Keine erhöhte Familienbeihilfe für eine Person, die sich im Maßnahmenvollzug befindet.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, vertreten durch Vertreter1 , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab September 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am stellte Herr Bf. (Beschwerdeführer, fortan Bf.), SV-Nr. 1234567890, vertreten durch den gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter A., beim Finanzamt Z. einen Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab September 2017.
Der Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom abgewiesen, da sich der Bf. seit Juli 2017 im Forensischen Zentrum in Y. befinde.
Am wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid eingebracht in welcher im Wesentlichen folgendes ausgeführt wurde:
„Unbeachtet bleibt in der Begründung der Behörde bei der Aufzählung der Gesetzesbestimmungen § 324 Abs 3 ASVG, welcher vorsieht, dass der Bund bei Nichtvorliegen einer Unterhaltsverpflichtung 80% der Pension des Betroffenen erhält.
Der Bf. bezieht eine Invaliditätspension von der PVA vierzehnmal jährlich. Es handelt sich einer Pensionsleistung um eine versicherungsrechtliche Leistung, die grundsätzlich dem Pensionsberechtigten zusteht, weil er für diese Leistung Beträge im Rahmen der Sozialversicherung geleistet hat. Diese Pensionsteilung liegt beim Bf. vor.
Erhält daher der Bund diese Leistung und sei es auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, so unterhält sich der Bf. hier mit seinem Einkommen, mit welchem er auch außerhalb der Anstaltsunterbringung seinen Lebensbedarf bestreiten müsste. Denn würde dieser sozialversicherungsrechtliche Anspruch nicht bestehen, hätte auch der Bund in diesem Fall keinen Anspruch gegenüber der Pensionsversicherung.
Es kann also keineswegs behauptet werden, dass die öffentliche Hand für den Unterhalt des Bf. sorgt.
Selbst wenn man zu der Auffassung kommen sollte, dass der Bund trotzdem mehr an Unterhalt leistet als er durch die Pensionsteilung vom Bf. erhält, so bestimmt § 6 Abs 5 FLAG ausdrücklich, dass der Anspruch besteht, sofern nicht der Bund den Unterhalt zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes trägt."
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen, mit der Begründung, dass gemäß § 6 Abs. 6 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Personen, die im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 Strafvollzugsgesetz, auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Personen, die von Maßnahmen betroffen sind, bei welchen es sich um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder in einer mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, seien vom Eigenanspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen. Da sich der Bf. seit laut Bestätigung der Justizanstalt Z. im Forensischen Zentrum Y. - vorbeugende Maßnahme - befinde, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe.
Laut Gutachten des Sozialministeriumservice vom bestehe seit April 2014 eine 50%-ige Erwerbsminderung und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit.
Mit Eingabe vom stellte der Erwachsenenvertreter im Namen des Bf. einen Vorlageantrag mit Verweis auf die Begründung in der Beschwerdeschrift.
Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor, beantragte die Abweisung und nahm wie folgt Stellung:
„ Mit Bundesgesetzblatt I Nr. 77/2018 wurde dem § 6 des FLAG ein Absatz (6) eingefügt, der besagt, dass § 6 Abs. 5 nicht gilt für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden. Diese Bestimmung tritt gem § 55 Abs. 39 FLAG mit in Kraft.
Der Beschwerdeführer ist lt. Unterbringungsbestätigung der Justizanstalt Z. vom seit auf unbestimmte Zeit untergebracht (vorbeugende Maßnahme). Bei einer Unterbringung gem. § 1 Z 4 StVG hat niemand Anspruch auf Familienbeihilfe.“
Dem Vorlagebericht beigelegt wurde eine Unterbringungsbestätigung der Justizanstalt Z., aus der die Unterbringung des Bf. seit hervorgeht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
1.) Rechtslage
Mit BGBl. I Nr. 77/2018 wurde das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) wie folgt geändert:
§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 lautet seither seither:
„Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).“
Dem § 6 wurde folgender Abs. 6 angefügt:
„§ 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.“
Dem § 55 wurde folgender Abs. 39 angefügt:
„(39) § 6 Abs. 2 lit. d, Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des BGBl. I Nr. 77/2018 tritt mit in Kraft.“
Die für diesen Fall relevanten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes BGBl. Nr. 144/1969 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2007 lauten :
§ 31 Abs. 1
Die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetztes für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen.
§ 32 Abs. 1
Soweit im folgenden nicht anders bestimmt wird, hat jeder Verurteilte für seinen Unterhalt (§ 31 Abs.1) einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges zu leisten.
§ 164 Abs. 1
Die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher soll die Untergebrachten davon abhalten, unter dem Einfluss ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit mit Strafe bedrohte Handlungen zu begehen. Die Unterbringung soll,...
§ 165 Abs. 1
Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher) gelten folgende Bestimmungen:
1. Die Untergebrachten sind unter Berücksichtigung ihres Zustandes zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten so zu behandeln wie es den Grundsätzen und anerkannten Methoden der Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik entspricht. Rechte der Untergebrachten, die den in den §§ 20 bis 129 den Strafgefangenen eingeräumten Rechten entsprechen, dürfen dabei nur insoweit beschränkt werden, als die zur Erreichung der vorgenannten Zwecke unerlässlich ist....
§ 167 Abs. 1
Soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, gelten die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 dem Sinne nach.
2.) Sachverhalt
Der Bf. gilt als erheblich behindert, da vom Sozialministeriumservice eine Behinderung im Ausmaß von 50% festgestellt wurde, wobei der Bf. voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dieser Zustand ist vor dem 21. Lebensjahr eingetreten.
Der Bf. ist seit in einer Justizanstalt untergebracht.
Er bezieht eine Invaliditätspension von der Pensionsversicherungsanstalt.
3.) Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen des Vertreters des Bf..
4.) Rechtliche Erwägungen
Am beschloss der Nationalrat eine Reparatur der Bestimmungen für erhöhte Familienbeihilfe. Diese war aufgrund von Erkenntnissen des VwGH ( und ), notwendig, um eine Schlechterstellung von erheblich behinderten Kindern zu vermeiden.
In diesen Erkenntnissen sprach der Verwaltungsgerichtshof - aufbauend auf seine bisherige Rechtsprechung zu Fällen der Leistung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes (, und ) für ein die Strafhaft verbüßendes Kind aus, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder durch die öffentliche Hand gedeckt ist, kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.
Den Materialien zur Gesetzesänderung (AB 292 BlgNR, XXVI. GP, 2) ist zu entnehmen:
„Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.
Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierten Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.“
Durch Änderung des § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder nun einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe, sofern ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes getragen wird. Wenn also zB eine Invaliditätspension bezogen wird, durch den dem Kind eigene, zusätzliche Einkommensmittel zur Verfügung gestellt werden, bleibt der Eigenanspruch des Kindes bestehen, da in diesem Fall die Unterhaltskostentragung nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln erfolgt.
Gemäß dem Vorbringen des Vertreters des Bf. würde auf Basis dieses nun geänderten Absatzes ein Familienbeihilfeanspruch bestehen.
Gleichzeitig wurde mit BGBl. I
Nr. 77/2018 jedoch dem § 6 FLAG der Abs. 6 angefügt, wonach der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wurde.
Dem Ausschussbericht zum Gesetzesantrag (AB 292, BlgNR XXVI. GP, 2) ist zu entnehmen:
„Im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden, bei welchen es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, soll ein Eigenanspruch der betroffenen Personen ausgeschlossen werden.
Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser betroffenen Personen umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.“
Bei diesem Ausschluss der Eigenanspruchs spielt es auch keine Rolle, ob das betreffende Kind durch eine Invaliditätspension zur Unterhaltskostentragung beiträgt. Damit geht das Vorbringen des Vertreters des Bf. ins Leere.
Da eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 31 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz für den Unterhalt des Untergebrachten zu sorgen hat, besteht für die Dauer des Maßnahmenvollzugs des Bf. kein Eigenanspruch des Bf. auf Familienbeihilfe.
Diese Rechtsfolge beruhte bis zur oben beschriebenen Gesetzesänderung auf der genannten Judikatur des VwGH und ergibt sich seit direkt aus § 6 Abs 6 FLAG 1967.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5.) Zulässigkeit einer Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis beruht direkt auf dem Gesetz (§ 6 Abs. 6 FLAG 1967), es liegt daher keine Rechtsfrage vor, die einer Klärung durch den VwGH bedarf.
Z., am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 1 Z 3 StVG, Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 31 Abs. 1 StVG, Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101001.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at