Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2019, RV/4100293/2012

Vorliegen einer hinsichtlich von lohnabhängigen Abgaben begünstigten Neugründung oder einer diesbezüglich nicht begünstigten Betriebsübertragung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Ploner hinsichtlich der Beschwerde der Bf., vertreten durch die Stb-Kanzlei, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Dienstgeberbeitrag (DB), Säumniszuschlag für den DB, sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ), jeweils für die Jahre 2008 und 2009, zu Recht

erkannt

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Im Anschluss an eine bei der Beschwerdeführerin (in der Folge auch bloß: Bf.), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gelangte das Finanzamt zur Ansicht, die Befreiung von lohnabhängigen Abgaben nach dem Neugründungs-Förderungsgesetz (NeuFöG) würde nicht zustehen. Dies deshalb, da Personenidentität (Anm.: bei den Betriebsinhabern) gegeben wäre, der Ort der Geschäftsleitung überwiegend gegeben, und der Geschäftszweig nicht völlig anders wäre.

Diese Begründung aus dem Prüfungsbericht dorthin übernehmend setzte das Finanzamt der Bf. gegenüber mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden Dienstgeberbeitrag (DB), einen Säumniszuschlag für den DB, sowie einen Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ), jeweils für die Jahre 2008 und 2009, fest.

Ihre dagegen fristgerecht erhobene und nach der damals geltenden Rechtslage noch als Berufung bezeichnete Beschwerde begründete die Bf. zusammengefasst damit, es läge sehr wohl eine die Begünstigungen des Neugründungs-Förderungsgesetzes (NeuFöG) auf dem Gebiet der lohnabhängigen Abgaben ermöglichende Neugründung eines Betriebes vor.

Nach Vorlage der Beschwerde, deren Abweisung vom Finanzamt nur mehr mit der Personenidentität beantragt wurde, führte das Bundesfinanzgericht (im Folgenden auch nur: Finanzgericht oder bloß: Gericht) ein Erörterungsgespräch durch.

Über die Beschwerde wurde seitens des Finanzgerichtes

erwogen :

Vorweg wird festgehalten, dass die rein rechnerische Ermittlung und die daraus resultierende Höhe der mit den angefochtenen Bescheiden vorgeschriebenen Abgaben unstrittig geblieben sind.

Ausgehend vom Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes in Verbindung mit vom Gericht vorgenommenen Datenbankabfragen, insbesondere im Wege der Einsicht im Firmenbuch, und besonders vom Ergebnis des durchgeführten Erörterungsgespräches, in dem seitens der Bf. alle relevanten Umstände und der Geschehensablauf ausführlich und vor allem überzeugend dargebracht worden sind, wird durch das Finanzgericht nachstehender Sachverhalt als erwiesen und entscheidungsrelevant

festgestellt:

Im Jahr 1992 war die ABC-GmbH (kurz: ABC) gegründet worden.

Die Geschäftstätigkeit der ABC hatte sich fast ausschließlich auf Großkunden aus der weiteren Umgebung bezogen, so etwa die Firmen M-Firma, L-Firma, P-Firma, und noch andere größere Industriebetriebe. Für diese, zum Teil im Ausschreibungswege akquirierten, Großkunden war die ABC zum Teil als Erstausrüster, als Errichter von zusätzlichen Elektroanlagen und weiters als alleinbeauftragte Servicefirma tätig geworden. Zusätzlich und von großer wirtschaftlicher Bedeutung war, dass die ABC für sämtliche R-Märkte in Österreich als Generalunternehmer am Sektor elektrische Anlagen tätig gewesen ist. Damals war die Bf. auch im Tunnelbauwesen aktiv. Schließlich wird festhalten, dass weitere Baustellen auch außerhalb von Kärnten betrieben wurden.

Die gesamten Geschäftsräumlichkeiten der ABC waren in einem großen Gebäude in der X-Straße-1 untergebracht. In diesem waren sowohl die Räumlichkeiten für die Verwaltungstätigkeiten als auch jene für die handwerklichen Vorbereitungsarbeiten situiert. Im Kellergeschoß waren die Lagerflächen gelegen, außerhalb des Gebäudes befanden sich nur Parkplätze. Das gesamte Areal, welches von einer einem ursprünglichen Gesellschafter zuzurechnenden anderen GmbH um einen Mietzins von rd. € 1.800,00 monatlich angemietet war, hatte ein Ausmaß von ca. 380 m2. Im vorderen, straßenseitig gelegenen Gebäudeteil hatte sich anfangs ein großes Einzelhandelsgeschäft des bereits angeführten ursprünglichen Gesellschafters befunden, wo Weißwaren und andere Elektroartikel verkauft und auch dorthin zur Reparatur gebracht worden sind. Dieser recht umfangreiche Geschäftsbereich Handel hatte sich bis zum Jahr 1995 drastisch reduziert. Dennoch wurden dort bis zum Jahr 2008 in eingeschränktem Umfang auf Kundenwunsch Weißgeräte bestellt und diese auch serviciert. Ausstellungsflächen, wie noch zu Zeiten des erwähnten Anfangsgesellschafters, waren indes nicht mehr vorhanden.

Der durchschnittliche Personalstand der ABC hatte sich auf etwa 18 bis 20 Mitarbeiter belaufen, in Spitzenzeiten sogar bis zu 30 Personen umfasst. Allein im Büro- bzw. Verwaltungsbereich waren mehrere Personen beschäftigt. Frau T.T. bekleidete die Funktion der Buchhalterin, Herr F.F. jene eines Kalkulanten, Herr K.K. war als Lagerist tätig, und GF-Frau als Teilzeitbeschäftigte. Das Aufgabengebiet der GF-Frau, die nunmehr zu 50% Gesellschafterin und auch alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin ist, umfasste damals die Posterledigung, den Telefondienst sowie aufbereitende schriftliche Tätigkeiten für ihren Gatten GF-Mann, der zuletzt handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer der ABC gewesen ist. Die Einräumung der Prokura an GF-Frau erfolgte nur “pro forma“, um für den Fall der Ortsabwesenheit für den Geschäftsführer Poststücke entgegennehmen oder dringend benötigte Schriftstücke unterfertigen zu können. Eine echte Mitwirkungs- oder gar Entscheidungsbefugnis der GF-Frau war damit nicht verbunden.

Der zwischenzeitig verstorbene GF-Mann und auch Herr E-Meister, ein weiterer Gesellschafter der Bf., hatten bei der ABC bereits ihre Lehre absolviert. GF-Mann hatte dann die Meisterprüfung abgelegt, die Gewerbeberechtigung erlangt und war in der Folge bis 2004 als Angestellter bei der ABC beschäftigt, Herr E-Meister immer nur als Arbeiter. Der dritte Gesellschafter der Bf., Herr O-Meister, ist erst nach dem Jahr 2000 zur ABC gekommen und war ebenfalls als Arbeiter tätig. Er und Herr E-Meister hatten zwar noch vor der Gründung der Beschwerdeführerin ihre Meisterprüfungen abgelegt, waren aber bei der ABC trotzdem nie als Elektromeister beschäftigt, sondern als Arbeiter.

Ab Mai 2004 übte GF-Mann die Funktion des alleinigen Geschäftsführers bei der ABC aus, im Juli 2004 übernahm er schließlich 100% der Geschäftsanteile von G.G., der ab 1995 alleiniger Gesellschafter und auch Geschäftsführer gewesen ist. Da bei der Übernahme von unrichtigen Bilanz- und Vermögensverhältnissen ausgegangen wurde, war die ABC gezwungen, einen Kredit aufzunehmen, für dessen Sicherheit das private und in seinem Alleineigentum stehende Wohnhaus des GF-Mann entsprechend belastet wurde.

In den Folgejahren kam es zu Umsatzeinbrüchen, zu deren Abdeckung immer mehr Unterstützungen aus der Privatsphäre der Familie GF-Ehepaar erfolgten. Daneben reduzierte GF-Mann auch sein Geschäftsführergehalt und verzichtete drei Monate vor Konkurseröffnung sogar gänzlich darauf.

Trotzdem hatte sich spätestens ab Beginn des Jahres 2008 herauskristallisiert, dass mit Hinblick auf die wirtschaftlichen und vor allem die privaten Umstände an eine sinnvolle Weiterführung (Anm.: seitens der Bf. wurde im Erörterungsgespräch die Formulierung “weiter wurschteln“ verwendet) nicht mehr zu denken war. Es wurde daher beschlossen, dieses “leidvolle Thema“ durch eine Konkurseröffnung zu beenden und einen gänzlichen Neuanfang in Angriff zu nehmen. Dass dies nur durch eine völlig andere Art und Weise der Geschäftsausübung und nur in deutlich eingeschränkterem Umfang möglich sei, ist allen Beteiligten klar gewesen.

Dies vor allem deshalb, weil mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten spätestens bei der Konkurseröffnung alle Großkunden ihre Geschäftsverbindungen zur ABC eingestellt hatten. Zudem hatten einige wichtige Mitarbeiter im Hinblick auf die wirtschaftliche Schräglage und die ausstehenden Lohnzahlungen schon im Vorjahr gekündigt.

In zeitlicher Nähe zur Konkurseröffnung ist dann mit Notariatsakt vom die Beschwerdeführerin gegründet worden. Gesellschafter sind seit diesem Zeitpunkt GF-Frau zu 50%, welche auch alleinige Geschäftsführerin ist, Herr E-Meister und Herr O-Meister zu jeweils 25%. Die Beschlussfassung unter den Gesellschaftern erfolgt durch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Pattstellungen entscheidet auf Dauer der Gesellschaftereigenschaft aller drei Gründungsgesellschafter die Mehrheit der Köpfe.

GF-Mann, der alleinige Geschäftsführer der ABC, hatte sich, auch aus gesundheitlichen Gründen, aus der operativen Tätigkeit zurückgezogen und war bei der Bf. nur mehr als Halbtagsbeschäftigter angestellt, um sich dafür mehr der Familie und der Kindererziehung widmen zu können. Daneben ist er noch als gewerberechtlich Befugter für die Bf. in Erscheinung getreten.

Obwohl in der Gründungsurkunde und im Firmenbuch als Geschäftszweig auch Elektroinstallationen für Industrie und Gewerbe angeführt sind, so hatte sich die tatsächliche Tätigkeit der Bf. durch die gänzliche Neuausrichtung doch nur mehr auf den Privatkundensektor verlagert. In der Anfangszeit wurden noch vereinzelt laufende Servicearbeiten in geringem Umfang und sofortige Störungsdienste durchgeführt und als Überbrückungsmaßnahmen Mitarbeiter für andere Firmen im Wege des Personalverleihs zur Verfügung gestellt. Daneben ist es, wie bereits angeführt, zur Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit gekommen. Es wurden nur mehr Elektroinstallationen in Neubauten von privaten Einfamilienhäusern sowie Renovierungen und Sanierungen in solchen Objekten angeboten und durchgeführt.

Hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeiten in der X-Straße wurde ein neuer Mietvertrag abgeschlossen, welcher bloß eine Nutzfläche des Gebäudes im Ausmaß von ca. 160 m² umfasste, weshalb sich das Mietentgelt auf nur mehr € 950,00 reduzierte. Dort wurde im Hinblick auf das Augenmerk auf die im näheren Umkreis angesiedelten Privatkunden ein Ausstellungsraum adaptiert, was bei den Großkunden der ABC naturgemäß nicht erforderlich und der Fall war. Zusätzlich wurden seitens der Bf. von GF-Frau als eigenständige Unternehmerin noch Lagerflächen angemietet.

Aus der Konkursmasse waren vier zum Vorsteuerabzug berechtigende Kraftfahrzeuge und ein Pkw erworben worden. Werkzeuge, Waren, Maschinen und Lagerausstattung (Regalsysteme) wurden, sofern noch vorhanden gewesen, übernommen, wobei der Wert, verglichen mit den in der Folge neu angeschafften Wirtschaftsgütern, sehr gering gewesen ist. Die Neuanschaffungen mit einem Wert von mindestens € 35.000,00 hatten vor allem den Büro- und Verwaltungsbereich betroffen, welcher ab damals ausschließlich von GF-Frau verantwortet und betreut wurde. Weiters war auch der Neuerwerb von teuren, speziell für den neu aufgebauten Privatkundensektor erforderlichen, Messgeräten notwendig geworden. Mieterinvestitionen der ABC waren nicht übernommen worden, ebenso wenig ist die Bf. in allfällig noch bestehende Verträge eingetreten.

Mit der Gründung der Beschwerdeführerin ist auch deren Personalstand auf 11 Personen gesunken. Von den wenigen übernommenen und einigen neu aufgenommenen Beschäftigten übt GF-Frau die Funktion der alleinigen – angestellten – handelsrechtlichen und entscheidungsbefugten Geschäftsführerin aus, daneben betreut sie noch den gesamten administrativen Bürobereich.

Die wesentlichen betrieblichen Entscheidungen werden von GF-Frau in Absprachen mit den beiden anderen Gesellschaftern getroffen. Diese waren bei der ABC “nur“ als Arbeiter beschäftigt, bei der Bf. sind beide jeweils selbständig für die Aufbereitung, Durchführung und den Abschluss eigener Projekte von Anbeginn bis zur Rechnungslegung zuständig und verantwortlich. Dabei ist Herr E-Meister bevorzugt im Firmengebäude, sei es im Büro oder in der Werkstatt beim Zusammenbau von Schaltschränken oder – anlagen, tätig. Der dritte Gesellschafter, Herr O-Meister, ist neben seiner Tätigkeit im Büro eher vor Ort an den Baustellen aufhältig, um den Personaleinsatz genau zu regeln, zu koordineren und selbst hochqualifizierte Tätigkeiten auszuführen.

Durch diese Qualifikation der beiden maßgeblichen Mitarbeiter war es trotzdem möglich, nach dem unerwarteten Ableben des GF-Mann im Jahr 2014, welcher sich aus dem operativen Bereich der Bf. bei deren Gründung zur Gänze zurückgezogen hatte, die damals schon durchaus veritablen Geschäftserfolge ohne Unterbrechung oder irgendeine wirtschaftliche Beeinträchtigung weiter zu erzielen.

Dieser festgestellte Sachverhalt ist im Hinblick auf die hier streitgegenständliche Frage, ob eine die Begünstigungen bei den lohnabhängigen Abgaben ermöglichende Neugründung eines Betriebes oder eine bloße Betriebsübernahme vorliegt,

rechtlich wie folgt zu würdigen:

Gemäß § 1 Z 7 des Neugründungs-Förderungsgesetzes (NeuFöG), BGBl. I 1999/106, in der auf den gegenständlichen Beschwerdefall noch anwendbaren Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I 2011/76, werden zur Förderung der Neugründung von Betrieben u.a. die für beschäftigte Arbeitnehmer (Dienstnehmer) anfallenden Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (“DB“) samt Kammerumlage nach § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1988 (“Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag“, “DZ“) für den Kalendermonat, in dem erstmalig ein Arbeitnehmer (Dienstnehmer) beschäftigt wird, und die folgenden elf Kalendermonate, also für einen Zeitraum von 12 Monaten, nicht erhoben.

Eine Neugründung eines Betriebes liegt nach § 2 NeuFöG u.a. unter folgenden Voraussetzungen vor:
Z 1: Es wird durch die Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur ein Betrieb neu eröffnet, der der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 dient.
Z 2: Die die Betriebsführung innerhalb von zwei Jahren nach der Neugründung beherrschende Person (Betriebsinhaber) hat sich bisher nicht in vergleichbarer Art beherrschend betrieblich betätigt.
Z 4: Es liegt kein bloßer Wechsel in der Person des Betriebsinhabers in Bezug auf einen bereits vorhandenen Betrieb durch eine entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung des Betriebes vor.

Das Finanzamt hat die von der Beschwerdeführerin angestrebte Begünstigung zunächst im Wesentlichen damit begründet, es läge Personenidentität bei den jeweiligen Betriebsinhabern vor.

Dazu enthält die Neugründungs-Verordnung, BGBl. II 1999/278 idF BGBl. II 2008/288, im § 2 Abs. 2 die Legaldefinition, dass Betriebsinhaber die die Betriebsführung beherrschende natürliche oder juristische Person ist. Ungeachtet allfälliger gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen sind – hier anzuwenden – Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, wenn sie entweder zu mindestens 50% am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind oder wenn sie zu mehr als 25% am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sind und zusätzlich zur Geschäftsführung befugt sind, Betriebsinhaber. Ein Geschäftsführer ohne eine solche Beteiligung ist kein Betriebsinhaber nach den Bestimmungen des NeuFöG (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom , 2006/16/0155).

Bei der ABC-GmbH war alleiniger Gesellschafter und auch einziger handelsrechtlicher Geschäftsführer GF-Mann. Er war sohin dort Betriebsinhaber. Die drei Gesellschafter der Beschwerdeführerin, insbesondere GF-Frau, sind bei der ABC weder am Gesellschaftsvermögen beteiligt noch irgendwie mit der Geschäftsführung betraut gewesen. Entsprechend den Ausführungen im vorigen Absatz ist aber GF-Frau schon aufgrund des Beteiligungsausmaßes und zusätzlich noch wegen der ihr eingeräumten Geschäftsführungsbefugnis ab dem Zeitpunkt der Gründung und in den Folgejahren bis dato als Betriebsinhaberin der Beschwerdeführerin anzusehen. GF-Mann hingegen ist am Vermögen der Bf. nicht beteiligt und kann daher schon aus diesem Grund nicht als Betriebsinhaber klassifiziert werden. Gesellschaftsvertragliche Sonderbestimmungen, wonach ihm eine derartige Funktion oder Position zuerkannt wurde, sind in der Gründungsurkunde nicht enthalten. Der Umstand, dass er noch im Halbtagsausmaß angestellt war und seine Gewerbebefugnis der Bf. zu Verfügung gestellt hatte, vermag nach Meinung des Gerichtes nicht dazu führen, bei ihm von einem Betriebsinhaber als die Betriebsführung beherrschende Person sprechen zu können. Das Bild rundet sich zudem noch, wenn man sich vor Augen hält, dass der damalige gute Geschäftsgang und auch die erwirtschafteten Geschäftserfolge trotz des unerwarteten Ablebens des GF-Mann im Jahr 2014 keine merkbaren Veränderungen danach erfahren hatten.

Der Ansicht des Finanzamtes, es wäre Personenidentität beim Betriebsinhaber gegeben, ist damit der Boden entzogen.

Im Erörterungsgespräch brachte das Finanzamt noch vor, es sei von einer bloßen und hier nicht begünstigten Betriebsübertragung auszugehen. Dies deshalb, da eine vorhandene betriebliche Struktur dergestalt übernommen worden wäre, dass dieser Betrieb im Wesentlichen unverändert fortgeführt werden hätte können.

Dieser Argumentation kann seitens des Finanzgerichtes jedoch nicht gefolgt werden.

Im § 2 Abs. 1 der Neugründungs-Verordnung ist definiert, dass unter einem Betrieb im Sinne des § 2 Z 1 NEUFÖG die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Betriebsmittel in einer organisatorischen Einheit zu verstehen ist. Ein Betrieb wird neu eröffnet, wenn die für den konkreten Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen neu geschaffen werden.

Der Betriebsbegriff der angeführten Normen steht im Einklang mit der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung eines Betriebes. Es sind daher Literatur und Rechtsprechung zu § 24 EStG 1988 als Auslegungshilfe heranzuziehen (Gaggl/Sander, NeuFöG (2008), Rz 14 f). Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden, ist in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Betriebstypus zu beurteilen (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 2018, § 24 Rz 17; Erkenntnisse des , vom , 99/14/0242, und vom , 2004/14/0046).

Die Neugründungs-Förderungs-Richtlinien (NeuFöR) sind als Erlass des BMF an sich keine das Bundesfinanzgericht bindende Rechtsquelle, doch sind die darin vertretenen Meinungen durchaus als Auslegungsbehelf geeignet und können daher bei der Beurteilung durch das Gericht entsprechend auch herangezogen werden.

So ist nach Rz 49 der NeuFöR für die Beurteilung, ob eine Neugründung vorliegt, das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Werden nur einzelne bestimmte Betriebsgegenstände des Vorbesitzers übernommen und tätigt der Erwerber dieser Gegenstände umfassende Anschaffungen oder Adaptierungen, sodass nach dem Gesamtbild eine neue betriebliche Struktur geschaffen wird, stehen die Begünstigungen für Neugründungen zu.

Des Weiteren ist der allgemein verankerte Grundsatz, wonach mit Rücksicht auf die Vielfalt an möglichen Ausprägungen und Erscheinungsformen immer eine den jeweiligen Vorgängen gerecht werdende Einzelfallbeurteilung vorzunehmen sei, zu beachten.

In Anstellung einer solchen auf den gegenständlichen Beschwerdefall abgestimmten, funktionalen und das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigenden Betrachtungsweise gelangte das Gericht zu nachstehender Auffassung:

Eine wesentliche Grundlage des Geschäftsbetriebes der in Konkurs gegangenen ABC waren eindeutig die längerfristigen vertraglichen Bindungen mit den zum Teil österreichweit agierenden und der ABC erheblichen Umsatz und Gewinn bringenden Großkunden. Dass daneben auch noch kleinere Auftraggeber im näheren örtlichen Umkreis bedient wurden, kann nicht in Abrede gestellt werden, doch ist diesem Bereich nach Dafürhalten des Gerichtes nicht so eine überragende Rolle zugefallen.

Zur ordnungsgemäßen Erfüllung insbesondere der Großaufträge war natürlich entsprechend zahlreiches und qualifiziertes Personal unabdingbar und wird dieses vom Finanzgericht ebenfalls als eine hier wesentliche Betriebsgrundlage gewertet.

Um den gesamten und sehr umfangreichen Geschäftsbetrieb abwickeln zu können, umfasste der Bereich Büro und Verwaltung mehrere eigens dafür zuständige Sachbearbeiter.

Zudem waren für den Betrieb Geschäftsräumlichkeiten im Ausmaß von rund 380 m2 erforderlich, in dem auch Mieterinvestitionen getätigt worden sind.

Dass der Fuhrpark und die Maschinen, Werkzeuge und Lagerausstattung ebenfalls eine wesentliche Grundlage des Betriebes darstellte, versteht sich an sich von selbst. Doch darf nicht übersehen werden, dass diese Wirtschaftsgüter nur mehr von geringem Wert und zum Teil für den Einsatz speziell bei den Großkunden bzw. –aufträgen vorgesehen waren.

Im Anschluss an die Konkurseröffnung bei der ABC und durch die Gründung der Beschwerdeführerin bietet sich nunmehr ein gänzlich anderes Bild. Abgesehen von den Änderungen in den Personen und der Struktur der Gesellschafter erscheint es dem Gericht besonders bedeutsam, dass ein ganz entscheidender Teil der Kunden bzw. Auftraggeber weggebrochen ist.

Auch haben einige Mitarbeiter schon vor der Konkurseröffnung gekündigt bzw. konnten von der Bf. nicht übernommen werden. Mit den wenigen von der ABC übernommenen und den von der Bf. neu aufgenommenen Mitarbeitern beläuft sich der Personalstand auf nur mehr 11 Beschäftigte.

Ein Teil dieser Beschäftigten ist im Hinblick auf die völlige Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit der Bf. entsprechend anderwertig und anderweitig eingesetzt. Anstelle von vorher drei Personen ist für den gesamten Bereich Büro und Verwaltung nur mehr die Geschäftsführerin GF-Frau alleine tätig. Den bisher als Arbeiter eingesetzten E-Meister und O-Meister wurden weitreichende Verantwortung und Befugnisse eingeräumt, so dass diese bei der Bf. mit der eigenständigen und vollständigen Bearbeitung, Betreuung und Abwicklung von eigenen Projekten von Anbeginn bis zur Rechnungslegung betraut wurden. Neben den Bürotätigkeiten wird Herr E-Meister bevorzugt im Betriebsgelände tätig, Herr O-Meister überwiegend mit dem Montagepersonal vor Ort an den Baustellen.

Von der Bf. wurde ein neuer Mietvertrag über die Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossen, allerdings umfasste dieser nicht einmal das Hälfteausmaß der von der ABC angemieteten Fläche. Dementsprechend hatte sich auch der Mietzins für die Bf. auf fast die Hälfte des vorherigen reduziert. Daneben hat die Bf. erstmalig von der Hauptgesellschafterin GF-Frau ihr gehörende andere Lagerflächen in Bestand genommen.

Neben der Übernahme von verschiedenen, noch vorhandenen und für die Geschäftszwecke der Bf. geeigneten, aber einen eher geringen Wert verzeichnenden, Wirtschaftsgütern hatte die Bf. umfangreiche Investitionen in neue Wirtschaftsgüter getätigt. Dies betraf vor allem eine den neuen Erfordernissen genügende Computeranlage sowie für die Bedienung des neu anvisierten Privatkundenbereiches geeignete Spezialmessgeräte von erheblichem Wert. Im Sinne der Neuausrichtung auf Privatkunden aus dem örtlichen Nahbereich hatte die Bf. auch Teile der jahrelang unbenutzt gebliebenen Ausstellungsflächen bzw. Schauräumlichkeiten hergerichtet und neu adaptiert.

Die von der Vormieterin getätigten Mieterinvestitionen sind von der Bf. indes nicht mitübernommen worden. Gleiches gilt übrigens auch für andere Verträge, die von der Bf. nicht übernommen worden sind und daher neu abschlossen werden mussten.

Auch war, entgegen der Ansicht des Finanzamtes, der Ort der Geschäftsleitung verlegt worden, und zwar an den gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten GF-Ehepaar. Dies deshalb, um eine Abgrenzung zur ABC zu schaffen und weil GF-Frau aufgrund ihrer umfangreichen Tätigkeit diese dann auch viel zu Hause ausgeübt hat.

Zusammengefasst vertritt das Finanzgericht daher die Auffassung, dass ein in dieser Form noch nicht vorhandener Betrieb neu gegründet worden ist, der sich betreffend die Struktur, die Aufgabengebiete, die dafür erforderlichen Betriebsmittel, Mitarbeiter und Geschäftsräumlichkeiten, sowie hinsichtlich des Marktauftrittes und der Führungspersönlichkeiten so deutlich von der ABC bzw. deren Geschäftsbetrieb unterscheidet, dass nicht mehr – wie dies das Finanzamt sieht – von einer bloßen und hier nicht begünstigten Betriebsübertragung gesprochen werden kann.

Im Gegensatz zu einer Neugründung ist es nämlich für eine Betriebsübertragung iSd § 5a NeuFöG maßgeblich, ob der Erwerber sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen erlangt. Es komme dabei auf die Verhältnisse beim Übertragenden an, weil in Bezug auf dessen Verhältnisse zu prüfen sei, ob der Betrieb mit seinen wesentlichen Geschäftsgrundlagen übertragen wurde. Es komme nicht darauf an, ob der Erwerber tatsächlich die bisherige Geschäftstätigkeit fortführt, entscheidend sei vielmehr, ob der Erwerber durch die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel in die Lage versetzt werde, das Unternehmen bzw. den Betrieb fortzuführen, ihm also durch die Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes die Fortführung des Betriebes ermöglicht werde (vgl. dazu das Erkenntnis des ; Hofstätter/Reichel, § 24 EStG 1988, Tz 16 ff, mit Hinweis auf weitere Judikate des VwGH).

Im gegenständlichen Beschwerdefall kann wohl nicht davon gesprochen werden, dass der Betrieb der ABC mit seinen wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die Bf. übertragen worden ist. Wie bereits oben aufgezeigt, sind kaum Kunden bzw. Auftraggeber der ABC übernommen worden, vom Personal nur wenige Mitarbeiter, die – ohnehin schon veralteten – Wirtschaftsgüter ebenfalls nur zu dem für den neuen Geschäftszweig der Bf. geeigneten Anteil. Geschäftsräumlichkeiten sind auch nur in stark eingeschränktem Ausmaß neu in Bestand genommen und andere betrieblich erforderliche Verträge nicht übernommen, sondern neu abgeschlossen worden.

Mit den im Konkursverfahren von der ABC übernommenen Wirtschaftsgütern und dem noch bei der ABC beschäftigt gewesenen Personal war die Bf. keinesfalls in die Lage versetzt worden, eine auf gewerbliche bzw. industrielle Großkunden abstellende Fortführung des Betriebes der ABC unverändert weiter auszuüben.

Ein bereits vorhandener Betrieb wurde hier weder entgeltlich noch unentgeltlich übertragen, weshalb auch kein bloßer Wechsel in der Person des Betriebsinhabers in Bezug auf einen solchen Betrieb gemäß § 2 Z 4 NeuFöG als Ausschlussgrund für die von der Bf. angestrebte Begünstigung in Frage kommt.

Insgesamt gesehen liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sohin eine Betriebsneugründung im Sinne des § 2 NeuFöG vor, weshalb die hiefür im § 1 Z 7 NeuFöG vorgesehene Befreiung von lohnabhängigen Abgaben im hier streitgegenständlichen Zeitraum zu gewähren gewesen wäre.

Dies hat das Finanzamt verkannt, weshalb die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof hatte zu erfolgen, da im Hinblick auf die oben aufgezeigte Judikatur die Entscheidung über eine Revision nach Ansicht des Finanzgerichtes nicht mehr von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig sein wird. Dies zudem auch, weil mit Rücksicht auf die hier gebotene und vorgenommene Einzelfallbetrachtung keine darüber hinausgehende Wirkung auf andere Verfahren erwartet werden kann.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 7 NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999
§ 2 NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999
§ 2 Abs. 1 NeugründungsVO, BGBl. II Nr. 278/1999
§ 2 Abs. 2 NeugründungsVO, BGBl. II Nr. 278/1999
Schlagworte
Neugründung
Betriebsübertragung
Betriebsgrundlagen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.4100293.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at