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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2019, RV/7103491/2019

Vorlage ungenügender Gleichbehandlungsnachweise, Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des NN, vertreten durch V, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , Steuernummer HB, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

NN wird gemäß § 9 BAO zur Haftung für die folgenden Abgaben der N.GmbH in der Gesamthöhe von 789.623,23 Euro herangezogen:


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Abgabe
Betrag in Euro
Umsatzsteuer 2003
41.095,87
Umsatzsteuer 2004
42.018,41
Umsatzsteuer 2005
66.741,12
Umsatzsteuer 2006
67.087,08
Umsatzsteuer 2007
67.848,25
Umsatzsteuer 2008
56.433,48
Umsatzsteuer 2009
94.424,32
Umsatzsteuer 2010
78.971,06
Umsatzsteuer 05/2012
1.991,66
Kapitalertragsteuer 2003
24.835,10
Kapitalertragsteuer 2004
21.979,60
Kapitalertragsteuer 2005
16.099,39
Kapitalertragsteuer 2006
31.202,76
Kapitalertragsteuer 2007
27.319,46
Kapitalertragsteuer 2008
17.685,47
Kapitalertragsteuer 2009
52.294,98
Kapitalertragsteuer 2010
38.876,46
Körperschaftsteuer 2003
9.169,35
Körperschaftsteuer 2004
9.369,25
Körperschaftsteuer 2006
649,04
Körperschaftsteuer 2007
3.553,08
Körperschaftsteuer 2009
16.049,90
Anspruchszinsen 2003
1.346,78
Anspruchszinsen 2004
1.496,47
Anspruchszinsen 2006
87,33
Anspruchszinsen 2007
345,36
Anspruchszinsen 2009
652,20

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die im Jahr x1 errichtete N.GmbH betrieb eine Bar mit angeschlossenen Separees, in denen von Frauen für Gäste der Bar sexuelle Dienstleistungen erbracht wurden.

Der Beschwerdeführer (Bf.) war seit x2 (zunächst zu 50%, ab dem Jahr 2008 zu 100%) Gesellschafter der N.GmbH Seit x3 war der Bf. alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft.

Im Zuge einer im Jahr 2012 durchgeführten Außenprüfung über die Jahre 2003 bis 2009 (BP-Bericht vom ) wurde festgestellt, dass von der N.GmbH Zimmervermietungen und der Verkauf von Getränken, nicht aber Prostitutionserlöse erklärt wurden. Festgestellt wurden Abgabenverkürzungen durch Schwarzeinkäufe bei Getränken, Verkürzungen bei Kreditkartenumsätzen, Verkürzungen der Zigarettenerlöse, als Betriebsausgaben geltend gemachter, aber nicht ausbezahlter Lohnaufwand für Prostituierte, etc. (siehe dazu die Ausführungen im Erkenntnis des , zum Abgabenverfahren).

Nach Ausdehnung der zunächst über die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführten Prüfung auf die Jahre 2003 bis 2006 und Änderung der Rechtsgrundlage der Prüfung (§ 147 BAO in Verbindung mit § 99 FinStrG) erließ das Finanzamt am im wieder aufgenommenen Verfahren an die Primärschuldnerin Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2010 sowie Haftungsbescheide Kapitalertragsteuer 2003 bis 2010. Des Weiteren wurden Anspruchszinsenbescheide über die Jahre 2003 bis 2009 erlassen.

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien x5, wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Mit dem Beschluss vom x6 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Die Gesellschaft wurde mittlerweile gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht (Firmenbuchauszug FN).

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes vom wurde dem Bf. mitgeteilt, bei der N.GmbH hafteten - nach Berücksichtigung der im Konkursverfahren ausgeschütteten Quote - Abgaben in der Höhe von 1.402.730,21 Euro uneinbringlich aus. Der Bf. werde zur Haftung dieser Abgaben herangezogen, sollte er nicht beweisen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Wer die Vertretung einer GmbH (neu) übernehme, habe sich darüber zu unterrichten, ob und in welchem Umfang die GmbH bisher ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt habe. Lägen Verbindlichkeiten aus einem Zeitraum vor Übernahme der Vertreterfunktion vor, habe der für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Zahlungspflichten verantwortliche Vertreter dafür zu sorgen, dass auch diese "Altverbindlichkeiten" aus den vorhandenen Gesellschaftsmitteln entrichtet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihn die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei.

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter. Auf diesem laste auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Der zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger habe auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte (Barzahlung von Wirtschaftsgütern, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind), zu erfassen.

Bei der Frage der Gleichbehandlung der Gläubiger komme es darauf an, ob der Abgabengläubiger im Hinblick auf die vorhandenen liquiden Mittel des Abgabenschuldners dadurch benachteiligt worden sei, dass die Zahlungen an den Abgabengläubiger geringer ausgefallen seien als sie bei Verwendung der liquiden Mittel und anteiliger Befriedigung des Abgabengläubigers ausgefallen wären. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete dazu die Mitteltheorie ().

Sofern die N.GmbH bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, durch Darstellung der tatsächlich vorhanden gewesenen liquiden Mittel und der aliquoten Mittelverwendung den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen. Dazu sei eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln. Rechnerisch sei auch darzustellen, in welchem prozentuellen Ausmaß durch Zahlungen die jeweils fälligen Verbindlichkeiten gegenüber den einzelnen (übrigen) Gläubigern reduziert wurden. Diese Tilgungsquoten seien dann der an das Finanzamt geleisteten Quote gegenüber zu stellen.

Nach Ergehen des Erkenntnisses des , in dem der Beschwerde gegen die oben angeführten Abgaben- und Haftungsbescheide teilweise stattgegeben wurde, forderte das Finanzamt den Bf. im Vorhalt vom erneut auf, die im Vorhalt vom angeforderten Unterlagen beizubringen. Die Haftungsprüfung werde nunmehr unter Berücksichtigung der Verteilung einer Nachtragsquote auf insgesamt 929.559,15 Euro eingeschränkt.

In der Vorhaltsbeantwortung vom wurde ausgeführt:

"Bei den, im Zuge der Betriebsprüfung der Firma N.GmbH entstandenen Abgabennachforderungen ist zunächst festzustellen ob die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, schuldhaft erfolgte. Nach dem Feststellen der Abgaben, die schuldhaft nicht entrichtet wurden, ist zu berechnen, wieviel von diesen Abgaben unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wären.

Ein erheblicher Anteil der Abgaben, die im Zuge der Betriebsprüfung entstanden sind, beruht auf einer anderen Rechtsansicht des Geschäftsführers, die sich aus der Vorprüfung des Unternehmens ableitet.

In den beiliegenden Berechnungen wird die Zusammensetzung der Abgaben, die im Zuge der Betriebsprüfung entstanden sind dargestellt und davon die nicht haftungsrelevanten Abgaben in Abzug gebracht. Hinsichtlich der haftungsrelevanten Abgaben wird dann, unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, der für eine Haftung in Frage kommende Betrag ermittelt. Von diesem wird zuletzt der Betrag der durch die Quote im Zuge des Konkursverfahrens erfüllt wurde abgezogen."

In der Vorhaltsbeantwortung wird die Haftungsverpflichtung des Bf. mit insgesamt 78.909,99 Euro berechnet.

Der dem Vorhalt beigelegten Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist zu entnehmen, dass der Bf. arbeitslos ist und von Notstandshilfe und Mindestsicherung lebt.

Mit dem Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der N.GmbH im Ausmaß von 940.934,03 Euro (Umsatzsteuer 2003 bis 2010 und Umsatzsteuer 05/12, Kapitalertragsteuer 2003 bis 2010,  Körperschaftsteuer 2003, 2004, 2006, 2007, 2009, Anspruchszinsen 2003, 2004, 2006, 2007, 2009) heran.

Dem Haftungsbescheid wurden die Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2010 vom , die Körperschaftsteuerbescheide und die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2003, 2004, 2006, 2007, 2009 vom , die Haftungsbescheide gemäß § 95 EStG für Kapitalertragsteuer 2003 bis 2010 vom , der BP-Bericht vom und das Erkenntnis des angeschlossen.

Begründend wurde ausgeführt:

Die bei der Primärschuldnerin aushaftenden Abgaben in der Höhe von 940.934,03 Euro seien in Folge deren Auflösung uneinbringlich.

Die Quotenzahlung der Primärschuldnerin sowie die Nachtragsverteilung seien bei den Haftungsverbindlichkeiten berücksichtigt worden.

Der Bf. hätte sich zu Beginn seiner Tätigkeit in angemessener Frist über Abgabenrückstände bzw. Versäumnisse, die zu Abgabenrückständen führten, informieren und Maßnahmen zu deren Begleichung treffen müssen.

Der Bf. sei zwei Mal aufgefordert worden, darzulegen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zu sorgen. Dieser Aufforderung sei der Bf. nicht ausreichend nachgekommen. Die vorgelegte Berechnung der haftungsrelevanten Summe entbehre jeder Grundlage. Dass Teile der Abgabennachforderungen nicht haftungsrelevant seien, werde nicht näher begründet oder diesbezüglich Beweise erbracht. Der errechnete Quotenschaden von 25,39% sei nicht nachvollziehbar. Die Kapitalertragsteuer, die vom Gleichbehandlungsprinzip ausgenommen sei, werde in der Berechnung völlig außer Acht gelassen.

Die Geltendmachung der Haftung stelle im vorliegenden Fall die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform, wenn die Abgabe(n) beim Primärschuldner uneinbringlich sei(en).

Gegen den Bescheid brachte der Bf. am durch seinen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte aus:

"Der Haftungsbescheid wird zur Gänze angefochten.

1.
.....

Festzuhalten ist zunächst, dass der Einschreiter laut beiliegendem Firmenbuchauszug erst mit x3 zum vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt wurde.

Die zur abgabenrechtlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH ergangene Judikatur ist durchaus bekannt, allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Einschreiter ausgehend von den in den Jahren vor seinem Einschreiten als vertretungsbefugtes Organ erfolgten steuerlichen Vorprüfungen der Gesellschaft davon ausgehen durfte, dass die bis zu seiner Bestellung gepflegte Finanzgebarung richtig und in Einklang mit den abgabenrechtlichen Vorschriften stehen würde.

Was die Umsatzsteuer betrifft, so war für das als Hotelbetrieb geführte Unternehmen immer eine solche von 10% verrechnet worden, welcher Umstand auch im Rahmen einer durch das zuständige Finanzamt erfolgten Prüfung unbeanstandet blieb. Auch der Umstand, dass die im Betrieb "B" tätigen Mädchen eine selbständige Arbeit entfalteten und daher diese allein für die von Ihnen getätigten Umsätze verantwortlich zeichneten, wurde bis zur gegenständlichen Prüfung akzeptiert. Ein Vorhalt, dass die N.GmbH für die Abfuhr der Umsatzsteuer für die Mädchen verantwortlich bzw. gar umsatzsteuerrechtlich hierfür haften würde, erfolgte bis zur gegenständlichen Prüfung nicht. Im Gegenteil: Die bis zur Übernahme der Geschäftsführertätigkeit durch den Einschreiter geübte Praxis wurde durch die in den Jahren zuvor erfolgte Prüfung durch das Finanzamt geradezu bestätigt.

Der Einschreiter übernahm mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer am x3 nicht nur die geübte, sondern auch durch die Vorprüfung des Finanzamtes bestätigte Praxis der Abgabenberechnung. Eine schuldhafte Vorgangsweise des Einschreiters kann daher in keiner Weise erblickt werden.

Beweis: vom Finanzamt Wien 1/23 vorzulegende Prüfungsunterlagen und Prüfungsberichte sämtlicher seit 1994 erfolgten abgabenrechtlichen Prüfungen der N.GmbH (FN).

2.
In der Sache selbst hat der bevollmächtigte Vertreter des Abgabepflichtigen mit Eingabe vom aufgrund des Vorhalts vom dargelegt, wie unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes grundsätzlich die Abgabenberechnung zu erfolgen hätte.

Er hat hierzu eine Aufstellung erstellt, aus welcher sich die Zusammensetzung der Abgaben, die im Zuge der Betriebsprüfung entstanden sind, dargestellt werden und davon die nicht haftungsrelevanten Abgaben in Abzug gebracht. Hinsichtlich der haftungsrelevanten Abgaben wurde dann, unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, der für eine Haftung in Frage kommende Betrag ermittelt. Von diesem wurde zuletzt der Betrag der durch die Quote im Zuge des Konkursverfahrens erfüllt worden war, abgezogen.

a)
Zunächst ist nicht nachvollziehbar, warum beim gegenständlichen Haftungsbescheid von anderen Ausgangszahlen als im finanzbehördlichen Vorhalt vom ausgegangen wurde.

Auf Seite 2 des erwähnten Vorhaltes wird auf den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom eingegangen und dargelegt, dass die Haftungsprüfung auf die sich daraus ergebenden Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt werden würde. Diese Basiszahlen waren beispielhaft für die USt 2003 EUR 66.101,25 (unter Berücksichtigung der Verteilungsquote von 1.14085%) anstelle der im Haftungsbescheid angeführten EUR 82,191,74. Diese Unregelmäßigkeit in der Bemessungsgrundlage setzt sich durch den gesamten angefochtenen Bescheid durch.

Offensichtlich hat die Erstbehörde wieder die ursprünglichen (vom BFG nicht abgeänderten Zahlen) als Grundlage für den Haftungsbescheid herangezogen.

Beweis: beiliegendes Schreiben des Finanzamtes vom mit dem Vorhalt der tatsächlich rückständigen Beträge.

Aufgrund der unrichtigen Ausgangszahlen sind auch die im Haftungsbescheid angeführten Beträge unrichtig berechnet.

b)
Durch den steuerlichen Vertreter des Einschreiters wurde - ausgehend von den richtigen Zahlen unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFG - im Detail dargelegt, in welcher Form unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Haftungsbeträge zu errechnen sind.

Auf diese in weiterer Folge auch in dieser Beschwerde wiedergegebene Berechnung ist jedoch die Erstbehörde in keiner Weise eingegangen, sondern hat das Rechtsproblem damit abgetan, als der dargelegte Quotenschaden nicht nachvollziehbar sei.

Unter einem vorgelegt wird die Stellungnahme des Steuerberaters S vom , woraus nicht nur die Berechnungsweise des Quotenschadens ersichtlich ist, sondern auch die Urkunden in Form der Bilanzen, woraus die jeweiligen Zahllasten ersichtlich sind.

Bei der erfolgten Berechnungsmethode ist die jeweils (richtige) Ausgangszahllast ersichtlich (beispielsweise für das Jahr 2003 der Betrag von USt 66.864,07 etc.). In weiterer Folge sind die nicht haftungsrelevanten Beträge herauszurechnen. In weiterer Folge wird die Relation zu den geleisteten Zahlungen, die sich aus den vorgelegten Urkunden ergeben, hergestellt. Im Falle des Jahres 2003 errechnet sich sohin eine Quote von 74,61%, sodass sich der Quotenschaden auf 25,39% beläuft.

Ausgehend von einem haftungsrelevanten Betrag an USt von EUR 2.914,98, einer KA von EUR 50.519,29, einer KöSt von EUR 18.652,19 und anteiligen Zinsen von EUR 1.451,74 ergibt sich ein Basisbetrag von EUR 73.538,20. Bei einer Quote von 25,39% errechnen sich haftungsrelevante EUR 18.669,28, von welchem Betrag die erfüllte Quote von EUR 17.330,11 abgezogen wird.

In weiterer Folge wird die nach dem oben dargestellten Prinzip erfolgte Berechnung für die Jahre 2003 bis 2010 wie folgt dargestellt:

.....

c)
Unter Anwendung der dargelegten Berechnung ergibt sich daher eine Haftungsverpflichtung von in Summe EUR 78.909,99.

Im Ergebnis hat daher die Erstbehörde eine Ermessensentscheidung getroffen, die die wesentlichen den Einschreiter entlastenden Punkte außer Acht lässt."

Der Bf. beantragte die Abänderung des Haftungsbescheides auf 78.909,99 Euro sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Den Berechnungen seien weder die vollständige Einnahmen- noch die ganze Ausgabensituation (und zwar weder insgesamt noch bezogen auf die einzelnen Abgabenfälligkeiten) zu entnehmen, sodass eine Beurteilung der Gleichbehandlung der Abgabengläubiger mangels vollständiger Darstellung der Liquiditätssituation nicht vorgenommen werden könne.

Im Vorlageantrag vom führte der Rechtsvertreter des Bf. ergänzend aus, ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits sei ein Umstand, den die Abgabenbehörde bzw. das Verwaltungsgericht bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen dürfe. Der Bf. sei darüberhinaus aufgrund der Auskunft seines steuerlichen Vertreters davon ausgegangen, völlig rechtskonform zu handeln. Die Haftung werde daher zumindest erheblich zu reduzieren sein. 

Zu der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung ist der Bf. nicht erschienen.

Der Vertreter des Finanzamtes legte das Urteil (gekürzte Urteilsausfertigung) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ, vor, wonach der Bf. nach § 33 Abs. 1, § 38 FinStrG und § 33 Abs. 2 lit. a erster Fall, § 38 FinStrG wegen Abgabenhinterziehungen betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2009, Körperschaftsteuer 2006, 2007 und 2009, Kapitalertragsteuer für die Jahre 2005 bis 2010, sowie hinsichtlich Vorauszahlungen Umsatzsteuer 1-12/2010 in der Höhe von insgesamt 479.552,93 Euro zu einer Geldstrafe in Höhe von 300.000 Euro, im Nichteinbringungsfall zu fünf Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt wurde. Als mildernd wurde bei der Strafbemessung das Geständnis des Bf. gewertet.

Zum Vorbringen in der Beschwerde, die Haftungsbeträge seien unrichtig, wurde vom Vertreter des Finanzamtes auf die Aufstellung der Abgabenschuldigkeiten im Vorhalt vom verwiesen, die in den Haftungsbescheid übernommen wurde. Die Umsatzsteuer 2003 wurde um einen Betrag in der Höhe von 16.732,72 Euro erhöht, weil andernfalls die Quotenzahlung zweimal berücksichtigt worden wäre. Das Vorbringen der Haftung zu Grunde liegender falscher Abgabenbeträge wäre eventuell in einem vom Bf. zu initiierenden Abrechnungsverfahren zu überprüfen.

Zum bestrittenen Verschulden des Bf. führte der Vertreter des Finanzamtes aus, im Jahr 1997 sei eine Betriebsprüfung durchgeführt und mit Nachforderungen an Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer in der Höhe von rund 300.000 Euro abgeschlossen worden. Der BP-Bericht sei aber digital nicht erfasst, weshalb dieser nicht greifbar sei.

Zu den vorgelegten Gleichbehandlungsberechnungen verwies der Vertreter des Finanzamtes auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.

Zum Ermessen führte der Vertreter des Finanzamtes aus, ein großer Teil des Haftungsbetrages sei Gegenstand einer strafrechtlichen Verurteilung, weshalb der Bf. hinsichtlich dieses Betrages auch gemäß § 11 BAO zur Haftung herangezogen werden könnte. Angesichts der jahrelang mit Vorsatz begangenen Abgabenhinterziehung werde das Ermessen im Hinblick auf den langen Zeitabstand nur sehr eingeschränkt ausgeübt werden können.

Der Vertreter des Finanzamtes beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Vertreter des Finanzamtes teilte am mit, dass Unterlagen über die vor 22 Jahren durchgeführte Prüfung im Finanzamt nicht mehr auflägen.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Die Haftung des § 9 trifft die Vertreter gemäß § 80 BAO, somit u.a. die Geschäftsführer einer GmbH.

Unbestritten wurde der Bf. am x3 gemäß § 15a GmbHG zum (alleinigen) Geschäftsführer der N.GmbH bestellt. Ab x4 vertrat er die GmbH als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Als bestellter Geschäftsführer war der Bf. verpflichtet, die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen.  Zu den Pflichten des Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft gehörten u.a. die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht sowie die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft und die Sorgetragung für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln (siehe ).

Wie das Finanzamt in seinen beiden Vorhalten bereits ausgeführt hat, beginnt die Verantwortung eines Geschäftsführers einer Gesellschaft nicht erst mit der Begründung der Vertretungsfunktion, weil der Geschäftsführer auch verpflichtet ist, bis dahin angesammelte Abgabenrückstände zu begleichen ().

Der Hinweis, der Bf. sei erst ab x3 zum Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden, vermag den Bf. daher nicht von der Haftung von vor seiner Bestellung angefallenen Abgaben zu befreien, zumal sich der Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist ().

Dass der Bf. dieser Verpflichtung nachgekommen ist, wurde im gesamten Verfahren nicht vorgebracht.

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da eine Einbringlichmachung der aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin in Folge der Aufhebung des Konkursverfahrens nach Schlussverteilung und ihrer amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG nicht möglich ist.

Berechnung der Haftungsbeträge

Der Bf. bringt in der Beschwerde vor, es sei nicht nachvollziehbar, warum beim gegenständlichen Haftungsbescheid von anderen Ausgangszahlen als im Vorhalt vom ausgegangen werde.

Geht einem Haftungsbescheid (an den Geschäftsführer) ein Abgabenbescheid (an die GmbH) voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten ().

Geht bei Selbstberechnungsabgaben, bei denen die GmbH etwa zum Steuerabzug und zur Steuerabfuhr verpflichtet ist (etwa Kapitalertragsteuer) einem Haftungsbescheid an den Geschäftsführer ein Abzugsteuerhaftungsbescheid an die GmbH voran, so ist die Behörde im Haftungsverfahren des Geschäftsführers auch an den Abzugsteuerhaftungsbescheid gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung des Geschäftsführers hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe grundsätzlich an den Abzugsteuerhaftungsbescheid zu halten ().

Im vorliegenden Fall gehen sämtlichen Haftungsbeträgen - ausgenommen die selbst berechnete Umsatzsteuer 05/2012, deren Höhe im Verfahren nicht bestritten wurde - Abgabenbescheide oder Abzugsteuerhaftungsbescheide voraus. Bei der Haftungsinanspruchnahme des Bf. war die Abgabenbehörde an die Höhe dieser im Rechtsmittelverfahren durch das Erkenntnis des , festgesetzten Abgaben gebunden.

Die im Vorhalt vom angeführten Abgaben (gesamt 940.286,41 Euro) wurden in den Haftungsbescheid übernommen. Lediglich die Umsatzsteuer 2003 wurde im Haftungsbescheid mit 83.596,79 Euro (statt 66.864,07 laut Vorhalt) berechnet. Wie in der Begründung des Haftungsbescheides dazu ausgeführt wurde, wurde die Quotenauszahlung bei der Primärschuldnerin in der Gesamthöhe von 16.732,72 Euro ursprünglich in voller Höhe mit der Umsatzsteuer 2003 verrechnet und daher doppelt berücksichtigt (66.864,07+16.732,72 = 83.596,79). Die bezahlte Insolvenzquote ist jedoch prozentuell auf jede angemeldete Forderung und nicht mit dem Gesamtbetrag auf die älteste Abgabenschuldigkeit anzurechnen.

Im Übrigen ist, wie vom Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung richtig ausgeführt wurde, bei Streit darüber, inwieweit Abgabenschulden, für die der Vertreter haftet, durch die Ausschüttung der Konkursquote getilgt sind, in einem Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO zu klären (siehe dazu die Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom , 2006/13/0071).

Der Haftungsbetrag beläuft sich daher auf insgesamt 957.019,13 Euro (940.286,41 laut Vorhalt + 16.732,72) und nach Berücksichtigung der Verteilungs- und Nachtragsverteilungsquoten auf 940.934,03 Euro (siehe Aufstellung in der Begründung des Haftungsbescheides in Verbindung mit der Aufstellung der Abgaben im Vorhalt vom , Seite 2). Dass im Haftungsbescheid die ursprünglichen, vom BFG nicht abgeänderten Zahlen als Grundlage für den Haftungsbescheid herangezogen wurden, wird nicht näher ausgeführt und kann nach der Aktenlage nicht nachvollzogen werden.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung für die Haftung nach § 9 BAO ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Der Bf. bestreitet die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten für einen Großteil des Haftungsbetrages und beruft sich auf eine Rechtsansicht, die von der Abgabenbehörde im Rahmen einer bei der N.GmbH in den 90er Jahren stattgefundenen Betriebsprüfung von der Abgabenbehörde unbeanstandet belassen wurde.

Dazu ist auszuführen:

Nachforschungen der Abgabenbehörde haben ergeben, dass bei der GmbH im Jahr 1997 eine Vorprüfung über die Prüfungsjahre 1994 bis 1996 mit Nachforderungen in der Höhe von über 320.000 S abgeschlossen wurde. Unterlagen über diese Prüfung existieren mangels Digitalisierung nicht mehr. Das Vorbringen, die Rechtsansicht, die Sexdienstleistungen erbringenden Frauen seien selbständig tätig und nur die dafür zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten seien von der GmbH im Rahmen von Vermietung und Verpachtung mit 10% Umsatzsteuer zu versteuern, sei von der Abgabenbehörde bei dieser Prüfung nicht beanstandet worden, kann somit nicht überprüft werden.

Dass der Bf., der erst im Jahr 2005 Gesellschafter und Geschäftsführer der Mohapp Gesellschaft m.b.H. wurde, bei dieser Betriebsprüfung als Funktionär oder Angestellter der GmbH mitgewirkt hat, wird nicht behauptet. Wenn sich der Bf. daher nach seinem Vorbringen auf eine Rechtsansicht der Abgabenbehörde aus dem Jahr 1997 stützt, muss er zumindest im Besitz dieses BP-Berichtes sein. Der Antrag auf Vorlage dieses Berichtes durch die Abgabenbehörde zu seiner Entlastung erscheint in diesem Zusammenhang unverständlich. Darüberhinaus hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe , und die dort zitierte Vorjudikatur) der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei. Es ist auch Sache des Vertreters, für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen ().

Es wäre daher Sache des Bf. gewesen, den entsprechenden BP-Bericht vorzulegen.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der umsatzsteuerlichen Zurechnung von Prostitutionsumsätzen Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes war. Die Ansicht, dass dem Barbetreiber die Prostitutionserlöse zuzurechnen sind und nicht nur die Umsätze aus der "Zimmervermietung", vertrat der VwGH erstmals in der Entscheidung vom , 2002/13/0104. Es folgten weitere Entscheidungen, die die von den Abgabenbehörden zumindest seit dem Jahr 2000 vertretene Rechtsansicht bestätigten (, 2003/15/0147; , 2003/13/0138; , 2004/15/0037; , 2006/15/0290; , 2010/15/0059; , 2009/15/0199). Dass sich diese Rechtsansicht nicht zum Bf. herumgesprochen hat, verwundert, kann doch von einem überschaubaren und in regelmäßigem Kontakt stehenden Kreis von Anbietern solcher Dienstleistungen ausgegangen werden.

Auch das erstmals im Vorlageantrag getätigte Vorbringen, der Bf. sei auf Grund der Auskunft seines steuerlichen Vertreters davon ausgegangen, völlig rechtskonform zu handeln, ändert nichts an dem dem Bf. im Sinne des § 9 BAO vorzuwerfenden Verschulden, das in einem vorsätzlichen, aber auch in einem leicht fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen kann (u.a. ). 

Irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nämlich nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde ().

Angesichts der Vorgangsweise der Gesellschaft, Lohnaufwendungen an Prostituierte als "Serviererinnen" oder "Zimmermädchen" fiktiv als Betriebsausgaben abzusetzen, um die Auszahlung der "nur treuhändig" auf einem Verrechnungskonto vereinnahmten Prostitutionserlöse (zur Hälfte) an die Frauen abzudecken und die andere Hälfte unversteuert zu vereinnahmen, lassen die geforderte Sorgfalt des Bf. missen. Von einem unverschuldeten Rechtsirrtum des Bf. kann daher keine Rede sein.

Das Vorbringen, das Finanzamt habe der steuerlich vertretenen Gesellschaft die richtige Versteuerung nicht mittels Vorhalt (!) mitgeteilt, ist daher irrelevant.

Gegenstand des Unternehmens der Primärschuldnerin war offenkundig nicht der Betrieb eines Hotels, sondern die Erbringung von Dienstleistungen der Prostitution, wurde doch die von den Frauen mit den Gästen in den Zimmern verbrachte Zeit minutenweise abgerechnet. Dass sich der Bf. auf eine angeblich und von ihm nicht nachgewiesene, von der Abgabenbehörde 10 Jahre vor Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit "genehmigte" Vorgangsweise beruft und diese trotz zahlreicher bereits ab dem Jahr 2005 in Literatur und Judikatur vertretenen gegenteiligen Rechtsansichten bis zum Jahr 2012 nicht ändert, kann nur so interpretiert werden, dass die "andere Rechtsansicht" des Bf. vorgeschoben wurde, um die Nichtversteuerung der tatsächlichen Einnahmen trotz gegenteiliger höchstgerichtlicher Rechtsprechung glaubhaft zu verschleiern.

Nach dem vorliegenden Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom hat der Bf. im Verfahren ein Geständnis hinsichtlich der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung in der Höhe von insgesamt 479.552,93 Euro abgelegt. Hinsichtlich dieses Betrages kann eine schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. nicht bestritten werden.

Gleichbehandlung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Vertreter erfährt nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().

Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Bf. hat im Zuge des Verfahrens Gleichbehandlungsnachweise vorgelegt. Diese entsprechen jedoch, worauf das Finanzamt im Haftungsbescheid und der Beschwerdevorentscheidung richtig verwiesen hat, nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Erfordernissen.

Die vorgelegten Berechnungen beruhen auf den von der Gesellschaft erstellten jährlichen Bilanzen, die nach der Betriebsprüfung und dem gegen den Bf. geführten Strafverfahren als falsch zu qualifizieren sind. Die der Gesellschaft zur Verfügung gestandenen (nicht versteuerten) liquiden Mittel wurden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Ebensowenig wurden bei der Berechnung lediglich die im Haftungsbescheid angeführten Abgaben, nicht aber die insgesamt bestehenden Abgabenverbindlichkeiten berücksichtigt. Eine Berechnung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben fehlt völlig. Bei der Berechnung der Quote wurden die Gesamtverbindlichkeiten (Stand am jeweiligen 1. des Monats plus Zugänge) nicht berücksichtigt. Die Berechnungen enthalten darüberhinaus zahlreiche Rechenfehler, sodass der Ansicht des Finanzamtes, die Quotenberechnungen seien nicht nachvollziehbar, zuzustimmen ist. 

Auch auf den Hinweis im Haftungsbescheid, die Berechnungen ließen die Kapitalertragsteuer völlig außer Acht, wurde im folgenden Verfahren nicht weiter eingegangen.

Die Vorgangsweise bei der Berechnung wurde dem Bf. in zwei Vorhalten des Finanzamtes detailliert zur Kenntnis gebracht. Dass die vorgelegten Berechnungen nicht nachvollziehbar seien, wurde in der Beschwerdevorentscheidung, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltscharakter zukommt, dargelegt. Dennoch wurden vom vertretenen Bf. keine geänderten Berechnungen vorgelegt.

Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Bf. somit nicht erbracht.

Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde von einer schuldhafte Pflichtverletzung ausgehen (siehe ).

Kapitalertragsteuer

Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer kann deren Nichtabfuhr grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Kapitalertragsteuer der Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträge nur eine vom Empfänger der Kapitalerträge geschuldete Steuer gemäß § 95 Abs. 2 EStG einzubehalten und gemäß § 96 Abs. 1 EStG dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Kapitalertragsteuer genauso wie auch bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Wenn daher die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet wird, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor.

Die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. liegt darin, dass er in seinem zeitlichen Verantwortungsbereich als Geschäftsführer der genannten GmbH die verdeckten Gewinnausschüttungen vorgenommen hat, ohne die darauf entfallende Kapitalertragsteuer einbehalten oder abgeführt zu haben.

Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit (siehe dazu , ). 

Fest steht, dass die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit ist und dieses pflichtwidrige Verhalten dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen ist. Von einem Rechtswidrigkeitszusammenhang ist demnach auszugehen.

Ermessen

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Das diesbezügliche Vorbringen der angespannten finanziellen Situation der fortbetriebenen GmbH sowie des Bf. ist daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht zu berücksichtigen.

Dem Bf. ist aber insoweit zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass die Frage der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit bei der Ermessensübung berücksichtigt werden muss. Dabei ist den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen, um Unbilligkeiten hintanzuhalten, die aus einer späten Geltendmachung der Haftung resultieren ().

Auch aus dem Erkenntnis vom , 2006/13/0159, ergibt sich, dass die Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit zur Hintanhaltung von Unbilligkeiten bei der Ermessensübung nicht ohne weiteres außer Betracht gelassen werden darf. Im Erkennntis vom , 2009/16/0108, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederum auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Ermessensentscheidung hingewiesen, weil diese – sollten nicht außergewöhnliche Gründe vorliegen – der Inanspruchnahme zur vollen Haftung entgegenstehen könne.

Im vorliegenden Fall wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin im Juni 2015 beendet und der Bf. im Juli 2016 zur Haftung herangezogen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes lässt der Umstand, dass die Haftungsinanspruchnahme des Bf. bereits ein Jahr nach der Beendigung des Insolvenzverfahren erfolgte, unter Berücksichtigung des umfangreichen Ermittlungsverfahrens zur Frage der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Bf. (zwei Vorhalte) keine überlange Verfahrensdauer erkennen.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der gegenständlichen Abgabenschulden (die ältesten Abgabenschuldigkeiten datieren aus dem Jahr 2003) und der Erlassung des Haftungsbescheides im Jahr 2016 liegt hingegen vor.

Im Rahmen der Ermessensübung ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Großteil der Haftungsbeträge vom Bf. hinterzogen wurde. Zu Recht hat der Vertreter des Finanzamtes auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom verwiesen, wonach der Bf. Abgaben in der Höhe von 479.552,93 Euro gewerbsmäßig hinterzogen hat. Eine (auch nur teilweise) Schadensgutmachung ist nicht erfolgt. Das Finanzamt konnte, da es von den hinterzogenen Abgaben bis zur Betriebsprüfung im Jahr 2012 keine Kenntnis hatte, bis zur rechtskräftigen Abgabenfestsetzung keine Einhebungsmaßnahmen setzen.

Die hohe Abgabenschuld und der lange Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschulden und der Haftungsinanspruchnahme ist daher allein dem Bf. anzulasten. Eine Reduktion der Haftungsbeträge erscheint daher im vorliegenden Fall lediglich für die Jahre 2003 und 2004 im Ausmaß von 50 % gerechtfertigt.

Es war daher zweckmäßig, den Bf. zur Haftung von Abgaben in der Höhe von 789.623,23 Euro, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens (Nichtabfuhr) bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis gründet sich auf die oben wieder gegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103491.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at