Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.08.2019, RV/7103511/2015

Zuständigkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache Beschwerdeführer, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht:

I. Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes AB vom wird wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung)

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2008 Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit; darunter auch Bezüge aus dem Insolvenz-Ausfall-Fonds. Die Abgabe einer Lohnsteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) erfolgte für das Jahr 2008 nicht.

Seinen Hauptwohnsitz hatte der Beschwerdeführer von bis in "yx" gemeldet. Ab dem bis zum  verlegte er seinen Hauptwohnsitz nach "ab" im Bezirk a (ZMR-Abfrage).

Mit Bescheid vom  setzte das Finanzamtes XY die Einkommensteuer mit EUR 1.058,57 sowie Anspruchzinsen iHv EUR 92,14 fest. Die Adressierung erfolgt an die vormalige Adresse des Beschwerdeführers in "yx". Am erfolgte die Zusendung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 an die Adresse in "ab", an welcher der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz gemeldet hatte. Das Finanzamt XY hatte daher jedenfalls am Kenntnis von der Verlegung des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers. Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 erfolgte am (vormalige Berufung). Mit Fax vom übermittelte der Beschwerdeführer die Beschwerde (vormals Berufung) gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 an das Finanzamt XY.

Am  erteilte das Finanzamt AB dem Beschwerdeführer ein Ersuchen um Ergänzung seiner Beschwerde vom . Mangels Vorhaltbeantwortung wies das Finanzamt AB mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab.

Am stellte der Beschwerdeführer daraufhin einen Vorlageantrag beim  Finanzamt AB. Die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erfolgte daraufhin durch das Finanzamt AB am .

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt AB um Stellungnahme, zu welchem Zeitpunkt dieses von seiner Zuständigkeit für die Erhebung der Einkommensteuer des Beschwerdeführers als Wohnsitzfinanzamt nach § 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010 Kenntnis erlangt hatte. Eine Kenntnisnahme erfolgte jedenfalls nach dem (Vorhaltbeantwortung vom ); der genaue Zeitpunkt kann nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Aus den Abfragedaten des Zentralen Melderegisters geht hervor, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 am seinen Hauptwohnsitz im Bezirk a hatte. Der Hauptwohnsitz im x Gemeindebezirk wurde bereits zum aufgegeben.

Aus einem Vermerk im Abgabeninformationssystem des Finanzamtes XY geht hervor, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 am an die Adresse des Beschwerdeführers in "ab" (nochmals) zugesandt wurde. Aufgrund der Zusendung des Bescheides an die Adresse des Beschwerdeführers, an welcher er seinen Hauptwohnsitz gemeldet hatte, hatte das Finanzamt XY jedenfalls Kenntnis davon, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz von "yx" nach "ab" verlegt hatte.

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt AB um Stellungnahme, zu welchem Zeitpunkt es von der Hauptwohnsitzverlegung des Beschwerdeführers Kenntnis erlangt hat. Aus der Vorhaltbeantwortung vom geht hervor, dass der Einkommensteuerbescheid des Jahres 2008 zwar am vom Finanzamt XY an die neue Adresse des Beschwerdeführers versandt wurde, jedoch am noch eine Änderung der Grunddaten von einem Mitarbeiter des Finanzamtes XY durchgeführt wurde, weswegen davon auszugehen ist, dass der Akt bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch vom Finanzamt XY geführt wurde. Ein erstmaliges Tätigwerden durch das Finanzamt AB erfolgte durch den Ergänzungsvorhalt vom . Die Kenntniserlagung des Finanzamtes AB erfolgte somit im Zeitraum zwischen dem und ; daher jedenfalls nach dem .

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 265 Abs. 5 BAO ist die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten wird, Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht.

Gemäß § 262 BAO hat jene Abgabenbehörde über eine Bescheidbeschwerde abzusprechen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 50 erster Satz BAO haben die Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.

Gemäß § 52 BAO sind, soweit nicht anderes bestimmt wird, für die Zuständigkeit der Abgabenbehörden des Bundes die Vorschriften des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 – AVOG 2010 maßgeblich.

Gemäß § 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010 ist für die Erhebung der Einkommensteuer das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Gemäß Abs. 1 leg cit ist das jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.

Aufgrund der Meldung des Hauptwohnsitzes war daher das Finanzamt XY von bis das W ohnsitzfinanzamt des Beschwerdeführers; ab dem bis zum  galt das Finanzamt AB als sein Wohnsitzfinanzamt.

Gemäß § 6 AVOG 2010 endet die Zuständigkeit einer Abgabenbehörde für die Erhebung von Abgaben, außer bei Erlassung eines Delegierungsbescheides, mit dem Zeitpunkt, in dem eine andere Abgabenbehörde von den ihre Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es hinsichtlich des Zuständigkeitsüberganges iSd § 6 AVOG 2010 weder auf den Zeitpunkt an, in dem das die Zuständigkeit beeinflussende Ereignis eintritt, noch auf den Zeitpunkt, in dem das bisher zuständige Finanzamt von einem solchen Ereignis Kenntnis erlangt (siehe zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 73 BAO etwa , vom , 98/14/0105, vom , 94/13/0033 und vom , 92/13/0094).

Gemäß § 4 AVOG 2010 berührt der Übergang der Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde nicht die Zuständigkeit der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde im Beschwerdeverfahren betreffend von ihr erlassene Bescheide. Dies betrifft auch die Zuständigkeit zur Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen (vgl Ritz, BAO6, § 5 AVOG 2010 Tz 3).

Im Zeitpunkt der Erhebung der Einkommensteuer für das Jahr 2008 war zwar das Finanzamt AB bereits das Wohnsitzfinanzamtes des Beschwerdeführers nach § 20 Abs. 2 Z 1 AVOG 2010, jedoch erlangte dieses erst nach dem Kenntnis von seiner grundsätzlichen Zuständigkeit.

Daher war im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 vom , zugestellt am , das Finanzamt XY als vormaliges Wohnsitzfinanzamt des Beschwerdeführers nach § 6 AVOG 2010 weiterhin als für die Erhebung der Einkommensteuer zuständige Behörde anzusehen. Dass das Finanzamt XY somit bereits vor wirksamer Zustellung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2008 von der Hauptwohnsitzverlegung Kenntnis erlangte, war nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Übergang der Zuständigkeit nicht maßgebend (vgl nochmals , vom , 98/14/0105, vom , 94/13/0033 und vom , 92/13/0094).

Das Finanzamt XY hat folglich als zuständige Behörde den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom erlassen. Da nach § 262 BAO iVm § 4 AVOG 2010 jene Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung über eine Bescheidbeschwerde abzusprechen hat, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, war im Beschwerdefall das Finanzamt XY für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zuständig. Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes AB vom war somit von einer unzuständigen Behörde ergangen und erweist sich sohin als rechtswidrig. Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher aufzuheben.

Nach § 264 Abs. 7 BAO scheidet der Vorlageantrag durch Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus. Das Bundesfinanzgericht trifft keine Pflicht über Vorlageanträge nach Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden (vgl EBRV 1352 BlgNR 25. GP, 17).

Die Beschwerde vom betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2008 ist damit wieder unerledigt. Nach § 262 Abs. 1 BAO hat das Finanzamt verpflichtend eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Das Finanzamt XY wird daher mit Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde zu entscheiden haben.

Zu Spruchpunkt II (Zulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolgen betreffend die Zuständigkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ergeben sich unmittelbar aus den oben zitierten Gesetzesbestimmungen (vgl insb § 6 AVOG 2010 sowie § 262 BAO). Dass das Bundesfinanzgericht nach Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung nicht mehr über den Vorlageantrag zu entscheiden hat, ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Bestimmung des § 264 Abs. 7 BAO. Darüberhinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgebenden Sachverhaltes entscheidungswesentlich (vgl ). Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103511.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at