Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.08.2019, RV/1100551/2016

Kosten für Besuchsbegleitung als absetzbare Kinderbetreuungskosten gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1988?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014

zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

 I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, der gleichzeitig eine Neuberechnung vorlegte, beantragte in seiner Beschwerde die Berücksichtigung von Krankenhauskosten und Kinderbetreuungskosten unter dem Titel der außergewöhnlichen Belastung sowie den Ansatz des Unterhaltsabsetzbetrages und des Kinderfreibetrages für seinen Sohn A.

Er legte die Geburtsurkunde seines Sohnes, eine Vergleichsausfertigung des BG B über Entrichtung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 375,00 € ab und eine Zahlungsbestätigung über die Einkommensteuer laut Selbstberechnung bei.

Es erging eine stattgebende Beschwerdevorentscheidung, die für Kinderbetreuung einen Betrag von 167,47 € als außergewöhnliche Belastung in Ansatz brachte und den Unterhaltsabsetzbetrag mit 292,00 € veranschlagte sowie den Kinderfreibetrag gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 für ein nicht haushaltszugehöriges Kind berücksichtigte.

Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer neuerlich mit einem Schriftsatz, den er als „Neuberechnung“ und „Beschwerde“ bezeichnete und der vom Finanzamt als Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erkannt wurde.

Er stellte richtig, dass die Kinderbetreuungskosten 277,00 € und die Krankenhausaufenthaltskosten 167,47 € betrügen sowie, dass ihm der volle Unterhaltsabsetzbetrag von 350,40 € zustehe.

Er legte eine Zahlungsbestätigung betreffend Unterhalt für A für Jänner und Februar 2014 bei.

Über Anforderung durch das Finanzamt hinsichtlich Kinderbetreuungskosten legte der Beschwerdeführer zudem eine Kostennote der Psychologin C vor, in der sie den Erhalt von Honoraren für Besuchsbegleitung bei A in Höhe von 168,50 € bestätigt.  Handschriftlich hat der Beschwerdeführer auf der Honorarnote ergänzt: „€ 108,50 Nebenkosten, Organisation, Zugfahrten, € 277,00 Gesamtkosten Kinderbetreuung A 2014“.

Seitens des Finanzamtes wurde hiezu im Vorlagebericht wie folgt Stellung genommen:

  • Die Krankenhausaufenthaltskosten in Höhe von 167,47 € seien versehentlich in der Spalte „Kinderbetreuungskosten“ eingetragen worden. Tatsächlich könnten Krankenhauskosten, da sie den Selbstbehalt von 10% gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 nicht überstiegen, nicht geltend gemacht werden. Dies habe auch der Beschwerdeführer selbst inzwischen akzeptiert.

  • Der Nachweis für die Gewährung des vollen Unterhaltsabsetzbetrages in Höhe von 350,40 € sei inzwischen erbracht worden.

  • Die Kosten für die Besuchsbegleitung könnten nicht als „Kinderbetreuungskosten“ iSd § 34 Abs. 9 EStG in Abzug gebracht werden, da derartige Kosten grundsätzlich nicht die Betreuung des Kindes, sondern die Neu- oder Wiederanbahnung des persönlichen Kontaktes zwischen Elternteilen und ihren nicht im selben Haushalt lebenden Kindern bezweckten.

II. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung:

Zwischenzeitlich geklärt sind folgende Streitpunkte: Die unter dem Selbstbehalt liegenden Krankenhauskosten können - was auch vom Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen wurde -  steuerlich nicht geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 4 EStG 1988).

Der Kinderfreibetrag gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 iVm § 106 Abs. 2 EStG 1988 wurde in der Beschwerdevorentscheidung in Ansatz gebracht.

Der Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988) steht - nach Vorlage entsprechender Unterhaltszahlungsnachweise -  in einer Höhe von 350,40 € zu.

Hinsichtlich Kinderfreibetrag und Unterhaltsabsetzbetrag war der Beschwerde daher Folge zu geben.

Als Streitfrage verbleibt: Sind die für die Besuchsbegleitung getätigten Aufwendungen unter dem Titel der Kinderbetreuungskosten gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt abziehbar?

Nach allgemeiner Lebenserfahrung versteht man unter "Kinderbetreuung" im hier relevanten Sinn die Beaufsichtigung von Kindern in spezifischen Einrichtungen oder durch qualifizierte Personen während der (wohl in der Regel berufsbedingten) Abwesenheit der Eltern. Der Begriff hat insofern keine psychologische, medizinische oder unterrichtende Konnotation.

Die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten im Sinne des § 34 Abs. 9 EStG 1988 ist an die Voraussetzung geknüpft, dass diese durch institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen (z.B. Kindergärten, Kinderkrippen, Kindertagesheime) oder durch pädagogisch qualifizierte Personen (z.B. ausgebildete Tagesmütter) erfolgt. Private institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen müssen den diesbezüglichen landesgesetzlichen Vorschriften entsprechen. Es können nur Kosten für die ausschließliche Kinderbetreuung anerkannt werden (vgl. ).

Die Bestimmung des § 34 Abs. 9 EStG 1988 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2009, BGBl. I Nr. 26/2009, eingefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (54 BlgNR 24. GP, 16 f) wird hiezu u. a. ausgeführt:

"Gerade im Mittelstandsbereich wirken sich hohe Betreuungskosten ...... beschäftigungshemmend aus, weil dadurch der Nettoverdienst teilweise kompensiert wird. Durch die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten wird dieser Umstand gemildert und insbesondere Frauen die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit erleichtert …"

Die Absetzbarkeit von Betreuungsksoten für unter 10-jährige Kinder hat daher vor allem die Erleichterung der Berufsausübung beider Elternteile zum Ziel.

Im Vergleich dazu dient die „Besuchsbegleitung“ durch eine geeignete Person ausschließlich dem harmonischen Ablauf von Besuchskontakten des Kindes mit einem nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil. Sie soll im Hinblick auf eine gesunde Persönlichkeit-und Charakterentwicklung des Kindes dazu beitragen, dessen persönlichen Kontakt zu dem nicht im selben Haushalt lebenden Elternteil aufrecht zu erhalten oder neu zu erwerben (vgl. www.sozialministerium.at). Die Besuchsbegleitung hat insofern keine beaufsichtigende, sondern vielmehr eine sozial-psychologische Zielsetzung.  

Aufwendungen, die für Besuchsbegleitung anfallen, stellen daher keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 dar. Soweit also der Beschwerdeführer Kosten für die Besuchsbegleitung durch die Psychologin C in Höhe von 168,50 € samt - im Übrigen nicht belegmäßig nachgewiesenen Nebenkosten für Organisation und Zugfahrten in Höhe von 108,50 € - als Kinderbetreuungskosten geltend gemacht hat, war seiner Beschwerde ein Erfolg zu versagen.

Es darf darauf hingewiesen werden, dass das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz unter bestimmten Umständen eine geförderte Besuchsbegleitung vorsieht, die für den sie in Anspruch nehmenden Elternteil kostenlos ist (www.sozialministerium.at , Besuchsbegleitung Grundsätze).

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

III. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Wesen der Kinderbetreuung, die steuerlich relevante Kosten nach sich ziehen kann, ist einerseits im Gesetz so eindeutig umschrieben, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und daran keine Zweifel bestehen können, andererseits existiert diesbezüglich auch bereits eine höchstgerichtliche Rechtsprechung (; ).

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at