Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.09.2019, RV/7104442/2019

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Lederer & Partner Steuerberatung GmbH, Kirchengasse 14, 7551 Stegersbach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht: 

1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden "Bf.") war im streitgegenständlichen Zeitraum in A bei der C GmbH als Musikerin unselbständig tätig und hatte sowohl in A als auch in B einen Wohnsitz.

Im Zuge ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 beantragte sie die Anerkennung von Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie für Familienheimfahrten als Werbungskosten. Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dies mit der Begründung, dass der Ehegatte der Bf. am verstorben sei.

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde. In dieser legte sie dar, die belangte Behörde übersehe, dass auch wirtschaftliche Gründe für die Unzumutbarkeit der Übersiedlung an den Beschäftigungsort zu beachten seien. Der Verkauf des Einfamilienhauses in B würde auf Grund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort A wäre aus dem Erlös nicht möglich. Die angemietete Ein-Zimmer-Wohnung in A habe den Charakter einer Schlafstelle, es gebe keinen für Musiker unabdingbaren Übungsraum. Das Einfamilienhaus in B gebe es bereits seit 2008. Da somit die Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten vorlägen, werde die Berichtigung des ergangenen Bescheids beantragt.

Mit ihrer Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und berücksichtigte Kosten für monatliche Familienheimfahrten als Werbungskosten, nicht jedoch für eine doppelte Haushaltsführung.

In Folge beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. In ihrem Vorlageantrag führte sie aus, ihre Wohnung in A mit einer Fläche von 34m2 habe keine Waschmaschine, keine Waschküche, keinen Übungsraum und weder genug Platz (die Bf. spiele Harfe) noch die technischen Voraussetzungen (Schalldämmung) für das berufsbedingte stundenlange tägliche Üben. In A könnten auf einer kleinen Übungsharfe lediglich Fingerübungen durchgeführt werden. Diese Gegebenheiten hätten sich durch den Tod des Ehegatten nicht verändert. Durch den Tod des Gatten könne kein Zwang zur Aufgabe des Familienwohnsitzes ausgelöst werden, zumal dieser in einem strukturschwachen Gebiet liege und mit dem zu erzielenden Verkaufserlös keine gleichwertige Liegenschaftin A bzw. in der Umgebung von A erstanden werden könne. Auf diese bereits in der Beschwerde angeführten Argumente sei in der Beschwerdevorentscheidung nicht eingegangen worden.

Die belangte Behörde legte den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht vor. In ihrer Stellungnahme legte sie dar, der Begründung der Bf., die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung hänge auch mit wirtschaftlichen Gründen zusammen, sei entgegenzuhalten, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unter anderem unzumutbar sei, wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte oder betreuungsbedürftige Kinder wohnten und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar sei. Die Bf. sei hingegen kinderlos. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach sechs Monaten möglich. Daher seien die Kosten der doppelten Haushaltsführung für die Monate Jänner und Februar 2017 anzuerkennen. Dahingehend seien auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten für die ersten zwei Monate anzuerkennen, wobei das monatliche Aufsuchen des Heimatortes als ausreichend anzusehen sei. Als Kosten für Familienheimfahrten sei ein Betrag von EUR 0,42,-- pro Kilometer anzusetzen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

Die kinderlose Bf. war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der C GmbH als Musikerin unselbständig tätig. Sie bewohnte seit dem Jahr 2008 ein Einfamilienhaus in B, in welchem sie gemeinsam mit ihrem Gatten bis zu dessen Tod am  lebte. Des weiteren war sie Mieterin einer Ein-Zimmer-Wohnung in A mit einer Wohnfläche von 34m2, welche über keine Schalldämmung verfügte. Die Entfernung zwischen ihrer Arbeitsstätte in A und ihrem Wohnsitz in B betrug etwa 94 km und die Fahrzeit mit einem Kraftfahrzeug etwa eine Stunde und neun Minuten. Die Entfernung zwischen ihren Wohnsitzen in A und in B betrug etwa 95 km. Die Bf. legte diese Strecke mit einem Kraftfahrzeug zurück.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem vorgelegten Beschwerdeakt sowie aus dem Ergebnis der Berechnung eines Routenplaners.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt 1: Teilweise Stattgabe

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, ist nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum derartige Aufwendungen dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass diese so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa ); die Unzumutbarkeit ist aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen ().

Dass der Bf. die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz nicht zugemutet werden konnte, ist unstrittig und findet durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ) seine Deckung.

Strittig und daher zu klären ist, ob der Bf. die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort zugemutet werden konnte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand "für eine gewisse Übergangszeit" Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort als Werbungskosten anerkannt werden. Für diese Übergangszeit können bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort auch Aufwendungen für Heimfahrten Berücksichtigung finden, weil diesem Arbeitnehmer zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich, in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen (vgl. , sowie die dort genannten weiteren Entscheidungen ). Eine steuerlich anzuerkennende vorübergehende doppelte Haushaltsführung kann auch dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung weggefallen sind (Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 56). Für die Verlegung des Familienwohnsitzes gilt bei allein stehenden Personen ein Zeitraum von sechs Monaten als ausreichend, sofern die Verhältnisse des Einzelfalls keinen anderen Zeitraum erfordern (Zorn/Stanek in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 16 Rz 200/8). Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für die Heranziehung eines anderen Zeitraums vorliegen, wird dem Vorbringen der belangten Behörde gefolgt, einen Zeitraum von sechs Monaten für eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung anzuerkennen, wovon zwei Monate (Jänner, Februar) in das streitgegenständliche Jahr fallen. Vor dem Hintergrund, dass es der Bf. laut ihrem unbestrittenen Vorbringen nicht möglich war, ohne Einschränkungen in ihrer Wohnung in A zu üben, da diese über keine Schalldämmung verfügte, werden bis zum Betrag gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sämtliche von der Bf. im Jänner und Februar 2017 zwischen ihren Wohnsitzen in A und B zurückgelegten Fahrten zwecks Geltendmachung von Kosten für Familienheimfahrten berücksichtigt.

Die Bf. brachte für die Anerkennung einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung vor, der Verkauf des Einfamilienhauses in B würde auf Grund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen und die Anschaffung einer adäquaten Wohnung in A wäre aus dem Erlös nicht möglich. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in einzelnen Fällen zu Recht erkannt, dass die Verlegung des Wohnsitzes aus einer strukturschwachen Region in ein Ballungszentrum unzumutbar sein kann (; , 2007/15/0044; , 2013/15/0146). Die Sachverhalte, die diesen Entscheidungen zu Grunde lagen, unterscheiden sich jedoch in mehrfacher Hinsicht grundlegend vom Sachverhalt, den das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall feststellte: So lebten in sämtlichen Fällen, die den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde lagen, weitere Angehörige (Frau, Kinder) am Familienwohnsitz. Fremdenrechtliche Bestimmungen standen dem Nachzug der Angehörigen vom Familienwohnsitz ins Inland entgegen (; , 2013/15/0146), die Angehörigen führten am Familienwohnsitz einen landwirtschaftlichen Betrieb (; , 2013/15/0146) bzw. die Höhe der Einkünfte war so gering, dass es für die gesamte Familie nicht möglich gewesen wäre, im Inland damit das Auslangen zu finden (). Nichts dergleichen trifft auf den vorliegenden Fall zu. Auch ist das Vorbringen der Bf., die Anschaffung einer adäquaten Wohnung in A wäre aus dem Erlös des Verkaufs des Hauses in B nicht möglich, auf Grund seiner Allgemeinheit für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar. Zwar mag, wie von der Bf. in ihrem Vorlageantrag dargelegt, mit einem erzielbaren Verkaufserlös die Anschaffung einer gleichwertigen Liegenschaft in A bzw. in der Umgebung von A nicht möglich sein. Weshalb jedoch gerade eine Liegenschaft mit Einfamilienhaus für die Ausübung des Berufes der Bf. als Musikerin erforderlich sein sollte, ist für das Bundesfinanzgericht ebenso wenig nachvollziehbar.

Im Ergebnis werden lediglich die für die Monate Jänner und Februar 2017 geltend gemachten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt. Die von der Bf. unter dem Titel "doppelte Haushaltsführung" geltend gemachten Kosten für die von ihr geleistete Garagenmiete können jedoch keine Berücksichtigung finden, da es sich hierbei nicht um unvermeidbare Mehraufwendungen handelt, deren Obergrenze mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen ist (vgl. etwa ). Da die Bf. die Fahrten zwischen A und B mit einem Kraftfahrzeug zurücklegte und sie zwar die zurückgelegten Kilometer angab, jedoch keine tatsächlichen für diese Fahrten anfallenden Kosten geltend machte, wird dem Ansatz der belangten Behörde gefolgt, im Schätzungswege einen Betrag iHv EUR 0,42,-- pro Kilometer entsprechend dem amtlichen Kilometergeld anzusetzen (vgl. dazu auch , wonach eine Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld in vielen Fällen zu einem zutreffenden Ergebnis führt).

Somit werden für die Monate Jänner und Februar 2017 die folgenden Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannt:

Kosten für doppelte Haushaltsführung

Miete Jänner 2017: EUR 459,78,--

Strom Jänner 2017: EUR 32,00,--

Miete Februar 2017: EUR 459,78,--

Strom Februar 2017: EUR 38,96,--

Kosten für doppelte Haushaltsführung insgesamt: EUR 990,52,--

Kosten für Familienheimfahrten

Kosten für Familienheimfahrten insgesamt: EUR 612,00,-- (da die Kosten für die von der Bf. zurückgelegten Fahrten [95 km * EUR 0,42,-- * 21 = EUR 837,90,--] den Betrag gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 iHv EUR 612,00,-- [EUR 3.672,00,--/6] übersteigen würden, ist dieser anzusetzen)

3.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde. Da dieses Erkenntnis der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, ist die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

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