außergewöhnliche Belastung - Zwangsläufigkeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache Bf, abc, vertreten durch RA, xyz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Nachdem die Beschwerdeführerin (Bf) in der Einkommensteuererklärung 2017 außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht hatte, richtete das Finanzamt mit Schriftsatz vom einen Vorhalt an die Bf und ersuchte darin ua. um Vorlage des amtlichen Schriftstücks der Bezirkshauptmannschaft A, aus dem hervorgehe, dass die Bf zum Ersatz der Sozialhilfekosten in Höhe von 37.766,31 Euro verpflichtet gewesen sei.
In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf Folgendes aus:
Die Zahlungsaufforderung sei an ihren Sohn S, geboren am 83, gerichtet worden. Ihr Sohn habe mit Notariatsakt vom den Hälfteanteil am Einfamilienhaus in der abcd, von ihrem mittlerweile verstorbenen Ehegatten mit Schenkungsvertrag übernommen. Die andere Hälfte des Hauses sei unverändert in ihrem Eigentum verblieben. Dieses Einfamilienhaus sei seit 20 Jahren ihr Hauptwohnsitz und ihr einziger Wohnort, sie verfüge über kein weiteres Grundvermögen. Der Verkauf des Hausanteils oder eine andere Verwertung der Schenkung sei für ihren Sohn nicht möglich. Er könne zu ihren Lebzeiten also keinerlei Nutzen aus der Schenkung ziehen. Das Haus sei mit Kredit der Sparkasse B und einem Kredit der Niederösterreichischen Landesregierung für Wohnbauförderung finanziert worden. Damit ihr Sohn den Anteil übernehmen habe können, habe die Landesregierung eine Schuldübernahme- und Haftungserklärung für diese Wohnbauförderung angefordert. Die Vereinbarung sei von ihm unterschrieben und der Niederösterreichischen Landesregierung übermittelt worden. Ihr Sohn habe jedoch selbst hohe Kosten für seine Wohnung gehabt, die Rückzahlung der aliquoten Kreditraten hätten zu einer wesentlichen Einschränkung seiner Lebensführung und Familienplanung geführt. Damit diese Schenkung für ihn nicht zu einer übergroßen Belastung führe, hätten sie bei Vertragsabschluss eine Vereinbarung geschlossen, dass die Bf alle aktuellen und späteren Kosten übernehme. Die Wohnbauförderung und die Kreditraten seien seither in voller Höhe von ihr bezahlt worden. Die Bf habe diese Beträge als Sonderausgaben geltend gemacht und die Zahlungsbelege dem Finanzamt übermittelt, ihre Arbeitnehmerveranlagung sei antragsgemäß durchgeführt worden. Ihr Sohn habe als Sonderausgaben nur die Zahlungen für seine eigene Wohnung beantragt. Die Bf beantrage daher, ihre Übernahme der Zahlungsverpflichtungen auf Grund der Schenkung auch für die Pflegekosten anzuerkennen.
Der Bescheid über den Regressanspruch der Pflegekosten und sämtliche Beilagen zum Schenkungsvertrag wurden der Vorhaltsbeantwortung beigelegt.
Im Einkommensteuerbescheid 2017 vom wurde lediglich außergewöhnlichen Belastungen für Krankheitskosten in Höhe von 1.696,61 Euro ein Selbstbehalt von 1.696,61 Euro gegenübergestellt. Begründend wurde unter Hinweis auf § 34 EStG 1988 und dazu ergangene Judikatur sowie Literatur Folgendes ausgeführt:
Dem Sohn der Bf seien seitens der Bezirkshauptmannschaft A die Kosten der bewilligten Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege seines mittlerweile verstorbenen Vaters unter Verweis auf die entsprechende gesetzliche Grundlage bescheidmäßig vorgeschrieben worden, zumal die Belastung mit den Pflegekosten auf einer vorangegangenen Vermögensübertragung (Hälfteanteil Liegenschaft) fuße, aufgrund derer es dem mittlerweile verstorbenen Pflegling nicht mehr möglich gewesen sei, aus eigenem Vermögen für seine Pflege aufzukommen. Wären die dem Sohn der Bf vorgeschriebenen Pflegekosten (anstatt von der Bf) auch von diesem getragen worden, so stünde der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung bei dem Sohn der Bf die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung entgegen. Dieser Umstand sei der Bf durchaus bewusst gewesen, zumal die Bf in der an die Bezirkshauptmannschaft A gerichteten Stellungnahme auf die Einschränkung der Inanspruchnahme steuerlicher Begünstigungen explizit hingewiesen und deshalb um Änderung der bescheidmäßigen Festsetzung der Zahlungsverpflichtung ersucht habe. Mangels gesetzlicher Grundlage sei dem Begehren der Bf, die Pflegekosten ihr anstatt ihrem Sohn vorzuschreiben, seitens der Bezirkshauptmannschaft nicht entsprochen worden. Zwar sei die Tilgung laut vorgelegter Bestätigung durch die Bf erfolgt, jedoch sei sie hierzu nicht rechtlich verpflichtet gewesen, zumal sie gegenüber ihrem Sohn aufgrund dessen Selbsterhaltungsfähigkeit keine Unterhaltspflicht treffe und nach der Aktenlage auch keine anderen Gründe für eine rechtliche Verpflichtung erkennbar seine (bescheidmäßige Zahlungsvorschreibung liege mangels rechtlicher Grundlage nicht vor).
Im Rahmen des Vorhalteverfahrens habe die Bf gegenüber dem Finanzamt geäußert, dass sie die Zahlung der Pflegekosten an Stelle ihres Sohnes geleistet habe, weil dieser aus verschiedenen Gründen finanziell dazu nicht in der Lage (gewesen) sei. In diesem Zusammenhang sei daher eine moralische bzw. sittliche Verpflichtung der Zahlungsübernahme zu untersuchen: Es bestehe grundsätzlich keine über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende sittliche Verpflichtung zur Tilgung von Schulden eines Angehörigen. Eine solche könnte sich nur aus den besonderen Umständen, die zur Aufnahme der Schuld geführt haben, ergeben. Solche besonderen Umstände seien im gegenständlichen Fall jedoch nicht erkennbar. Der Sohn habe im Zeitpunkt der Liegenschaftsübertragung über eine eigene Wohnung verfügt und sei daher zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse nie auf die geschenkte Liegenschaft angewiesen gewesen. Zur Übernahme der Liegenschaft habe er sich somit aus freien Stücken entschieden. Die Tilgung der Pflegeheimkosten durch die Bf statt durch ihren Sohn habe den Sinn gehabt, eine Liegenschaft im Familienbesitz zu behalten, die ansonsten zur Deckung der Pflegeheimkosten verkauft hätte werden müssen. Dies möge zwar menschlich verständlich sein, könne jedoch nicht die sittliche Verpflichtung der Bf begründen, die gesetzlich von ihrem Sohn zu tragenden Pflegeheimkosten zu tilgen. Gebe es Angehörige, die wie im gegenständlichen Fall rechtlich zur Kostentragung verpflichtet seien, so fehle es bei der Kostentragung durch andere Personen an der Zwangsläufigkeit und es liege keine außergewöhnliche Belastung vor. Aufgrund der Vorrangigkeit der rechtlichen Zahlungsverpflichtung des Sohnes erübrige es sich auf das Bestehen einer sittlichen Verpflichtung der Bf einzugehen.
Mangels Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen (Zwangsläufigkeit sei nicht gegeben) sei von einer steuerlichen Berücksichtigung der geltend gemachten sonstigen außergewöhnlichen Belastungen abzusehen.
Die Bf brachte durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom mit nachstehender Begründung Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 ein:
Die Bf habe dargelegt, dass sie zum Ersatz der Kosten verpflichtet gewesen sei. Darauf sei das Finanzamt gar nicht eingegangen. Die Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 seien gegeben. Die Art der Belastung sei höher als die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Eine unausweichliche Verpflichtung, der man sich aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne, bestehe. Das Finanzamt sei unrichtigerweise davon ausgegangen, dass keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung vorliege. Dies sei unrichtig und durch den Sachverhalt nicht gedeckt. Der zwischenzeitlich verstorbene Ehegatte der Bf habe dem Sohn die Hälfte der Eigentumswohnung Top 14 in der abcd, mit Notariatsakt vom geschenkt. Es handle sich um einen Anteil an einer Wohnungseigentümerpartnerschaft, der gar nicht gesondert belastet und veräußert werden könne. Die Bf sei nach wie vor Eigentümerin des anderen Hälfteanteils dieser Wohnung. Die Anteile seien gemäß § 13 WEG untrennbar verbunden. Die Bf benutze die Wohnung seit vielen Jahren als Hauptwohnsitz. Es sei auch nicht vorgesehen, dass ihr Sohn über seinen Anteil an der Eigentumswohnung vor ihrem Tod verfügen könne, weder rechtlich noch wirtschaftlich. Dies entwerte sein Eigentum und verschaffe ihm von Anfang an keinen unmittelbaren Nutzungs- oder Vermögenswert.
Um die damit verbundenen Nachteile (nur Pflichten und Lasten, jedoch keine Rechte oder Einkommen) abzufedern, habe die Bf mit ihrem Sohn am eine Vereinbarung abgeschlossen, in der in den Punkten II und III Nebenbedingungen der Schenkungen und Verpflichtungserklärungen geregelt seien. Zudem hätten die Bf und ihr Sohn der Tochter mit Vereinbarung vom ein Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie ein Vorkaufsrecht auf ihre Anteile eingeräumt.
Der Sohn könne daher die Wohnung aufgrund des Nutzungsrechtes der Bf gemäß Pkt. II. der Vereinbarung vom nicht nutzen, diese aber aufgrund des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zu Gunsten seiner Schwester auch nicht verwerten. Die Bf könne die Wohnung hingegen aufgrund ihres Nutzungsrechtes ausschließlich nutzen. Dafür habe sie für ihren Sohn sämtliche Belastungen gemäß Pkt. III. dieser Vereinbarung zu übernehmen. Hierzu sei sie vertraglich – also rechtlich – verpflichtet. Aufgrund dieser vertraglichen und damit rechtlichen Verpflichtung gegenüber dem Sohn habe die Bf am Datum2 37.766,31 Euro bezahlt, ein Betrag, der auf Grund des Pflegeregresses für Sozialhilfekosten für den verstorbenen Ehegatten dem Sohn vorgeschrieben worden sei. Der Sohn habe diese Kosten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung zu tragen gehabt. Die Bf sei gemäß Pkt. III der Vereinbarung vom ihm gegenüber zur Kostenübernahme verpflichtet gewesen. Die Verpflichtung sei zwangsläufig erwachsen. Es liege eine rechtliche Verpflichtung zur Ersatzpflicht gegenüber dem Sohn vor und somit eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988.
Zudem sei der Bf die außergewöhnliche Belastung auch aus sittlichen Gründen erwachsen. Ihr Sohn habe die hohe Forderung aus finanziellen Gründen nicht begleichen können. Sie sei daher aus sittlichen Gründen ihrem Sohn gegenüber zur Hilfe verpflichtet. Es liege daher eine ausreichende sittliche Begründung für die außergewöhnliche Belastung vor.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen und begründend unter Hinweis auf Judikatur und Literatur ua. Folgendes ausgeführt:
Im gegenständlichen Fall sei eine Pflichtenkollision betreffend Tragung der Sozialhilfekosten gegeben, zumal sich die gesetzlich vorgesehene Verpflichtung des Sohnes zur Kostentragung (§ 41 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz) mit einer aus einer vertraglichen Vereinbarung resultierenden rechtlichen Verpflichtung der Bf, die aus Anlass der Schenkung anfallenden Kosten zu ersetzen, überschnitten habe. Die Übernahme der Verpflichtung sei auf keine rechtlichen Gründe zurückzuführen, vielmehr habe sich die Bf freiwillig dazu entschlossen ihren Sohn finanziell zu unterstützen.
Betreffend die Übernahme aus sittlichen Gründen sei festzuhalten, dass besondere Umstände nicht vorlägen, zumal der Sohn im Zeitpunkt der Liegenschaftsübertragung über eine eigene Wohnung verfügt habe und daher zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse nie auf die geschenkte Liegenschaft angewiesen gewesen sei. Zur Übernahme der Liegenschaft und der damit im Zusammenhang stehenden Kosten (somit auch der Sozialhilfekosten) habe er sich somit aus freien Stücken entschieden.
Dass aus Anlass der Schenkung derartige Kosten entstehen könnten, sei sowohl der Bf als auch ihrem Sohn durchaus bewusst gewesen, andernfalls wäre gar keine Verpflichtungserklärung abgeschlossen worden. Trotz der Kenntnis über das mögliche Anfallen zukünftiger Aufwendungen habe der Sohn die Schenkung angenommen. Er habe somit bewusst in Kauf genommen, für zukünftige Sozialhilfekosten in Anspruch genommen zu werden, zumal das Gesetz gemäß § 41 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz den Geschenknehmer zum Kostenersatz heranziehe. Diese gesetzliche Verpflichtung zum Kostenersatz könne auch durch eine privatrechtliche Verpflichtungserklärung nicht beseitigt werden und eröffne allenfalls Regressmöglichkeiten zwischen den Parteien der vertraglichen Vereinbarung. Genau aus diesem Grund seien die Sozialhilfekosten dem Geschenknehmer und nicht der Bf seitens der Bezirkshauptmannschaft vorgeschrieben worden.
Da sich der Sohn aus freien Stücken und in Kenntnis über die möglichen Folgekosten bewusst zur Übernahme der Liegenschaft entschieden habe, würden keine sittlichen Gründe vorliegen, die die Bf zur Übernahme der Kosten gezwungen hätte. Vielmehr hätte der Sohn seine finanzielle Situation abwägen und gegebenenfalls die Schenkung ausschlagen müssen. Im Übrigen werde die schlechte finanzielle Situation des Sohnes lediglich behauptet, jedoch nicht nachgewiesen. Die Notwendigkeit einen weiteren Kredit aufzunehmen oder im Falle der Ablehnung durch die Bank vorhandenes Vermögen zu verwerten, bedeute noch keine existenzbedrohende Notlage eines Angehörigen. Im Übrigen sei für die Inanspruchnahme zum Kostenersatz lediglich relevant, ob ein Vermögenswert (Schenkung der Liegenschaft) übertragen worden sei und nicht ob ein aufrechtes Belastungsverbot bestehe.
Die Tilgung der Schuld durch die Bf sei nicht nur aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des Sohnes erfolgt, sondern vielmehr um steuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Diese Absicht sei dem an die Bezirkshauptmannschaft gerichteten Antrag, die Sozialhilfekosten der Bf und nicht deren Sohn vorzuschreiben, wortwörtlich zu entnehmen. Der Bf sei bekannt gewesen, dass ihr Sohn im Falle der Kostentragung keine Möglichkeit habe, die Aufwendungen (bis zum Wert der übertragenen Liegenschaft) steuerlich geltend zu machen.
Die aus der Schenkung resultierenden Kosten habe der Sohn bewusst in Kauf genommen. § 34 EStG 1988 sei nicht zu dem Zweck geschaffen worden, Kosten, die im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung stehen und den übertragenen Vermögenswert nicht übersteigen (bloße Vermögensumschichtung), durch die Ermäßigung der Einkommensteuer anderer Steuersubjekte zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Die Bf brachte letztlich durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte ergänzend Folgendes aus:
Da die Bf die Liegenschaft abcd, zur Gänze als Hauptwohnsitz nutze, sei wirtschaftlich die Übertragung der Liegenschaftshälfte des Ehegatten an den Sohn für diesen so zu werten, als wäre sie der Bf geschenkt worden. In diesem Fall würden die Vereinbarungen nicht auf freiwilliger Basis, sondern auf Grund der schwierigen Situation der Familie und der Verwaltung der Anlage erfolgen. Dringende Entscheidungen in der Wohnungseigentumsanlage würden zweimal jährlich in Versammlungen der Mitglieder durchgeführt werden, wobei für Entscheidungen (Anschaffungen, Instandsetzungen, Beauftragung von Handwerkern) die im Grundbuch eingetragenen WE-Partner nur gemeinsam ein Stimmrecht hätten. Eine Geltendmachung von Stimmrechten wäre nicht möglich gewesen. Eine Aufgabe des Wohnsitzes durch den Ehegatten und damit eine Übertragung der Liegenschaftshälfte der bis dato gemeinsam bewohnten Liegenschaft sei unabdingbar gewesen. Der Ehegatte sei zum Zeitpunkt der Schenkung der Bf gegenüber misstrauisch und aggressiv gestimmt gewesen. Einer Übertragung des Hausanteils an die Bf hätte er nicht zugestimmt. Der Sohn sei unter diesen Umständen mit der Übertragung durch Schenkung an ihn einverstanden gewesen, um die Bf zu unterstützen, jedoch ohne jede Bereicherungsabsicht. Er sei auch nicht bereichert, sondern nur belastet worden. Die vertraglich geregelte Übernahme der künftigen Kosten aus dem Schenkungsvertrag sollte dem Sohn garantieren, dass ihm aus seiner Entscheidung keine Nachteile entstünden. Die Übernahme der Verpflichtung sei daher unter besonderen Umständen, die zur Aufnahme der Schuld geführt hätten, erfolgt. Die Entscheidung zur Übernahme des Grundstückanteils sei durch den Sohn erfolgt, dies aber nicht aus freien Stücken, sondern infolge einer Notsituation der Familie. Welche Kosten wann aus Anlass der Schenkung entstehen könnten, sei weder der Bf noch dem Sohn bewusst gewesen. Wenn der Geschenkgeber nicht geschenkt hätte, hätte er weiterhin alle Reparaturen und Betriebskosten des Geschenkgegenstandes tragen müssen. Diese Belastung werde nun von der Bf auf Grund der Vereinbarung getragen und nicht als außergewöhnliche Belastung angesetzt. Die mit dem Liegenschaftsanteil verbunden Kosten, die die Bf getragen habe, würden eine monatliche Belastung von 1.850,-- Euro ergeben. Die privatrechtliche Vereinbarung umfasse damit nicht nur die Verpflichtung zum Ersatz (die Übernahme) der Sozialhilfekosten, sondern auch sonstige Kosten, die nicht als Sonderausgaben geltend gemacht würden. Die Übernahme der vertraglichen Verpflichtung zur Kostenübernahme durch die Bf sei daher unter den besonderen Umständen erfolgt, die zur Aufnahme der Schuld geführt hätten. Die finanzielle Situation des Sohnes sei unter diesen Umständen gar nicht zu untersuchen, da die außergewöhnliche Belastung nur von ihrem Jahreseinkommen zu betrachten sei.
Mit Bericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
DAZU WIRD ERWOGEN:
1 gesetzliche Grundlage (in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung)
Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Die Belastung ist gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 erster Satz EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
2 Sachverhalt
Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom schenkte und übergab P, der Ehegatte der Bf, dem am 83 geborenen, gemeinsamen Sohn S den Hälfteanteil am Wohnungseigentum an der Wohnung Top 14 der Liegenschaft abcd. Die Bf stimmte als Eigentümerin der Übertragung der zweiten Hälfte laut Punkt Achtens entsprechend der Bestimmung des § 13 Abs. 3 WEG 2002 ausdrücklich zu. Diese Wohnung war und ist der Hauptwohnsitz der Bf.
Für die Eigentümerpartnerschaften gelten gemäß § 13 Abs. 1 WEG 2002, soweit im Folgenden keine besonderen Regelungen getroffen werden, die Bestimmungen des 16. Hauptstücks des Zweiten Teils des ABGB.
Zur Begründung einer Eigentümerpartnerschaft müssen die Partner nach § 13 Abs. 2 WEG 2002 Eigentümer je eines halben Mindestanteils (im Folgenden „Anteil am Mindestanteil“ genannt) sein; ihre Anteile am Mindestanteil dürfen nicht verschieden belastet sein. Das Gleiche gilt, wenn ein Wohnungseigentümer einer anderen Person unter gleichzeitiger Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums den dazu erforderlichen Anteil am Mindestanteil überträgt.
Durch des gemeinsame Wohnungseigentum der Partner werden ihre Anteile am Mindestanteil gemäß § 13 Abs. 3 WEG 2002 so verbunden, dass sie, solange die Eigentümerpartnerschaft besteht, nicht getrennt oder nur gemeinsam beschränkt, belastet oder der Zwangsvollstreckung unterworfen werden dürfen. Die Zwangsvollstreckung auf Grund eines Exekutionstitels, der bloß gegen einen der Partner besteht, ist nur im Weg des mit der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums zu verbindenden Antrags auf Zwangsversteigerung des gesamten Mindestanteils und des damit verbundenen gemeinsamen Wohnungseigentums zulässig. In diesem Exekutionsverfahren ist der Partner, gegen den kein Exekutionstitel besteht, Beteiligter; er kann zur Wahrung seiner Rechte alle Rechtsmittel erheben, wie wenn er selbst Verpflichteter wäre; überdies kann er gegen diese Exekution Widerspruch erheben (§ 37 der Exekutionsordnung), wenn sich die Exekution auf das Wohnungseigentumsobjekt bezieht, das ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Unter der selben Voraussetzung hat ein Partner im Fall eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des anderen Partners das Recht auf Aussonderung von dessen halbem Mindestanteil (§ 44 IO). Jeder der Partner darf seinen Anteil am Mindestanteil nur mit Zustimmung des anderen Partners veräußern.
Nach Abs. 4 leg. cit. haften die Partner für alle Verbindlichkeiten aus ihrem gemeinsamen Wohnungseigentum zur ungeteilten Hand. Sie dürfen über das gemeinsame Wohnungseigentum und die Nutzung des im gemeinsamen Wohnungseigentum stehenden Wohnungseigentumsobjekts nur gemeinsam verfügen.
Die mit ihrem gemeinsamen Wohnungseigentum verbundenen Befugnisse zur Mitwirkung an der Entscheidungsfindung in der Eigentümergemeinschaft (Äußerungs- und Stimmrecht sowie Minderheitenrechte bei der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft) stehen nach § 13 Abs. 5 WEG 2002 den Partnern nur gemeinsam zu.
Der vertragliche Ausschluss einer Klage auf Aufhebung der Eigentümerpartnerschaft (§ 830 ABGB) bedarf gemäß § 13 Abs. 6 WEG 2002 der Schriftform und ist nur für drei Jahre ab Abschluss der jeweiligen Ausschlussvereinbarung rechtswirksam. Ausnahmsweise kann ein solcher Aufhebungsausschluss auch für längere Zeit oder unbefristet vereinbart werden, wenn für einen der Partner eine bloß dreijährige Bindung aus triftigen Gründen, etwa wegen seines hohen Alters, unzumutbar wäre. Eine Ausschlussvereinbarung kann schriftlich beliebig oft wiederholt werden. Sind die Partner Ehegatten und dient ihr Wohnungseigentumsobjekt wenigstens einem von ihnen zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während der Ehe die Aufhebungsklage des anderen unzulässig. Dient das gemeinsame Wohnungseigentumsobjekt einem minderjährigen Partner zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses, so ist während dessen Minderjährigkeit die Aufhebungsklage des anderen zulässig.
In einer ebenfalls am geschlossenen Vereinbarung räumten die Bf und deren Sohn der Tochter der Bf, T, an diesen Liegenschaftsanteilen das Belastungs- und Veräußerungsverbot und das Vorkaufsrecht ein. Die Einräumung erfolgte, da die Bf weiterhin Eigentümerin ihres Hälfteanteils bleibt und nur einer der beiden Geschwister bücherlich einverleibt werden kann. Die gerechte Verwertung soll in der Folge jedoch so geregelt werden, dass kein Geschwisterteil ohne den anderen über den Anteil verfügen kann und nur gemeinsam verfügt werden soll. Beide Geschwisterteile haben sich bereit erklärt, zu den Aufwendungen des WE-Objektes gemeinsam beizutragen.
In einer bereits am zwischen der Bf und dem Sohn der Bf getroffenen „Vereinbarung“ wurde im Hinblick auf die vorgesehene, vorgenannte Schenkung ua. Folgendes festgehalten:
„II. Nebenbedingungen der Schenkung
a.
Nach Durchführung der in I. erwähnten, vorgesehenen Schenkung wird ob den Liegenschaftsanteilen das Vorkaufsrecht für T sowie ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt werden.
b.
Seine Mutter M wird das in I. genannte Wohnungseigentumsobjekt – ein Reihenhaus in einer Wohnhausanlage – so lange sie lebt weiter als den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bewohnen.
S verzichtet auf jedwede Beendigung dieses Nutzungsverhältnisses aus welchem Rechtsgrund auch immer.
c.
S verzichtet weiters darauf, zu Lebzeiten seiner Mutter M das in I. genannte Wohnungseigentumsobjekt – ein Reihenhaus in einer Wohnhausanlage – zu verwerten oder zu belasten.
III. Verpflichtungserklärung
a.
Da S zu Lebzeiten seiner Mutter M das in I. genannte Wohnungseigentumsobjekt ohne Zustimmung seiner Mutter weder veräußern, belasten nutzen oder sonst verwerten kann, ihn aber alle Rechtsfolgen aus der Übertragung und dem Erwerb treffen wird folgendes vereinbart:
b.
Sollte aus Anlass des abzuschließenden Schenkungsvertrages zwischen P und S diesen als Geschenknehmer Rechtsfolgen, welcher Art auch immer, Kosten oder Haftungen treffen, so verpflichtet sich die Mutter, M, ihm diese zu ersetzen.
c.
Diese Regelung dient daher den Interessen der Parteien, das Ungleichgewicht des Beschenkten aus der fehlenden Nutzungsmöglichkeit auszugleichen.“
Laut Beschluss des Bezirksgerichts A als Verlassenschaftsgericht vom war die Verlassenschaft nach dem am Datum1 geborenen und am Datum2 verstorbenen Ehegatten der Bf, P, überschuldet.
Mit Schriftsatz vom brachte die Bezirkshauptmannschaft A dem Sohn der Bf, S, zur Wahrung des Parteiengehörs seine Pflicht zum Ersatz der für den Vater P angefallenen Sozialhilfekosten zur Kenntnis.
Die Bezirkshauptmannschaft A schrieb dem Sohn S mit Bescheid vom , 123, den Ersatz der vom Land Niederösterreich getragenen Kosten der seinem Vater bewilligten Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege für die Zeit von bis in Höhe von 37.766,31 Euro vor. Als Rechtsgrundlage werden § 37 Abs. 1 Z. und § 41 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 angeführt. In der Bescheidbegründung wird ua. auf den Schenkungsvertrag vom hingewiesen und festgehalten, dass der Wert des Geschenkes 124.500,-- Euro beträgt. Des Weiteren wird eine Stellungnahme der Bf vom wiedergegeben, in welcher sie ua. Folgendes ausführte: „Ich stelle den Antrag, die Pflegekosten mir persönlich vorzuschreiben, die Bezahlung des offenen Betrages von € 37.800,00 ist für mich leistbar. Darüber hinaus werde ich in absehbarer Zeit in Pension gehen, bei einer Vorschreibung an mich ist eine steuerliche Absetzung möglich, was auch meine Kosten reduzieren würde und die Zahlung auch mit verminderten Pensionsbezügen besser leistbar wäre. Bei Vorschreibung an SA ist keine steuerliche Absetzung möglich, da die Schenkung als Gegenleistung betrachtet wird.“ Dazu gab das Amt der NÖ Landesregierung laut Bescheidbegründung bekannt, dass eine bescheidmäßige Verpflichtung zum Ersatz der aufgelaufenen Sozialhilfekosten der Bf einer gesetzlichen Grundlage bedarf; eine Verpflichtung zum Kostenersatz der Bf anstelle ihres Sohnes ohne entsprechende Rechtsgrundlage ist hingegen nicht möglich.
Für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben nach § 37 Abs. 1 Z. 5 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 Personen, denen der Hilfeempfänger Vermögen geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat, Ersatz zu leisten.
Hat ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) nach § 41 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 zum Kostenersatz verpflichtet, soweit der Wert des Vermögens das Fünffache des Mindeststandards für eine alleinstehende Person gemäß der NÖ Mindeststandardverordnung, LGBl. 9205/1 übersteigt. Nach Abs. 2 leg. cit. ist die Ersatzpflicht mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) begrenzt.
Einer Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft A vom ist zu entnehmen, dass die Bf die Sozialhilfekosten in Höhe von 37.766,31 Euro am zur Gänze getilgt hat.
Der Sohn der Bf erwarb durch Kaufvertrag vom das Eigentumsrecht an der Wohnung def.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der Bf und den von ihr vorgelegten Unterlagen sowie der Abfrage im Grundbuch und ist insoweit unbedenklich.
3 rechtliche Würdigung
Eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung kommt nur dann in Betracht, wenn sämtliche Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen. Das Fehlen nur einer der im § 34 Abs. 1 EStG 1988 aufgezählten Voraussetzungen schließt den Anspruch auf Steuerermäßigung aus. ().
Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, hat selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann. ().
Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen des Tatbestandselements der Zwangsläufigkeit hinsichtlich der von der Bf als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Zahlung der für die stationäre Pflege ihres Ehegatten P angefallenen und von ihrem gemeinsamen Sohn S laut Bescheid vom zu ersetzenden Sozialhilfekosten in Höhe von 37.766,31 Euro strittig.
Das Tatbestandselement der Zwangsläufigkeit verlangt gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988, dass sich der Steuerpflichtige einer Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Unter tatsächlichen Gründen sind Ereignisse zu verstehen, die unmittelbar den Steuerpflichtigen selbst betreffen. Eine tatsächliche Zwangsläufigkeit liegt vor allem bei elementaren Ereignissen (Naturkatastrophe, Krankheit, Verlust der Existenzgrundlage) vor. (Vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Rz 39).
Rechtliche Gründe sind solche, die dem Steuerpflichtigen eine außergewöhnliche Belastung aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung gegenüber Dritten auferlegen. Rechtliche Gründe können sich (unmittelbar) aus dem Gesetz oder auch aus einem Vertrag, einem Urteil oder einem Verwaltungsakt ergeben. (Vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Rz 41).
Die Erfüllung einer rechtlichen Verbindlichkeit begründet für sich allein noch keine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988. Wenn ein Steuerpflichtiger Verbindlichkeiten erfüllt, geschieht dies vielmehr nur dann zwangsläufig, wenn deren Entstehungsgrund zwangsläufig war, nicht aber dann, wenn die Verbindlichkeit zur Leistung freiwillig eingegangen wurde. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der Zwangsläufigkeit aufweisen. Die rechtliche Verpflichtung darf nicht auf einen freiwilligen Entschluss zurückzuführen sein. Verpflichtungen auf Grund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen können somit für sich allein keine Zwangsläufigkeit begründen. (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, § 34 Rz 17, Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Rz 41, Peyerl in Jakom, EStG 2019, § 34, Rz 43, , , ).
Sittliche Gründe können ebenfalls nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Über rechtliche Verpflichtungen hinausgehende sittliche Verpflichtungen liegen im Rahmen des § 34 EStG 1988 nach ständiger Rechtsprechung nur ausnahmsweise vor und werden nur dann anerkannt, wenn die Übernahme von Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung objektiv geboten ist; es kommt darauf an, dass sich der Steuerpflichtige der Leistung ohne öffentliche Missbilligung nicht entziehen kann. Es reicht nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, wünschenswert, lobenswert oder förderungswürdig erscheint bzw. eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden soll; es muss die Sittenordnung dieses Handeln vielmehr gebieten bzw. fordern. (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 34 Rz 42, Peyerl in Jakom, EStG 2019, Rz 44, Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, § 34 Abs. 2 bis 5, Rz 20, ).
Die Bf verweist in der Beschwerde auf das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Bezahlung der für die stationäre Pflege ihres Ehegatten P angefallenen und ihrem Sohn S bescheidmäßig vorgeschriebenen Sozialhilfekosten, nämlich auf Punkt „III. Verpflichtungserklärung“ in der zwischen ihr und ihrem Sohn am getroffenen „Vereinbarung“.
In der zwischen der Bf und ihrem Sohn am abgeschlossenen „Vereinbarung“ wird auf die vom Ehegatten der Bf vorgesehene Schenkung des Hälfteanteils an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, an den gemeinsamen Sohn hingewiesen und in Punkt „III Verpflichtungserklärung“ festgehalten, dass sich die Bf gegenüber ihrem Sohn zum Ersatz von Kosten oder Haftungen, die ihn aus Anlass des abzuschließenden Schenkungsvertrages treffen, verpflichtet.
Die an den Sohn S gerichtete bescheidmäßige Vorschreibung der für die stationäre Pflege des P angefallenen Sozialhilfekosten wird unter Hinweis auf § 37 Abs. 1 Z. 5 und § 41 NÖ Sozialhilfegesetz mit der Schenkung begründet. Es handelt sich somit dabei um Kosten, welche von Punkt „III. Verpflichtungserklärung“ erfasst sind, sodass die Bf zu deren Übernahme aufgrund der zwischen der Bf und ihrem Sohn am getroffenen "Vereinbarung" tatsächlich vertraglich verpflichtet ist.
Wie in den zuvor erfolgten Rechtsausführungen festgehalten, können Verpflichtungen auf Grund rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen für sich alleine keine Zwangsläufigkeit begründen. Es ist vielmehr zu prüfen, ob die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der Zwangsläufigkeit aufweist oder ob die rechtliche Verpflichtung auf einen freiwilligen Entschluss zurückzuführen ist.
In die „Vereinbarung“ vom wurde nicht nur unter Pkt. „III Verpflichtungserklärung“ die Verpflichtung der Bf zur Übernahme von Kosten oder Haftungen, die ihren Sohn aus Anlass des abzuschließenden Schenkungsvertrages treffen, aufgenommen, sondern unter Punkt „II. Nebenbedingungen der Schenkung“ zuvor bereits ua. festgehalten, dass die Bf dieses Wohnungseigentumsobjekt „so lange sie lebt weiter als den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bewohnen“ wird, der Sohn „auf jedwede Beendigung dieses Nutzungsverhältnisses aus welchem Rechtsgrund auch immer“ verzichtet und zusätzlich darauf verzichtet, zu Lebzeiten der Bf das Wohnungseigentumsobjekt zu verwerten oder zu belasten. Als Motiv für die in Punkt „III. Verpflichtungserklärung“ vertraglich normierten Rechtspflichten der Bf, wird sodann ausgeführt, dass der Sohn der Bf zu Lebzeiten der Bf das Wohnungseigentumsobjekt ohne Zustimmung der Mutter „weder veräußern, belasten, nutzen oder sonst verwerten kann“ und die Regelungen unter Punkt „III. Verpflichtungserklärung“ dafür einen Ausgleich bieten sollten.
Der Inhalt der „Vereinbarung“ vom lässt somit eindeutig erkennen, dass die Verpflichtung der Bf zur Übernahme der Kosten und Haftungen, die ihren Sohn in Folge des abzuschließenden Schenkungsvertrages treffen, mit dem Verzicht des Sohnes, zu Lebzeiten der Bf nach der Annahme der Schenkung den Hälfteanteil an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, zu veräußern, zu belasten, zu nutzen oder sonst zu verwerten, untrennbar verbunden ist. Die Bf übernahm somit die vertraglich festgelegten Rechtspflichten zur Wahrung und Absicherung ihrer eigenen Interessen an dieser Liegenschaft. Die Übernahme der rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung der gegenständlichen Sozialhilfekosten ist daher auf den freiwilligen Entschluss der Bf, das Reihenhaus bis zum Lebensende uneingeschränkt als Hauptwohnsitz nutzen zu wollen, zurückzuführen.
Auslöser für die mit der „Vereinbarung“ vom von der Bf freiwillig übernommene Rechtspflichten ist - wie dargestellt - die vorgesehene Schenkung des Hälfteanteils des Ehegatten der Bf am gemeinsamen Wohnungseigentumsobjekt an den gemeinsamen Sohn.
Im Vorlageantrag wurde ausgeführt, dass der Sohn die Schenkung nicht aus freien Stücken, sondern infolge einer „Notsituation“ angenommen habe.
Angesprochen wurden Schwierigkeiten bei der Ausübung des gemeinsamen Stimmrechtes zu Fragen der Verwaltung zwischen der Bf und ihrem Ehegatten P, also den Eltern des S, und eine eingetrübte Stimmung zwischen diesen beiden. Derartige Umstände verlangen jedoch weder aus rechtlichen noch aus sittlichen Gründen die Annahme der Schenkung des Hälfteanteils des Vaters an der ehelichen bzw. elterlichen Wohnung durch den gemeinsamen Sohn.
Richtig ist, dass im Falle einer Eigentümerpartnerschaft das Stimmrecht zu Fragen der Verwaltung nach § 13 Abs. 5 WEG 2002 nur gemeinsam zusteht. Die Gefahr bei den nach den Angaben der Bf zweimal jährlich stattfindenden Miteigentümerversammlungen mangels bestehender Willensübereinstimmung zwischen den Ehegatten (teilweise) kein Stimmrecht ausüben zu können, löst aber keine (rechtliche oder sittliche) Verpflichtung des gemeinsamen Kindes aus, den Hälfteanteils eines Elternteils zu übernehmen. Eine Rechtsgrundlage für eine derartige Verpflichtung ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Ebensowenig stürzt eine teilweise bzw. zeitweise nicht mögliche einvernehmliche Stimmabgabe die eine Eigentümerpartnerschaft bildende Eltern in eine existenzbedrohende Notlage und wird dies von Seiten der Bf letztlich auch nicht behauptet.
Die Andeutung, wonach ohne Annahme der Schenkung der Vater P weiter sämtliche Reparaturen und Betriebskosten und die Kreditraten tragen hätte müssen, ist ebenfalls nicht zielführend, da die Bf als Ehegattin des P zur Tragung dieser Kosten in der Lage war.
Ein Kind kann zwar nach § 234 Abs. 1 ABGB eine Unterhaltspflicht gegenüber einem nicht (mehr) selbsterhaltungsfähigen Elternteil treffen, doch besteht nach § 234 Abs. 2 ABGB eine Subsidiarität der Unterhaltspflicht der Nachkommen. Diese sind erst nach dem Ehegatten, dem geschiedenen Ehepartner, sämtlichen Vorfahren sowie näheren Nachkommen unterhaltspflichtig. (Vgl. Limberg in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 234 Anm 3).
Im gegenständlichen Fall trifft somit grundsätzlich die Bf als Ehegattin und nicht den Sohn die Unterhaltspflicht gegenüber P. Die Bf selbst war zweifellos – wie die tatsächliche Tragung der Kreditrückzahlung, der Betriebskosten und der Reparaturkosten sowie die Zahlung der streitgegenständlichen Sozialhilfekosten durch die Bf beweisen - selbsterhaltungsfähig und zur Wahrnehmung der Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehegatten in der Lage.
Den Sohn traf somit weder gegenüber dem Vater noch der Bf als seiner Mutter eine rechtliche oder sittliche Pflicht den Hälfteanteil an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, zu übernehmen. Die Annahme der Schenkung des dem Ehegatten der Bf, P, gehörenden Hälfteanteils an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, durch den gemeinsamen Sohn S erfolgte somit aus freien Stücken.
Die Annahme der Schenkung durch den Sohn führte dazu, dass er grundbücherlicher Eigentümer des Hälfteanteils an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, wurde. Der Wert des geschenkten Hälfteanteils betrug laut dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft A vom , 123, 124.500,-- Euro.
Die vorstehenden Ausführungen weisen auch – wie die Bf in ihrer Stellungnahme vom richtig erkannte – darauf hin, dass eine Bezahlung der dem Sohn bescheidmäßig vorgeschriebenen Sozialhilfekosten durch diesen selbst bei diesem nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig gewesen wäre.
Gleichzeitig bestand bei der umschriebenen Situation für die Bf keine sittliche Verpflichtung, den Sohn S von den aus der Annahme der Schenkung künftig resultierenden finanziellen Belastungen zu befreien.
Ebenso wie der Sohn die Schenkung freiwillig annahm, erfolgte die Zustimmung der Bf zum Schenkungsvertrag aus freien Stücken.
Die Bf und ihr Ehegatte bildeten hinsichtlich der Eigentumswohnung Top 14 in der abcd, eine Eigentümerpartnerschaft nach § 13 WEG 2002. Der Ehegatte konnte daher eine Schenkung seines Hälfteanteils an dieser Eigentumswohnung an den gemeinsamen Sohn SA nur mit Zustimmung der Bf vornehmen. Ohne ihre Zustimmung wäre die Schenkung des Hälfteanteils an den Sohn nach § 13 Abs. 3 WEG 2002 rechtlich nicht zulässig gewesen. Tatsächlich erteilte die Bf laut Schenkungsvertrag vom diese Zustimmung.
Die bereits angesprochene, im Zeitpunkt der Schenkung bestehende schwierige familiäre Situation, die sich auch auf das bei Fragen der Verwaltung des Wohnungseigentumsobjektes von den Ehegatten gemeinsam auszuübende das Stimmrecht ausgewirkt habe, zwang die Bf nicht, einer Schenkung des Hälfteanteils des Ehegatten zuzustimmen. Eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung, in einer derartigen Situation – (teilweise) mangelndes Einvernehmen der Ehegatten als Eigentümerpartner bei der Stimmabgabe zu Fragen der Verwaltung des Wohnungseigentumsobjektes - einer Eigentumsübertragung durch den Ehegatten an einen Dritten zuzustimmen, ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Eine teilweise bzw. zeitweise nicht mögliche einvernehmliche Stimmabgabe stürzt die Bf auch nicht in eine existenzbedrohende Notlage und wird dies von Seiten der Bf auch nicht behauptet. Aus der Sicht des Bundesfinanzgerichts stimmte die Bf der gegenständlichen Schenkung, daher ebenfalls aus freien Stücken zu.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Bf nicht nur die „Vereinbarung“ vom und damit die darin enthaltene Verpflichtung zur Kostenübernahme aus freien Stücken einging, sondern dass zuvor der Sohn die Schenkung des Hälfteanteils an der Liegenschaft Top 14 in der abcd, freiwillig annahm und die Bf dieser Schenkung freiwillig zustimmte. Das Tatbestandselement der Zwangsläufigkeit ist somit - auch bei Betrachtung des gesamten Geschehnisablaufes - im Zusammenhang mit der Übernahme der Verpflichtung laut Punkt „III. Verpflichtungserklärung“ durch Abschluss der „Vereinbarung“ vom nicht erfüllt worden.
Die aufgrund einer zwischen der Bf und ihrem Sohn S freiwillig eingegangenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung ("Vereinbarung" vom ) von der Bf vorgenommene Zahlung der dem Sohn bescheidmäßig vorgeschriebenen Sozialhilfekosten in Höhe von 37.766,31 Euro kann daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 nicht anerkannt werden. Es ist spruchgemäß zu entscheiden.
4 Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständlich zu lösenden materiellrechtlichen Fragen finden in der jeweils erwähnten Rechtsprechung Deckung sodass die Revision nicht zuzulassen ist.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103476.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at