Nachsicht von Nebenansprüchen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia Mauthner in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Allgäuer & Partner, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Schlossgraben 10, 6800 Feldkirch, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom über die Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 21.229,64 € nachgesehen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schriftsatz vom beantragte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (im Folgenden abgekürzt Bf.) den aktuell auf dem Abgabenkonto des Bf. aushaftenden Rückstand in Höhe von 21.229,64 €, der sich praktisch zur Gänze aus Aussetzungszinsen zusammensetze, gemäß § 236 BAO wegen Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit nachzusehen. Begründend wurde ausgeführt, der Bf. habe in X eine zur Vermietung bestimmte Immobilie errichtet und die damit zusammenhängenden Vorsteuern geltend gemacht. In weiterer Folge habe der Bf. entsprechend der Qualifikation als umsatzsteuerrechtlich relevante Einkunftsquelle die laufenden Mieten der Umsatzsteuer unterworfen und diese auch erklärt. Mit Erkenntnis vom , RV/1100195/2013, habe das BFG der Vermietungsaktivität die umsatzsteuerrechtliche Anerkennung versagt. Damit sei rechtskräftig festgestellt, dass eine unternehmerische Tätigkeit nicht vorgelegen habe. Damit zusammenhängend stehe weder ein Vorsteuerabzug zu, noch würden irgendwelche Umsatzsteuern geschuldet, namentlich auch nicht aufgrund einer Rechnungslegung.
Andere steuerrechtlich relevante Aktivitäten habe der Bf. in den in Frage kommenden Zeiträumen in Österreich nicht entfaltet. Sämtliche Buchungen auf dem Abgabenkonto des Bf. würden somit ausschließlich mit dieser schlussendlich steuerlich nicht anerkannten Vermittlungstätigkeit zusammenhängen.
Aus den Buchungen auf dem Abgabenkonto sei unmittelbar ersichtlich, dass an den Bf. nie auch nur ein Euro an Vorsteuerguthaben ausbezahlt worden sei. Ausgehend von der Qualifikation der Tätigkeit als unternehmerisch im Sinne des UStG seien die seinerzeitigen Aussetzungsanträge erforderlich gewesen, um die vom Finanzamt Feldkirch verweigerte Gutschrift der aus dem Bau resultierenden Vorsteuern zu kompensieren. Andernfalls hätten Umsatzsteuern abgeführt werden müssen, obwohl Vorsteuerguthaben in wesentlich größerer Höhe bestanden hätten.
Im Ergebnis habe der Bf. bereits dem Grunde nach keinen Finanzierungvorteil erzielt. Vielmehr seien ihm große Vorsteuerbeträge schließlich rechtskräftig nicht zuerkannt worden, die betraglich die bisher angefallenen Umsatzsteuern deutlich übersteigen würden.
Das BFG habe ausgesprochen, dass eine Abgabenschuld nie bestanden habe.
§ 212a Abs. 9 BAO normiere die Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen nur bei Bestand von Steuerschuldigkeiten. Solche hätten von BFG rechtskräftig festgestellt nie bestanden. Abgabenschuldigkeiten seien Ausfluss des Abgabenrechtsverhältnisses, das generell in ein Abgabenpflichtverhältnis und ein Abgabenschuldverhältnis unterteilt werde (vgl. Ritz, BAO6, § 4 Tz 1). Dem Begriff der Abgabenschuldigkeit bzw. der Abgabenschuld stehe der Abgabenanspruch auf Seiten des Ärars gegenüber. Der Abgabenanspruch sei aber vom Abgabenzahlungsanspruch zu unterscheiden (Ritz, BAO6, § 4 Tz 3). Genau dieses Unterscheidungserfordernis verkenne das BFG und knüpfe formal an während des Betrachtungszeitraumes bestandene Abgabenzahlungsansprüche an. Dass § 212a Abs. 9 BAO im Grundtatbestand das Vorliegen einer Abgabenschuldigkeit verlange, bleibe unberücksichtigt.
Im Ergebnis würden somit rechtskräftig festgesetzte Aussetzungszinsen verbleiben, obwohl nie ein Abgabenanspruch des Ärars bestanden habe und der Antragsteller keinerlei Finanzierungsvorteil erzielt habe. Dieses Ergebnis sei letztlich dem Periodenkonzept der Umsatzsteuer geschuldet. Dass das BFG das von ihm erzielte Ergebnis ausgerechnet auf eine teleologische Interpretation stütze, solle unkommentiert bleiben. Jedenfalls sei die Unbilligkeit der Anspruchszinsen evident, sollten diese doch ein Ausgleich dafür sein, dass sich ein Steuerpflichtiger durch die Bekämpfung von Abgaben einen Finanzierungsvorteil erwirke. Dementsprechend würden auch Anspruchszinsen insoweit nicht anfallen, als ein Steuerpflichtiger im Rechtsmittelverfahren obsiege.
Mit Bescheid vom wurde der gegenständliche Nachsichtsantrag unter Wiedergabe von § 236 Abs. 1 BAO und der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005, abgewiesen. Begründend wurde auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom sowie im Erkenntnis des , verwiesen, weshalb nicht vom Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit auszugehen sei. Somit bestünde auch kein Ermessensspielraum.
Mit Schriftsatz vom wurde bemängelt, dass sich die Begründung des Bescheides vom in der Wiedergabe von Gesetzes- bzw. Verordnungstexten erschöpfe, ohne eine konkrete Verknüpfung zwischen dem Sachverhalt und den Rechtsvorschriften herzustellen. Nachdem das Nachsichtsansuchen in Reaktion auf das Erkenntnis des , gestellt worden sei, trage ein Hinweis auf dieses Erkenntnis nichts zur Bescheidbegründung bei. Beantragt werde somit die Erlassung einer den Vorgaben des § 93 Abs. 3 lit. a BAO entsprechenden Begründung.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Erlassung einer den Vorgaben des § 93 Abs. 3 lit. a BAO entsprechenden Begründung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, im Erkenntnis des , sei zwar über die Rechtsmäßigkeit der Aussetzungszinsen abgesprochen worden; allerdings seien in diesem Erkenntnis auch sämtliche für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit relevanten Aspekte – Rechtmäßigkeit der Aussetzungszinsen, Intention des Gesetzgebers, Antragsgebundenheit der Aussetzung der Einhebung – dargestellt worden. Die Aussage „kann von einer sachlichen Unbilligkeit nicht ausgegangen werden“ unter Verweis auf das zitierte Erkenntnis des BFG werde daher für das Erfordernis einer schlüssigen Begründung als ausreichend erachtet.
Gegen den Bescheid vom wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben und die Aufhebung dieses Bescheides beantragt. Die Zulässigkeit der Bescheidbeschwerde wurde mit dem Vorbringen begründet, es handle sich beim angefochtenen Bescheid nicht um eine verfahrensleitende Verfügung im Sinne des § 94 BAO.
Zum Recht auf Bekanntgabe einer den Spruch des Bescheides vom zu tragenden geeigneten Begründung im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO wurde ausgeführt, die Aussage „kann von einer sachlichen Unbilligkeit nicht ausgegangen werden“ könne allenfalls das Begründungsergebnis sein, nicht jedoch die Begründung selber. Ziel des Antrages sei es, genau jene Sachverhaltselemente und Subsumtionen in Erfahrung zu bringen, die die Behörde zur Aussage „kann von einer sachlichen Unbilligkeit nicht ausgegangen werden“ führten. Der Hinweis auf das Erkenntnis des 14/2018, sei im gegenständlichen Zusammenhang nicht hilfreich, weil sich das BFG mit der Frage des Vorliegens einer Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO nicht auseinanderzusetzen gehabt habe und dies auch nicht getan habe.
Mit Schriftsatz vom wurde überdies gegen den das Nachsichtsansuchen abweisenden Bescheid vom Beschwerde erhoben. Beantragt wurde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass dem Begehren auf Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 21.229,64 € Folge gegeben werde. Sofern das BFG über die Beschwerde entscheide, werde zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat begehrt.
Hinsichtlich der Begründung werde auf die Ausführungen im Antrag auf Nachsicht vom verwiesen. Sofern seitens der Abgabenbehörde noch eine den Spruch des Bescheides vom zu tragende geeignete Begründung im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO erlassen werde, werde dazu gesondert Stellung genommen werden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Bekanntgabe einer Begründung stattgegeben und der betreffende Bescheid ersatzlos aufgehoben. Die Beschwerde gegen den das Nachsichtsansuchen abweisenden Bescheid vom wurde abgewiesen. Auf die bekannte Begründung dieser Entscheidung wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom wurde beantragt, die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachsicht unter Aufrechterhaltung des Beschwerdebegehrens sowie der verfahrensrechtlichen Anträge gemäß § 272 BAO und § 274 BAO dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom wurden für den Fall der Stattgabe der Beschwerde die Anträge gemäß § 272 BAO (Senatszuständigkeit) und § 274 BAO (mündliche Verhandlung) zurückgezogen.
II. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Mit Erkenntnis vom , RV/1100195/2013, kam das BFG zum Ergebnis, dass der Bf. in den Jahren 2008 bis 2011 im Inland nicht unternehmerisch tätig war und deshalb weder Umsätze iSd § 1 UStG 1994 bzw. iSd Art. 1 leg.cit. vorliegen noch die geltend gemachten Vorsteuern anzuerkennen sind. Für das Jahr 2011 wurde zudem eine ertragsteuerlich relevante Tätigkeit des Bf. im Inland verneint.
Im Rahmen des obigen Beschwerdeverfahrens wurden Anträge auf Aussetzung der Einhebung gestellt, denen mit Bescheiden vom und vom Folge gegeben wurde. Mit Bescheid vom wurden sodann Aussetzungszinsen in Höhe von 15.518,84 € festgesetzt und mit Bescheid vom solche in Höhe von 180,98 €.
Mit Erkenntnis vom , RV/1100014/2018, beurteilte das BFG die beanstandete Festsetzung von Aussetzungszinsen in Höhe von 180,98 € sowie von 15.518,84 € trotz unstrittigen Nichtbestands von Abgabenansprüchen als rechtmäßig.
Dem Bf. wurden - wie aus den Buchungen auf seinem Abgabenkonto ersichtlich ist - keine sich aus den gebuchten Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden Gutschriften ausbezahlt. Dennoch haftet auf dem Abgabenkonto des Bf. zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Rückstand in Höhe von 21.229,64 € aus, der sich wie folgt zusammensetzt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Umsatzsteuer 2010 | 3.045,15 € |
Aussetzungszinsen 2017 | 15.518,84 € |
Umsatzsteuer 04-06/2011 | 1.728,99 € |
Umsatzsteuer 07-09/2011 | 671,60 € |
Säumniszuschlag 2013 | 84,08 € |
Aussetzungszinsen 2017 | 180,98 € |
21.229,64 € |
III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
In Streit steht, ob die Einhebung des auf dem Abgabenkonto des Bf. trotz Nichtbestandes einer inländischen Steuerpflicht aushaftenden Rückstandes im Ausmaß von 21.229,64 € sachlich unbillig ist.
Ursache dafür, dass neben Aussetzungszinsen im Gesamtausmaß von 15.699,82 € weitere Abgaben in Höhe von ingesamt 5.529,82 € geschuldet werden (Umsatzsteuer für 2010, Umsatzsteuer für das zweite und dritte Quartal 2011 sowie ein Säumniszuschlag wegen nicht zeitgerechter Entrichtung von Umsatzsteuer für das dritte Quartal im Ausmaß von 4.204,24 €) ist zum einen § 214 Abs. 1 BAO. Nach dieser Norm sind grundsätzlich Zahlungen und sonstige Gutschriften zunächst auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten (bei gleicher Fälligkeit auf die früher verbuchten) Schuldigkeiten zu verrechnen.
Im Beschwerdefall bestanden temporär Abgabenerklärungspflichten, denen der Bf. nicht immer zeitgerecht nachgekommen ist, weshalb Verspätungszuschläge in Höhe von insgesamt 1.697,42 € festgesetzt wurden (nicht zeitgerechte Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen für sämtliche vier Quartale 2012 und das vierte Quartal 2013). Zudem hat der Bf. nicht hinsichtlich sämtlicher ebenfalls bloß vorübergehend bestandener Zahlungspflichten, welchen er nicht nachgekommen ist, Anträge auf Aussetzung der Einhebung gestellt. Dieser Umstand hatte die Festsetzung von Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 1.087,22 € zur Folge. Darüber hinaus wurden mit den unbeanstandet gebliebenen, rechtskräftigen Bescheiden vom und vom Aussetzungszinsen in Höhe von insgesamt 2.745,18 € festgesetzt.
Sämliche obig angeführten, auf dem Abgabenkonto des Bf. verbuchten Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Aussetzungszinsen im Gesamtausmaß von 5.529,82 € wurden mit ebenfalls auf diesem Konto verbuchten Gutschriften verrechnet und sind somit getilgt. Die betreffenden Gutschriften standen deshalb für die - neben den bereits Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens gewesenen aushaftenden Aussetzungszinsen im Gesamtausmaß von 15.699,62 € - ebenfalls aushaftenen, unter Pkt. II detailliert angeführten Abgaben in Höhe von ingesamt 5.529,82 € nicht mehr zur Verfügung.
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die in § 236 Abs 1 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein.
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (; und 0265; ; ). Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt, für deren Hintanhaltung der Gesetzgeber selbst hätte Vorsorge treffen müssen. Ist die Abgabeneinhebung im Einzelfall also nicht bloße Auswirkung oder Folge des ordnungsgemäßen Vollzuges genereller Abgabennormen, so kann dies Anlassfall für eine Abgabennachsicht auf Grund sachlicher Unbilligkeit sein.
Wie obig dargestellt wurde, ist der nachzusehende Rückstand im Ausmaß von 21.229,64 € letztlich lediglich Ausfluss von bloß temporär bestandenen Abgabenerklärungs- und Abgabenzahlungspflichten, die zur Entstehung von Nebenansprüchen (Verspätungszuschlägen, Säumniszuschlägen und Aussetzungszinsen) in Höhe des aushaftenden Rückstands führten. Wäre von vorneherein festgestanden, dass mangels eines Bestandes einer inländischen Steuerpflicht tatsächlich keine Erklärungspflichten zu erfüllen waren, wären keine Verspätungszuschlagsansprüche entstanden. Wären die Vorsteuergutschriften nicht zum Teil zeitverzögert verbucht worden und wären die Umsatzsteuern überdies von vorneherein mit 0,00 € festgesetzt worden, wären auch keine Säumniszuschlagsansprüche entstanden. So ist beispielsweise die gemeldete Vorsteuergutschrift für 12/2009 in Höhe von 15.287,46 € erst am verbucht worden, während die aus der Umsatzsteuerveranlagung 2009 resultierende Nachforderung an Umsatzsteuer in Höhe von 21.460,26 € (neben der nichtanerkannten Vorsteuer in Höhe von 15.287,46 € wurde Erwerbsteuer in Höhe von 6.172,80 € vorgeschrieben. Das BFG hat mit Erkenntnis vom , RV/1100195/2013, die Umsatzsteuer 2009 mit 0,00 € festgesetzt) bereits am fällig war.
Den entstandenen Aussetzungszinsenansprüchen liegen zwar Aussetzungsanträge zugrunde, sodass grundsätzlich nicht davon gesprochen werden kann, dass der Geschehensablauf nicht vom Bf. beeinflussbar war. Wären die Aussetzungsanträge nicht gestellt worden, wären aber, sofern zu diesen Zeitpunkten hinsichtlich des auszusetzenden Betrages Abgabenzahlungspflichten bestanden, Säumniszuschläge zu entrichten gewesen. Der Bf. hätte daher die Entstehung von Nebenansprüchen letztendlich nicht vermeiden können, obwohl sich nachträglich herausgestellt hat, dass mit Ausnahme der Nebenansprüche keine Abgabenansprüche bestanden und somit de facto auch kein Zahlungsaufschub bewirkt worden sein kann.
Nach Auffassung des BFG kann die Rechtsfolge, dass Nebenansprüche in beträchtlicher Höhe anfallen, obwohl die diesen Nebenansprüchen zugrunde liegenden Abgabenansprüche als nicht bestehend beurteilt wurden, vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Die Einhebung des auf dem Abgabenkonto des Bf. aushaftenden Rückstandes im Ausmaß von 21.229,64 € wird daher als sachlich unbillig gewertet.
Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 236 BAO steht die Bewilliung einer Nachsicht im Ermessen. Die Ermessensentscheidung ist innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bf. beizumessen, ihm die einzuhebenden Abgaben zur Gänze bzw. teilweise nachzusehen. Unter dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" ist das "öffentliche Interesse an der Einhebung der Abgaben" zu verstehen.
Gründe, die gegen eine Ermessungsentscheidung zugunsten des Bf. sprechen, sind aus den Akten nicht ersichtlich. Das BFG räumt deshalb dem Parteiinteresse Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer Einhebung der nachzusehenden Abgabenschuldigkeiten ein.
IV. Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Beurteilung, ob die Einhebung des auf dem Abgabenkonto des Bf. aushaftenden Rückstandes im Ausmaß von 21.229,64 € sachlich unbillig ist, folgt das BFG der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wurden daher nicht berührt, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.
Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100020.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at