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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.07.2019, RV/7101239/2019

1. Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht 2. Bindung an ein schlüssiges Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache Bf., W , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe ab Juli 2017 für den vom bekämpften Bescheid umfassten Zeitraum zu Recht erkannt:

Der Beschwerde im Umfang der Beschwerdevorentscheidung teilweise Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am die (Weiter)-gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe für ihre Tochter M, geb. xy.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt worden seien.

Darüberhinaus wurde auf das Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom verwiesen.

In diesem wird u.a. folgendes festgehalten:

"Anamnese:

Laut VGA von 9/2015 50% GdB mit Diagnose Epilepsie.

Zn. peripherer Vll-Parese rechts 12/2012 (Dauer ca. 4 Monate).

Seit 9/2014 kleine Anfälle; ambulante Durchuntersuchung im AKFI 5/2015; am

erstmaliger GM-Anfall, seither noch kleine Anfälle sowie fraglich nächtlicher GM-Anfall

8/2015 und ca. 11/2015 mit amb. Begutachtung (kein Befund vorliegend). Unregelmäßige

Medikamenteneinnahme - heute kleiner Anfall.

Bislang keine stationären Aufenthalte".

In diesem Gutachten wurde der Grad der Behinderung von 50 % im Vorgutachten vom auf 30 % mit der Begründung herabgestuft, dass eine Besserung des Leidens Epilepsie eingetreten sei.

Weiters wurde festgehalten, dass der Grad der Behinderung seit 11/2017 vorliege und M voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sein werde, sich selbst den Unterhat zu verschaffen.

Unter dem Titel "Sozialanamnese" wurde festgehalten, dass für den Besuch des Abendgymnasiums noch zwei weitere Jahre geplant seien.

Gegen den abweisenden Bescheid erhob die Bf. am Beschwerde und verwies darauf, dass ihre Tochter nachwievor an Epilepsie leide und sie die Schulbesuchsbestätigungen zu spät erhalten habe. Sie legte Zeugniskopien des Gymnasiums für Berufstätige vor, und zwar

- für das Wintersemester 2016/2017, wonach u.a. "Deutsch 4" und "Englisch 3" negativ beurteilt wurden,

- für das Sommersemester 2017 wonach fünf Gegenstände (darunter wiederum"Deutsch 4" und "Englisch 3" ) mit insgesamt 13 Wochenstunden inskribiert wurden und

- für das Wintersemester 2017/2018, wonach acht Gegenstände mit insgesamt 24 Wochenstunden inskribiert wurden. Von diesen sind sieben Gegenstände negativ beurteilt worden (positiv Physik 2).

Ein Vergleich der vorgelegten Zeugnisse ergibt, dass von acht Gegenständen vier zum wiederholten Mal (Latein 3 bereits im WS 2016/2017 Mathematik 3 bereits im Sommersemester 2017, Kolloquium Deutsch 4 bereits  im WS 2016/2017 und im Sommersemester 2017 und Kolloquium Englisch 3 ebenfalls bereits im WS 2016/2017 und im Sommersemester 2017) inskribiert wurden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe von Juli 2017 bis Oktober 2017 gewährt.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

"Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe

zusteht. Ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe besteht somit bei der Erfüllung aller

übrigen Voraussetzungen nur dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die

allgemeine Familienbeihilfe erfüllt sind.

Das medizinische Sachverständigengutachten geht davon aus, dass eine Behinderung von

50 v. H. ab und ein Grad der Behinderung von 30 v. H., ab bei

M eingetreten ist. Eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu

verschaffen liegt nicht vor. Tatsache ist auch, dass M seit September 2015 die AHS

für Berufstätige besucht. Da bei Ihrer Tochter mit nur 30 % Behinderung der nötige

Krankheitsgrad für den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ab nicht erreicht wurde, besteht nur ein Familienbeihilfeanspruch, wenn Sie die allgemeinen Kriterien einer Berufsausbildung auch weiterhin erfüllt. M wurde zwar im Wintersemester 2017/18 in 8 Fächern mit 24 Wochenstunden beurteilt, jedoch waren 7 Fächer davon negativ und nur 1 Fach positiv. Auch ist sie für das Sommersemester 2018 in lediglich 3 Fächern mit insgesamt 9 Wochenstunden inskribiert.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass M ab November 2017 nicht mehr die

allgemeinen Voraussetzungen einer Berufsausbildung erfüllt, da selbst unter Einbeziehung

von Vorbereitungszeiten von keiner zielstrebigen und ernsthaften Berufsausbildung mehr

ausgegangen werden kann.

Daher erfolgte die Abweisung für den Zeitraum ab November 2017 zu Recht."

Im Vorlageantrag vom verwies die Bf. auf einen epileptischen Anfall am und die damit verbundene Einlieferung ins Spital.

Auf die Frage, ob überhaupt eine Berufsausbildung vorliegt und allenfalls der Grundbetrag an Familienbeihilfe zustehen würde, geht die Bf. im Vorlageantrag nicht ein. 

In einem weiteren, im Zuge des Beschwerdeverfahrens erstellten, Gutachten vom blieb der Grad der Behinderung unverändert bei 30 %. Bei der Untersuchung am war die Bf. anwesend und berichtete über den Anfall am .

In der "Sozialanamnese" wird ausgeführt, dass das Abendgymnasium dzt. unterbrochen sei und die Volkshochschule besucht werde, um den Lehrabschluss nachzuholen.

Im Vorlagebericht vom verwies die belangte Behörde auf eine Vorhalt vom und führte dazu folgendes aus:

" Der Vorhalt vom wurde nicht vollständig beantwortet. Aufgrund der übermittelten Bestätigungen ist davon auszugehen, dass M im Zeitraum für Kurse im gesamt Ausmaß von 256 Stunde angemeldet war. Davon abgesehen, dass durch diese Anmeldebestätigungen nicht nachgewissen wurde, ob die Berufsausbildung tatsächlich besucht wurde, ist auch das quantitative Element einer Berufsausbildung mit lediglich ca. 13 Wochenstunden nicht erfüllt. Zudem wurde auch nicht bekanntgegeben welcher Lehrabschluss den nun überhaupt angestrebt wird.

Dementsprechend wird beantragt den angefochtenen Bescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuweisen."

Der Vorhalt bzw. dessen Ergänzung wurden dem Bundesfinanzgericht nachträglich übermittelt.

Die Bf. legte der belangten Behörde folgendes vor:

- das Zeugnis des Gymnasiums für Berufstätige für das Sommersemester 2018, wonach sie drei Gegenstände mit insgesamt neun Wochenstunden inskribiert hat. Das Zeugnis mit elektronischer Amtssignatur vom enthält den Vermerk dass der Schulbesuch wegen viermaligen erfolglosen Antretens in einem Modul gem. § 32 SchuG-B beendet ist. Zwei Gegenstände wurden negativ beurteilt, darunter Deutsch 4.

- drei Anmeldebestätigungen der F vom , wonach sie sich für den Zeitraum bis für den Vormittagslehrgang "Mathematik 1. Semester" im Ausmaß von 88 Unterichtseinheiten, den Abendlehrgang "Englisch 1. Semester" im Ausmaß von 92 Unterrichtseinheiten und den Vormittagslehrgang "Deutsch 1. Semester" im Ausmaß von 76 Unterrichtseinheiten anmeldet.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgendes Sachverhalt wird als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bf. beantragte am die Weitergewährung von Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihre Tochter M, geb. am xy.

Die Tochter der Bf. besucht seit dem Sommersemester 2015 das Gymnasium XY 

Im Sommersemester 2017 hat sie fünf Gegenstände mit einem Ausmaß von 13 Wochenstunden inskribiert, davon wurden drei negativ beurteilt.

Im Wintersemester 2017/2018 hat sie acht Gegenstände mit einem Ausmaß von 24 Wochenstunden inskribiert.

Sieben Gegenstände wurde negativ beurteilt.

Im Sommersemester 2018 hat sie drei Gegenstände im Ausmaß von neun Wochenstunden inskribiert, davon wurden zwei negativ beurteilt.

Lt. Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde der bisherige Grad der Behinderung von 50 % wegen Epilepsie auf 30 % ab November 2017 herabgestuft. 

Ein weiteres Gutachten vom ließ diesen Grad der Behinderung unverändert.

Der vorliegende Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG haben

Anspruch auf Familienbeihilfe  Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei ...

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

...

h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

§ 8 FLAG:

...

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Es ist daher für jeden Monat zu überprüfen, ob Anspruch auf Familienbeihilfe besteht

(siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgserichtshofes vom , 2012/16/0052).

Die belangte Behörde stellte in der Beschwerdevorentscheidung zutreffende fest, dass Voraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe bei volljährigen Kindern ist, dass der Grundbetrag nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes zusteht.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG wird Familienbeihilfe für volljährige Kinder gewährt, die für einen Beruf ausgebildet werden.

Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in seiner (ständigen) Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt (siehe für viele zB ; ; ):

- Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.

- Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.

- Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.

Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.

Unstrittig ist, dass die Vorbereitung auf die Reifeprüfung grundsätzlich Berufsausbildung ist, wenn sie in Form schulischer oder kursmäßiger Ausbildung erfolgt und (siehe im Folgenden) ein bestimmtes Maß an zeitlicher Intensität (etwa im Rahmen des Besuchs des 8. Klasse einer höheren Schule) erreicht.

Eine Berufsausbildung i. S. d. FLAG 1967 liegt in zeitlicher Hinsicht nur vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von etwa 30 Stunden für Kurse und Vorbereitung auf eine Prüfung entfällt  (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 40; ; u. v. a.).

Auch wenn eine ernstliche und zielstrebige Ausbildung vorliegt, reicht selbst beim Besuch von Schulen für Berufstätige, von Maturaschulen, einem Fernstudium oder anderen Ausbildungen mit einem geringeren Anwesenheitsbedarf als bei Schulen mit vergleichbarem Ausbildungszweck in der Normalform nach ständiger Rechtsprechung nicht aus, um von einer Berufsausbildung i.S.d. FLAG 1967 sprechen zu können. Es muss auch die weit überwiegende Arbeitszeit des Schülers durch die Ausbildung in Anspruch genommen werden. Es ist davon bei einer Ausbildung an der Normalform einer Schule mit Tagesunterricht und Vorbereitungszeit zu Hause auszugehen, nicht aber in jedem Fall bei einer Ausbildung mit einem geringeren Anwesenheitsbedarf (vgl.  und vom , RV/7101530/2014 bezügl. des Besuches eines Abendgymnasiums).

Für die Qualifikation als Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit kommt aber Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu (vgl. , und )

Hinsichtlich der zeitlichen Komponente führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2009/15/0089 folgendes aus:

Die oben angeführten Voraussetzungen einer Berufsausbildung iSd FLAG können aber auch dann vorliegen, wenn ein Kind erforderliche Prüfungen ablegen will und sich hierauf tatsächlich und zielstrebig vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt .

Wörtlich wird ausgeführt:

Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0050). Bei kursmäßigen Veranstaltungen kommt es darauf an, dass sich die Ausbildung in quantitativer Hinsicht vom Besuch von Lehrveranstaltungen oder Kursen aus privaten Interessen unterscheidet (vgl. das zur Studienberechtigung ergangene Erkenntnis vom , 2006/15/0178). Die oben angeführten, von der Judikatur geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG können aber auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0050).

Auch wenn für den Erhöhungsbetrag ein Mindestausmaß der Behinderung von 50 % erforderlich ist, so gebührt dieser bei volljährigen Kindern nur, wenn Familienbeihilfe aus anderem Grund grundsätzlich zusteht, etwa wegen einer Berufsausbildung, es sei denn das Kind wäre dauernd außer Stande sich den Lebensunterhalt zu verschaffen.

Von letzterem ist im kann im gegenständlichen Fall nicht die Rede sein, weil eine solche Unfähigkeit in den vorliegenden Sachverständigengutachten nicht festgestellt wurde.

Ob sich die Tochter der Bf. in Berufsausbildung befand, ist daher für den Antragszeitraum bzw. den vom bekämpften Bescheid umfassten Zeitraum zu prüfen.

Dabei ist auch der Aspekt zu beachten, dass bei der Tochter bis inkl. Oktober 2017 ein Grad der Behinderung von 50 % vorlag.

Liegt wie im gegenständlichen Fall eine - wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesene - erhebliche Behinderung des Kindes vor, welche aufgrund von Befunden anerkannt wurde, die sich auch bereits auf die Zeit vor dem Besuch des Gymnasiums für Berufsstätige beziehen, kann von diesem Kind nicht dieselbe Leistung erwartet werden wie von einem nicht behinderten. Unterschiedliche Erwartungen bezüglich der zu erbringenden Leistung kommen auch darin zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber im Fall von behinderten Studenten keinen Leistungsnachweis in einem bestimmten Ausmaß fordert und den Bezug der Familienbeihilfe in diesem Fall auch nicht einschränkt, wenn das Lernziel nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erreicht wird. Lediglich wenn über längere Zeit gar keine Prüfungen abgelegt werden und kein triftiger Grund (etwa in Form einer Erkrankung) vorliegt, wird davon auszugehen sein, dass keine Ausbildung vorliegt.

Die Monate Juli und August zählen noch zum Sommersemester. Im Sommersemester 2017 hat die Tochter fünf Gegenstände im Ausmaß von 13 Wochenstunden inskribiert. Darunter, wie im Semester davor, "Deutsch 4" und "Englisch 3".

Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann davonausgegangen werden, dass beim wiederholten Besuchen eines Moduls ein geringerer Zeitaufwand erforderlich sein wird.

Unter Berücksichtigung der Tatsache jedoch, dass bis zur neuerlichen Gutachtenerstellung mit beginnend für den Zeitraum ab November 2017 ein Grad der Behinderung von 50 % vorlag, die Tochter somit als erheblich behindert galt, kann für den mit dem Anstreben eines bestimmten Ausbildungserfolges nötigen Zeitaufwand nicht der gleiche Maßstab angewendet werden wie für nicht behinderte Kinder.

Dies gilt auch im Wintersemester 2017/2018, das im September 2017 begonnen hat, in dem sie sogar weitaus mehr Stunden inskribiert hat, nämlich 24 Wochenstunden auf acht Gegenstände verteilt, für die Monate September und Oktober.

Darüberhinaus ist für die Vor-und Nachbereitungszeit etwa das doppelte an Unterrichtszeit zu rechnen (vgl. ), sodass auch unter diesem Aspekt das ernstliche Bemühen um einen Ausbildungserfolg für die Monate September und Oktober nicht ausgeschlossen werden kann.

Im Ergebnis steht der Bf. daher für die Monate Juli 2017 bis Oktober 2017 die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu.

Für den Zeitraum ab November 2017 ist zu prüfen, ob der Bf. grundsätzlich Familienbeihilfe zusteht, bevor über die Frage entscheiden werden kann, ob ihr darüberhinaus auch der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht.

Zu prüfen ist daher, ob die Tochter ab November 2017 in Berufsausbildung stand. Dabei ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass mit dem Gutachten vom der Grad der Behinderung von bisher 50 % auf 30 % herabgesetzt wurde, da "Besserung" eingetreten sei.

Zur Bindungswirkung von Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist folgendes auszuführen:

Als Folge der Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG ist das Bundesfinanzgericht an ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen gebunden.

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ; ). Bekundungender Eltern über den Gesundheitszustand des Kindes kommt keine Bedeutung zu.

Die Tätigkeit der Behörden hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig und nicht einander widersprechend anzusehen sind (z.B. mit Hinweis auf , und ; Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29).

Davon ist allerdings im Hinblick auf das zweite Gutachten vom nicht auszugehen.

Es finden sich keine Anhaltspunkte an der Schlüssigkeit der beiden Gutachten zu zweifeln.

Aus diesem Grund hält es das Bundesfinanzgericht nunmehr für angemessen, für den Zeitraum ab November 2017 die von der Judikatur und Literatur erarbeiten Kriterien, für die Frage unter welchen Voraussetzungen eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt für die Beurteilung des gegenständlichen Falles heranzuziehen. 

Die Anzahl der inskribierten 24 Stunden unter Berücksichtigung von dafür nötigen Vorbereitungsstunden könnte grundsätzlich eine volle zeitliche Inanspruchnahme und damit eine Berufsausbildung begründen, auch weil aus der negativen Beurteilung allein ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungserfolg nicht ausgeschlossen werden kann (siehe wiederum ).

Wie auch das Bundesfinanzgericht in einem ähnlich gelagerten Fall in der Entscheidung vom , RV/6100735/2014 festgestellt hat, widerspricht es jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass von acht Gegenständen sieben negativ beurteilt wurden, noch dazu, weil vier Gegenstände zum wiederholten Mal inskribiert wurden, zwei davon sogar zum dritten Mal.

Auch wenn es auf den Prüfungserfolg grundsätzlich nicht ankommt, kann daher unter diesen Umständen nicht von einem ernsthaften Bemühen um den Ausbildungserfolg ausgegangen werden.

Da somit für den Zeitraum November 2017 bis Jänner 2018 (Ende des Wintersemesters 2017/2018) kein grundsätzlicher Anspruch auf Familienbeihilfe besteht erübrigen sich Ausführungen darüber, ob der Erhöhungsbetrag zusteht.

Für den Zeitraum ab Februar 2018 schließt die Inskription im Sommersemester von nur 9 Wochenstunden bzw. drei Gegenständen, davon zwei Gegenstände zum wiederholten Mal, eine Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht aus.

Gegen das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungserfolg spricht auch, dass der

Schulbesuch wegen viermaligen erfolglosen Antretens in einem Modul gem. § 32 SchuG-B mit dem Sommersemester 2018 beendet ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier maßgeblichen Rechtsfragen, nämlich

1. wann eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt und

2. inwiefern eine Bindung der Beihilfen-und Rechtsmittelbehörde an ein ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen hinsichtlich des Grades Behinderung besteht, wurden vom Verwaltungsgerichtshof bereits ausreichend geklärt, sodass die ordentliche Revision auszuschließen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Berufsausbildung
Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe
Sachverständigengutachten
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101239.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at