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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.09.2019, RV/2100645/2019

Keine Eingabengebühr iZm einem Baubewilligungsverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Helga Christian in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr. 1, betreffend Gebühr und Gebührenerhöhung zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden – ersatzlos – aufgehoben.

Gleichzeitig ergeht der Beschluss, dass das im Vorlageantrag gestellte Begehren die Gemeinde G zu verpflichten, "alle zu Unrecht entrichteten Gebühren samt Zinsen zurückzuerstatten", zurückgewiesen wird.  

Gegen beide Entscheidungen ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Fall hat die Bf. am mit ihrem Ehemann in Geltendmachung ihrer Nachbarschaftsrechte bei der Baubehörde I. Instanz einen schriftlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich einer Baubewilligung zur AZ 11 vom gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Baubehörde vom  als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Berufungsfrist zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgelaufen war.

Gegen diese Entscheidung legten die Bf. und ihr Ehemann am Berufung ein. Mit Bescheid vom wurde dieses Rechtsmittel vom Gemeindevorstand G als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelegt. Mit Erkenntnis vom , GZ 123, wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und die Rechtsansicht der Gemeinde grundsätzlich bestätigt. Im Begründungsteil des Erkenntnisses wurde ua. ausgeführt: "Im konkreten Fall ist der belangten Behörde zunächst darin beizupflichten, dass den nunmehrigen Beschwerdeführern im Bauverfahren Parteistellung zukam und diese auch nicht verloren ging."   

Die Gemeinde nahm hinsichtlich der Anträge auf Wiederaufnahme des Bauverfahrens vom und der Berufung vom  im Sinne des § 34 GebG 1957 einen Befund über die Verkürzung von Gebühren auf und übermittelte diesen samt Beilagen am an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel.

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt daraufhin gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG  2 Eingabegebühren von insgesamt 28,60 Euro und eine Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 1 GebG von 14,30 Euro mit der Begründung fest, dass die Gebühren nicht vorschriftsmäßig entrichtet worden seien.

Gegen diese Vorschreibungen legte die Bf. Beschwerde ein und wurde die Aufhebung der Bescheide und Rückerstattung der in Höhe von 30 Euro eingezahlten Gebühr für die Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht verlangt. Begründet wurde dies damit, dass der Antrag auf Wiederaufnahme in Ausübung der Nachbarrechte gestellt, die Parteistellung von der Gemeinde bzw. dem Landesverwaltungsgericht anerkannt worden sei und die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 GebG 1957 Anwendung auf ihren Sachverhalt finden würde.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom wurde der Beschwerde stattgegeben. Die Bescheide wurden aufgehoben.

Am wurde ein Vorlageantrag gestellt mit der Begründung, dass die Gemeinde G die Vorentscheidung zwar zur Kenntnis nehme, aber kein Interesse an der Lösung der zu Unrecht eingehobenen Gebühren zeige und der Bf. weiterhin in den nächsten Instanzen die Gebühren vorschreibe. Es werde der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge über die zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühren eine rechtlich verbindliche Entscheidung treffen und die Gemeinde Gdazu verpflichten alle zu Unrecht entrichtete Gebühren samt Zinsen zurückzuerstatten.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gegenstände dieses Beschwerdeverfahrens sind die Vorschreibung der Eingabegebühren durch das Finanzamt für zwei Anträge der Bf.: 1.) Antrag auf Wiederaufnahme und die Aufhebung der Baubewilligung AZ 11 und 2.) Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid AZ 12 und die damit verbundene Gebührenerhöhung.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob nach § 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 GebG 1957 zwei gebührenfreie Eingaben vorliegen.

§ 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 normiert eine feste Gebühr von 14,30 Euro für Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen.

Befreiungen von dieser Eingabengebühr sind im Abs. 5 enthalten.

Nach § 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 GebG 1957 sind Einwendungen und Stellungnahmen zur Wahrung der rechtlichen Interessen zu Vorhaben der Errichtung oder Inbetriebnahme von Bauwerken und Anlagen aller Art sowie im Verfahren zur Genehmigung solcher Vorhaben von der Eingabengebühr befreit; dies gilt nicht für Eingaben des Bewilligungswerbers.

Mit Wirksamkeit vom wurde diese Befreiungsbestimmung in das Gebührengesetz eingefügt. Nach dieser Bestimmung sind insbesondere auch Eingaben aller Art von Nachbarn in Bau- und Gewerberechtsverfahren und dgl. gebührenfrei. Voraussetzung für die Gebührenfreiheit ist das Vorliegen rechtlicher Interessen (Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern, Band I, § 14 TP 6 Rz 142).

Wie aus den Bescheiden der Baubehörde und dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom (123) hervorgeht, erfolgten die beschwerdegegenständlichen Eingaben in Ausübung der Nachbarrechte der Bf. und kam ihr im Baubewilligungsverfahren Parteistellung zu. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sind nicht nur die Eingaben und Stellungnahmen der "Antragsgegner" im Bauverfahren gebührenfrei, sondern kommt die Befreiungsbestimmung auch bei einer im Zusammenhang mit einem solchen Verfahren stehenden Berufung zur Anwendung. Für diese Auslegung spricht die Verwendung des Wortes "sowie" in der gesetzlichen Bestimmung (vgl. ).  

Demgemäß sieht das Bundesfinanzgericht - wie schon das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung - die Voraussetzungen für gebührenfreie Eingaben gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 GebG 1957 als erfüllt an, weshalb die Festsetzung nicht zu Recht erfolgte. Der Bescheid über die Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 1 GebG 1957 war ebenfalls aufzuheben, weil er als akzessorische Säumnisfolge das Schicksal der Abgabenvorschreibung teilt.

Hinsichtlich des Begehrens, die Gemeinde G zu verpflichten, alle zu Unrecht entrichteten Gebühren mit Zinsen zu erstatten, ist Folgendes auszuführen:

Feste Gebühren (und um solche handelt es sich zB bei den gegenständlichen Gebühren für die zwei Eingaben bei der Gemeinde), sind nach § 3 Abs. 2 Z 1 GebG 1957 durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomat- oder Kreditkarte oder durch andere bestimmte Zahlungsformen zu entrichten. Nach § 13 Abs. 4 GebG sind sie nicht an die Abgabenbehörde zu entrichten, sondern an die Behörden, bei denen die gebührenpflichtigen Schriften anfallen. Die geleisteten Gebühren werden dann zusammengefasst an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel abgeführt.

Wird eine feste Gebühr nicht im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld oder innerhalb der von der  Behörde eingeräumten Zahlungsfrist bezahlt, wurde die Gebühr nicht vorschriftsmäßig entrichtet und die Behörde hat dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel einen Befund gemäß § 34 Abs. 1 GebG zu übermitteln, das daraufhin zwei Bescheide erlassen kann, zum einen den Gebührenbescheid und zum anderen den Gebührenerhöhungsbescheid. Nach § 9 Abs. 1 GebG ist eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr zu erheben, wenn die feste Gebühr, die nicht vorschriftsmäßig entrichtet wurde, mit Bescheid festgesetzt wurde.

Nach § 241 Abs. 2 BAO wird es einer Partei ermöglicht, dann, wenn sie die feste Gebühr bereits entrichtet hat und Zweifel an der Gebührenpflicht bestehen, einen Rückzahlungsantrag zu stellen. Antragsberechtigt ist auch derjenige, der zu Unrecht eine Abgabe entrichtet hat, ohne Abgabenschuldner oder Haftungspflichtiger zu sein (). Ein solcher Antrag kann bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet wurde (§ 241 Abs. 3 BAO).

Ein Rückzahlungsantrag unterliegt der Entscheidungspflicht, worüber ein Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel als für die Erhebung der Stempel- und Rechtsgebühren zuständige Behörde (§ 19 AVOG) zu ergehen hat. Im Fall einer Stattgabe dieses Antrages ist der Betrag vom Finanzamt (und nicht von der Behörde, bei der die Schrift eingebracht wurde, also von der Gemeinde G) zurückzuerstatten. Angemerkt wird, dass der in der Beschwerde vom gestellte Rückzahlungsantrag über die Beschwerdegebühr von 30 € bereits beim Finanzamt unter der ErfNr. 2 anhängig ist und dort einer Erledigung zuzuführen ist.

Dem Bundesfinanzgericht obliegen dagegen Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (§ 1 BFGG).

Abs. 1 des Artikel 130 B-VG besagt: „Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.“ 

Da im gegenständlichen Fall keine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zum erstmaligen Abspruch über einen Rückzahlungsantrag vorliegt, war das im Vorlageantrag gestellte Begehren, die Gemeinde zur Rückzahlung zu verpflichten, schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, weil sich die rechtliche Beurteilung klar aus der zitierten Gesetzeslage ergibt.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 14 TP 6 Abs. 5 Z 20 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 14 TP 6 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 241 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100645.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at