Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.08.2019, RV/4100168/2017

Reverse-Charge-System bei inländischen Bauleistungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die Beschwerde der G GmbH (vormals  XY GmbH), Adr1, vertreten durch Mag. STB, Adr2, gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt, dieses vertreten durch Hofrat Mag. AmtsV, betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für 02/2015 vom bzw. nunmehr gemäß § 253 BAO gegen den Umsatzsteuer(jahres)bescheid 2015 vom gerichtet, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid erfährt keine Änderung.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde der Firmenwortlaut der "XY GmbH" in "G GmbH" geändert und der Firmensitz nach Ort3 verlegt. Diese Änderungen wurden mit Datum  in das Firmenbuch eingetragen. 

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin (Bf) abgeführten Umsatzsteuersonderprüfung stellte die Prüferin in ihrem Bericht vom nachstehendes fest:

"Mit Kaufvertrag vom hat die in Gründung befindliche I GmbH, vertreten durch F die Liegenschaft in der Str1 (EZ !** Grundbuch 2***) von der XY GmbH gekauft.

Diese Immobilie hat die XY GmbH mit Kaufvertrag vom vom Verlaß G* erworben.

Lt. vorliegendem Auftragsschreiben vom hat die I GmbH als Auftraggeber die Fa. XY GmbH mit dem Umbau und Neubau in der Str1 beauftragt.

Die Durchführung dieser Arbeiten erfolgte durch den Subunternehmer Bau1 Ges.m.b.H., K.

Die Bau1 Ges.m.b.H. hat ab März 2014 bis November 2014 insgesamt 9 Teilrechnungen über jeweils 68.000,- Euro ausgestellt. Für Zusatzleistungen hat die Bau1 im Jahr 2014 weitere 10 Rechnungen an die XY GmbH gelegt.

Sowohl die Teilrechnungen als auch die Rechnungen über die Zusatzleistungen wurden als Bauleistungen netto mit dem Hinweis auf Übergang der Steuerschuld gem. § 19 Abs. 1a UStG 1994 ausgestellt.

Am wurde eine Schlussrechnung ausgestellt über netto € 680.000,- + ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 136.000,-.

Am gleichen Tag wurden für alle bisher als Bauleistung ausgestellten Rechnungen Gutschriften ausgestellt, d.h. sowohl für alle Teilrechnungen als auch für die Rechnungen über Zusatzleistungen.

Für alle die an diesem Tag ausgestellten Gutschriften wurden ebenso am Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 1a wird bei Bauleistungen u.a. die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.

Die Fa. XY. als Empfänger der Leistungen von Bau1 Ges.m.b.H. ist von der I GmbH mit der Durchführung des Um- und Neubaues der Liegenschaft Str1 beauftragt worden und es waren daher die Leistungen der Bau1 Ges.m.b.H. als Bauleistungen mit Übergang der Steuerschuld gem. § 19 Abs. 1a UStG 1994 abzurechnen.

Die geltend gemachte Vorsteuer aus den mit Datum neu erstellten Rechnungen der Bau1 Ges.m.b.H. kann von der Fa. XY GmbH nicht als Vorsteuer abgezogen werden und wird im Gesamtausmaß von € 165.306,91 korrigiert.

UVA Feber 2015

steuerbarer Umsatz 20 % lt. UVA 19.050,58
Umsatzsteuer 3.810,12
Vorsteuer It. Bp 3.581,94
Zahllast 228,18
Gutschrift It. UVA -165.078,73
Mehrbetrag It. Bp. 165.306,91
[....]"

Das Finanzamt folgte der Rechtsauffassung der Außenprüfung und erließ mit Datum einen entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für 02/2015.  

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde vom führte die Bf aus, dass sich ihr Rechtsmittel gegen die Nichtanerkennung der aus den Rechnungen der Fa Bau1 GmbH geltend gemachten Vorsteuern (165.306,91 Euro) richte.

Der strittige Vorsteuerbetrag sei mit UVA 02/2015 am der Behörde gemeldet worden. Für die Beurteilung des Sachverhaltes seien vom Finanzamt ergänzende Unterlagen angefordert worden, welche allesamt fristgerecht zur Vorlage gebracht worden seien.

Auf Basis der vorgelegten Unterlagen sei in der Folge per die resultierende Gutschrift am Abgabenkonto und zwar mit Wirksamkeit vom verbucht worden.

Zur Vermeidung von möglichen Steuerausfällen sei am ein Antrag auf Übertragung der nämlichen Vorsteuergutschrift auf das Abgabenkonto der Fa Bau1 GmbH (St.Nr. 9****) gestellt worden, nachdem diese Modalität zwischen der Bf und der Fa Bau1 GmbH am schriftlich vereinbart worden sei.

Diese Überrechnung sei in der Folge von Seiten der Abgabenbehörde am durchgeführt worden.

Im Zuge einer am durchgeführten Außenprüfung für den Zeitraum 02/2015 bis 01/2016 sei der Vorsteuerabzug wiederum in Abrede gestellt worden; dies mit der Begründung, dass es sich bei den durchgeführten Leistungen um Bauleistungen handeln solle.

Für die Beurteilung des Sachverhaltes seien dieselben Unterlagen herangezogen worden, die bereits bei der Kontrolle der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung 02/2015 zur Vorlage gebracht worden seien.

Selbst unter der Annahme, dass die von Seiten der Fa Bau1 GmbH erbrachten Leistungen tatsächlich als Bauleistungen zu qualifizieren seien, würde die Bestimmung der Rz 2602c der UStR greifen.

Darin werde nämlich ausgeführt:

"Nehmen der Leistende und der Leistungsempfänger im Zweifelsfall an, dass eine Bauleistung nicht vorliegt, obwohl sich dies nachträglich als falsch erweist, bleibt es dabei, wenn es dadurch endgültig zu keinem Steuerausfall gekommen ist (zB die Umsatzsteuer für diese Leistung wurde an das Finanzamt abgeführt). Diesen Umstand hat der Unternehmer nachzuweisen".

Die genannte Vorschrift besagt, dass im gegenständlichen Fall der Vorsteuerabzug erhalten bleibe, zumal durch die Übertragung des Steuerbetrages innerhalb der Finanzverwaltung die Abgabe termingerecht entrichtet worden sei.

Der Beschwerdeschrift wurden nachstehende Beilagen angefügt:

a) Vereinbarung vom

In dieser zwischen der Bf und der Bau1 GmbH abgeschlossenen Übereinkunft hielten die Vertragsparteien wörtlich fest:

" [...] In Abänderung zum Werksvertrag vom wird festgehalten, dass die Abrechnung des vereinbarten Preises von 680.000 Euro nicht als Nettosumme, sondern als Bruttosumme der Firma XY. Immobilien in Rechnung gestellt, und der Werklohn nicht als Bauleistung abgerechnet wird.

Außerdem wird festgehalten, dass die Umsatzsteuer überrechnet wird.

Der neue vereinbarte Preis beträgt daher:

[...]"

b) Ablichtung des Umbuchungsantrages vom

Mit diesem Antrag beantragte die Bf die Übertragung eines Geldbetrages von € 165.306,90 auf das Abgabenkonto der Bau1 GmbH, St.Nr. 9****.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Im Begründungsteil dieses Bescheides führte die belangte Behörde wörtlich aus:

"Von März 2014 bis November 2014 wurden Bauleistungen des Subunternehmers an die BW erbracht und dafür richtigerweise - auf Basis des abgeschlossenen Werkvertrages - Rechnungen mit dem Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld gem. § 19 Abs 1a UStG 1994 ausgestellt. Nach Fertigstellung (auch der Zusatzleistungen) wurde mit eine Schlussrechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer ausgestellt und die bisher gestellten Bauleistungsrechnungen wurden am selben Tag gutgeschrieben.

Bei Bauleistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistung beauftragt ist (§ 19 (1a) erster Unterabsatz UStG 1994). Daraus ergibt sich, dass der Leistungsempfänger den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag nicht als Vorsteuer abziehen kann.

Der in der Beschwerde erstmalig vorgelegte Schriftsatz vom (Abänderung des Werkvertrages) kann nicht zu einem Vorsteuerabzug berechtigen, da die Beteiligten aufgrund der konkreten Gesetzeslage (zwingender Übergang der Steuerschuld) kein Wahlrecht hatten.

Eine allenfalls begünstigende Richtlinienbestimmung kann im konkreten Einzelfall nicht angewandt werden, da es keinen begründeten Zweifel über die Erbringung von Bauleistungen gab und darüber hinaus die dort genannten Voraussetzungen auch nicht erfüllt wurden."

In ihrem Vorlageantrag vom wiederholte die Bf ihre Beschwerdeausführungen und ergänzte, dass die rechtlichen Ausführungen in der Niederschrift vom fehlerhaft seien, zumal etwa im ersten Absatz der rechtlichen Würdigung auf "§ 1a" hingewiesen werde, ohne jedoch das zugrundeliegende Gesetz zu benennen.

Entscheidungswesentlich sei die Tatsache, dass bei Vorliegen derselben Unterlagen bzw. Informationen vom Finanzamt im März 2016 eine gänzlich diametrale Entscheidung getroffen worden sei als im April 2016, wiewohl die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse unverändert geblieben seien.

Somit habe das Finanzamt jedenfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Dieser gebiete, dass jeder, der am Rechtsleben teilnehme zu seinem Wort und Verhalten zu stehen habe und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen dürfe, was er früher vertreten habe und worauf andere vertraut hätten.

Wenn die Behörde der Umsatzsteuervoranmeldung 02/2015 folge und eine Gutschrift ausstelle, so sei anzunehmen, dass sich diese ausreichend mit der Sachlage auseinandergesetzt und die Gutschrift der Vorsteuerbeträge als richtig angesehen habe.

Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dürfe der Wechsel zu einer anderen Beurteilung nicht zu einer Doppelbesteuerung führen. Durch die Festsetzung bzw Nichtanerkennung der Vorsteuerbeträge im Rahmen der Ap sei zudem ein Vertrauensschaden erwachsen, welcher - hätte die Behörde bereits im April 2015 die nunmehr vertretene Rechtsansicht eingenommen - durch eine rechtzeitige Rechnungskorrektur vermeidbar gewesen wäre.

In der Beschwerdevorentscheidung vom sei von der Behörde die Ansicht vertreten worden, dass es keinen begründeten Zweifel in Bezug auf die Qualifikation der Arbeiten als Bauleistungen gäbe und somit der Vorsteuerabzug nicht zustünde. Eine begünstigende Richtlinienbestimmung könne ebenso nicht angewendet werden.

Nach Rz 2602 c der UStR sei allerdings entscheidungswesentlich, ob die beteiligten Unternehmer letztendlich Zweifel am Vorliegen einer Bauleistung hätten und somit eine allenfalls abweichende Vereinbarung (in diesem Fall als steuerpflichtige Leistung an einen Bauträger und nicht als Bauleistung an einen Unternehmer, der mit der Bauleistung beauftragt worden sei) treffen würden.

Die Intention des Gesetzgebers hinsichtlich dieser möglichen Vorgangsweise sei dahingehend zu interpretieren, dass eine abweichende Vereinbarung bzw. Fakturierung dann zulässig sei, wenn es letztendlich zu keinem Steuerausfall komme. Im Ergebnis sei es ohne Belang, ob eine Bauleistung fakturiert werde, bei der der Leistungsempfänger keinen Vorsteuervorteil habe, oder ob die Leistung zzgl. 20 % Umsatzsteuer fakturiert werde, wenn diese Umsatzsteuer an das Finanzamt des Rechnungsaussteller abgeführt werde.

Gegenständlich sein kein Schaden bzw. Steuerausfall auf Seiten des Fiskus infolge Übertragung der Umsatzsteuer auf das Abgabenkonto des Rechnungsaussteller eingetreten.

Weiters habe zudem eine Prüfung der Bauträgereigenschaft zu erfolgen. Die Tätigkeit des Bauträgers sei dahingehend definiert, dass dieser Wohn- bzw. Gewerbeimmobilien zum gewerbsmäßigen Vertrieb erstelle.

Die Aufgaben des Bauträgers würden im wesentlichen folgende Tätigkeiten umfassen:

• Grundstücksbeschaffung und Prüfung der Projektvoraussetzungen

• Projektentwicklung und Entwicklung des Bau- und Nutzungskonzeptes und der Finanzierungskonzeption

• Baureifmachung

• Zusammenstellen und Leiten des Teams der Planer und Bauschaffenden und Gesamtprojektleitung

• Verwertung (Organisation der Vermietung oder des Verkaufs an Konsumenten, Investoren oder Betreiber).

[..]

Der Bauträger hat somit folgende Grundfunktionen:

• Bauherrenfunktion: Bauherr ist, wer auf seine Verantwortung und sein Risiko eine bauliche Anlage vorbereitet und die damit notwendigen Maßnahmen setzt. Den Bauträger trifft somit das Bauherrenrisiko.

• Der Bauträger handelt im eigenen Namen.

• Der Bauträger handelt ähnlich einem Treuhänder, da dieser grundsätzlich keine Verwendungsfreiheit hinsichtlich der Baugelder hat.

• Gesamtverantwortung: den Bauträger trifft die umfassende und unteilbare Verantwortung für das Gesamtbauvorhaben.

Die Tätigkeit bzw. Verantwortung für die Realisierung von Projekten ist als umfassend zu betrachten:

o Er veranlasst die notwendigen planerischen Arbeiten sach- und zeitgerecht

o Er beauftragt die Ausführungsleistungen

o Er leistet die Finanzierung, die rechtliche und wirtschaftliche Obsorge

o Er besorgt die rechtliche Sicherstellung für die künftigen Nutzer

o Er kontrolliert alle Baubelange in rechtlicher, wirtschaftlicher, kostenmäßiger und qualitativer Hinsicht

o Er haftet letztlich seinem Kunden gegenüber als direkter Vertragspartner uneingeschränkt für alle Belange des Baues, auch für Fehler im Bereich seiner Auftraggeber (Möglichkeit des Regress).

• Konzentrationsprinzip: Der Bauträger soll sich auf seinen eigenen Wirkungskreis konzentrieren. Die Funktion des Bauträgers endet nicht mit der Fertigstellung und Übergabe des Bauwerks an den von ihm Betreuten, seinen Kunden, sondern reicht darüber hinaus: Er hat dafür zu sorgen, dass die rechtliche Ordnung hergestellt wird und seinem Kunden die vereinbarte Rechtsstellung verschafft wird sowie insbesondere, dass die Gewährleistung ordnungsgemäß abgewickelt wird.

[...]"

Die Bf führte weiters aus, dass die Liegenschaft "Str1" mit Kaufvertrag vom zum Zwecke der Entwicklung eines Bauträgerprojektes erworben worden sei. Ende 2012/Anfang 2013 seien umfangreiche Planungsarbeiten unter anderem durch den Baumeister DI X vorgenommen worden. Mit Datum sei schlussendlich das Ansuchen auf Baubewilligung durch die Bf gestellt worden.
Zu diesem Zeitpunkt habe es noch keine konkreten Kaufinteressenten gegeben. Das Projekt selbst - dieses sei von Beginn an als Anlegerprojekt konzipiert gewesen - sei in der Folge einer Vielzahl von Interessenten angeboten worden (s. Beilage 2).

Schlussendlich sei das Projekt mit Kaufvertrag vom an die Firma I GmbH verkauft worden.

Zeitgleich sei die Bf von Seiten der neuen Eigentümerin (I GmbH) mit der Errichtung bzw. Sanierung der Baulichkeit zum Fixpreis beauftragt worden (s. Beilage 3). Dies bedeute, dass sich aus den vorgenannten Gründen die Vertragsgestaltung auf zwei Verträge aufgeteilt habe; allerdings sei in der Betrachtung von einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen, da zeitgleich mit dem Grundstückserwerb auch die Beauftragung zur Abwicklung des Projektes erteilt worden sei.

Ebenso sei mit Datum  der Erwerberin von Seiten der Bf eine Erstvermietungsgarantie vertraglich eingeräumt worden.  

Die für einen Bauträger umfassenden Leistungen seien auch in diesem Fall zum Tragen gekommen; so seien für den Erwerber Finanzierungskonzepte ausgearbeitet bzw. Finanzierungsangebote eingeholt worden.

Mit Datum habe die Baubehörde der Bf die Baubewilligung für den Wohnhauszubau  und Wohnhausumbau sowie die Errichtung einer Wärmepumpe erteilt (Beilage 6). Für die Durchführung der Baumaßnahmen seien von Seiten der Bf Angebote eingeholt worden, wobei jenes der Firma Bau1 GmbH vom über Euro 680.000 zzgl. 20 % USt den Zuschlag bekommen habe (Beilage 8).

Fakt sei, dass das Bauherrenrisiko über den gesamten Zeitraum bei der Bf verblieben sei. So hätte diese beispielsweise zusätzliche 700 t Felsbruch abzubauen und zu entsorgen gehabt; diesbezüglich anerlaufene Kosten hätten nicht an die Erwerberin weiterverrechnet werden können.

Zudem seien die Abrechnungen mit der Erwerberin an den im Bauträgervertragsgesetz vorgesehenen Ratenplan angepasst worden (Beilage 9).

Im Rahmen der vereinbarten Erstvermietungsgarantie seien entsprechende Mietverträge vermittelt worden; ein Auszug der dem Erwerber vorgelegten Mietanbote würden sich in Beilage 10 finden.

Die Verantwortlichkeit für dieses Projekt sei somit vom Ankauf der Liegenschaft, der Baureifmachung, der Einholung von Bewilligungen bis hin zur Übergabe bzw. Abklärung von Gewährleistungsansprüchen sowie Vermietungsgarantien stets bei der Bf gelegen.

Es lasse sich daher festhalten, dass die Bf aufgrund ihrer Leistungen als Bauträgerin tätig gewesen sei, wodurch die vom Bauunternehmer der Bau1 GmbH gelegten Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis korrekt im Sinne des UStG seien. Von Beginn an seien von der Bf die für Bauträger typischen Zusatzleistungen erbracht worden.
Es werde daher beantragt, den Vorsteuerabzug für 02/2015 zu gewähren.


Die Bf legte nachstehende Beilagen ihrem Vorlageantrag bei:

Beilage 1: Baubewilligungsansuchen
Beilage 2: Diverse E-Mails betreffend Anbot
Beilage 3: Auftrag Firma I GmbH
Beilage 4: Vermietungsgarantie
Beilage 5: Finanzierungsangebote
Beilage 6: Baubewilligung
Beilage 7: Änderungseinreichplanung
Beilage 8: Angebot Fa. Bau1 GmbH
Beilage 9: Ratenplan
Beilage 10: Mietangebote
 

Die belangte Behörde legte die gegenständliche Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und führte in ihrem Vorlagebericht wörtlich aus:

"Im Rahmen einer Überprüfung der UVA-Gutschrift für den Zeitraum 02/2015 durch den Innendienst des FA Klagenfurt wurden die Rechnungen nach Formalkriterien überprüft und die in Frage stehende Vorsteuer am Abgabenkonto der Bf. verbucht. Im Zuge einer späteren Überprüfung des Sachverhaltes im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung wurde der Vorsteuerabzug nicht gewährt, da die erbrachten Leistungen eindeutig als Bauleistungen zu qualifizieren sind (siehe dazu USO-Bericht vom ). Ergänzend dazu wird festgehalten, dass die Schlußrechnung der Fa. Bau1 GmbH vom ohne firmenmäßige Zeichnung erfolgte und zu diesem Zeitpunkt der angegebene Inhaber T nicht mehr Geschäftsführer war (siehe Änderung des Gesellschaftsvertrages mit - neuer Geschäftsführer N und Sitzverlegung von K nach Ort3). Kurz nach der Änderung auf Rechnung mit Vorsteuer wurde der Konkurs der ausstellenden Firma angemeldet (Mitteilung des Insolvenzgerichtes beim Firmenbuch eingelangt am ).

In der Beschwerde und im Vorlageantrag beruft sich der Bf. auf den Grundsatz von Treu und Glauben sowie auf die Rz 2602c der Umsatzsteuerrichtlinien und begehrt, die Leistungen nicht als Bauleistungen zu qualifizieren, da es zu keinem endgültigen Steuerausfall gekommen wäre.

Zum nunmehr neu vorgebrachten Argument des Grundsatzes von "Treu und Glauben" wird festgehalten, dass nach ständiger Judikatur des VwGH das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben, ausgeprägt ist. Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Zu den Ausführungen in den Umsatzsteuerrichtlinien, Rz 2602c (Richtlinientext: "Nehmen der Leistende und der Leistungsempfänger im Zweifelsfall an, dass eine Bauleistung nicht vorliegt, obwohl sich dies nachträglich als falsch erweist, bleibt es dabei, wenn es dadurch endgültig zu keinem Steuerausfall gekommen ist [zB die Umsatzsteuer für diese Leistung wurde an das Finanzamt abgeführt]. Diesen Umstand hat der Unternehmer nachzuweisen.") wird seitens des Finanzamtes festgehalten, dass diese im gegenständlichen Fall nicht angewendet werden können, da richtigerweise klar vereinbart wurde, dass es sich um eine Bauleistung handelt und auch mittels Teilrechnungen entsprechend abgerechnet wurde. Die rückwirkende Umqualifizierung, um damit die Vorsteuer lukrieren zu können, ist weder durch § 19 Abs. 1a UStG 1994 noch durch die Richtlinienmeinung gedeckt.

Das Finanzamt beantragt daher, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Im Zuge der am abgeführten Beschwerdeverhandlung brachte der steuerliche Vertreter über Befragen vor, der eingeschlagene Weg, nämlich in Abkehr von der ursprünglichen Fakturierung der Teilrechnungen nach § 19 Abs. 1 a UStG 1994 die Schlussrechnung mit Umsatzsteuer auszuweisen, sei aus dem Grunde beschritten worden, da den beiden Vertragsparteien (XY. GmbH und Bau1 GmbH) in der Folge Bedenken darüber gekommen seien, ob hier eine echte Bauleistung vorliege. Falls eine bei der Bau1 GmbH durchgeführte Steuerprüfung ergeben hätte, dass die Tätigkeit der XY. GmbH als Bauträgerleistung und nicht als Bauleistung zu qualifizieren gewesen wäre, dann wäre die Fa Bau1GmbH Schuldnerin der Umsatzsteuer geworden. Um dies hintanzuhalten, habe man die Vereinbarung vom getroffen, worin auch die Verrechnung der Vorsteuern auf das Abgabenkonto der Fa Bau1 GmbH fixiert worden sei. Dadurch sei sichergestellt worden, dass es zu keinem Steuerausfall komme. Durch die Festsetzung der Gutschrift habe man sich in der gewählten Vorgehensweise bestätigt gefühlt. Hätte die Behörde zum damaligen Zeitpunkt eine andere Sichtweise eingenommen, so wäre die Vorsteuer nicht zur Auszahlung gebracht worden und hätte die Bf eine entsprechende Rechnungsberichtigung verlangt.

Der Amtsvertreter repliziert, dass in der Praxis Vorsteuergutschriften in der Regel ohne tiefgreifende Überprüfung zur Auszahlung gelangen würden. Erst in der Folge würde die Behörde eine substanzielle Prüfung vornehmen. 

Der steuerliche Vertreter hielt dem entgegen, dass die Behörde von Beginn an alle erforderlichen Unterlagen gehabt hätte und aufgrund dessen imstande gewesen wäre, eine anders geartete Beurteilung des Sachverhaltes vorzunehmen. Insbesondere im Hinblick auf die Höhe der zur Auszahlung gebrachten Vorsteuersumme wäre eine ex-ante Prüfung geboten gewesen.

Fakt sei, dass für die Finanzverwaltung kein Schaden eingetreten sei. Die Bf vertrete nach wie vor die Auffassung, dass ihre Rechtsauslegung, wonach keine Bauleistung vorliege, sondern vielmehr eine Bauträgerleistung, korrekt sei. Die Fa XY. GmbH habe von Beginn an typische Leistungen eines Bauträgers, wie etwa die Mietreifmachung, die Einholung von Finanzierungskonzepten, udgl. angeboten und erbracht.

Über diese Beschwerde hat das Gericht erwogen:

Außer Streit steht, dass die Bf mit Vertrag vom von Seiten der I GmbH mit dem Um- und Neubau des Objektes "Str1" beauftragt wurde. Die Auftraggeberin (I GmbH) hatte ihrerseits die besagte Liegenschaft mit Kaufvertrag vom von der Bf zu einem pauschalen Kaufpreis von 450.000 Euro erworben. 

Die Bf führte die Arbeiten, zu denen sie beauftragt wurde, nicht selbst durch, sondern bediente sich hierfür der Fa Bau1 GmbH als Subunternehmerin. Die von Seiten der Subunternehmerin ausgestellten Teilfakturen erfolgten zunächst unter Hinweis auf § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 (Übergang der Steuerschuld).

In weiterer Folge, und zwar vor Ausstellung der Schlussrechnungen kamen die Vertreter der Bf und der Bau1 GmbH mit Vereinbarung vom überein, dass die für Bauleistungen geltende Bestimmung des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 nun doch nicht zur Anwendung gelangen solle. In Abänderung zum Werkvertrag vom wurde der Bf von Seiten der Bau1 GmbH die Bruttosumme iHv 816.000 Euro mit Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt. Über die bereits fakturierten Teilrechnungen wurden entsprechende Gutschriften erstellt.

Unbestritten ist auch, dass antragsgemäß der Vorsteuerbetrag von 165.306,90 Euro vom Steuerkonto der Bf auf das Steuerkonto der Bau1 GmbH übertragen wurde. Der diesbezügliche Überrechnungsantrag wurde am eingebracht und vom Finanzamt am 05.05.20015 durchgeführt.

Aktenkundig ist weiters, dass mit Beschluss des HG Ort3 vom tt.mm.2015, Gz 123, sohin vor Durchführung der Überrechnung, das Insolvenzverfahren gegen die Fa Bau1 GmbH eröffnet wurde. Eine vom Insolvenzverwalter RA Mag. A durchgeführte Anfechtung der Überrechnung mündete in einem zwischen dem Insolvenzverwalter und der Republik Österreich (diese vertreten durch die Finanzprokuratur) abgeschlossenen Vergleich, mit welchem eine Rückzahlung der Hälfte des überrechneten Betrages an die Masse vereinbart wurde.

Wie aus der zwischen der Bf und der Fa I GmbH per Datum abgeschlossene Vereinbarung (tit. "Erstvermietungsgarantie") hervorgeht, verkaufte die Bf als "Bauträgerin" die Liegenschaft "Str1" an die Erwerberin zu Anlagezwecken. Mit besagter Vereinbarung räumte die Bf der Erwerberin eine Erstvermietungsgarantie für die Dauer von drei Jahren (beginnend sechs Monate nach Fertigstellung) ein, wobei ein monatlicher Mietzins in Höhe von 5.602,35 Euro (netto) garantiert wurde.   

In rechtlicher Hinsicht ist in Bezug auf den vorliegenden Sachverhalt im Lichte der "Reverse-Charge" Bestimmungen festzuhalten:

Die Bestimmung des § 19 Abs. 1 UStG 1994 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung ordnet an:

"Steuerschuldner ist in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 der Unternehmer, in den Fällen des § 11 Abs. 14 der Aussteller der Rechnung. [..] "

In § 19 Abs. 1 lit. a leg. cit. wird normiert:

"Bei Bauleistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.

Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Dies gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen."

Der Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger der Bauleistung ist also dann vorgesehen, wenn
- der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistung beauftragt ist (1. TB), oder
- der Empfänger Unternehmer ist, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt (2. TB).

In Bezug auf den 2. TB kommt es zu einem Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger und zwar unabhängig davon, ob dieser selbst mit einer Bauleistung beauftragt wurde oder nicht.

Bei der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes wurde von der belangten Behörde für die Anwendung des Reverse-Charge-Systems der 1. Tatbestand herangezogen.

Die Bf bringt in ihrer Beschwerde ua. vor, dass die von ihr verrichteten Tätigkeiten die einer Bauträgerin seien und würde diese daher keine Bauleistungen darstellen. Aus diesem Grund sei die Spezialbestimmung des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 ab ovo nicht anwendbar.

Weiters habe die belangte Behörde - so die Bf - durch ihre Vorgangsweise den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Diese habe nämlich die rechtliche Beurteilung der Bf, welche in ihrer UVA für 02/2015 zum Ausdruck kam, anerkannt und erst im Zuge einer abgeführten USo-Prüfung die Feststellung getroffen, dass hier Bauleistungen und keine Bauträgerleistung vorlägen, was schlussendlich zu einer Anwendung des Reverse-Charge-Systems geführt habe. Durch die später erfolgte diametrale rechtliche Beurteilung des von Beginn an der Behörde gegenüber offen gelegten Sachverhaltes sei der Bf ein Vertrauensschaden erwachsen; eine entsprechende Korrektur der ausgestellten Rechnungen sei in der Folge nicht mehr möglich gewesen.

Das Gericht hält dazu fest: 

Entscheidungswesentlich bei der Beurteilung der Frage, ob gegenständlich die Reverse-Charge-Regelung des § 19 Abs. 1 lit a TB 1 UStG 1994 zwingend zur Anwendung gelangt, ist einerseits, ob der Wille der Vertragsparteien in der zwischen der I GmbH (als Auftraggeberin) und der Bf (als Auftragnehmerin) abgeschlossenen Vereinbarung vom  (bzw. dem vorgelagerten Auftragsschreiben vom ) auf die Erbringung von Bauleistungen ausgerichtet gewesen war und in der Folge derartige Leistungen auch tatsächlich erbracht wurden, andererseits, ob die im zwischen der Bf und der Fa Bau1 GmbH abgeschlossenen "Werkvertrag" vom festgelegten Leistungen ebenso als "Bauleistungen" zu qualifizieren sind.

Fakt ist, dass die Fa I GmbH mit Vertrag vom   die Bf mit dem "Umbau- und Neubau in der Str1 auf Parz Nr. 1 KG 22** laut beiliegendem Vertragsplan und der beiliegenden Bau- und Ausstattungsbeschreibung" beauftragt hatte.

Vereinbart wurde, dass die Bezugsfertigkeit der bauliche Anlage innerhalb von 12 Monaten ab der Vertragsunterzeichnung hergestellt werden soll.  

An Zahlungsmodalitäten wurde vertraglich nachstehendes festgehalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. Teilrechnung
bei Baubeginn
Netto € 123.200,-
2. Teilrechnung
nach Fertigstellung der Kellerdecke
Netto € 123.200,-
3. Teilrechnung
nach Fertigstellung der Erdgeschossdecke
Netto € 123.200,-
4. Teilrechnung
nach Fertigstellung der 1. OG Decke und allen Zwischenwänden
Netto € 123.200,-
5. Teilrechnung
nach Fertigstellung der 2. OG Decke und allen Zwischenwänden im Alt- u Zubau
Netto € 123.200,-
6. Teilrechnung
nach Fertigstellung der gesamten Elektro und Sanitärinstallationen inkl. Innenputz- und Estrich
Netto € 123.200,-
7. Teilrechnung
nach Fertigstellung der Dacheindeckung Balkon und Terrassenausbildung
Netto € 123.200,-
8. Teilrechnung
nach Fertigstellung der Bodenbelege, Fliesen, Malerarbeiten und Innentüren
Netto € 123.200,-
9. Teilrechnung
nach Fertigstellung des Vollwäreschutzes und der Zufahrt
Netto € 123.200,-
10. Teilrechnung
nach Fetigstellung aller Komplettierunsarbeiten
Netto € 61.600,-
11. Schlussrechnung
Nach Übergabe an den Auftraggeber
Netto € 61.600,-
 
Gesamtsumme Netto
€ 1.232.000,-
 
+ 20% Umsatzsteuer
€ 246.000,-
 
Gesamtbrutto
€ 61.600,-


In der im Vertrag integrierten Bau- und Ausstattungsbeschreibung wurden die einzelnen Arbeiten bzw. Gewerke näher ausgeführt.

Aus dem vorliegenden Vertragswerk folgt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes in eindeutiger Weise, dass die Bf von ihrer Auftraggeberin, der I GmbH, mit der Erbringung von Bauleistungen ("Um- und Neubau") beauftragt wurde.

Dass die Bf für ihre Auftraggeberin noch weitere Leistungen iZm der Mietersuche (Einräumung einer Vermietungsgarantie), der Ausarbeitung von diversen Finanzierungskonzepten, etc., erbracht hat, worüber auch gesonderte Vereinbarungen getroffen worden sind, erweist sich in diesem Zusammenhang als nicht relevant. Verpflichtet sich nämlich ein Unternehmer zu mehreren selbständigen Leistungen, die nur teilweise Bauleistungen sind, kommt es zu einem Übergang der Steuerschuld nur für die Bauleistungen (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 4. Aufl., 19 Tz 47). Bei der Beurteilung der Frage, ob bzw. inwieweit erbrachte Leistungen "Bauleistungen" iSd Umsatzsteuerrechtes darstellen, ist jede Leistung - sofern diese selbständig anzusehen ist und keine unselbständige das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilende Nebenleistung darstellt - isoliert zu betrachten, respektive zu beurteilen. Eine unselbständige Nebenleistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Die Merkmale der Nebensächlichkeit und des engen Zusammenhanges der Nebenleistung mit der Hauptleistung sind als erfüllt anzusehen, wenn die Nebenleistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. ).

Wenngleich die Bf die genannten Leistungen als "Zusatzleistungen" qualifiziert, so ändert dies nicht an der Tatsache, dass diese von ihrem Wesensgehalt her selbstständige Leistungen darstellen. Die erbrachten Bauleistungen selbst stellen jedenfalls eine Hauptleistung und keine Nebenleistung zu den vereinbarten Zusatzleistungen dar.   

Bestehen im Einzelfall (begründete) Zweifel, ob eine Bauleistung vorliegt, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung von Seiten der Beteiligten jedenfalls davon ausgegangen werden, dass eine Bauleistung vorliegt (vgl. UStR, Rz 2602 c). Sollte dies unrichtig sein, bleibt es bei der vorgenommenen Beurteilung. Ebenso können die am Leistungsaustausch Beteiligten nach Ansicht der Finanzverwaltung auch einvernehmlich davon ausgehen, dass eine Bauleistung nicht vorliegt. Stellt sich diese Ansicht allerdings nachträglich als unrichtig heraus, sollte es nach Auffassung der Finanzverwaltung nur dann dabei bleiben, wenn es dadurch endgültig zu keinem Steuerausfall gekommen ist. Diesen Umstand (Nichtvorliegen eines Steuerausfalles) hat der Unternehmer (gemeint ist der Leistungsempfänger) nachzuweisen, wozu er ohne Mitwirkung des leistenden Unternehmers bzw. des Finanzamtes gar nicht in der Lage ist (Kolacny, SWK 2003, S 39).  

Die verwaltungsgerichtliche Judikatur teilt diese Erlassmeinung nicht. Ob eine Bauleistung im umsatzsteuerlichen Sinn vorliegt oder nicht, ist immer nach objektiver Betrachtung und genauer Prüfung des Sachverhaltes zu entscheiden. Eine im Zweifel getroffene einvernehmliche Vereinbarung der Vertragsparteien, eine Leistung als Bauleistung zu behandeln, ist laut VwGH für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unerheblich (). Gleiches gilt - vice versa - für eine Beurteilung als Nicht-Bauleistung. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Erlässe lediglich eine begrenzte rechtliche Verbindlichkeit entfalten (vgl. ) und jedenfalls dann ihre Wirkung verlieren, wenn sie in Widerspruch zu gesetzlichen Bestimmungen bzw. Verordnungen stehen bzw. mit solchen kollidieren.

Aufgrund der eindeutigen Diktion des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 liegt es nicht in der Disposition der am Leistungsaustausch beteiligten Parteien eine Leistung entgegen ihrer tatsächlichen Art als Bauleistung oder eben nicht als Bauleistung zu (be)werten. Diese Qualifikation ist anhand der vorliegenden Sachlage in objektiver Weise vorzunehmen.

Dass im vorliegenden Beschwerdefall die Bf mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt wurde, die sie nicht selbst erbrachte, sondern an die Bau1 GmbH als Subunternehmerin zu einem Fixpreis weitergegeben hatte, ist offenkundig. Ebenso unzweifelhaft für das Gericht ist der Umstand, dass die Arbeiten der Subunternehmerin (Bau1 GmbH) Bauleistungen darstellen. Dies lässt sich aus dem bezughabenden Werkvertrag vom bzw. aus dem zugrunde liegenden Anbot der Fa Bau1 GmbH samt detaillierter Bau- und Leistungsbeschreibung (Schaffung von Wohnflächen im Ausmaß von insgesamt ca. 669 m2) vom selben Tage eindeutig festmachen. Im besagten Werkvertrag wurde zudem explizit festgehalten, dass die einzelnen (Teil-)Rechnungen als Nettorechnungen auszustellen seien und der Übergang der Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 lit. a UStG 1994 zu vermerken sei. Auch erfolgte die tatsächliche Abrechnung der einzelnen Gewerke (Teilleistung) in Form von Teilrechnungen vorerst unter Zugrundelegung der Reverse-Charge-Regelung.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Das erkennende Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Vertragsgegenstand sowohl in Bezug auf das Vertragsverhältnis zwischen der  Fa I GmbH  und der Bf als auch in Bezug auf das Verhältnis zwischen der Bf und der Fa Bau1 GmbH auf die Erbringung von Bauleistungen ausgerichtet war. Die vereinbarten Bauleistungen wurden tatsächlich erbracht und abgerechnet. Die Beurteilung, ob eine Leistung als Bauleistung anzusehen ist oder nicht, muss anhand objektiver Kriterien geprüft werden und liegt außerhalb jeglicher Parteiendisposition.

Daher erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die in Rz 2602 c letzter Absatz der UStR relevierte Frage, ob es durch einen durch Parteienkonsens fälschlicherweise angenommenen Ausschluss einer Leistung als Bauleistung zu einem Steuerausfall gekommen sei. Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang allerdings, dass aufgrund einer vom Insolvenzverwalter RA Mag. A vorgenommene Anfechtung der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Bau1 GmbH durchgeführten Überrechnung vom iHv 165.306,90 Euro vom Steuerkonto der Bf auf das Steuerkonto der Schuldnerin, das Finanzamt sich im Vergleichswege verpflichtet hatte, die Hälfte des überrechneten Betrages (sohin 82.653,45 Euro) der Masse zuzuführen. Diese vergleichsweise Einigung diente der Vermeidung langwieriger Gerichtsprozesse mit mehr oder weniger unsicherem Ausgang und wurde auch insolvenzgerichtlich genehmigt. Der Vorwurf des Insolvenzverwalters gegenüber dem Finanzamt lautete, dass dieses wohl in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Bau1 GmbH durch die Überrechnung vorrangige Befriedigung zu Lasten anderer Insolvenzgläubiger erlangt habe. Das Finanzamt hätte die finanzielle Schieflage der Bau1 GmbH, welche bereits im Jahre 2014 eingetreten sei, aus der Entwicklung des Abgabenkontos erkennen müssen. Die Schuldnerin habe sich nämlich bereits Ende 2014 in der materiellen Insolvenz befunden.

Aufgrund der geschilderten Entwicklungen ist offenkundig, dass die Finanzverwaltung letztendlich nicht jenen Steuerbetrag erhalten hatte, den sie bei korrekter (und ursprünglich intendierter) Anwendung der Bestimmung des § 19 Abs. 1 lit. a UStG 1994 durch die Vertragsparteien erhalten hätte.

Wenn der Rechtsvertreter der Bf die plötzlich vor Ausstellung der Schlussrechnung eingetretene Meinungsänderung in Bezug auf die Anwendbarkeit der Reverse-Charge-Regelung damit begründet, dass den beiden Vertragsparteien Bedenken über das Vorliegen einer "echten" Bauleistung gekommen seien, so vermag diese Begründung nicht zu überzeugen. Gerade die UStR ordnen in Rz 2602 c an, dass bei Bestehen von Zweifeln über die Qualifikation einer Leistung als Bauleistung, deren steuerliche Behandlung als Bauleistung den beteiligten Parteien jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen könne. Ein Nachweis darüber, dass es zu keinem Steuerausfall gekommen sei, erübrige sich in diesem Fall.

Dass die Bf in Abkehr von ihrer ursprünglichen Intention den für sie gemäß den UStR risikobehafteten Weg beschritten hatte, lässt sich für das Gericht schwer nachvollziehen; möglicherweise wollte die Bf ihrem Vertragspartner entgegenkommen. Die von der Bf diesbezüglich vorgebrachten Argumente stellen aus Sicht des Gerichtes jedenfalls keine geeignete Begründung für die gewählte Vorgangsweise dar.

Selbst wenn man zur Annahme käme, dass die Bf insgesamt eine Bauträgerleistung und keine Bauleistung erbracht habe, so würde sich letztlich an deren steuerlichen Beurteilung nichts ändern. Jener Teil der Gesamtleistung, welcher als (selbstständige) Bauleistung zu qualifizieren ist (und worüber auch ein gesonderter Vertrag existiert), unterliegt jedenfalls dem Regelungsregime des Reverse-Charge-Systems. Eine dispositive Abkehr vom Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger wäre in Bezug auf die Bauleistungen unzulässig.

Eine differenzierte Sicht in Bezug auf die Leistungen eines Bauträgers wäre dann geboten, wenn der Sachverhalt ausschließlich unter TB 2 des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 subsumierbar wäre; dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger ohne (konkrete) Beauftragung üblicherweise (dh überwiegend) selbst Bauleistungen erbringt. Verkauft oder saniert ein Bauträger eigene Grundstücke, handelt es sich nicht um Bauleistungen. Organisiert ein Bauträger die Herstellung von Wohnobjekten auf fremden Grundstücken durch andere Unternehmer und verkauft er die errichteten Gebäude an die Grundstückseigentümer, so wird der Bauträger auf fremde Rechnung tätig und verrichtet damit Bauleistungen.

Da im gegenständlichen Fall die Bf ihrerseits von der Eigentümerin der Liegenschaft "Str1", der Fa I GmbH, mit der Errichtung bzw. Sanierung der darauf befindlichen Wohnungen beauftragt wurde, handelt es sich um einen Anwendungsfall des TB 1 des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994; eine Überprüfung dahingehend, ob gegenständlich auch die Tatbildmerkmale des 2. TB erfüllt sind (überwiegende, dh mehr als 50% des Umsatzes betragende Bauleistungen), erübrigt sich.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Sinn der Reverse-Charge-Regelung darin besteht, den im Bau- und Baunebengewerbe verstärkt auftretenden Steuerbetrug hintanzuhalten. So begründen etwa die Erläuterungen der durch das AbgÄG 2002, BGBl I 132 eingeführten Gesetzesbestimmung des § 19 Abs. 1 lit a UStG 1994 diese Regelung mit folgenden Überlegungen (1175 BlgNR 21. GP, 17):

Im Zuge von abgabenbehördlichen Prüfungen wurde im Bereich des Baugewerbes festgestellt, dass es zu massiven Steuerausfällen kommt, indem für Leistungen von Subunternehmern an Generalunternehmer Rechnungen mit offenem Ausweis der Umsatzsteuer zwar gelegt werden, die betreffende Umsatzsteuer vom Subunternehmer jedoch nicht an das Finanzamt abgeführt wird. Gleichzeitig macht der Generalunternehmer die in der Abrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Die Geltendmachung der Vorsteuern erfolgt zu Recht, da die Leistung tatsächlich erbracht wurde und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt.
Die Eintreibung der Umsatzsteuer beim Subunternehmer gestaltet sich in vielen Fällen als praktisch unmöglich, da die betreffenden Subunternehmen speziell im Bereich des Baugewerbes aus folgenden Gründen kaum greifbar sind: Das Subunternehmen wird, meistens in Form einer GmbH, durch eine völlig unbeteiligte Person errichtet oder der Subunternehmer erwirbt einen bereits steuerlich erfassten GmbH-Mantel; unmittelbar nach Gründung werden Umsätze in großer Höhe erzielt; die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wird nicht abgeführt; nach kurzer Zeit wird das Insolvenzverfahren über das Unternehmen eröffnet; die Gesellschafter-Geschäftsführer sind unbekannten Aufenthalts oder ins Ausland abgemeldet; die tatsächlichen Machthaber sind unbekannt.

Zur Sicherung des Steueraufkommens wird – in Abweichung von § 19 Abs. 1, wonach Steuerschuldner grundsätzlich der leistende Unternehmer ist – der Leistungsempfänger als Steuerschuldner bestimmt, wenn Bauleistungen vom von einem Unternehmer an einen anderen Unternehmer erbracht werden.“

Der von der Bf ferner geltend gemachte Einwand, die belangte Behörde habe durch ihre Vorgehensweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, vermag gleichfalls nicht zu verfangen. Wie die Behörde in ihrem Vorlagebericht völlig zutreffend ausgeführt hat, prävaliert nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH das Legalitätsprinzip (Art. 18 B-VG) gegenüber dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Ritz, BAO Kommentar, 6. Aufl., § 114 Tz 7 sowie die dort zitierte Judikatur). Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt jedenfalls einen Vollzugsspielraum voraus. Nach der Judikatur des VwGH schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist bei Erkennen einer Rechtswidrigkeit vielmehr verpflichtet von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen, sofern dies aus verfahrensrechtlichen Gründen zulässig ist. Nach der Judikatur müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen lassen. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt. Der Umstand, dass etwa eine abgabenbehördliche Prüfung eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen.

Dass die belangte Behörde im Rahmen der USo-Prüfung eine andere rechtliche Beurteilung vorgenommen hatte, als sie offenbar im Zeitpunkt der Einreichung der UVA für 02/2015 vertrat, steht der eingenommenen Vorgangsweise nicht entgegen. Die Behörde war vielmehr zur Erlassung des angefochtenen USt-Festsetzungsbescheides bzw. des gemäß § 253 BAO an die Stelle des Festsetzungsbescheides tretenden (nunmehr beschwerdeverfangenen) Umsatzsteuerjahresbescheides 2015 verpflichtet um so einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Verfahrensrechtliche Hindernisse standen dem bei vorliegender Verfahrenskonstellation nicht entgegen.

Begründung gemäß § 25 Abs. 1 lit a VwGG 

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen liegen gegenständlich nicht vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Reverse Charge System iZm inländischen Bauleistungen
keine Parteiendisposition hinsichtlich Qualifikation als Bauleistung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100168.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at