Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.09.2019, RV/7101352/2019

Aufwendungen für ein Geländer einer rollstuhlbedingten Rampe als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom , betreffend Einkommensteuer 2017 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer bezog im Streitzeitraum Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit und machte im Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 die nunmehr strittigen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung für unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel iHv EUR 16.250,85 geltend.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um eine Aufstellung der Beträge sowie Nachreichung entsprechender Unterlagen. Der belegmäßige Nachweis sowie die Aufstellung der Beträge wurden bereits im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung an die belangte Behörde übermittelt und gingen am bei dieser ein.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer des Jahres 2017 mit EUR -1.804,00 unter Berücksichtigung der beantragten Ausgaben für die außergewöhnliche Belastung (ua die nunmehr strittigen nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen iHv EUR -16.250,85) fest. Diesen Bescheid hob die belangte Behörde am g emäß § 299 BAO auf und setze mit Bescheid vom selben Tag die Einkommensteuer mit EUR 807,00 fest. Dabei anerkannte sie als Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung für unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel nunmehr lediglich einen Betrag iHv EUR -1.736,30; Aufwendungen für ein Terrassen- und Rampengeländer iHv EUR 14.349,55 sowie Aufwendungen für Wartungsarbeiten einer Heizung iHv EUR 165,00 blieben hingegen unberücksichtigt.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom , in welcher der Beschwerdeführer ausführte, dass laut NÖ Bautechnikverordnung 2014, OIB Richtlinie 4 - Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit das Befahren der Rampe ohne Geländer nicht zulässig sei. Die Wartungs- und Säuberungsarbeiten am Ofen könnten nur aufgrund seiner Gehbehinderung und Angewiesenheit auf einen Rollstuhl nicht vom Beschwerdeführer selbst durchgeführt werden.  

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend aus, dass Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, mangels eines verlorenen Aufwandes bzw einer Vermögensminderung grundsätzlich nicht abzugsfähig seien. Zudem mangle es den allgemein aus der Einhaltung der Bauvorschriften resultierenden Ausgaben sowie den Aufwendungen für die jährliche Wartung der Heizungsanlage an der Außergewöhnlichkeit.

Im Vorlageantrag vom führte der Beschwerdeführer ins Treffen, die Aufwendungen für das Gelände seien als "mittelbare Maßnahmen" durch seine Behinderung bedingt und somit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Die Vorlage an das Bundesfinanzgericht, mit welcher die belangte Behörde auf die abweisende Berufungsvorentscheidung verwies, erfolgte am

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer um Übermittlung des betreffenden Wartungsvertrages sowie Fotos zum betreffenden Geländer und um Stellungnahme dazu. Die angeforderten Unterlagen übermittelte der Beschwerdeführer mit E-Mail vom . Zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelte das Bundesfinanzgericht der belangte Behörde mit Beschluss vom die vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen zur Stellungnahme. In der Stellungnahme vom führte die belangte Behörde aus, dass durch die Anschaffung dieses handelsüblichen Geländers zur Errichtung einer den Bauvorschriften des Landes Niederösterreich entsprechenden Absturzsicherung ein Gegenwert geschaffen worden sei, der Falle einer Verwertung des Gebäudes abgegolten werden würde. Zudem könne die Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse Heizungswartungsarbeiten nicht selbst durchführen und müsse sich diesbezüglich eines Wartungsunternehmens bedienen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I (teilweise Stattgabe)

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2017 Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit iHv EUR 25.232,25. Er war zu 100% gehbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen (Behindertenpass). Im Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 machte er unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung iHv insgesamt EUR 16.250,85 geltend, wovon die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid vom die Ausgaben aufgrund eines Wartungsvertrages für eine Pelletheizung iHv EUR 165,00 sowie Ausgaben für ein Rampen- und Terrassengeländer iHv EUR 14.349,55 nicht anerkannte.

A) Wartungsvertrag

Der Beschwerdeführer schloss am mit der Raiffeisen-Lagerhaus Zwettl eGen einen Wartungsvertrag für eine Pelletheizung. Es handelte sich dabei um einen Vordruck, in welchem zwei Varianten der Wartung - nämlich A jährlich oder B alle zwei Jahre - zu jeweils EUR 150,00 durch Ankreuzen auszuwählen waren. Der Beschwerdeführer kreuzte die Variante B ("Wartung alle zwei Jahre ohne kostenlose Behebung aller auftretenden Störungen") an. Die Wartung beinhaltete "Kontrolle der Kesselputzeinrichtung; Reinigung der Schamott-Brennkammer mit Sekundär- und Primärluftführungen, der Zündung, des Gebläses und der Pelletssaugturbine; Wartung und schmieren aller Antriebseinheiten; Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen, des Schieberostes, der Zellradschleuse, der Lambdasonde und aller Dichtungen; Parameter der Steuerung kontrollieren und auf Kundenanforderungen anpassen, Abgasmessung und Überprüfung nach dem Luftreinhaltegesetz". Der Preis für den Wartungsvertrag wurde am auf EUR 165,00 angepasst. Die streitgegenständliche Rechnung vom beglich der Beschwerdeführer am mit Online-Banking.

B) Geländer

Zur Terrasse des Einfamilienhauses des Beschwerdeführers führte ein Stiegenaufgang sowie unmittelbar daneben anschließend eine Rampe, die geeignet war die Terrasse mit einem Rollstuhl zu erreichen. Die Stufen waren auf einer Seite durch die Hausmauer begrenzt und auf der anderen Seite durch die rollstuhlgerechte Rampe. Die Rampe war dabei flacher abfallend als die Stiegen und reichte somit weiter in den Garten hinein als die Siegen. Entsprechend den Bauvorschriften wurde an beiden Seiten der Rampe das betreffende Geländer an der Rampe montiert. Im Zuge dessen wurde zudem das Geländer der gesamten Terrasse erneuert (Fotos). Die Gesamtkosten für das Geländer (Terrasse und Rampe) wurden als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Die geltend gemachten Ausgaben für das Geländer setzten sich aus der Lieferung und Montage eines Geländers zur Absturzsicherung von Personen auf der Rampe sowie zur Absturzsicherung von Personen auf der Terrasse wie folgt zusammen (Schlussrechnung Nr_X vom ):


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Liefern u. montieren von Geländer,
Terasse Modell_1 Höhe 1000mm
Rampe Modell_2, Höhe 700mm
Handlauf Comfort, in Holzdekor S1P1
Ornament RAL 9006
Steher Montage bei Terrasse seitlich
Steher Montage auf Rampe
 
 
Geländer Terrasse
EUR
9.991,00
Geländer Rampe
EUR
4.478,00
- Nachlass
EUR
-3.328,00
 
EUR
11.141,00
- 7% Sondernachlass
EUR
-780
+ Werkzustellung
EUR
99,00
Montage
EUR
1.460,00
 
EUR
11.920,00
10 Stk Zierkugel in Holzoptik
EUR
393,70
- Nachlass
EUR
-111,70
 
EUR
12.202,00
USt
EUR
2.440,40
 
EUR
14.642,40
- 2% Skonto
EUR
-292,85
 
EUR
14.349,55

Die Rechnung Nr_Y vom sah dabei folgende Aufschlüsselung der Kosten für das Geländer der rollstuhlgerechten Rampe vor:


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Liefern u. montieren von
Alu-Geländer Modell Modell_2 auf Rampe
Bestehend aus:
 
 
Säulen (7 Stk)
Seitenmontage (3 Stk)
Unterkonstruktion (4 Stk)
Säulen anpasen (4 Stk)
Modell_2 (9,8 lfm)
Handlauf Comfort (9,8 lfm)
Zierkugeln (7 Stk)
Blende 3,68 lfm
Holzoptik
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
EUR
567,00
222,00
216,00
70,00
1.813,00
392,00
217,00
184,00
1.011,00
- Nachlass
EUR
-1.079,00
+ Werkzustellung
EUR
99,00
Montage in Anpassung Unterkonstruktion und Säulen
EUR
950,00
 
EUR
4.662,00
USt
EUR
932,40
 
EUR
5.594,40
- 2% Skonto
EUR
111,89
 
EUR
5.482,51

Der gesamte Rechnungsbetrag der Schlussrechnung Nr_X vom iHv EUR 14.349,55 wurde mittels Online-Banking in Teilzahlungen im Jahr 2017 beglichen (Auftragsbestätigungen).

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

A) Wartungsvertrag

Da es sich bei dem streitgegenständlichen Wartungsvertrag um einen Vordruck handelte, in dem zwei Auswahlmöglichkeiten des Wartungsumfanges der Heizungsanlage anzukreuzen waren, liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ein verkehrsüblicher Standardvertrag für eine Heizungswartung vor. Ein solcher Wartungsvertrag ist nicht individuell für die Bedürfnisse einer gehbehinderten Person ausgestaltet, sondern kann von jedermann durch Auswahl der entsprechenden Ankreuzmöglichkeiten für die Wartung einer Heizungsanlage abgeschlossen werden. Da in Zusammenhang mit einer Heizungsanlage größere Risiken bestehen, wird erfahrungsgemäß die Wartung einer Heizungsanlage regelmäßig auf einen Fachmann übertragen und von diesem durchgeführt. Dies spiegelt sich auch in dem Umstand der Verwendung von vorgefertigten Vordrucken von Heizungswartungsverträgen wider, die lediglich die Auswahlmöglichkeit von zwei standardisierten Wartungsvarianten vorsehen. Es entspricht daher der Lebenserfahrung, dass Heizungsanlagen regelmäßig ausschließlich durch einen entsprechend fachlich ausgebildeten Professionisten gewartet werden.

B) Geländer

Die rollstuhlgerechte Rampe, deren Errichtungskosten nicht streitgegenständlich sind, ließ der Beschwerdeführer aufgrund seiner Gehbehinderung errichten, um dadurch eine Zufahrtsmöglichkeit mit dem Rollstuhl zur Terrasse seines Einfamilienhauses zu schaffen. Entsprechend der übermittelten Fotos wurde die Stiege zur Terrasse zwar durch einen Teil des Rampengeländers abgesichert, dies bedingt dadurch, dass die Rampe direkt an den Stiegenaufgang der Terrasse anschloss. In den übermittelten Fotos ist jedoch ersichtlich, dass das betreffende Geländer an der zum Stiegenaufgang gelegenen Seite direkt an der Rampe zur vordergründigen Absturzabsicherung von Personen auf der Rampe montiert wurde.

Betreffend die Kosten für das streitgegenständliche Geländer besteht hinsichtlich der Teilrechnung Nr_Y vom (EUR 567,00 + EUR 222,00 + EUR 216,00 + EUR 70,00 + EUR 1.813,00 + EUR 392,00 + EUR 184,00 + EUR 1.011,00 = EUR 4.475,00) und der Schlussrechnung Nr_X vom (EUR 4.478,00)  eine Divergenz iHv EUR 3,00. Da der Rechnungsbetrag der Schlussrechnung beglichen wurde, geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass davon tatsächlich EUR 4.478,00 auf das Geländer der Rampe entfielen. Entsprechend der Schlussrechnung wurde dem Beschwerdeführer ein Rabatt iHv 23% und ein Sonderrabatt iHv 7% gewährt, welche von den auf das Geländer der Rampe entfallenden Kosten in Abzug zu bringen sind. Der Preis der Zierkugeln unterscheidet sich ebenfalls; lt Teilrechnung Nr_Y betrug der Preis für 7 Stk EUR 217,00, hingegen lt Schlussrechnung Nr_X betrug der Preis für 10 Stück EUR 393,70. Das Bundesfinanzgericht geht vom höheren Preis der tatsächlich beglichenen Schlussrechnung und somit von einem Stückpreis iHv EUR 39,37 aus. Entsprechend der Schlussrechnung wurde dem Beschwerdeführer hiefür ein Nachlass von sowohl 23% als auch weiterer 7% gewährt. Nach den vom Beschwerdeführer übermittelten Fotos sind am Geländer der Rampe 6 Zierkugeln montiert. 

Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich folgende auf das Geländer der Rampe entfallende Kostenaufstellung:


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Geländer Rampe
EUR
4.478,00
- Nachlass
EUR
-1.029,94
- Sondernachlass
EUR
-241,36
 
EUR
3.206,70
Werkzustellung
 
99,00
Montage
EUR
950,00
 
EUR
4.255,70
6 Stk Zierkugeln
EUR
236,22
- Nachlass
EUR
-67,06
 
EUR
4.424,86
USt
EUR
884,97
 
EUR
5.309,83
- 2% Skonto
EUR
-106,20
 
 
5.203,63

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

[…]"

Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 lautet auszugsweise wie folgt:

"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[…]

– Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

– Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."

§ 43 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 lautet:

"4. Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung

Das Bauwerk muss derart geplant und ausgeführt sein, dass sich bei seiner Nutzung oder seinem Betrieb keine unannehmbaren Unfallgefahren oder Gefahren einer Beschädigung ergeben, wie Gefahren durch Rutsch-, Sturz- und Aufprallunfälle, Verbrennungen, Stromschläge, Explosionsverletzungen und Einbrüche. Bei der Planung und der Ausführung des Bauwerks müssen insbesondere die Barrierefreiheit und die Nutzung durch Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden."

Nach § 43 Abs. 2 NÖ Bauordnung 2014 sind diese Grundanforderungen an Bauwerke den Regeln der Technik entsprechend zu erfüllen. Diese sind dann erfüllt, wenn die Bestimmungen einer nach Abs. 3 leg cit zu erlassenden Verordnung eingehalten werden.

§ 3 Abs. 1 der NÖ Bautechnikverordnung 2014, LGBl. Nr. 4/2015 enthält in Teil II unter der Überschrift "Bautechnische Anforderungen" einen Verweis wonach den in § 43 Abs. 1 Z 1 bis 6 NÖ BO 2014 festgelegten Grundanforderungen an Bauwerke entsprochen wird, wenn die Anforderungen der Anlagen 1 bis 6 eingehalten werden. Die Anlagen 1 bis 6 stellen die in Niederösterreich gültigen Fassungen der OIB-Richtlinien 1 bis 6 dar.

Die 4. Anlage stellt dabei die „OIB-Richtlinie 4 - Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ in der Fassung der NÖ Bautechnikverordnung 2014 dar. Punkt 4 der OIB-Richtlinie 4 regelt den "Schutz vor Absturzunfällen"; der Unterpunkt 4.1 regelt die Absturzsicherungen.

Punkt 4.1.1 der OIB-Richtlinie 4 - Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit lautet:

"Alle im gewöhnlichen Gebrauch zugänglichen Stellen eines Bauwerkes mit einer Fallhöhe von 60 cm oder mehr, bei denen die Gefahr eines Absturzes besteht, jedenfalls aber ab einer Fallhöhe von 100 cm, sind mit einer Absturzsicherung mit Brust- und Mittelwehr oder mit einer anderen geeigneten Vorrichtung zu sichern. Eine Absturzsicherung ist nicht notwendig, wenn diese dem Verwendungszweck (z.B. bei Laderampen, Schwimmbecken) widerspricht."

A) Wartungsvertrag

Erforderlich für die Abzugsfähigkeit nach § 34 EStG 1988 ist insbesondere das Vorliegen einer Außergewöhnlichkeit iSd Abs. 2 leg cit. Der Beschwerdeführer bringt vor, der Wartungsvertrag sei deshalb geschlossen worden, weil er aufgrund des Rollstuhles nicht in der Lage gewesen sei, den Ofen selbst zu warten, weswegen eine außergewöhnliche Belastung vorliege. Das Bundesfinanzgericht hat in freier Beweiswürdigung festgestellt, dass Heizungswartungen typischerweise von ausgebildeten Professionisten durchgeführt werden und somit von der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse zu tragen sind. Durch die Behinderung des Beschwerdeführers bedingte und über die normale Wartungstätigkeit hinausgehende Aufwendungen erkennt das Bundesfinanzgericht insbesondere in dem Abschluss eines standardisierten Heizungswartungsvertrages nicht (vgl etwa sowie weiterführend Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20, § 34 Tz 30 ff). Damit fehlt es aber dem streitgegenständlichen Wartungsvertrag an der Außergewöhnlichkeit, weswegen eine Abzugsfähigkeit nach § 34 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht kommt.

B) Geländer

Unter Belastungen im Sinn des § 34 EStG 1988 sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn somit bloß eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl zuletzt etwa , mwN).

Dabei ist der Begriff des Gegenwertes nicht so streng zu verstehen, dass eine Art Vermögensbilanz aufzustellen und genau zu prüfen wäre, ob sich Aufwendungen und Gegenwert voll decken. Der Gegenwert muss auch nicht in einem eigenständigen Wirtschaftsgut bestehen; vielmehr führen auch solche Ausgaben zu einer bloßen Vermögensumschichtung, die für ein schon bestehendes Wirtschaftsgut des Steuerpflichtigen aufgewendet werden und dessen Wert erhöhen. Es darf sich allerdings nicht um eine bloß kurzfristige Wertsteigerung des bestehenden Wirtschaftsgutes handeln. Die Wertsteigerung muss auch noch für einen allfälligen Erwerber des Wirtschaftsgutes von Bedeutung sein. Die Frage, ob Herstellungsaufwand oder Erhaltungsaufwand vorliegt, spielt bei der außergewöhnlichen Belastung keine Rolle; maßgebend ist allein die Eignung des Aufwandes, den Wert des Objektes, auf das er getätigt wird, zu erhöhen (vgl sowie weiterführend Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20, § 34 Tz 19).

Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind somit in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Eine andere Beurteilung kann allerdings geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (zB deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (zB Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl ). Eine Wohnung erfährt in der Regel durch eine behindertengerechte Ausgestaltung keine Wertsteigerung (vgl ). Muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass behinderungsbedingte Aufwendungen für die Wohnung bei einer unterstellten Verwertung dieser Wohnung nicht abgegolten werden, dann kann von der Schaffung eines Gegenwertes nicht ausgegangen werden (vgl  VfSlg 16.839 sowie ).

Im Beschwerdefall strittig ist die Abzugsfähigkeit der Kosten für die Errichtung sowohl des Rampen- als auch Terrassengeländers. Nach Ansicht der belangten Behörde stellen diese Aufwendungen lediglich eine Vermögensumschichtung dar, weil durch die Anschaffung eines handelsüblichen Geländers zur Errichtung einer den Bauvorschriften des Landes Niederösterreich entsprechenden Absturzsicherung ein Gegenwert geschaffen worden sei, der im Falle einer Verwertung des Gebäudes abgegolten werden würde. Da es sich bei diesen aus der Einhaltung der Bauvorschriften resultierenden Ausgaben um Aufwendungen handeln würde, die jeden treffen, der Terrassen und Zugänge ab einer gewissen Fallhöhe schafft, liege keine iSd § 34 EStG 1988 geforderte Außergewöhnlichkeit vor.

Das Geländer einer behinderungsbedingt veranlassten, rollstuhlgerechten Rampe, welches auf dieser montiert ist, stellt mit der Rampe selbst ein einheitliches Wirtschaftsgut dar. Ein einheitliches Wirtschaftsgut liegt dann vor, wenn die Bestandteile in einem einheitlichen Nutzungszusammenhang und Funktionszusammenhang stehen (vgl Jakom/Marschner EStG 2019, 4 Rz 68). Der Erwerb der Bestandteile von verschiedenen Käufern und die Ausstellung verschiedener Rechnungen steht der Beurteilung als einheitliches Wirtschaftsgut nicht entgegen (vgl ). Die Frage, ob Aufwendungen zu einem (einheitlichen ) Wirtschaftsgut geführt haben, ist im Zweifel nach der Verkehrsauffassung zu lösen (vgl sowie , 2010/15/0161). Wenn folglich die niederösterreichischen Bauvorschriften die Errichtung eines Geländers für eine Rampe wie im Beschwerdefall als Absturzsicherung als "Grundanforderung an Bauwerke" vorsieht, indiziert dies das Vorliegen eines einheitlichen Wirtschaftsgutes nach der Verkehrsauffassung.

Die Schaffung einer barrierefreien Zugangsmöglichkeit zur Terrasse des Einfamilienhaues war jedenfalls durch die Gehbehinderung des Beschwerdeführers veranlasst. Da der Beschwerdeführer auf den Rollstuhl angewiesen war und somit die Terrasse nur über eine barrierefreie Zugangsmöglichkeit wie die Rampe erreichen konnte, war diese auch erforderlich. Für derartige behinderungsbedingte Mehraufwendungen kann aber der Gegenwertgedanke, der ansonsten bei außergewöhnlichen Belastungen zu beachten ist, nicht greifen: Muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass behinderungsbedingte Aufwendungen bei einer unterstellten Verwertung nicht abgegolten werden, dann kann von der Schaffung eines Gegenwertes nicht ausgegangen werden (vgl nochmals ). Dies trifft auf die Errichtung einer behinderungsbedingt veranlassten Rampe zu. Zwar muss der Gegenwert nicht in einem eigenständigen Wirtschaftsgut bestehen (vgl Jakom/Peyerl EStG 2019, 34 Rz 22), aufgrund des Charakters als einheitliches Wirtschaftsgut kann jedoch für das gegenständliche Geländer der Rampe betreffend die Behinderungsbedingtheit nichts anders gelten. Dass es sich bei der einzelnen Komponente des Geländers als Absturzsicherung der Rampe um ein handelsübliches Modell gehandelt hat, vermag dabei insgesamt, dh in Zusammenschau mit der Rampe auf der es montiert ist, an der Behinderungsbedingtheit nichts zu ändern. Das Geländer der Rampe dient lediglich der Absturzabsicherung entsprechend den niederösterreichischen Bauvorschriften. Insofern kann in einem behinderungsbedingt errichteten Rampengeländer gerade kein handelsüblicher Gebrauchsgegenstand erblickt werden, der für jedermann nutzbar ist. Die Absicherung der Rampe durch das gegenständliche Geländer würde sich auch im Falle eines Verkaufes des Wohnobjektes nur eigeschränkt auf den Verkehrswert auswirken (vgl Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20, § 34 Tz 19/1). Da das Rampengeländer daher nicht geeignet ist den Wert der Rampe bzw in Folge dessen des Wohnobjektes, zu erhöhen waren die in freier Beweiswürdigung festgestellten auf das Rampengeländer entfallenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung iHv EUR 5.203,63 anzuerkennen.

Die Aufwendungen für das Geländer der Terrasse sind davon jedoch zu unterscheiden. Sofern der Beschwerdeführer daher vorbringt, durch die nachträglich errichtete rollstuhlgerechte Rampe hätte sich die Grundform der Terrasse so verändert, dass das bestehende Geländer unbrauchbar geworden sei, weswegen ein neues einheitliches Geländer für die Rollstuhlrampe und Terrasse angekauft worden sei, ist dem zu entgegen dass entsprechend der übermittelten Fotos sowie der Schlussrechnung Nr_X vom gerade kein einheitliches Geländer angeschafft wurde. Vielmehr handelt es sich bei dem Terrassengeländer um das Modell "1" und bei dem Rampengeländer um das davon zu unterscheidende Model "2"; diese Modelle unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Höhe. Für das Bundesfinanzgericht erschließt sich daher nicht, inwiefern die Errichtung der Rampe den Austausch des gesamten Terrassengeländers bedingt haben sollte, wenngleich dem Beschwerdeführer ein Interesse an einem einheitlichen Erscheinungsbild zugebilligt wird. Das Geländer der Terrasse steht mit der behinderungsbedingt errichteten Rampe in keinem Nutzungs-und Funktionszusammenhang. Die Erneuerung des Terrassengeländers stellt auch keine behindertengerechte Gestaltung des Wohnobjektes dar. Die belangte Behörde führt daher zutreffend aus, dass die Erneuerung des Terrassengeländers entsprechend der Gegenwertlehre eine bloße Vermögensumschichtung darstellt und eine außergewöhnliche Belastung nicht vorliegt (vgl Fuchs in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn EStG20, § 34 Tz 18 ff mit Hinweisen auf die Judikatur). Mangels Außergewöhnlichkeit der Belastung waren die für das Terrassengeländer geltend gemachten Aufwendungen daher nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 abzugsfähig.

Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die beschwerdegegenständliche Rechtsfrage zur Außergewöhnlichkeit von Belastungen ist bereits durch die im Erkenntnis näher ausgeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (vgl insbesondere ; , 2008/15/0292 und , 2013/15/0254). Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich (vgl zB ). Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101352.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at