Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.08.2019, RV/4200120/2016

Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Klagenfurt Villach vom , Zl. 420000/60246/2015, betreffend Erstattung/Erlass von Eingangsabgaben nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

1.

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.

Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

3.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) den Betrag von € 395.250,27 gemäß Art. 236 ZK bzw. 239 ZK zu erlassen. Im Schreiben vom begründete die Bf. den Antrag damit, sie würde den am Zahlungsaufschubkonto ihrer Vertreterin vorgeschriebenen Einfuhrumsatzsteuerbeträge nicht schulden, da das Zollamt Klagenfurt Villach zu Unrecht die beantragte Bestimmung des § 26 Abs.3 Z.2 UStG nicht angewandt habe. Mit Eingabe vom hat die Bf. ihren Antrag ausdrücklich auf eine Erstattung gemäß Art. 236 ZK eingeschränkt.

Mit Bescheid des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , Zl. 420000/60246/2015, wurde der Antrag auf Erstattung gemäß Art. 236 ZK als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die verfahrensgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuerschuldigkeiten seien gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs.1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entstanden und damit gesetzlich geschuldet.

Dagegen wendet sich die in offener Frist eingebrachte Beschwerde vom . Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Einfuhrumsatzsteuer im Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich nicht geschuldet gewesen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. 420000/60212/2016, hat das Zollamt Klagenfurt Villach die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Die Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Eingabe vom führte die Bf. ergänzend aus, dass die Bf. die Einfuhrumsatzsteuer nicht schulde. Die Einfuhrumsatzsteuer sei zwar gemäß Art. 201 Abs.1 ZK iVm § 26 Abs.1 UStG entstanden, aber nicht in der Person der Bf. nach Art. 201 Abs.3 ZK. Die Bf. habe über die Waren die Verfügungsmacht gehabt und sie für ihr Unternehmen eingeführt, was auch mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4200103/2016, bestätigt worden sei. Damit wäre der Bf. der Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs.1 Z.2a UStG zu gewähren. Sollte das Bundesfinanzgericht dennoch davon ausgehen, die Bf. hätte über die eingeführten Gegenstände keine Verfügungsmacht gehabt, sei zu verneinen, dass die Bf. Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 201 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) werden konnte. Die Bf. regte ein diesbezügliches Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH an. Weiters führte die Bf. aus, den Erstattungsantrag nach Art. 239 ZK niemals zurückgezogen zu haben. Die belangte Behörde habe darüber in rechtswidrigerweise bislang nicht abgesprochen. Darüber hinaus seien die Erstattungsgründe gemäß Art. 239 ZK von Amts wegen zu prüfen. Es lägen Gründe der persönlichen Unbilligkeit und nach Lage der Sache gemäß § 83 ZollR-DG vor. Sollte wegen der Rechtsprechung des EuGH zu Eurogate II Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG nicht anwendbar sein, werde hilfsweise Nachsicht nach § 236 BAO beantragt.

In der mündlichen Verhandlung vom führte der Vertreter der Bf. näher aus, dass Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 201 ZK nur der Importeur, der Verfügungsmacht habe, sein könne, oder aber der Zollschuldner sei gleichzeitig Steuerschuldner, wobei dann im Rahmen des Vorsteuerabzuges die Verfügungsmacht keine Rolle spielen dürfe. Art. 201 MwStSystRL sei daher so auszulegen, dass die Mitgliedstaaten den Schuldner der EUSt nur unter der Voraussetzung bestimmen können, dass dieser Verfügungsmacht habe. Desweiteren stellt sich die Frage, ob es zulässig sei, eine Einfuhrumsatzsteuer auf Transportdienstleistungen zu erheben, wo sich der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer nur auf Waren beziehen würden. Die Umsatzsteuer solle nur Endverbraucher belasten, nicht aber Unternehmen. Die Umsatzsteuer werde gegenständlich zur Strafsanktion, was der MwStSystRL entgegenstehe. Der Vertreter des Zollamtes Klagenfurt Villach verwies darauf, dass die Bf. als Anmelderin der Waren aufgetreten sei und die Einfuhrumsatzsteuer nicht auf Transportdienstleistungen, sondern auf die eingeführten Waren erhoben worden sei. Nach den geltenden österreichischen Bestimmungen sei der Anmelder Zollschuldner und Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Zu Art. 239 ZK vertrat der Vertreter des Zollamtes Klagenfurt Villach die Ansicht, dass im Schreiben vom nur eine Erstattung nach Art. 236 ZK beantragt worden sei. Der Vertreter der Bf. führte dazu aus, dass Art. 239 ZK nur subsidiär beantragt wurde, beim Schreiben vom handle es sich keinesfalls um eine Zurücknahme des Antrages nach Art. 239 ZK. Zur wirtschaftlichen Situation der Bf. wurde ausgeführt, dass als bekannt wurde, dass nicht mehr mit „EV“ abgefertigt werden konnte, sich noch Waren auf dem Seeweg befunden haben, die weiterhin verzollt werden mussten. Die Einfuhrumsatzsteuer habe mit Fremdmitteln entrichtet werden können. Die Bf. sei im Jahre 2014 bereits mit ca. € 400.000,00 verschuldet gewesen, der operative Verlust des Jahres 2014 habe € 12.334,00 betragen. Beim Finanzamt Spittal Villach haften derzeit € 3.110.782,34 aus, wobei der Großteil auf Einfuhrumsatzsteuer zurückzuführen sei, zudem seien die Darlehen zur Finanzierung der Einfuhrumsatzsteuer zurückzuzahlen. Zur sachlichen Unbilligkeit sei auszuführen, dass sich die Bf. von der Umsatzsteuer befreien können müsse, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit entstanden ist. Auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben liege Unbilligkeit vor, da die Bf. ihr Geschäftsmodell dem Finanzamt Spittal Villach gegenüber offen gelegt, im Vertrauen auf die erhaltenen Auskünfte Dispositionen getroffen und zudem um eine Außenprüfung gebeten habe. Würden die Abgabenschuldigkeiten bei der belangten Behörde und beim Finanzamt Spittal Villach nachgesehen werden, wäre die Bf. saniert und könnte mit einem geänderten Geschäftsmodell wieder ihre Tätigkeit aufnehmen.

Mit Eingabe vom übermittelte die Bf. den an das Finanzamt Spittal Villach gestellten Nachsichtsantrag gemäß § 236 BAO.

Sachverhalt:

Aufgrund der Annahme der von der Beschwerdeführerin (Bf.), direkt vertreten durch die A-GmbH, zwischen und abgegebenen und vom Zollamt Klagenfurt Villach angenommenen unter den in der Anlage des angefochtenen Bescheides angeführten CRN (Customs Registration Numbers) registrierten Zollanmeldungen zur Überführung der angemeldeten Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union sind für die Bf. die auf die angemeldeten Waren entfallenden Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuldigkeiten jeweils mit Annahme der betreffenden Zollanmeldungen gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.2 Zollkodex (ZK) entstanden und gemäß Art. 221 Abs.1 ZK mitgeteilt worden.

In den vorgenannten Zollanmeldungen zur Überführung von Waren diverser chinesischer Lieferanten in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union wurde jeweils die Inanspruchnahme der Regelung des § 26 Abs.3 Z.2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (UStG) erklärt. Da das Zollamt Klagenfurt Villach die Ansicht vertrat, dass die Bf. umsatzsteuerlich nicht über die Ware verfügungsberechtigt war und diese nicht für ihr Unternehmen eingeführt hatte, stellte die belangte Behörde fest, zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 26 Abs.3 Z.1 UStG zuständig zu sein (Mitteilung an die Bf. vom ).

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. ohne nähere Begründung den Erlass von Einfuhrumsatzsteuer 2014 gemäß Art. 236, 239 ZK. Mit Eingabe vom wurde die Begründung nachgereicht, wonach die Waren für das Unternehmen eingeführt worden seien und demnach § 26 Abs.3 Z.2 UStG anzuwenden sei. Mit Schreiben vom schränkte die Bf. ihren Antrag auf die Bescheide gemäß beigefügter Aufstellung und auf eine Erstattung nach Art. 236 ZK ein.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022, wurde festgestellt, dass die Lieferung der Waren unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgt ist und von der Bf. nur sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports erbracht wurden. Der Wert der beförderten Waren gehört nicht zu den Kosten, die in die von der Bf. erbrachten Leistungen einfließen, weshalb die darauf entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann. In Entsprechung dieses Erkenntnisses wurde der Vorsteuerabzug auch mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4100657/2018, versagt.

Mit Eingabe vom begründete die Bf. erstmalig eine Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG, da die Gefährdung der Existenz der Abgabenschuldnerin durch die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer gefährdet und die Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer nach Lage der Sache unbillig sei.

Die verfahrensgegenständliche Einfuhrumsatzsteuer konnte nur mit Fremdmitteln entrichtet werden, die Darlehen haften noch immer aus. Die Bf. war daher bereits im Jahre 2014 mit ca. € 400.000,00 verschuldet, Zudem haften derzeit beim Finanzamt Spittal Villach Umsatzsteuerschuldigkeiten in Höhe von € 3.110.782,34 aus. Die Geschäftstätigkeit der Bf. ist seit 2015 eingestellt. Im Falle der Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer und der Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten beim Finanzamt Spittal Villach wäre die Bf. saniert und in der Lage die zur Finanzierung der Einfuhrumsatzsteuer gewährten Darlehen zurückzuzahlen. Mit einem geänderten Geschäftsmodell könnte die Bf. ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Der Bf. ist keine betrügerische Absicht oder offenkundige Fahrlässigkeit zur Last zu legen.

Beweiswürdigung:

Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß Abs.2 leg. cit. hat im Übrigen die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Zollamt Klagenfurt Villach vorgelegten Abgabenaktes, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022, das Schreiben der Bf. vom und die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom .

Die Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Bf. sind unbestritten. Zum mit Schreiben vom gestellten nicht näher begründeten Erlass- bzw. Erstattungsantrag nach Art. 239, 239 ZK ist zu bemerken, dass dieser mit Schriftsatz vom in einen Antrag auf Erstattung nach Art. 236 ZK geändert wurde. Gründe für eine Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG wurden erstmalig mit Schreiben vom vorgebracht.

Ein gegen die Bf. bzw. deren Verantwortliche wegen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs.2 des Finanzstrafgesetzes geführtes gerichtliches Finanzstrafverfahren wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingestellt. Ein vom Zollamt Klagenfurt Villach als Finanzstrafbehörde erster Instanz eingeleitetes Verfahren wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung wurde ebenfalls eingestellt. Der Bf. ist auch deswegen keine betrügerische Absicht oder offenkundige Fahrlässigkeit zur Last zu legen, da sie bis zum Schreiben des Zollamtes Klagenfurt Villach vom auf die Richtigkeit einer Rechtsauskunft des Finanzamtes Spittal Villach bezüglich der Möglichkeit eines Vorsteuerabzuges vertrauen konnte. Diesbezüglich wird auf die Begründung des Erkenntnisses des , verwiesen. Am wurde der Bf. die Rechtsansicht der für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer zuständigen Behörde Zollamt Klagenfurt Villach schriftlich mitgeteilt.

Zu den übermittelten Unterlagen, wonach einige Kunden mit der Bf. keine Geschäftsbeziehungen unterhalten hätten, obgleich diese als Kunden der Bf. geführt worden seien, ist zu bemerken, dass ein Nachweis darüber, dass die Bf. in Umsatzsteuermalversationen verwickelt gewesen wäre, nicht erbracht wurde. Auch diesbezüglich ist auf die eingestellten Finanzstrafverfahren zu verweisen. Gleichzeitig liegen dem Bundesfinanzgericht aber keine Erkenntnisse vor, wo in der Europäischen Union die Waren ihren endgültigen Bestimmungsort zum Verbrauch gefunden haben.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wird.

Gemäß Abs.2 leg. cit. entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.

Gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG gelten das im § 1 genannte Zollrecht der Union, dieses Bundesgesetz und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex) weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Gemäß § 26 Abs.3 Z.1 UStG sind für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer die Zollämter zuständig.

Gemäß Z.2 leg. cit. sind abweichend davon für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der Einfuhrumsatzsteuer unter folgenden Voraussetzungen die Finanzämter zuständig:

- Die Einfuhrumsatzsteuerschuld ist nach Art. 201 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften entstanden und es handelt sich um keine nachträgliche Berichtigung,

- der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist Unternehmer (§ 2), im Inland zur Umsatzsteuer erfasst und die Gegenstände werden für sein Unternehmen eingeführt und

- der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer erklärt in der Zollanmeldung, dass er von dieser Regelung Gebrach macht.

Gemäß § 236 Abs.1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Artikel 220 Abs.1 buchmäßig erfasst worden ist.

Gemäß Abs.2 leg. cit. erfolgt die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Gemäß Art. 239 Abs.1 ZK können Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle - werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt; - ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

Gemäß Abs.2 erster Satz ZK erfolgt die Erstattung oder der Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Gemäß Art. 899 Abs.2 ZK-DVO entscheidet in anderen als den in Art. 900 bis 904 ZK-DVO beschriebenen Tatbeständen die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.

Gemäß § 83 ZollR-DG liegt im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Artikels 239 in Verbindung mit Artikel 899 Abs.2 ZK-DVO ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Kommission hat zu unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ro 2017/15/0022, festgestellt, dass die Lieferung der Waren unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgt ist und von der Bf. nur sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports erbracht wurden. Soweit in diesem Zusammenhang der Bf. auch die Verfügungsbefugnis an Gegenständen, etwa durch Übergabe von Traditionspapieren, eingeräumt wurde, diente dies lediglich dazu, diese Abwicklung durch die Bf. zu ermöglichen. Der Wert der beförderten Waren gehört nicht zu den Kosten, die in die von der Bf. erbrachten Leistungen einfließen, weshalb die darauf entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden kann. In Entsprechung dieses Erkenntnisses wurde der Vorsteuerabzug auch mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4100657/2018, versagt.

Auch das von der Bf. zitierte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4200103/2016, steht dazu nicht in Widerspruch. Inhalt dieses Erkenntnisses waren Einfuhrumsatzsteuerbeträge, deren Einhebung gemäß § 26 Abs.3 Z.2 UStG durch das Finanzamt von der belangten Behörde gemäß Art. 8 ZK zurückgenommen worden war. Das Erkenntnis führte dazu lediglich aus, dass der Bf. kein fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen ist, weshalb die Voraussetzungen über die Rücknahme der Entscheidung über die Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer durch das Finanzamt bis nicht vorlagen. Über die Einfuhr der Waren für das Unternehmen der Bf. oder über einen etwaigen Vorsteuerabzug wurden im angeführten Erkenntnis keine Aussagen getroffen.

Gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.2 ZK iVm ZK iVm Art. 201 und Art. 71 Abs.2 MwStSystRL, § 2 Abs.1 ZollR-DG und § 26 Abs.1 UStG ist die jeweilige Einfuhrumsatzsteuerschuld mit Annahme der Zollanmeldung entstanden. Abgaben, für die eine Zollschuld nach Artikel 201 bis 206 ZK  in dem für die jeweilige Zollschuld maßgebenden Zeitpunkt mit den maßgebenden Bemessungsgrundlagen entstanden ist, sind gesetzlich geschuldet (Witte, Zollkodex6, Art. 236 Rz.4) und damit nicht nach Art. 236 ZK erstattungsfähig. Zollschuldner für die Einfuhr einer einfuhrabgabepflichtigen Ware und damit gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist der Anmelder. Durch die Überführung der Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mi dem Verfahrenscode „4000“ sind die Waren in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union eingegangen. Zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ist gemäß § 26 Abs.3 Z.1 UStG das Zollamt Klagenfurt Villach zuständig.

Zur Anregung auf Vorlage der von der Bf. aufgeworfenen Frage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens ist festzustellen:

Die Bestimmung des Art. 267 AEUV normiert:

„Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

  • über die Auslegung der Verträge,

  • über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. […]“

Die aufgeworfene Frage, ob Art. 201 MwStSystRL so auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten den Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer nur unter der Voraussetzung bestimmen können, dass dieser Verfügungsmacht habe, ist auf Art. 71 Abs.2 MwStSystRL zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten in Bezug auf Steuertatbestand und Steueranspruch die für Zölle geltenden Vorschriften anwenden. Auch der Mitgliedstaat Österreich bestimmt in § 2 ZollR-DG, dass das Zollrecht der Union auf sonstige Eingangsabgaben anzuwenden ist und in § 26 Abs.1 UStG, dass die Rechtsvorschriften für Zölle auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten. Das Bundesfinanzgericht hat an der Auslegung des Art. 201 MwStsystRL und an der unionskonformität des § 2 Abs.1 ZollR-DG und § 26 Abs.1 UStG auch in Betrachtung der von der Bf. zitierten Rechtsprechung zur innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung mit Verfahrenscode 4200 (Art. 143 Abs.1 lit.d MwStSystRL) keine Zweifel, da gegenständlich Einfuhren von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (Verfahrenscode 4000) zu beurteilen sind, die in der Europäischen Union in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind. Eine Einschränkung des Steueranspruches bei der Einfuhr ist weder Art. 71 Abs.2 MwStSystRL, noch Art. 201 MwStSystRL zu entnehmen. „Einfuhr“ im Sinne der MwStsystRL ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Überlassung der Nicht-Unionswaren zum zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 79 ZK, wenn die Verzollung mit Verfahrenscode 4000 erfolgte (siehe Schrömbges MwStR 4/19 Punkt 2.5). Erst jüngst hat der festgestellt, dass die Einfuhrumsatzsteuer und die Zölle durch die Einfuhr in die Union und die sich anschließende Überführung in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten entstehen. Diese Parallelität wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass Art. 71 Abs.1 Unterabs.2 der MwStSystRL die Mitgliedstaaten ermächtigt, den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruches der Einfuhrumsatzsteuer mit dem Tatbestand und der Entstehung des Anspruches bei Zöllen zu verknüpfen (, Rz.41). Ob dem Zoll- bzw. Steuerschuldner dabei jedenfalls ein Vorsteuerabzug - auch bei Nichtvorliegen von Verfügungsmacht - zu gewähren ist, ist für den Erlass dieses Erkenntnisses nicht von Bedeutung und schließt in dieser Frage ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH aus.

Zur zweiten aufgeworfenen Frage, ob es zulässig sei, eine Einfuhrumsatzsteuer auf Transportdienstleistungen zu erheben, wo sich der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer nur auf Waren beziehen, ist zu bemerken, dass die Bf. als Anmelderin der Waren aufgetreten ist und die Einfuhrumsatzsteuer nicht auf Transportdienstleistungen, sondern auf die eingeführten Waren erhoben wurde. Auch diesbezüglich hält das Bundesfinanzgericht die Beantwortung der aufgeworfenen Frage für den Erlass dieses Erkenntnisses als nicht erforderlich.

Gemäß Art. 239 ZK iVm Art. 899 Abs.2 ZK-DVO und § 83 ZollR-DG liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist, oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Der ursprünglich auf Art. 236 ZK und Art. 239 ZK gestützte Antrag wurde mit Eingabe vom ausdrücklich auf eine Erstattung nach Art. 236 ZK eingeschränkt. Die Bf. war aber nicht verpflichtet, die konkrete Verordnungsbestimmung zu benennen, auf die sie ihren Erstattungsantrag stützte (vgl. ). Die angerufene Zollbehörde und das Bundesfinanzgericht sind somit verpflichtet, einen Erstattungsantrag umfassend auf alle Erstattungsgründe hin zu prüfen, die nach dem Vorbringen des Antragstellers einschlägig sein könnten.

Die Bf. hat ihren Erstattungsantrag am gestellt, mithin rechtzeitig innerhalb von 12 Monaten nach der Mitteilung der Abgaben. Damit stehen einer Überprüfung des Erstattungsantrages auch nach den Maßstäben des Art. 239 ZK keine rechtlich-formellen Hindernisse entgegen (vgl. BFH , VII R 99/00).

Gemäß Art. 239 ZK iVm Art. 899 Abs.2 und § 83 ZollR-DG liegt ein „besonderer Fall“ vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist.

Die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer anlässlich der Einfuhr von Waren aus Drittländern in das Zollgebiet der Europäischen Union ist keinesfalls unbillig nach Lage der Sache, sondern unionsrechtlich und bundesgesetzlich geboten. Die Bf. kann sich auch nicht auf Treu und Glauben berufen, da der Bf. mit Schreiben des Zollamtes Klagenfurt Villach vom mitgeteilt wurde, dass die Einfuhrumsatzsteuer künftig gemäß § 26 Abs.3 Z.1 UStG erhoben werde. Für die auf dem Seeweg befindlichen Waren hätte die Bf. nach Erhalt dieses Schreibens andere Dispositionen treffen können.

Eine Existenzgefährdung der Bf. durch die Abgabenbelastung ist hingegen evident. Eine Erstattung gemäß § 83 ZollR-DG ist zu gewähren, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht.

Eine Existenzgefährdung durch die Abgabenbelastung ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte (zB ; , 2006/17/0189). Durch die alleinige Erstattung der verfahrensgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer wird bei der Bf. kein Sanierungseffekt bewirkt. Dieser wäre nur in Verbindung mit einer Nachsicht der Umsatzsteuerschuldigkeiten beim Finanzamt Spittal Villach gegeben. Ob die Erstattung gemäß § 83 ZollR-DG an die aufschiebende Bedingung der Bewilligung einer solchen Nachsicht der Umsatzsteuerschuld gemäß § 236 BAO durch das Finanzamt Spittal Villach geknüpft werden kann, da es sich in beiden Fällen um den Bund als Gläubiger handelt, kann dahingestellt bleiben.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich die Erstattung der verfahrensgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer nur zugunsten des oder der Darlehensgeber der Bf. auswirken würde, deren aushaftende Forderungen zur Gänze befriedigt würden. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist eine Erstattung (Nachsicht) nicht zu gewähren, wenn sie sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 236 Rz.17; ; , 2002/14/0082; , 2008/15/0054).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Antrag auf Kostenersatz

Gemäß § 312 BAO sind, sofern sich aus diesem Bundesgesetz oder aus sonstigen gesetzlichen Vorschriften nicht anderes ergibt, die Kosten für die Tätigkeit der Abgabenbehörden und der Verwaltungsgerichte von Amts wegen zu tragen

Gemäß § 313 BAO haben die Parteien die ihnen im Abgabenverfahren und im Beschwerdeverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.

Die Geltendmachung des Ersatzes von Kosten im Beschwerdeverfahren ist auf Grund der vorstehenden Bestimmungen ausgeschlossen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des BFG ist die Revision unzulässig wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Die mit dem vorliegenden Erkenntnis zu lösenden Rechtsfragen ergeben sich aus dem Wortlaut der angewendeten einschlägigen Bestimmungen und stehen nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH oder des VwGH. Die Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ist daher nicht Gegenstand des Erkenntnisses.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 236 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 239 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 26 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 71 Abs. 1 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Art. 201 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4200120.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at