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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.09.2019, VH/6100009/2019

Abweisung Verfahrenshilfe - keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV über den Antrag der A, abc, vertreten durch RA, Rechtsanwalt, xyz, auf Gewährung der Verfahrenshilfe vom  für das Beschwerdeverfahren betreffend den Bescheid über die Rückforderung von für das Kind S zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum September 2018 bis Februar 2019 vom  beschlossen:

Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt erließ am einen Bescheid über die Rückforderung von - für den am 04/98 geborenen Sohn S bezogene - Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Monate 09/2018 bis 02/2019 mit folgender Begründung:

Da trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht worden seien und dadurch der Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nicht nachgekommen worden sei, müsse angenommen werden, dass im obengenannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe bzw. bestehe. Laut Ersuchen um Auskunft sei ein Nachweis über die Teilnahme am Kurs angefordert worden. Laut eigenen Angaben sei die Anwesenheitspflicht nicht erfüllt worden. Daher könne nicht von einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung ausgegangen werden.

Diesem Bescheid ging ein Ersuchen um Auskunft vom voraus, in welchem ersucht wurde, Nachweise über vom Sohn abgelegte Prüfungen oder Nachweise über die Teilnahme des Sohnes am Kurs vorzulegen. Zugleich wies das Finanzamt darauf hin, dass bei Nichteinreichung von Unterlagen die Familienbeihilfe rückgefordert werde.

Im Schriftsatz vom teilte die nunmehrige Antragstellerin mit, dass ihr Sohn sich im September für das BFI (Berufsreifeprüfung/Matura) angemeldet habe. Er habe diesen Kurs bis Februar besucht und dann abgebrochen. Bis dorthin habe es keine Prüfungen gegeben. Der Grund für den Abbruch sei gewesen, dass er gesundheitliche Probleme gehabt habe und dadurch die Anwesenheitspflicht nicht erfüllen habe können. Er habe sich zeitig beim Finanzamt angemeldet und ab arbeiten begonnen, da er das BFI abzahlen müsse. Ab September werde er die Schule wieder besuchen und abschließen (eine Bestätigung werde nachgereicht).

Gegen den Rückforderungsbescheid vom  erhob die Antragstellerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und stellte in Verbindung mit dieser Beschwerde einen Antrag auf Verfahrenshilfe. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt:

Fakt sei, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht vollumfänglich nachgekommen sei. Fakt sei weiters, dass die Antragstellerin und ihr Kind im Streitzeitraum alles daran gesetzt habe, dass die Ausbildung beim BFI absolviert werde. Es könne nicht die Rede davon sei, dass der Sohn die Ausbildung nicht zielstrebig und ernsthaft zu absolvieren beabsichtigt habe, er sei nur krankheitsbedingt  nicht in der Lage gewesen, die Prüfung in der erforderlichen Form abzulegen. Für die Zielstrebigkeit des Sohnes spreche weiters, dass er entweder September 2019 oder Februar 2020 die Ausbildung beim BFI wieder fortsetzen wolle. Für September habe sich der Sohn schon angemeldet.

Das Finanzamt legte den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Verfahrenshilfe samt den Vorhalt des Finanzamtes vom , der Vorhaltsbeantwortung vom und dem Rückforderungsbescheid  vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass keine Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde.

Dazu wird erwogen:

Auf Antrag einer Partei (§ 78) ist gemäß § 292 Abs. 1 BAO, wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,

1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und

2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Aus der Bestimmung des § 292 BAO folgt, dass die Verfahrenshilfe nicht immer gewährt werden muss. Vielmehr hat das zuständige Verwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen. (Vgl. Rzeszut/Schury in SWK 2017, S 89).

§ 292 Abs. 1 BAO nennt zunächst als Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenshilfe, dass die im Beschwerdeverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen  "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen müssen.

Nach den Erläuterungen zur RV 1352 BlgNr 25. GP geht die Wortfolge "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" auf  § 282 Abs. 1 BAO idF vor BGBl I 14/2013 (Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012) zurück und soll sicherstellen, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen gewährt werden soll. 

"Besondere" Schwierigkeiten liegen dann vor, wenn die Bearbeitung eines Rechtstreites Anforderungen stellt, die weit über das übliche Maß hinausgehen. Die Schwierigkeiten müssen erheblich über dem durchschnittlichen Grad liegen. Der Streitwert ist nicht maßgebend, ebensowenig der bei der Sachaufklärung zu leistende Umfang der Arbeit. Besondere Schwierigkeiten liegen ua vor, wenn die Lösung ausgefallener oder komplizierter Rechtsfragen ansteht, die in Rechtsprechung und Schrifttum wenig oder widersprüchlich erörtert sind. (Vgl. Ritz, BAO4, § 282 Rz 8).

Die Bewilligung von Verfahrenshilfe in Abgaben- und Beihilfenverfahren erfordert demnach, dass die Beigebung eines Verfahrenshelfers auf Grund der Komplexität der strittigen Rechtsfragen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Partei notwendig ist, weil es der unvertretenen Partei ansonsten - insbesondere mangels Vorliegen einschlägiger, zumal höchstgerichtlicher Judikatur - nicht zumutbar ist, ihren Rechtsstandpunkt schriftlich oder mündlich zu artikulieren. (Vgl. Unger, taxlex 2017, 161 f, , )

Im gegenständlichen Fall besteht zu der sich aus dem - dem Verfahrenshilfeantrag zu Grunde liegenden - Beschwerdeverfahren ergebende Rechtsfrage eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:

Die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, genauso wie Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt hingegen der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs 1 lit. b FLAG 1967 nicht bestehen, weil die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist. (Vgl. , ).

Es liegt somit eine durch das Höchstgericht einheitlich beantwortete Rechtsfrage vor. Von einer besonderen Komplexität der Rechtslage kann nicht die Rede sein. 

Erwähnt sei auch, dass es zum Begriff der Berufsausbildung bzw zur Frage, wann und wie lange von einer Berufsausbildung zu sprechen ist, eine einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gibt.

Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art sind im gegenständlichen Fall daher zu verneinen.

Soweit Feststellungen angefochten sind, die auf der Sachverhaltsebene zu lösen sind, kann nicht von den im Gesetz geforderten besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art ausgegangen werden, für deren Beurteilung ein rechtskundiger Vertreter notwendig wäre. (Vgl. ).

Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass neben der Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen nach § 115 Abs. 1 BAO auch eine amtswegige Ermittlungspflicht besteht. Das Finanzamt trifft also in Wechselwirkung mit der Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht des Abgabepflichten eine gesetzlich verankerte Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts.

Am Rande hingewiesen wird auch auf die Rechtsbelehrungspflicht des Finanzamtes gemäß § 113 BAO in Verfahrensangelegenheiten.

Da die im gegenständlichen Fall zu entscheidenden Rechtsfragen keine besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art im Sinne des § 292 Abs. 1 BAO aufweisen, sind die weiteren, gemäß § 292 Abs. 1 Z. 1 und 2 BAO für die Gewährung der Verfahrenshilfe erforderlichen Kriterien (Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts, Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos) nicht gesondert zu prüfen.

Mangels Vorliegen von besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art ist spruchgemäß zu entscheiden.

Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe eindeutig aus dem Gesetz, sodass keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

 

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:VH.6100009.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at