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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.09.2019, RV/2100462/2013

Einhebungsverjährung - Unterbrechungshandlungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Franz Glashüttner in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom , betreffend Pfändung einer Geldforderung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid vom  über die Pfändung einer Geldforderung wurden die beschränkt pfändbaren Forderungen des Beschwerdeführers (Bf.) aus einem Arbeitsverhältnis oder sonstiger Bezüge im Sinne des § 290a Exekutionsordnung und § 65 AbgEO gegenüber dem Arbeitgeber gepfändet.

Der Pfändungsbetrag setzte sich aus dem damals vollstreckbaren Rückstand in Höhe von 4.586,31 Euro plus Nebengebühren in Höhe von 48,58 Euro zusammen (Summe=5.634,89 Euro).

Im dagegen fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel brachte der Bf. vor, dass die im Wesentlichen bestehende Abgabenschuld i.H.v. Euro 4.586,31 verjährt sei.

Ursächlich habe das hiesige Finanzamt eine aus früherer Selbständigkeit bestehende Abgabenschuld trotz Verjährung übernommen, da es das Finanzamt zwischen 2003 und 2010 unterlassen habe dem Abgabenschuldner gegenüber nach außen erkennbare Amtshandlungen - zur Durchsetzung des Anspruches - zu setzen.

In rechtlicher Hinsicht folge gemäß § 238 Abs. 1 BAO:

(1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. 5 209a gilt sinngemäß.

Es werde die Aufhebung des Bescheides vom einschließlich der Berichtigung des steuerlichen Rückstandes beantragt.

In der abweisenden BVE wurde vom Finanzamt dargelegt, dass von 2003 bis dato laufend Abfragen und Erhebungen durchgeführt worden seien.

Unter anderem dürfe auf die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom und und das Vermögensverzeichnis vom verwiesen werden.

Des Weiteren sei eine Berufungsvorentscheidung am mit Rückschein zugestellt worden.

Sozialversicherungsabfragen und Zentralmelderegisterabfragen seíen 2003, 2005, 2008‚ 2009 und 2013 erfolgt. Diese Abfragen stellten jeweils Unterbrechenshandlungen dar, weswegen die Behauptung, dass Verjährung eingetreten sei, ins Leere gehe.

Im Vorlageantrag wird dagegen wörtlich vorgebracht:

"Vom Finanzamt wird eine Abgabenschuld iHv € 4.586,31 behauptet. Über diese Abgabenschuld liegt kein originaler Bescheid vor, hinsichtlich einer endgültigen Festsetzung iSd § 200 Abs. 2 BAO, so dass sie auch vom Abgabenschuldner nur angenommen werden kann, Grundsätzlich kann die Abgabenschuld nur bis Ende 2002 entstanden sein (Ende der Gewerbeausübung). Die eingewendete Verjährung beginnt somit mit Ablauf des Jahres 2002.

§ 209 Abs. 1 BAO regelt die Verlängerung der in § 207 BAO normierten Verjährung des Rechtes, eine Abgabe festzusetzen. Aus diesem systematischen Zusammenhang heraus sind die Tatbestandsmerkmale „nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches" dahingehend auszulegen, dass es sich hiebei nur um solche Amtshandlungen handelt, die auf die Geltendmachung des Abgabenanspruches durch Bemessung oder Feststellung der Abgabe gerichtet sind, nicht jedoch darüber hinausgehend auf die Geltendmachung durch Hereinbringung des Abgabenanspruches (VwGH E2007/16/0014).

Die Meinung der Behörde, beliebige „Abfragen und Erhebungen" würden eine Unterbrechung der Verjährung bedingen, wird daher nicht geteilt. Denn eine Unterbrechungshandlung setzt voraus, dass die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise etwas zur Feststellung des Steueranspruches unternimmt (VwGH E2006/15/0046; E2010/17/0068). Zu den Amtshandlungen, welche die Verjährungsfrist verlängern, gehört beispielsweise die Erlassung von erstinstanzlichen Abgabenbescheiden und Berufungsentscheidungen, und zwar selbst dann, wenn es in der Folge zu einer Aufhebung dieser Bescheide kommt (VwGH E2009/15/0203). Die Amtshandlung muss, um Unterbrechungswirkung zu haben, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein (VwGH E2007/16/0022). So wird die Verjährungsfrist beispielsweise durch erstinstanzliche Bescheide, Berufungsvorentscheidungen, Berufungsentscheidungen und Wiederaufnahmebescheide verlängert (VwGH E2007/16/0014).

Nach § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Auch nach § 238 Abs 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben nur durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen.

Bloße „Abfragen und Erhebungen”, etwa im ZMR, werden jedoch von der Finanzbehörde im eigenen Wirkungsbereich vorgenommen zumal die Behörde selbständig Zugang zu den erforderlichen Registern hat und nicht einmal die Mitwirkung anderer Behörden oder Stellen in Anspruch nehmen muss, können daher schon definitionsgemäß keine Außenwirkung oder Wahrnehmbarkeit nach außen entfalten.

Wenn die Behörde am eine Berufungsvorentscheidung zugestellt hat, wären folglich die nächsten nach außen erkennbaren Schritte - 2010 oder 2011 - ohnedies schon außerhalb der fünf-jährigen Verjährungsfrist gelegen, selbst wenn diese mit Ablauf des Jahres 2004 neu begonnen hatte.

Grundsätzlich ist daher auszuführen, dass neben der in Frage gestellten Höhe der Abgabenschuld die Behörde auch den Einwand der Verjährung nicht entkräften konnte. Der Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist daher berechtigt. Der Berufungsantrag wird aufrechterhalten.

Der Finanzbehörde ist jedoch auch grundsätzlich entgegen zu halten, wesentlich dazu beizutragen, dass eine allfällige Abgabenschuld nicht einmal beglichen werden konnte. Der Abgabenschuldner hatte in den letzten Jahren ohne eigenes Verschulden große Schwierigkeiten, eine Erwerbstätigkeit zu erlangen.

Unmittelbar nach Aufnahme einer solchen, und noch vor dem ersten Bezug, schickte das Finanzamt am unverzüglich einen Pfändungsbescheid und ein Verfügungsverbot an den Arbeitgeber‚ was zur logischen Folge hatte, dass das Arbeitsverhältnis ebenso unverzüglich wieder beendet wurde; was bei jedem Arbeitsgeber der Fall wäre. Wäre das Finanzamt tatsachlich an einer finanziellen Leistungsfähigkeit interessiert, um allfällige Außenstände hereinzubringen, würde es von diesen Zwangsmaßnahmen Abstand nehmen, um dem jeweiligen Schuldner die Erlangung eines Einkommens zu ermöglichen. Der Zwang zur Vereitelung eines Einkommens führt jedoch jede Anspruchsdurchsetzung regelrecht ins Absurde.

Da dem Abgabenschuldner somit offenbar in absehbarer Zeit die Möglichkeit genommen wird, ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen, wäre die Einhebung jeglicher Schuld jedenfalls unbillig. Aus diesem Grund wird gemäß § 236 Abs 1 zusätzlich der ANTRAG gestellt, die allfällige Abgabenschuld zur Ganze durch Abschreibung nachzusehen."

Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes

Strittig ist, ob die vom Finanzamt vorgenommenen Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR) und die weiteren Erhebungen taugliche Unterbrechungshandlungen für die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 2 BAO darstellen.

Für die Unterbrechungswirkung einer Amtshandlung genügt es, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (; ).

Auch nicht notwendige Verwaltungsakte haben verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. , zu § 209 BAO).

Auf die Unterbrechung der Verjährung kann sich die Behörde dann mit Recht berufen, wenn die behauptete Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten und irgendwie nach außen wirksam geworden und wenn ferner diese Unterbrechungshandlung einwandfrei aus den Verwaltungsakten nachweisbar ist ().

Dazu ist festzustellen, dass die ZMR-Abfragen keinen internen Vorgang darstellen, da die Anfragen an eine andere, nicht mit der anfragenden Behörde identen Dienststelle gerichtet waren.

Zwar erfolgen diese Abfragen (wie auch zB beim Grundbuch oder beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger) im Unterschied zu präelektronischen Zeiten nicht mehr im Postweg, werden jedoch im EDV-System der jeweils zuständigen Dienststelle registriert und protokolliert, weshalb es keinen Unterschied machen kann, ob die Anfrage die anfragende Behörde wie früher in Papierform tatsächlich physisch verlässt oder wie heute - durch den technischen Fortschritt gar nicht mehr anders möglich - auf elektronischem Weg.

Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Amtshilfeersuchen, wie an die Meldebehörde (; ) oder das Grundbuchsgericht (vgl. , zu § 209 BAO) verjährungsfristunterbrechend wirken, sind die gegenständlichen Abfragen nach außen in Erscheinung getreten. Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof eine Firmenbuchabfrage  in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0041, als verjährungsunterbrechend angesehen (vgl. auch ).

Zur Durchsetzung des Abgabenanspruches durch die Behörde nach außen hin gesetzte Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO ergeben sich aus der Aktenlage (beispielsweise) bis zum Ergehen des angefochtenen Bescheides vom wie folgt:

- Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabenschuldners vom

- Firmenbuchabfrage vom

- Abfrage der Insolvenzdatei beim BG Landeck vom

- ZMR-Abfragen vom , , , , ,

- Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom

- Vermögensverzeichnis gem. § 31a AbgEO iVm mit § 47 EO

All diese Amtshandlungen waren ausnahmslos darauf gerichtet, eine Durchsetzung des Abgabenanspruches zu erreichen und stellen Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO dar.

Durch Setzung der genannten Unterbrechungshandlungen in den Jahren 2004, 2005 und 2008 bis 2011 begann die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist mit Ablauf dieser Jahre jeweils neu zu laufen, sodass die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten nicht verjähren konnte.

Der Beschwerdeeinwand des Bf., seine diesbezügliche Zahlungsverpflichtung wäre wegen Eintrittes der Einbringungsverjährung gemäß § 238 BAO erloschen, trifft daher nicht zu.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da keiner der im Gesetz genannten Gründe vorliegt, es ist weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch fehlende oder unheinheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung gegeben, ist die Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Anfrage im ZMR stellt eine Unterbrechungshandlung iSd § 238 dar
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100462.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at