Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.08.2019, RV/7105378/2016

Vorbereitung auf die Berufs­reife­prüfung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerde­sache Bf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juni 2013 bis Juni 2015, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wird auf den Zeitraum Juli 2014 bis Juni 2015 eingeschränkt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Sohn des Beschwerdeführers (Bf.), S, geboren am xx.xx.1994, besuchte die Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe Wien 19 (HLW 19). Anlässlich der Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe im Oktober 2012 legte der Bf. dem Finanzamt eine Schulbesuchsbestätigung für den Sohn für den Zeitraum bis vor.

Da der Bf. in der Folge trotz Ergänzungsersuchens des Finanzamtes keinen Ausbildungs­nachweis für seinen Sohn für den Zeitraum ab Juni 2013 vorlegte, forderte das Finanzamt vom Bf. mit Bescheid vom die von ihm für seinen Sohn bezogene Familien­beihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum Juni 2013 bis Juni 2015 in Höhe von insgesamt 5.242,90 € (Familienbeihilfe: 3.782,90 €, Kinderabsetzbeträge: 1.460,00 €) zurück.

Der Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde, welcher ein Schreiben der Maturaschule-XXX vom angeschlossen war. In dem Schreiben vom wird bestätigt, dass der Sohn des Bf. einen Kurs zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung (Kursdauer: bis und bis ) besucht.

Da der Bf. auch in weiterer Folge den Ergänzungsersuchen des Finanzamtes nur unzureichend entsprach, wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerde­vorentscheidung vom als unbegründet ab.

Der Bf. stellte gegen die Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag, in welchem er ausführte, es würden weitere Unterlagen nachgereicht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde nach ergänzenden Ermittlungen dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht ist Folgendes ausgeführt:

Anhand der bislang vorgelegten Dokumente und Erhebungen des Finanzamtes habe Folgendes festgestellt werden können:

Der Sohn des Bf. habe bis die 3. Klasse der fünfjährigen Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe besucht. Im Rahmen der Berufsreifeprüfung habe er am die Abschlussprüfung in Englisch und am die Abschlussprüfung in Mathematik absolviert. Von bis habe er den Präsenzdienst geleistet. Im Februar 2016 habe er die Berufsreifeprüfung in Rechnungswesen/BWL absolviert. Nicht nachgewiesen worden sei bislang die Prüfung in Deutsch. Trotz Ersuchens des Finanzamtes vom sei der Zulassungsbescheid zur Berufsreifeprüfung nicht vorgelegt worden. Die im Vorlageantrag angekündigten weiteren Unterlagen seien bisher nicht nachgereicht worden.

Nach ständiger Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 lit. b FLAG sei bei der Berufsreifeprüfung von einem erforderlichen Vorbereitungsaufwand von maximal vier Monaten pro Prüfungs­gegenstand auszugehen. Familienbeihilfenanspruch bestehe daher grundsätzlich für vier Monate rückgerechnet vom jeweiligen Prüfungstermin.

Im Beschwerdefall könne davon ausgegangen werden, dass der Sohn zur Berufs­reife­prüfung zugelassen wurde und er sich im Zeitraum November 2013 bis Juni 2014 für die Englisch- und Mathematikprüfung zielstrebig vorbereitet hat.

Nach Ansicht des Finanzamtes bestehe daher für die Zeit des Schulbesuches an der HLW 19 bis Oktober 2013 und für die Zeit der Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung von November 2013 bis Juni 2014 Anspruch auf Familienbeihilfe. Für den Zeitraum Juli bis Dezember 2014 liege kein Nachweis über einen Prüfungsantritt und damit keine Berufs­ausbildung im Sinne des FLAG vor. Für die Zeit des Präsenzdienstes bestehe grundsätzlich kein Familienbeihilfenanspruch ().

Mit Schreiben vom übermittelte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht folgende vom Bf. nachträglich vorgelegte Unterlagen:

- ein Schreiben der Höheren Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie (1170 Wien, Rosensteingasse 79), in welchem bestätigt wird, dass sich der Sohn des Bf. am für die Berufsreifeprüfung im Schuljahr 2017 angemeldet hat,

- die Entscheidung der Höheren Bundes-, Lehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie vom über die Zulassung des Sohnes des Bf. zur Berufsreifeprüfung für den beantragten Teilbereich Deutsch,

- ein Schreiben der Maturaschule-XXX vom , in welchem bestätigt wird, dass der Sohn des Bf. einen Kurs zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung (Kursdauer: bis ) besucht hat.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familien­lasten­ausgleichs­gesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familien­beihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebens­jahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 Familien­beihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familien­beihilfe ein Kinder­absetz­betrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden (§ 33 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988).

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufs­tätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeits­platz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. zB ; ; ; ).

Voraussetzung für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg (vgl. ; ).

Nach dem Berufsreifeprüfungsgesetz besteht für

-LehrabsolventInnen mit abgelegter Lehrabschlussprüfung,

-AbsolventInnen mindestens dreijähriger berufsbildender mittlerer Schulen

-AbsolventInnen von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen,

-AbsolventInnen mindestens 30 Monate dauernder Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst sowie für

-AbsolventInnen der land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterprüfung

die Möglichkeit, auf Basis des im Rahmen der Berufsausübung erworbenen praxisbezogenen Wissens die Berufsreifeprüfung abzulegen.

Die Berufsreifeprüfung setzt sich aus 4 Teilprüfungen zusammen:

-Deutsch

-Mathematik

-eine lebende Fremdsprache nach Wahl als Teile der Allgemeinbildung, sowie einem

-Fachgebiet aus der beruflichen Praxis.

Der unabhängige Finanzsenat und das Bundesfinanzgericht haben in mehreren Entschei­dungen eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Teilprüfung als ausreichend angesehen (vgl. z.B. ; -F/07; ; ; ; ).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides hat das Finanzamt die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juni 2013 bis Juni 2015 ausgesprochen. Damit ist auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes auf diesen Zeitraum beschränkt.

Nach den Ermittlungen des Finanzamtes hat der Sohn des Bf. die Höhere Bundes­lehranstalt für wirtschaftliche Berufe bis besucht. Für die Zeit des Schulbesuches bis Oktober 2013 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe. Ebenso besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum November 2013 bis Juni 2014, da der Sohn im Rahmen der Berufsreifeprüfung am die Teilprüfung in Englisch und am die Teilprüfung in Mathematik – und die beiden Prüfungen somit innerhalb angemessener Zeit – absolviert hat.

Für den Zeitraum Juli 2014 bis Dezember 2014 wurde zwar der Besuch eines Kurses zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung, jedoch kein Prüfungs­antritt nachgewiesen. Die nächste Teilprüfung (Rechnungswesen/BWL) wurde vom Sohn des Bf. erst im Februar 2016 abgelegt. Zur Teilprüfung aus Deutsch hat sich der Sohn überhaupt erst im Jänner 2017 angemeldet.

Der laufende Besuch eines Vorbereitungskurses für sich allein reicht nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen erkennbar sein. Es kommt zwar nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. ; ; ; ) und ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen wird nicht schon dann in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Eine Ausbildung jedoch, bei der das Kind - wie im vorliegenden Fall - während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ; ; ).

Für den Zeitraum Juli 2014 bis Dezember 2014 besteht somit kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht aber auch für den Zeitraum Jänner 2015 bis Juni 2015, in dem der Sohn des Bf. den Präsenzdienst geleistet hat. Die Zeit des Präsenzdienstes gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als Zeit der Berufsausbildung (vgl. z.B. ; ; ; ).

Für den Zeitraum Juli 2014 bis Juni 2015 wurden die Familienbeihilfe und die Kinder­absetzbeträge daher zu Recht zurückgefordert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Entscheidung folgt der Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berufsausbildung. Ob eine Berufs­ausbildung betrieben wurde, ist zudem eine Tatfrage, die der Revision nicht zugänglich ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105378.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at