Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.09.2019, RV/7102218/2014

Unzulässigkeit einer 2. Wiederaufnahme bei - nach Durchführung einer Nachschau - bereits bekanntem Sachverhalt ("res iudicata" bzw "ne bis in idem")

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf vertreten durch StB über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt FA vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 sowie betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 und Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 bis 2010 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO iVm § 278 Abs. 1 BAO als gegenstandslos erklärt.

III. Die Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 bis 2010 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Der Beschwerdeführer (in der Folge abgekürzt Bf) hat in seinen Einkommensteuererklärungen der streitgegenständlichen Jahren 2007 bis 2010 negative Einkünfte aus der Vermietung des bebauten Grundstücks in PLZ Ort, GrSt-Adresse, geltend gemacht. Die Veranlagung der einzelnen Jahre durch das Finanzamt erfolgte hinsichtlich dieser Einkünfte erklärungsgemäß.

Nach Durchführung einer Nachschau gemäß § 144 Bundeabgabenordnung (BAO) zu Beginn des Jahres 2013 verfügte das Finanzamt mit den Bescheiden vom die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2010 gemäß § 303 Abs. 4 BAO. Mit demselben Datum erließ das Finanzamt neue Sachbescheide betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 sowie einen Erstbescheid hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2011.

In den Wiederaufnahmsbescheiden vom verwies die belangte Behörde zur Begründung mit einem standardisierten Text auf „die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind.“ In den neuen Sachbescheiden für die Jahre 2007 bis 2010 bzw dem Erstbescheid für das Jahr 2011 erfolgte die Festsetzung der Einkommensteuer – abweichend von den bisherigen Bescheiden bzw der Steuererklärung für das Jahr 2011 – unter Berücksichtigung der Feststellungen laut Niederschrift über die Nachschau vom . Diese betrafen in ertragsteuerlicher Hinsicht die Kürzung der Absetzung für Abnutzung (AfA) in den Jahren 2007 bis 2011 sowie einen geänderten Privatanteil in den Jahren 2010 und 2011. Laut Tz. 2 („AfA“) der Niederschrift wurde aufgrund der Lage der Liegenschaft der Anteil für Grund und Boden erhöht und die AfA-Bemessungsgrundlage von 288.755,23 Euro auf 103.050 Euro reduziert. Weiters wurde laut Tz. 3 („Privatanteil“) im Jahr 2009 die Vermietung mehrerer Wohnungen beendet und nur mehr ein Geschäftslokal vermietet. Infolgedessen wurde vom Finanzamt von den Fremdfinanzierungskosten der Jahre 2010 und 2011 sowie weiteren Werbungskosten und Instandhaltungskosten des Jahres 2011 ein erhöhter Privatanteil steuerlich hinzugerechnet.       

Mit Eingabe vom erhob der Bf ua gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2011 Berufung. Zur Begründung führte der Bf im Wesentlichen aus, dass die Wiederaufnahme mangels entsprechender Gründe unzulässig gewesen sei. In inhaltlicher Hinsicht brachte der Bf zusammengefasst vor, dass die AfA-Berechnung des Finanzamtes aufgrund einer unzulässigen Methode erfolgt sei. Anstelle vom Kaufpreis iHv 330.000 Euro den Wert des Bodens iHv 241.800 Euro in Abzug zu bringen und nur den verbleibende Rest als AfA-Basis zu werten, hätten richtigerweise die Verkehrswerte von Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits in Relation zueinander gesetzt werden müssen (sogenannte Methode der Sachwertverhältnisse).

Die Bewertung des Grundstücks sei vom Finanzamt offenbar mittels eines angenommenen Quadratmeterpreises von 200 Euro für das Jahr 2004 ermittelt worden. Dieser Wert sei definitiv zu hoch angesetzt. Es sei vielleicht noch denkbar, dass für leere Grundstücke im Jahr 2004 in Ort 200 Euro pro m2 bezahlt worden sei, bei bebauten könne jedoch von so einem hohen Preis nicht ausgegangen werden. Wenn man den vom Finanzamt vorgegebenen Wert für die Grundstücksbewertung heranziehe, müsste man vom so errechneten Grundstückswert von 241.800 Euro wohl zumindest noch die Abbruchkosten des Gebäudes in Abzug bringen. Dieser Abbruch wäre allerdings sowieso rein hypothetisch, da das Gebäude in einer Zone mit Bestandschutz liegt.

In einer undatierten Stellungnahme zur Beschwerde führte die Prüferin dazu ua aus, dass (aus näher angeführten) Gründen ein Kaufpreis von 103.050 Euro betreffend Gebäude durchaus realistisch sei und dem Verkehrswert des Gebäudes entspreche. Die Aufteilung des Kaufpreises auf Gebäude und Grund und Boden sei nicht so erfolgt, dass der Wert des Grund und Bodens ermittelt wurde und der verbleibende Rest auf das Gebäude entfalle, sondern nach der Verhältnismethode, da die einzelnen Verkehrswerte ermittelt worden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2010 statt, hob die Bescheide auf und wies zugleich die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 als unzulässig (geworden) zurück. Das Finanzamt hielt dazu fest, dass in der Begründung der Wiederaufnahmsbescheide keine Wiederaufnahmsgründe genannt worden seien. Diese Bescheide würden auf die aufgenommene Niederschrift bzw den Prüfungsbericht verweisen. Dort sei jedoch nicht dargestellt worden, welcher Sachverhalt neu hervorgekommen sei. Somit seien die angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide mangelhaft begründet gewesen und deshalb aufzuheben.

Mit einer weiteren Beschwerdevorentscheidung vom erledigte das Finanzamt die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 teilweise stattgebend. In der Begründung stimmte das Finanzamt der in der Berufung ausgeführten Berechnung nach der Methode der Sachwertverhältnisse grundsätzlich zu. Allerdings seien nicht die fiktiven Neuerrichtungskosten für ein Gebäude den fiktiven Grundkosten gegenüberzustellen sondern die tatsächlichen Sachwerte im Zeitpunkt des Erwerbes. In weiterer Folge ermittelte das Finanzamt die Verkehrswerte von Grund und Boden bzw Gebäude und deren Verhältnis zueinander im Ausmaß von ca 40% (Gebäudewert) zu ca 60% (Grundstückswert). Nach Abzug des Grund und Boden-Anteils iHv 60% von den Anschaffungskosten iHv 344.850 Euro ergab sich als AfA-Bemessungsgrundlage nunmehr ein Betrag von 137.940 Euro. Aufgrund des Gebäudeumbaus und der eingeschränkten Vermietungstätigkeit ab 2010 wurde in einem letzten Schritt die 2%-ige AfA sowie die Fremdfinanzierungs-, sonstigen Werbungs- und Instandhaltungskosten um den auf die Privatnutzung des Gebäudes entfallenden Teil gekürzt.

Beide Beschwerdevorentscheidungen – sowohl die vom als auch jene vom – wurden vom Bf nicht weiter bekämpft und somit rechtskräftig.  

Mit den Bescheiden vom verfügte die belangte Behörde in weiterer Folge erneut eine Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2010. Die Begründung lautete bei allen Bescheiden wie folgt:

„Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gemäß § 303 (1) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit, und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden.

Die (zusätzliche) Begründung zu diesem Bescheid geht Ihnen gesondert zu.“

Ebenfalls am erließ die belangte Behörde neue Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010. Auch in diesen Bescheiden wurde auf eine separate Begründung verwiesen. Weiters ergingen mit demselben Datum neue Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 bis 2010.

Die erwähnte zusätzliche Bescheidbegründung vom der Wiederaufnahms- und neuen Sachbescheide betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 lautete auszugsweise wie folgt:

„Die Liegenschaft in PLZ Ort, GrSt-Adresse wurde im Jahr 2004 zu einem Kaufpreis von 330.000 Euro zzgl. 14.580 Euro Nebenkosten erworben. Als Anschaffungskosten und Basis für die Ermittlung der AfA ist daher von einem Betrag iHv 344.580 Euro auszugehen.

Der auf Grund und Boden entfallende Teil ist aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Die Aufteilung hat idR nach dem Verhältnis der Verkehrswerte von Gebäude einerseits und Grund und Boden andererseits zu erfolgen.

Die genaue Höhe des Anteils an Grund und Boden bzw Gebäude war aus der Aktenlage bisher nicht ermittelbar.

Ihrer ausgeführten Berechnung (siehe Berufung vom gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2007-2010 sowie Einkommensteuerbescheide 2007-2010) nach der Methode der Sachwertverhältnisse wird
grundsätzlich zugestimmt. Allerdings kann Ihnen insoweit nicht gefolgt werden als Sie fiktive Neuerrichtungskosten für ein Gebäude den fiktiven Grundkosten mit einem darauf befindlichen Abrissgebäude gegenüberstellen, was im Zusammenhang mit der konkreten Anschaffung zu keine richtigen Ergebnis führt, da nur die Gegenüberstellung der tatsächlichen Sachwerte im Zeitpunkt des Erwerbes zu einer sachgerechten Gewichtung der tatsächlichen Anschaffungskosten führt.“

Die separaten Bescheidbegründungen enthielten weiters – in identer Form wie in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Einkommensteuer 2011 – eine betragsmäßige Aufteilung von Grund und Boden- bzw Gebäudewert nach der Sachwertverhältnismethode und setzten die AfA in den Jahren 2007 bis 2009 mit 2% der Bemessungsgrundlage iHv 137.940 Euro, somit mit jährlich 2.758,80 Euro, neu fest.

Die separate Bescheidbegründung des Jahres 2010 enthielt zusätzlich den Hinweis auf die eingeschränkte Vermietungstätigkeit und die damit im Zusammenhang stehende Kürzung der Fremdfinanzierungskosten.

Gegen die Bescheide vom (Wiederaufnahms- und neue Einkommensteuer(sach)bescheide sowie Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2007 bis 2010) richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom . Darin führt der Bf zur Begründung aus, dass die vermietete Liegenschaft 2004 zu einem Kaufpreis von 330.000 Euro samt Nebenkosten erworben worden sei, davon sei ein Grundanteil ausgeschieden und als AfA-Bemessungsgrundlage 288.755,23 Euro angesetzt worden. Im Zuge der Außenprüfung sei aufgrund der Lage der Liegenschaft sowie der Grundstücksgröße der auszuscheidende Grundanteil mit 241.800 Euro ermittelt und als AfA-Bemessungsgrundlage 103.050 Euro angesetzt worden.

lm nachfolgenden Berufungsverfahren seien die aufgrund der Außenprüfung ergangenen Wiederaufnahmsbescheide mangels Angabe von Wiederaufnahmsgründen aufgehoben worden. Die Berufungsvorentscheidung betreffend den Einkommensteuerbescheid 2011 habe dann die nunmehr in der Bescheidbegründung angeführte Ermittlung des auszuscheidenden Grund und Boden-Anteils (AfA Bemessungsgrundlage 137.940 Euro) enthalten. Dabei handle es sich um die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts.

Ein steuerlich auszuscheidender Grund und Boden-Anteil könne niemals eine Tatsache sein. Tatsachen seien Sachverhaltselemente, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Tatsachen seien nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge, soweit sie rational feststellbar sind (Ritz, BAO5‚ § 303 Tz 21). Neu hervorkommen könnten als Beweismittel etwa Urkunden und Aufzeichnungen (Ritz, BAO5, § 303 Tz 25). Keine Wiederaufnahmsgründe (keine Tatsachen) seien hingegen etwa neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung  von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (Ritz, BAO5‚ § 303 Tz 23 mit weiteren Nachweisen).

Wie schon in der Berufungsvorentscheidung vom richtigerweise erkannt worden sei, würden für die Jahre 2007 bis 2010 keine Wiederaufnahmsgründe vorliegen. Die aufgrund der Außenprüfung geänderten Bescheide würden in der Bescheidbegründung auf die Niederschrift verweisen, in welcher jedoch nicht dargestellt werde, welcher Sachverhalt neu hervorgekommen sei. Aus diesem Grund sei betreffend die bereits veranlagten Jahre 2007 bis 2010 keine Sachentscheidung zu treffen gewesen.

Auch in den am ergangenen Bescheiden werde nicht dargelegt, welcher Sachverhalt neu hervorgekommen sei. Nach ständiger Rechtsprechung stellten neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung aber keinen Wiederaufnahmegrund dar.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wies das Finanzamt darauf hin, dass der abgabenfestsetzenden Stelle bei Erlassung der Einkommensteuererstbescheide 2007 bis 2010 die tatsächliche Höhe des Anteiles am Kaufpreis für die Liegenschaft in PLZ Ort, GrSt-Adresse, der auf Grund und Boden sowie Gebäude entfällt, nicht bekannt gewesen sei. Erst im Zuge der Betriebsprüfung und des anschließenden Berufungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass der vom Abgabepflichtigen ausgeschiedene Grundanteil von diesem zu niedrig angenommen worden sei. Erst mit Hilfe der Methode der Aufteilung von Grund und Boden und Gebäude nach den tatsächlichen Sachwertverhältnissen im Zeitpunkt der Anschaffung habe der sachgerechte Anteil des Grund und Boden bzw des Gebäudes an den Anschaffungskosten festgestellt werden können. Wobei auch die entscheidungsrelevanten Fakten – nämlich Gebäude- und Grundwert zum Zeitpunkt der Anschaffung – erst im Zuge der Betriebsprüfung und des Berufungsverfahrens ermittelt hätten werden müssen. Dem Vorbringen, dass es sich bei der Aufteilung des Anschaffungskosten auf Grund und Boden und Gebäude und somit der Feststellung der sachgerechten Höhe der AfA-Basis um eine rechtliche Beurteilung handeln würde, könne nicht gefolgt werden.

Am beantragte der Bf die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass zu untersuchen sei, was die Feststellung der sachgerechten Wertverhältnisse zwischen Grund und Boden sowie Gebäude im System des § 303 BAO darstelle. In Frage kämen zum einen „neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel“ und zum anderen „rechtliche Würdigung".

Im Zuge einer Akteneinsicht habe sich herausgestellt, dass bei Beginn der Vermietung ein Fragebogen ausgefüllt worden sei. Aus diesem gehe deutlich hervor, dass vom Gesamtanschaffungspreis in Höhe von 360.944,03 Euro der laut Richtlinien (EStR 2000 Rz 6447) übliche Grundanteil von 20% ausgeschieden worden sei. Außerdem seien mit diesem Fragebogen der Kaufvertrag, der Kreditvertrag und sämtliche damaligen Mietverträge übermittelt worden. Dem Finanzamt seien somit sämtliche für die Ermittlung des Grundanteils relevanten Umstände immer schon bekannt gewesen, vor allem die Lage und die Grundstücksgröße. Diesbezüglich handle es sich also definitiv nicht um neu hervorgekommene Tatsachen, da diese bereits aktenkundig gewesen seien. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei auch von Anfang an auf die sehr gute Lage anvisiert und sogar behauptet worden, dass der Gebäudewert im Verhältnis zum Grundwert vernachlässigbar sei. Sämtliche Informationen diesbezüglich seien dem Finanzamt aber seit Beginn der Vermietung vorgelegen, sodass darin jedenfalls keine neu hervorgekommene Tatsache erblickt werden könne.

Da es sich bei der Höhe des Grundanteils weder um eine „neu hervorgekommene" noch eine „Tatsache“ handle, bliebe noch die Möglichkeit des neu hervorgekommenen Beweises. Letztlich sei im Verfahren eine Bewertung vorgenommen worden, am ehesten vergleichbar mit einem Sachverständigengutachten. Ein solches Gutachten sei (vom Bf) aus Kostengründen nicht eingeholt worden. Die Bewertung erfolgte aus diesem Grund im Rahmen des Verfahrens mittels Methode des Sachwertverhältnisses. Bei der Beurteilung, ob ein nach abgeschlossenem Verfahren erstattetes Sachverständigengutachten ein Wiederaufnahmsgrund sein könne, sei zwischen der sachverständigen Tatsachenfeststellung (Befundaufnahme) und den sachverständigen Schlussfolgerungen (Gutachten ieS) zu unterscheiden (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 303 E 55 mwN).

Tatsache sei, dass die Liegenschaft mit einer Grundstücksgröße von 1.209 m2 in der GrSt-Adresse gelegen sei und eine Wohnnutzfläche von 295,12 m2 sowie eine Kellerfläche von 86,72 m2 aufweise. Anhand dieser Tatsachen sei analog eines Sachverständigen eine Bewertung vorgenommen worden. Vergleichbar mit dem Aufbau eines Sachverständigengutachtens in Gutsbestand, Befund (Lage, Grundstücksform, Flächenwidmung, umliegende Bebauung, baulicher Zustand, bebaute Fläche) und Bewertung (Bodenwert, Bauzeitwert, Sachwert und Verkehrswert) ließe sich auch dieser Fall betrachten. Gutsbestand und Befund stellen demnach die Tatsachen (wie oben angeführt: Lage, Größe, etc) dar. Die Bewertung sei jedoch die "sachverständige Schlussfolgerung" und diese stelle eben keinen Wiederaufnahmsgrund dar. Wiederaufnahmsgründe müssten im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existent, aber neu hervorgekommen sein. Es dürfe sich eben nicht um „nova producta” handeln.

Dem zur Wiederaufnahme des Verfahrens (Kapitel 1.5) ließe sich auch entnehmen, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung eine nachträgliche Aktivierung definitiv als rechtliche Beurteilung des Sachverhalts betrachte. Analog dazu handle es sich bei der Aufteilung in Grund und Gebäude um die Feststellung der AfA-Bemessungsgrundlage, also letztlich darum, welcher Betrag zu aktivieren sei. Dabei handle es sich um die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde am zur Entscheidung vor und brachte ergänzend vor, dass im Zuge der Betriebsprüfung erstmalig Unterlagen (Pläne des Mietobjekts sowie eine Nutzwertaufstellung) vorgelegt worden seien, die es überhaupt erst ermöglichten hätten, eine sachgerechte Aufteilung der Anschaffungskosten der Liegenschaft in Ort, GrSt-Adresse, auf Grund und Boden und Gebäude in nachvollziehbarer Weise zu berechnen. In der Folge sei an Hand dieser Aufteilung die bisher geltend gemachte AfA zu korrigieren gewesen. Da somit bisher die entscheidungsrelevanten Unterlagen nicht offengelegt worden seien, sei die strittige Wiederaufnahme zu Recht erfolgt, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt werde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der Bf hat die Liegenschaft in PLZ Ort, GrSt-Adresse, im Jahr 2004 um einen Kaufpreis iHv 330.000 Euro erworben. In den Jahren 2004 bis 2009 wurden in diesem Gebäude mehrere Wohnungen vermietet. Anschließend wurde das Objekt umgebaut und vom Bf in einem größeren Ausmaß privat genutzt. In weiterer Folge wurde nur noch ein Geschäftslokal vermietet.

Von den Gesamtanschaffungskosten iHv 360.944,03 Euro wurde ursprünglich ein Grundanteil von 20% iHv 72.188,06 Euro ausgeschieden und so die AfA-Bemessungsgrundlage iHv 288.755,22 ermittelt. Die jährliche AfA wurde unter Zugrundelegung einer Restnutzungsdauer von 50 Jahren mit 2%, dh mit 5.775,12 Euro, ermittelt. Diese Berechnungsunterlagen waren dem Finanzamt laut vorliegendem Fragebogen seit Juni 2005 bekannt. Sie sind Teil des sogenannten Dauerakts.

In den Jahren 2007 bis 2009 wurde eine jährliche AfA iHv von 2% der Bemessungsgrundlage, somit 5.775,10 Euro p.a., in den Jahren 2010 und 2011 ein reduzierter AfA-Betrag iHv 2.772,05 p.a. steuerlich geltend gemacht.

Den Steuerklärungen samt Beilagen der streitgegenständlichen Jahre kann zwar die geltend gemachte Abschreibung für Abnutzung (AfA) betragsmäßig entnommen werden, nicht aber die AfA-Bemessungsgrundlage und der angewendete AfA-Satz.    

Im Zuge der Nachschau wurden dem Finanzamt erstmals Pläne und eine Nutzflächenaufstellung des Mietobjekts vorgelegt.

Beweiswürdigung

Die unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten, den elektronischen Steuerakt sowie die Ausführungen des Bf in den verschiedenen Eingaben bzw der belangten Behörde in der Niederschrift und den Bescheiden samt Begründungen.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Spruchpunkt I. – Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010

§ 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl I 2013/14 lautet:

„Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders
entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.“

Gemäß § 303 BAO ist die Wiederaufnahme eines Verfahrens nur möglich, wenn einer der drei Wiederaufnahmstatbestände erfüllt ist. Bei diesen drei
Wiederaufnahmstatbeständen handelt es sich um den Erschleichungstatbestand, den
Neuerungstatbestand und den Vorfragentatbestand. Im Spruch eines die Wiederaufnahme eines Verfahrens verfügenden Bescheides ist der Wiederaufnahmstatbestand zu nennen, dieser ist sohin Spruchbestandteil.

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt beide Wiederaufnahmen auf den Neuerungstatbestand gestützt. Sowohl die Begründung der Wiederaufnahmsbescheide vom als auch jene der im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide vom verweisen in standardisierten Textbausteinen auf diesen Tatbestand („Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte […], weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die […]“).

In den zusätzlichen Bescheidbegründungen zu den angefochtenen Bescheiden vom hat die belangte Behörde weiters ausgeführt, dass die genaue Höhe des Anteils an Grund und Boden bzw Gebäude aus der Aktenlage bisher nicht ermittelbar war. Betreffend das Jahr 2010 wurde zusätzlich der Umbau sowie die teilweise private Nutzung des Gebäudes angeführt.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer
entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum
Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Zu diesen Tatsachen zählen zB auch für die Bewertung von Wirtschaftsgütern maßgebende Umstände (Ritz, BAO6, § 303 Tz 21, 22). Keine Wiederaufnahmsgründe (keine Tatsachen) sind hingegen neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen. Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (Ritz, BAO6, § 303, Tz 23, 24 mit Judikaturnachweisen). Es ist somit entscheidend, ob sich die Behörde beim damaligen Informationsstand ein klares Bild vom tatsächlichen Sachverhalt verschaffen konnte, ohne hiezu noch irgendwelche zusätzlichen Erhebungen durchführen zu müssen (Stoll, BAO, 2933). Soll eine Tatsache als neu hervorgekommen und damit als Wiederaufnahmsgrund gelten können, muss aktenmäßig erkennbar sein, dass der Behörde nachträglich tatsächliche Umstände bekannt wurden, von denen sie nicht schon zuvor Kenntnis hatte. Das Erfordernis der Aktenkundigkeit ist bei Feststellungen der Organe der Betriebsprüfung in ihren Berichten und Arbeitsbögen erfüllt (Stoll, BAO, 2932).

In den Bescheidbegründungen vom sowie der Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde aus, dass sich erst im Zuge der Betriebsprüfung (richtig Nachschau) und des anschließenden Berufungsverfahrens herausgestellt habe, dass der vom Abgabepflichtigen ausgeschiedene Grundanteil von diesem zu niedrig angenommen worden sei. Erst mit Hilfe der Methode der Aufteilung von Grund und Boden und Gebäude nach den tatsächlichen Sachwertverhältnissen im Zeitpunkt der Anschaffung habe der sachgerechte Anteil des Grund und Boden bzw des Gebäudes an den Anschaffungskosten festgestellt werden können. Wobei auch die entscheidungsrelevanten Fakten – nämlich Gebäude- und Grundwert zum Zeitpunkt der Anschaffung – erst im Zuge der Betriebsprüfung und des Berufungsverfahrens ermittelt werden mussten.

Im Zuge der Nachschau wurde somit festgestellt, dass es für den Wertansatz für Grund und Boden mit 20% der Gesamtanschaffungskosten keine sachliche Grundlage gab, der Wertansatz also im Widerspruch zum tatsächlichen Sachverhalt gewählt worden ist.

Weiters wurde erst im Zuge der Prüfung festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Liegenschaftskaufs im Jahr 2004 kein Gutachten zur Bewertung des Grund und Boden- bzw Gebäudeanteils vorgelegen ist. Bei der Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden bzw Gebäude handelt es sich um eine Tatsache im Sinne des § 303 BAO (vgl ).

Zu der in der Beschwerde vom und dem Vorlageantrag vom geäußerten Ansicht des Bf, dass die Ermittlung des auszuscheidenden Grund und Boden-Anteils die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts darstelle und niemals eine Tatsache sein könne und damit keinen Wiederaufnahmsgrund darstelle, ist folgendes festzuhalten:

Im gegenständlichen Fall waren dem Finanzamt aufgrund der Angaben des Bf im Fragenbogen anlässlich des Beginn der Vermietungstätigkeit der Kaufpreis der Liegenschaft, die Gesamtanschaffungskosten, die Höhe des im Schätzungswege aus der Bemessungsgrundlage ausgeschiedenen Grundanteils von 20% sowie die zugrunde gelegte Restnutzungsdauer und damit die Höhe des AfA-Satzes bekannt. In den Steuererklärungen der streitgegenständlichen Jahre wurden vom Bf lediglich die jeweiligen AfA-Beträge bekanntgegeben.   

Für die belangte Behörde war daher aus dem sognannten Dauerakt nur erkennbar, dass der Grundanteil geschätzt worden war. Wie das Schätzungsergebnis zu Beginn der Vermietungstätigkeit ermittelt worden ist und ob seinerzeit gegebenenfalls Gründe oder Sachverhaltselemente für eine höhere Schätzung des Grundanteils vorlagen, war dem Finanzamt hingegen nicht bekannt. Diese konnten nur durch weitere Erhebungen der belangten Behörde festgestellt werden.

Bei einer bebauten Liegenschaft ist das Gebäude abnutzbares Anlagevermögen, nicht abnutzbar ist hingegen der Grund und Boden. Wird die AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vom gemeinen Wert oder von den fiktiven Anschaffungskosten bemessen, ist der auf Grund und Boden entfallende Teil aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Nach der Judikatur des Vewaltungsgerichthofes ist zur Aufteilung der Anschaffungskosten eines bebauten Grundstücks – ausgehend vom Verkehrswert der gesamten Liegenschaft – jeweils der Verkehrswert des bloßen Grund und
Bodens einerseits und des Gebäudes andererseits zu schätzen und der Kaufpreis im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen (Methode der Sachwertverhältnisse; bspw ; , 2012/15/0033; , Ro 2014/13/0008).

Nach den Einkommensteuerrichtlinien erfolgt bis zur Veranlagung 2015 bei Grundstücken, bei denen für das Gebäude ein AfA-Satz von 1,5% bzw. 2% angesetzt wird, der Ansatz für den ausgeschiedenen Anteil für Grund und Boden nach den allgemeinen Erfahrungen der Finanzverwaltung grundsätzlich mit 20%. Ergeben sich jedoch im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte dafür, dass eine Schätzung in diesem Verhältnis zu einem nicht sachgerechten Ergebnis führt, ist eine andere Aufteilung der Anschaffungskosten nicht ausgeschlossen (EStR 2000, Rz 6447).

Im gegenständlichen Fall gab ergaben sich für das Finanzamt zu Beginn der Vermietungstätigkeit keine Anhaltspunkte dafür, um ohne nähere Prüfung vom erwähnten Durchschnittssatz abweichen. Dafür bedurfte es einer späteren Überprüfung der sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen und damit weiterer Ermittlungen.

Der Einwand in der Berufung, es wäre im gegenständlichen Fall lediglich eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes erfolgt, die eine Wiederaufnahme der Verfahren nicht rechtfertige, ist unzutreffend. Zwar dient eine Wiederaufnahme nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (Ritz, BAO6, § 303 Tz 24 unter Hinweis auf ). Zum einen setzt dies aber voraus, dass der Sachverhalt der belangten Behörde den tatsächlichen Verhältnissen (im gegenständlichen Fall: Größe des Grundstücks, Alter und Renovierungsbedürftigkeit des Gebäudes, Vorschriften des Denkmalschutzes etc) entsprechend bekannt war. Insbesondere ist aber die Frage, welchen Wert ein Grundstück (im gegenständlichen Fall: der Grund und Boden des bebauten Grundstücks) hat, keine Rechtsfrage, sondern eine Sachverhaltsfrage.

Insgesamt gesehen lagen daher die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 303 BAO für die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2010 grundsätzlich vor.

Im gegenständlichen Fall ist aber zu beachten, dass für die Einkommensteuer 2007 bis 2010 mit den Bescheiden vom bereits einmal die Wiederaufnahme der Verfahren erfolgt ist.

Aus der Begründung der Wiederaufnahmsbescheide vom geht hervor, dass die Wiederaufnahmen der Verfahren aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung (gemeint Nachschau), die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind, erfolgt sind und dass Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die in den abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis der Verfahren im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt hatte. Das Finanzamt hat sich somit auf den Neuerungstatbestand gestützt.

In der Niederschrift vom über die Nachschau gemäß § 144 BAO, die aufgrund der Verweisung in der Begründung einen Bestandteil der Wiederaufnahmsbescheide vom bildet, wurde der Neuerungstatbestand nicht explizit angesprochen. In den Tz. 2 („AfA“) und Tz. 3 („Privatanteil“) wurde aber ausgeführt, dass im Zuge der Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2010 der Anteil für Grund und Boden und für das Jahr 2010 der Privatanteil neu bzw abweichend ermittelt worden sind.  

Die Wiederaufnahmsbescheide vom wurden mit der Berufungsvorentscheidung vom mit der Begründung, dass sie mangelhaft begründet waren (in der Niederschrift wurde nicht dargestellt, welcher Sachverhalt neu hervorgekommen ist), aufgehoben. 

Mit den angefochtenen Bescheiden vom wurden die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2010 erneut wiederaufgenommen.

Nun ist es zwar grundsätzlich zulässig, dass nach der Aufhebung eines Wiederaufnahmsbescheides vom Finanzamt neuerlich eine Wiederaufnahme verfügt wird. Allerdings darf die neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens nur aus anderen Gründen verfügt werden als jenen, auf die sich die erste Wiederaufnahme gestützt hatte.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl ) gilt der aus § 68 Abs. 1 AVG ableitbare Grundsatz, dass über ein und dieselbe Verwaltungssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist („ne bis in idem“), auch im Abgabenverfahren (so auch ). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit Bescheid unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der „res iudicata“ entgegen (). Verletzt die Behörde den Grundsatz der Unwiederholbarkeit, indem sie infolge eines Anbringens (Ansuchens) oder von Amts wegen ein Verfahren in einer entschiedenen Sache unzulässig einleitet (), so belastet sie nach herrschender Judikatur den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts (). Ein hervorgekommenes Prozesshindernis ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ().

Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches gebildet hat. Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl ).

Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass zu prüfen ist, ob sich die Wiederaufnahmsbescheide vom und auf denselben Tatsachenkomplex stützen.

In beiden Wiederaufnahmsverfahren stellen die Feststellungen im Rahmen der Nachschau – die geänderte AfA-Bemessungsgrundlage und der erhöhte Privatanteil iZm mit den geänderten Mietverhältnissen - die neu hervorgekommenen Tatsachen dar. Dies wird von der belangten Behörde mehrfach, zuletzt im Vorlagebericht vom , betont, wonach (bereits) im Zuge der Betriebsprüfung (richtig Nachschau) erstmalig Unterlagen (Pläne des Mietobjektes sowie eine Nutzwertaufstellung) vorgelegt wurden, die es ermöglichten, eine sachgerechte Aufteilung der Anschaffungskosten der Liegenschaft auf Grund und Boden bzw Gebäude zu berechnen.

Es ist aber rechtswidrig, bereits im vorangegangenen Verfahren herangezogene Wiederaufnahmsgründe neuerlich heranzuziehen. Das kommt einer neuerlichen bescheidmäßigen Absprache in einer bereits entschiedenen Sache ("res iudicata") gleich und verstößt gegen den allgemeinen Grundsatz „ne bis in idem“ (vgl -I/09 unter Verweis auf ). Das Finanzamt stützte die neuerliche Wiederaufnahme der Verfahren mit den Bescheiden vom auf dieselben Tatsachen, die das Finanzamt bereits in den Wiederaufnahmsbescheiden vom herangezogen hatte.

Im Übrigen kann für das gegenständliche Verfahren dahingestellt bleiben, ob die vom Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung vom als mangelhaft beurteilte Begründung der Wiederaufnahmsbescheide vom mit eben dieser Berufungsvorentscheidung hätte ergänzt bzw konkretisiert werden können. Für die Beurteilung der (Un-)Zulässigkeit der neuerlichen Wiederaufnahmsbescheiden vom wegen „res iudicata“ bzw „ne bis in idem“ ist diese Frage nicht wesentlich.

„Identität der Sache“ wäre im vorliegenden Fall nur dann nicht gegeben gewesen, wenn in den Wiederaufnahmsbescheiden vom entweder überhaupt keine Gründe genannt worden wären oder diesen Bescheiden nicht einmal ansatzweise entnommen hätte werden können, dass das Finanzamt bei der Verfügung der Wiederaufnahme vom Hervorkommen neuer Tatsachen ausgegangen ist (vgl ; , 2006/15/0367). Die Bescheide vom verweisen aber auf die Niederschrift, die unter Tz. 2 und 3 die Gründe für die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren – zwar nicht explizit als solcher bezeichnet aber dennoch erkennbar – ausweist.

Die angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide waren daher aufzuheben.

Spruchpunkt II. – Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010

Gemäß § 307 Abs. 3 BAO idF BGBl I 2009/20 tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

Durch die Aufhebung der Wiederaufnahmsbescheide scheiden die neuen Sachbescheids ex lege aus dem Rechtsbestand aus (vgl /01222; , 2004/14/0108) und die alten Sachbescheide leben wieder auf (zB , 0017; , 2009/15/0170).

Der Beschwerde wurde insoweit entsprochen, als dass die die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide aufgehoben wurden. Die gegen die Sachbescheide gerichtete Beschwerde war somit gemäß §§ 261 Abs. 2 iVm 278 BAO als gegenstandslos zu erklären.

Spruchpunkt III. – Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2007 bis 2010

§ 205 BAO idF BGBl I 2013/14 lautet:

"(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Nachforderungszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen,

a) als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen oder

b) als ein Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf dem Abgabenkonto bestanden hat.“

Nach dem Normzweck des § 205 BAO sollen Anspruchszinsen die Zinsvorteile bzw Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben.

Die Bestreitung der Anspruchszinsen mit der vorliegenden Beschwerde erfolgte lediglich aus dem Umstand, dass die zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 angefochten wurden.

Anspruchszinsenbescheide sind aber an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden. Sie setzen nicht die materielle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides – wohl aber einen solchen Bescheid an sich – voraus. Wird der Stammabgabenbescheid nachträglich abgeändert oder  aufgehoben, so wird diesem Umstand mit der Erlassung eines neuen Anspruchszinsenbescheides Rechnung getragen. Es haben daher von Amts wegen weitere Zinsenbescheide zu ergehen, ohne dass eine Abänderung der ursprünglichen Zinsenbescheides zu erfolgen hat (; Ritz, BAO6, § 205 Tz 35).

Die Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 war daher als unbegründet abzuweisen.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hinsichtlich Spruchpunkt I. ist die entscheidungserhebliche Frage, ob und unter welchen Umständen das Prozesshindernis einer "res iudicata" einer neuerlichen Wiederaufnahme entgegensteht, durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt. Hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102218.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at