernutzungsrecht dem Betriebsvermögen angehört habe und als selbstständiges Wirtschaftsgut zu versteuern gewesen sei.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2001 gemäß § 200 BAO vorläufig erklärungsgemäß mit EUR -3.981,31 fest. Im Jahr 2005 erfolgte eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO betreffend die Einkommen- und Umsatzsteuer der Jahre 2001 bis 2003. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wurde festgestellt, dass sowohl die Liegenschaft als auch das Wassernutzungsrecht Betriebsvermögen gewesen sei und der Verkauf des Wasserrechts einen steuerpflichtigen Vorgang darstelle. Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde mit Verweis auf die Niederschrift zur Schlussbesprechung bzw den Prüfbericht die Einkommensteuer für das Jahr 2001 endgültig mit EUR 100.358,35 fest, woraus sich eine Abgabennachforderung von EUR 104.339,66 ergab.

Dagegen richtete sich die vormalige Berufung (nunmehr Beschwerde) vom , in welcher der Beschwerdeführer zudem die Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer gemäß § 212a BAO beantragte. Die belangte Behörde gab diesem Antrag statt.

Die Beschwerde wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (vormals Berufungsvorentscheidung) am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die Verwaltungsakten zum beschwerdegegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde an. Im Zuge der Aktenvorlage am teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit, dass der Beschwerdeführer am verstorben sei und übermittelte in diesem Zusammenhang den Beschluss des Gerichtes hinsichtlich der Überlassung des Nachlasses an Zahlung statt gemäß § 154 AußStrG.

Mit E-Mail vom teilte die steuerliche Vertretung der Verlassenschaft mit, dass die Verlassenschaft überschuldet gewesen sei, keine unbedingte Erbserklärung abgegeben worden sei und auch kein Antrag auf Überlassung der Verlassenschaft gestellt worden sei und übermittelte dem Bundesfinanzgericht entsprechende Unterlagen.

Mit Telefax vom zog die steuerliche Vertretung der Verlassenschaft den in der Beschwerde vom gestellten Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nach § 274 BAO sowie die beantragte Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 Abs. 2 BAO zurück.

Mit Beschluss vom stellte das Bundesfinanzgericht den Verfahrensparteien die Rechtlage des § 206 Abs. 1 lit b BAO hinsichtlich der Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben zur Voraussetzung bei nicht durchsetzbaren Abgabeansprüchen dar und forderte die Verfahrenspartei dahingehend zur Stellungnahme auf.

In der Stellungnahme vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit, dass nach Rücksprache mit dem Team Abgabensicherung ihrerseits keine Bedenken bestünden, gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO von der Festsetzung der streitgegenständlichen Abgaben Abstand zu nehmen.

In der Stellungnahme vom  bestätigte die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Partei, dass der Nachlass des verstorbenen Beschwerdeführers überschuldet gewesen sei und aufgrund der Überlassung des Nachlasses an Zahlung statt  keine Inventarisierung des Nachlasses erfolgt sei. Die steuerliche Vertretung regte daher eine amtswegige Löschung des Abgabenrückstandes gemäß § 235 BAO seitens der Abgabenbehörde an.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I (Einstellung)

1. Feststellungen

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2001 endgültig mit EUR 100.358,35 fest, woraus sich eine Abgabennachforderung von EUR 104.339,66 ergab. Dem in der Beschwerde vom gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuer für das Jahr 2001 iHv EUR 104.339,66 sowie Anspruchzinsen iHv EUR 11.607,81; somit insgesamt EUR 115.947,47 gemäß § 212a BAO gab die belangte Behörde statt. Der Ablauf der Aussetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2001 wurde bisher nicht verfügt wurde; dieser Betrag ist somit im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Bundesfinanzgericht noch ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer verstarb am . Mit Beschluss des Gerichtes wurde der Nachlass des verstorbenen Beschwerdeführers (iHv EUR 181,50) seiner Witwe auf Abschlag ihrer Forderungen für von ihr bezahlte Begräbniskosten (iHv EUR 4.473,72) sowie dem Gerichtskommissär für dessen Gebühr (iHv EUR 24,00) gemäß § 154 AußStrG an Zahlung statt überlassen. Es lag somit eine überschuldete Verlassenschaft vor.

Bei stattgebender Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ergibt sich kein Aktivvermögen in Form eines abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruches des Beschwerdeführers. Dritte, die für die Geltendmachung eines Haftungsanspruches herangezogen werden können, gibt es nach den Verwaltungsakten nicht. Der Abgabenanspruch ist uneinbringlich (Vorhaltbeantwortung vom 4. und ).

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vergelegten Verwaltungsakt.

Vor diesem Hintergrund nahm das Bundesfinanzgericht den obig festgestellten Sachverhalt gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen an.

3. Rechtliche Beurteilung

Der ruhende Nachlass ist eine anerkannte juristische Person. Das österreichische Recht ordnet den Erbschaftserwerb erst mit der Einantwortung an, nur aus dem verfahrensrechtlich erforderlichen Zeitraum zwischen Todesfall und Einantwortung folgt seine rechtliche Existenz (vgl Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Ein Fall von Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) im zivilrechtlichen Sinn, in dem § 19 Abs. 1 BAO anzuwenden ist, ist beispielsweise die Erbfolge nach §§ 547 und 797 ABGB.

Nach § 154 AußStrG hat das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Wird die Verlassenschaft armutshalber abgetan (§ 153 AußStrG) oder wird das Nachlassvermögen an Zahlungs Statt überlassen (§ 154 AußStrG), erfolgt jedoch keine Einantwortung und es kommt daher zu keiner Gesamtrechtsnachfolge (vgl Ritz, BAO6, § 19 Tz 13, mwN).

Aufgrund der vorgenommenen Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO wurde die streitgegenständliche Abgabennachforderung bisher nicht entrichtet, sodass sich bei stattgebender Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes kein Aktivvermögen in Form eines abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruches des Beschwerdeführers ergeben würde (vgl etwa , mwN). In Anbetracht der mit Beschluss des Gerichtes gerichtlich festgestellten Überschuldung des Nachlasses würde bei stattgebender Entscheidung und gänzlichem Wegfall der strittigen Abgabennachforderungen somit eine Überschuldung des Nachlasses bestehen bleiben, sodass bei Stattgabe der Beschwerde auch keine Nachtragsverhandlung durchzuführen wäre.

Nach § 206 Abs. 1 lit b BAO kann die Abgabenbehörde von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen, soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird. Abstandnahmen von der Abgabenfestsetzung nach § 206 BAO können nicht nur von Abgabenbehörden, sondern auch von Verwaltungsgerichten getroffen werden (vgl Fischerlehner, Abgabenverfahren² (2016), § 206 Tz 1 sowie Ritz, BAO6, § 279, Tz 14).

Maßnahmen gemäß § 206 BAO verdrängen die aus § 114 Abs. 1 BAO ableitbare grundsätzliche Verpflichtung der Abgabenbehörde bzw des Bundesfinanzgerichtes gemäß § 114 Abs. 1 BAO iVm § 269 Abs. 1 BAO, hinsichtlich aller in abgabenpflichtigen Fällen entstandener Abgabenansprüche jedenfalls entsprechende Abgabenfestsetzungen vorzunehmen. Maßnahmen gemäß § 206 BAO erfolgen stets von Amts wegen ().

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass eine Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben zur Voraussetzung hat, dass die Abgabenbehörde Erhebungen durchgeführt hat und dass diese eindeutig ergeben, dass die Abgaben uneinbringlich sind, wobei die Uneinbringlichkeit nicht nur beim Abgabenschuldner selbst, sondern auch bei allenfalls als Mitschuldner oder Haftende in Betracht kommenden Personen gegeben sein muss (vgl ).

Da im Beschwerdefall eine überschuldete Verlassenschaft vorlag und somit lediglich antragsgemäß die Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt gemäß § 154 AußStrG erfolgte, kommt es mangels Verlassenschaftsabhandlung zu keiner Gesamtrechtsnachfolge nach § 19 BAO. Für die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Haftungspflichtigen ergeben sich nach den Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Weder die Stellungnahme der belangten Behörde vom noch jene der beschwerdeführenden Partei vom haben Zweifel an der Uneinbringlichkeit des Abgabenanspruches aufkommen lassen, sodass das Bundesfinanzgericht von der Uneinbringlichkeit des streitgegenständlichen Abgabenanspruches ausgeht.

Die Maßnahme nach § 206 BAO liegt im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde bzw des Bundesfinanzgerichtes. Entscheidungen, die nach dem Ermessen zu treffen sind, müssen sich nach § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Angesichts der Unwahrscheinlichkeit der Einbringlichkeit der Abgabenschuld, war es nach dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geboten, mit der Abstandnahme von der Festsetzung vorzugehen, weil die Leistung weiteren Verwaltungsaufwandes nicht mehr verhältnismäßig erscheint. Der Abgabenanspruch wird als solches nicht beseitigt, es wird nur wegen Uneinbringlichkeit auf seine Durchsetzung verzichtet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass bei von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand genommen werden kann, soweit im Einzelfall auf Grund der zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch gegenüber dem Abgabenschuldner nicht durchsetzbar sein wird, ergibt sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 206 Abs. 1 lit b BAO . Zudem weicht die Entscheidung nicht von der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl des ) ab. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 206 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
§ 206 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103627.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at