Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld im Verfahren 4200 (innergemeinschaftliche Lieferung)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende R1 und die weiteren Senatsmitglieder R2, R3 und R4 in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien vom Zl. zzz, betreffend Einfuhrumsatzsteuer in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der erste Absatz des Spruchs des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass die Einfuhrumsatzsteuerschuld gem. Art. 204 Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 3 Zollkodex (Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entstanden ist und dass die Bf., die in allen im Bescheid bezeichneten Anmeldungen als indirekte Vertreterin (und somit Anmelderin) aufgetreten ist, gem. § 71a ZollR-DG als Schuldnerin dieser Einfuhrumsatzsteuerschuld in Anspruch genommen wird.
Diese Abänderung bleibt ohne Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Abgaben.
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , Zl. zzz, setzte das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der Bf., im Rahmen einer Nacherhebung im Grunde des Art. 220 Abs. 1 ZK Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von € 452.470,39 fest.
Gleichzeitig kam es mit diesem Sammelbescheid zu einer Vorschreibung einer Abgabenerhöhung gem. § 108 Abs. 1 ZollR-DG im Ausmaß von € 33.867,89.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ZzZ, als unbegründet ab.
Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom den Vorlageantrag.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Dem vorliegenden Abgabenverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Bf. reichte im Zeitraum bis die hier in Rede stehenden 20 Zollanmeldungen zur Überführung von aus der Türkei stammenden Einfuhrwaren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ein und beantragte durch Verwendung des Codes 4200 im Feld 37 des Einheitspapiers jeweils die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994. Laut den Angaben in den Anmeldungen trat die Bf. dabei als indirekte Vertreterin des in Frankreich ansässigen Unternehmens mit der Bezeichnung „SARL NN1“ auf, das im Feld 8 dieser Anmeldungen als Empfänger genannt ist.
Am richtete das Zentrale Verbindungsbüro Österreichs ein Ersuchen an das Zentrale Verbindungsbüro Frankreichs gem. den Art. 7, 15, 16 und 25 bis 27 der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer.
Die ersuchende Behörde stellte dabei den Antrag auf Übermittlung von Angaben aus den Zusammenfassenden Meldungen über innergemeinschaftliche Lieferungen/Erwerbe von Waren/Dienstleistungen für das Jahr 2011 in Bezug auf die von der Bf. im Rahmen der gegenständlichen Zollabfertigungen verwendeten Sonder-UID mit der Nummer ATU zZz.
Die ersuchte Behörde teilte daraufhin am den österreichischen Behörden mit, dass das Unternehmen SARL NN1 seine geschäftlichen Aktivitäten mit beendet habe (Auflösung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens).
Darüber hinaus gaben die französischen Behörden bekannt, dass das genannte Unternehmen laut Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) im Jahr 2011 innergemeinschaftliche Erwerbe mit einem Gesamtbetrag von € 2.314.228,00 realisiert habe, wovon € 2.236.253,00 aus Umsätzen mit der Bf. stammen. Das Unternehmen komme aber seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nach und habe noch nie Umsatzsteuererklärungen eingereicht. Die Gesellschaft weise alle Charakteristika eines insolventen und in ein Umsatzsteuerbetrugskarussell verwickelten Unternehmens auf.
In der Folge führte das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien bei der Bf. eine Betriebsprüfung durch. In der dazu ergangenen Niederschrift vom kam das Zollamt zum Schluss, dass in allen 20 verfahrensgegenständlichen Einfuhren die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG nicht vorliegen.
Die Bf. trat dieser Einschätzung mit ihrer Stellungnahme vom entschieden entgegen und wies darauf hin, dass ihrer Ansicht nach alle gesetzlich geforderten formellen Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung/Verbringung erfüllt seien.
Das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien forderte daraufhin mit dem o.a. nunmehr angefochtenen Bescheid vom die anlässlich der in Rede stehenden Zollabfertigungen unerhoben gebliebene Einfuhrumsatzsteuer bei der Bf. nach.
Im Rahmen seiner persönlichen Vorsprache beim Bundesfinanzgericht vom gab der Geschäftsführer der Bf. u.a. bekannt, dass sein Unternehmen im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Einfuhren von mehreren Seiten, vor allem aber von den Vertretern der Firma NN1, getäuscht worden sei. Er sei zunächst davon ausgegangen, dass die Waren nach den Zollabfertigungen nach Paris befördert worden seien. Nunmehr stehe aber der Verdacht im Raum, dass die Wirtschaftsgüter in ein anderes Land gelangt sein könnten. Er deutete auch an, dass die Einfuhrwaren nach der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nicht nach Frankreich sondern nach Polen weiterbefördert worden sein könnten. Wohin die Waren tatsächlich verbracht worden sind, konnte im Zuge des durchgeführten Verfahrens nicht ermittelt werden. Auch der Geschäftsführer der Bf. konnte diesbezüglich keine gesicherten Angaben machen.
Aus einem Schreiben des Anwalts der NN1 geht hervor, dass dieses Unternehmen bestreitet, jemals der Bf. einen Verzollungsauftrag für die genannten Waren erteilt zu haben.
Rechtslage:
Art. 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 (im Folgenden: UStG) in der im Streitfall maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 111/2010 bestimmt:
Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.
Weiters ist Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden die unter lit. a und b genannten Angaben zukommen lässt und den unter lit. c genannten Nachweis erbringt:
a) seine im Inland erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Steuervertreters;
b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 Abs. 1 oder seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Falle des der Lieferung gleichgestellten Verbringens nach Art. 7 Abs. 2;
c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 UStG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 111/2010 sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen steuerfrei.
Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016, BGBl. I Nr. 2015/118, wurde dem Art. 6 Abs. 1 UStG der Satz angefügt:
"Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht."
Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 Z 1 UStG auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Z 1 leg. cit.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur - näher definierten - vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.
Art. 143 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem erhielt durch die mit wirksame Richtlinie 2009/69/EG des Rates vom folgende - soweit für den Beschwerdefall von Belang - maßgebende Fassung:
"Artikel 143
(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
...
d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Artikel 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Artikel 138 befreit ist;
...
(2) Die Steuerbefreiung gemäß Absatz 1 Buchstabe d ist in den Fällen, in denen auf die Einfuhr von Gegenständen eine Lieferung von Gegenständen folgt, die gemäß Artikel 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe c von der Steuer befreit ist, nur anzuwenden, wenn der Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mindestens die folgenden Angaben hat zukommen lassen:
a) seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.- Identifikationsnummer oder die im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer seines Steuervertreters, der die Steuer schuldet;
b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte MwSt.- Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 1 geliefert werden, oder seine eigene MwSt.- Identifikationsnummer, die in dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet, wenn die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe c verbracht werden;
c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.
Allerdings können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Nachweis nach Buchstabe c den zuständigen Behörden lediglich auf Ersuchen vorzulegen ist."
Gemäß Art. 138 Abs. 1 der MwSt-RL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtig juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt.
Darüber hinaus befreien die Mitgliedstaaten gemäß Art. 138 Abs. 2 Buchstabe c) der MwSt-RL von der Steuer die Lieferungen von Gegenständen in Form der Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat, die u.a. gemäß Abs. 1 von der Mehrwertsteuer befreit wäre, wenn sie an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt würde.
Gemäß Art. 201 der MwSt-RL wird bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt.
Gemäß Art. 204 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch maßgebenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn in anderen als den in Art. 203 leg. cit. genannten Fällen eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabepflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder Einfuhrabgabenfreiheit auf Grund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.
Zollschuldner ist gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat.
Der Zollkodex gilt gemäß § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) und gemäß § 26 Abs. 1 UStG sinngemäß auch für die Einfuhrumsatzsteuer.
Gemäß § 71a ZollR-DG schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 204 Abs. 3 ZK als Schuldner in Betracht kommt
Erwägungen:
Die Bf. macht zunächst geltend, sie sei durch ein „unzweifelhaft rechtswidriges Vorgehen der Zollbehörde“ zur indirekten Stellvertretung gezwungen worden.
Dem ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung die Vertretung nach Art. 5 Abs. 2 ZK sowohl direkt als auch indirekt sein kann, weil sowohl der Anmelder selbst (und sei es, dass dieser durch einen Spediteur direkt vertreten ist), aber auch der vom Anmelder indirekt Vertretene den Tatbestand des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 erfüllen kann ().
Die Erklärung im Sinn des Art. 5 Abs. 4 erster Satz ZK, als Vertreter für eine bestimmte Person handeln zu wollen, stellt eine Willenserklärung dar. Es besteht kein Zwang, für den durch eine Person Beauftragten, als indirekter Vertreter zu handeln (). Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer ist auch im Fall einer direkten Vertretung eines in einem anderen Mitgliedstaat der Union ansässigen Anmelders weiterhin möglich. Die steuerliche Erfassung eines in der Union ansässigen Unternehmens in Österreich mag zwar mit einem wirtschaftlichen Aufwand verbunden sein, beschränkt jedoch nicht die Wahlfreiheit dieser Person, sich bei der Einfuhr von Waren in die Union direkt oder indirekt vertreten zu lassen.
Diese nach der geltenden Rechtslage bestehende Wahlfreiheit erfährt auch keine Einschränkung durch die in der österreichischen Verwaltungspraxis vorgesehene Verwendung einer Sonder-UID für Spediteure, weil deren (mit Vereinfachungen verbundene) Verwendung nicht verpflichtend ist und auch die nach der geltenden Rechtslage bestehenden Dispositionsmöglichkeiten der Bf. nicht einschränkt.
Den diesbezüglichen Einwänden kommt somit keine Berechtigung zu (siehe ausführlich zu diesem Thema , ).
Zu den wortreichen Ausführungen der Bf. betreffend Antrag auf Prüfung der Zollanmeldungen nach Art. 78 ZK und auf Berichtigung der Vertreterindikation von „indirekte Vertretung“ auf „direkte Vertretung“ genügt der Hinweis, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtmittelverfahrens ausschließlich der oben angeführte Bescheid vom betreffend die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer ist. Die erwähnten beiden Begehren, über die im angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen worden ist, entziehen sich daher mangels Sachidentität einer meritorischen Erledigung im Rahmen der vorliegenden Entscheidung.
Das Bundesfinanzgericht geht auf Grund der durchgeführten Ermittlungen davon aus, dass die NN1 die Textilien von der Türkei abholen ließ und dafür gesorgt hat, dass das bekannte türkische Transportunternehmen NN2 die Geschäftsanbahnung mit der Bf. vornahm. Teil dieser (auf die Gewährleistung einer reibungslosen Abwicklung der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr abzielenden) Vereinbarung war es offensichtlich, dass die NN2 der Bf. die Kontaktdaten der NN1 zur Kenntnis bringt, um die Modalitäten der Vorlage der Vollmacht und der für die Zollabfertigung darüber hinaus erforderlichen Unterlagen regeln zur können. Zu dieser Kontaktaufnahme zwischen Bf. und NN1 ist es dann in der Folge tatsächlich gekommen und die Bf. hat von NN1 vor den Einfuhren alle angeforderten Dokumente erhalten.
Dass die Initiative für die Abwicklung des Geschehens (Abholung der Waren aus der Türkei, Verzollung in Österreich, Weiterbeförderung nach Zollabfertiung) von der NN1 ausgegangen ist, ergibt sich zweifellos aus der Aktenlage. Das Bundesfinanzgericht kann sich diesbezüglich auch auf die Aussagen des Geschäftsführers der Bf. stützen, der ebenfalls angibt, die Aufträge für die Zollabfertigungen eindeutig von Frau NN3 (das ist die damalige Geschäftsführerin der NN1) erhalten zu haben.
Das Bundesfinanzgericht geht darüber hinaus davon aus, dass die NN1 (die sich damals bereits in Insolvenz befand) nie vorgehabt hat, die Umsatzsteuer in Frankreich zu entrichten. Erwiesen ist, dass die NN1 in Frankreich keine Erwerbsbesteuerung vorgenommen hat.
Der Geschäftsführer der Bf., Herr NN4, hat im Zuge seiner Vorsprache beim Bundesfinanzgericht am überzeugend dargelegt, dass sein Unternehmen im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Zollabfertigungen das Opfer betrügerischer Handlungen Dritter geworden sei. Seine Aussagen, er sei von Vertretern der Firma NN1 vor den Einfuhren gezielt getäuscht worden, werden seitens des Bundesfinanzgerichtes als schlüssig und durchaus glaubwürdig erachtet.
Den Ausführungen des Rechtsanwaltes der Firma NN1 in der Anzeige vom , wonach seine Mandantin keinen einzigen Verzollungsauftrag erteilt habe, kommt hingegen bloß der Charakter einer Schutzbehauptung zu. Dieses Schreiben lässt völlig offen, warum die NN1 dennoch vor den Verzollungen in ständigen Kontakt mit Mitarbeitern der Bf. gestanden ist und warum sie vor den Abfertigungen alle erforderlichen Unterlagen an die österreichische Spedition übermittelt hat. Die Angaben, wonach die NN1 (und ein zweites namentlich genannten Unternehmen mit Sitz in Frankreich) „weder für noch im Auftrag von der [Bf.] die … Zollabfertigungen durchgeführt haben“ sind ebenfalls nicht geeignet, einen Beitrag zur Klärung des Sachverhaltes zu liefern, zumal die Vornahme derartiger Handlungen nie behauptet worden ist.
Wie bereits oben ausgeführt, geht auch der Geschäftsführer der Bf. davon aus, dass sein Unternehmen Opfer eines Betruges geworden ist. Während er noch im Rahmen seiner persönlichen Vorsprache beim Bundesfinanzgericht am angedeutet hat, die Einfuhrwaren könnten nach der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nicht nach Frankreich sondern nach Polen weiterbefördert worden sein, legte er erstmals bei der Verhandlung am eine schriftliche Bestätigung eines türkischen Warenführers vom vor, in der behauptet wird, die Entladung habe doch in Frankreich stattgefunden.
Dieses Dokument bleibt aus mehreren Gründen ohne entscheidungsmaßgebliche Relevanz für die abgabenrechtliche Beurteilung des Streitfalles:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass aus der Bestätigung nicht ausdrücklich hervorgeht, wo die Entladung vorgenommen worden sein soll. Es ist nur von einer Entladung in „Frankreich“ die Rede. Dass die Firmen NN5, NN1 bzw. NN6 (deren Geschäftsführerin Frau NN3 war und die nach den Ergebnissen der Ermittlungen der französischen Zollbehörden allesamt in den Gesamtkomplex involviert sein dürften) die Waren übernommen haben, wird in dem Schriftstück nicht behauptet.
Selbst wenn die Angaben der Frau NN3, dass alle Stempel und Unterschriften auf den Frachtbriefen betreffend die Bestätigung der Warenübernahme in Paris gefälscht sind, nicht der Wahrheit entsprechen sollten, steht nach wie vor fest, dass die Einfuhrwaren in Frankreich nicht versteuert worden sind. Das Bundesfinanzgericht teilt daher die Einschätzung der Bf., dass es sich um einen Betrugsfall handelt.
Ob die verfahrensgegenständlichen Zuwiderhandlungen – wie von Herrn NN4 im Rahmen seiner Einvernahme vom vor Organen der Finanzstrafbehörde angedeutet – auf einen entsprechenden Plan eines seiner österreichischen Konkurrenten basiert, konnte nicht ermittelt werden. Die Klärung dieser Frage bleibt aber für die abgabenrechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhalts ohne maßgebliche Relevanz.
Entscheidend ist vielmehr, welche Konsequenzen sich aus dem Gesagten hinsichtlich der von der NN1 in Anspruch genommenen Steuerbefreiung ergeben:
Die Bf. hat anlässlich der in Rede stehenden 20 Zollabfertigungen durch den Vermerk 4200 im Feld 37 der Zollanmeldungen den Antrag gestellt, eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 zu gewähren.
Die Steuerbefreiung nach der zitierten Norm findet bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch für den Fall Anwendung, dass die Waren im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar innergemeinschaftlich verbracht werden, da gem. Art. 7 Abs. 2 Z. 1 UStG 1994 auch das einer Lieferung (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994) gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes iSd Art. 3 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 als innergemeinschaftliche Lieferung gilt.
Nach der zuletzt angeführten Bestimmung handelt es sich dabei um ein Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.
Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt vor, wenn der Empfänger der Lieferung als Verfügungsberechtigter die Ware zur Einfuhr anmeldet und unmittelbar anschließend die Ware zu seiner eigenen Verfügung in einen anderen Mitgliedstaat als den Mitgliedstaat der Einfuhr verbringt.
Bei den hier in Rede stehenden Zollabfertigungen ist nach dem oben dargestellten Ablauf des Geschehens als erwiesen anzunehmen, dass die NN1 zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufträge für die Zollabfertigungen hinsichtlich der eingeführten Wirtschaftsgüter die Verfügungsmacht innehatte.
Es spricht daher alles dafür, dass ein der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen erfolgt ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem ebenfalls eine Spedition als indirekte Vertreterin des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfängers Anmeldungen zur Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich Verkehr abgegeben hat und dabei durch Verwendung des Codes 4200 die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 beantragt hat, die Revision der Spedition als unbegründet abgewiesen ().
Das Höchstgericht hat diese Entscheidung vor allem auf den Umstand gestützt, dass – wie auch im vorliegenden Fall – die verantwortlich handelnden Personen des Empfängers die Waren bewusst der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat entziehen wollten und auch entzogen haben.
Das Bundesfinanzgericht sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen und erachtet auch im Streitfall, dem – wie bereits erwähnt – ebenfalls ein derartiges steuerunredliches Handeln zugrunde liegt, die Voraussetzungen für die in Rede stehende Steuerbefreiung als nicht erfüllt.
Mit ihren wortreichen Einwendungen und den zahlreichen Urteilen des EuGH, die die Bf. für sich reklamieren möchte kann sich die Einschreiterin nicht darüber hinwegsetzen, dass die von ihr begehrte Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß Art. 6 Abs. 1 zweiter Satz UStG in der Fassung des Steuerreformgesetzes 2015/2016 dann nicht gilt, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (siehe etwa , Randnr. 62).
Unternehmer in diesem Sinn ist im vorliegenden Beschwerdefall jene Wirtschafts-beteiligte, die das der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichkommende innergemeinschaftliche Verbringen ausgeführt hat, sohin die o.a. im Feld 8 der Zollanmeldungen genannte Warenempfängerin NN1 mit Sitz in Frankreich.
Vor dem Hintergrund der als erwiesen anzusehenden Einbindung dieses Unternehmens in die festgestellten Mehrwertsteuerbetrügereien und auf Grund des außer Streit stehenden Nichterklärens der innergemeinschaftlichen Erwerbe durch diese Empfängerin in Frankreich ist zu folgern, dass der Steuerpflichtigen, jener Wirtschaftsbeteiligten, die das innergemeinschaftliche Verbringen bewirkte, somit im Beschwerdefall der von der Bf. indirekt vertretenen NN1, die Steuerbefreiung für das der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichkommende innergemeinschaftliche Verbringen zu versagen ist.
Ist jedoch die an die Einfuhr anschließende innergemeinschaftliche Lieferung deshalb nicht steuerfrei, so ist auch eine Voraussetzung für die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG nicht gegeben.
Das Zollamt gründet das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld im Beschwerdefall auf Art. 201 des Zollkodex und sieht die Bf. als Schuldnerin nach Art. 201 Abs. 3 erster Satz ZK.
Demgegenüber geht der Gesetzgeber in solchen Fällen von einem Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 204 Abs. 1 ZK aus, wie aus der Bestimmung des § 71a ZollR-DG ersichtlich ist (vgl. insbesondere die Materialien zu dieser durch die 3. ZollR-DG - Novelle BGBl. I Nr. 13/1998 eingefügten Bestimmung; RV 916 BlgNR, 20. GP). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung des Art. 6 Abs. 3 UStG zu prüfen war, Art. 204 Abs. 1 ZK herangezogen (vgl. ).
Allerdings schuldet gemäß § 71a ZollR-DG in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 204 Abs. 3 ZK als Schuldner in Betracht kommt. Die Bf. war im Beschwerdefall die Anmelderin der in Rede stehenden Waren und damit Gesamtschuldnerin.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides war daher zur Klarstellung abzuändern. Auswirkungen auf die Höhe der festzusetzenden Abgaben ergeben sich daraus nicht.
Der EuGH hat im Urteil vom in der Rs. C-131/13 (Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti vof) unter Randnummer 64 bis 68 festgestellt:
„(64) Wie bereits in Rn. 50 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wird insoweit nach ständiger Rechtsprechung als betrügerische Verhaltensweise eines Steuerpflichtigen, die Anlass dazu geben kann, diesem ein sich aus der Sechsten Richtlinie ergebendes Recht zu versagen, nicht nur der Fall angesehen, dass der Steuerpflichtige unmittelbar selbst und allein eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch der Fall, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit dem Erwerb oder der Lieferung an einem Umsatz beteiligte, der in eine vom Lieferer oder von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war (vgl. u. a. Urteile Kittel und Recolta Recycling, C-2006/446, Rn. 45, 46 und 56, Mahagében und Dávid, C-2012/373, Rn. 46, sowie Bonik, C-2012/774, Rn. 40).
(65) Es gibt keinen objektiven Grund, der einen anderen Schluss zulässt, nur weil sich die von der Steuerhinterziehung betroffene Lieferkette auf zwei oder mehr Mitgliedstaaten erstreckte oder der Umsatz, durch den die Mehrwertsteuerhinterziehung begangen wurde, in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erfolgte, in dem der an der betrügerischen Bewirkung der betreffenden Umsätze beteiligte Steuerpflichtige unberechtigterweise versucht, in den Genuss eines Rechts aus der Sechsten Richtlinie zu gelangen.
(66) Ebenso unerheblich wäre für die Versagung eines sich aus der Sechsten Richtlinie ergebenden Rechts die Feststellung als solche, dass allein nach Maßgabe der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, der über die Gewährung dieses Rechts zu entscheiden hat, die insoweit vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt scheinen, da die Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung, wie gerade ausgeführt, darin bestehen kann, dass sich der Betreffende bewusst war oder hätte bewusst sein müssen, dass er sich an einer Kette von Umsätzen beteiligte, in deren Rahmen einer anderer Wirtschaftsteilnehmer mit einem späteren Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat die Begehung dieser Steuerhinterziehung vollendet.
(67) Außerdem ist, wie die niederländische Regierung zutreffend vorgetragen hat, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Mehrwertsteuerhinterziehung des Typs „Karussell“, die im Rahmen innergemeinschaftlicher Lieferungen begangen wird, häufig dadurch gekennzeichnet, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer aus der Sicht eines Mitgliedstaats als Einzelnem erfüllt scheinen, da sich gerade aus der besonderen Kombination von in mehreren Mitgliedstaaten bewirkten Umsätzen der betrügerische Charakter dieser Umsätze in ihrer Gesamtheit ergibt.
(68) Im Übrigen stünde jede anderslautende Auslegung nicht im Einklang mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, wie es von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird (vgl. u. a. Urteil Tanoarch, C-504/10, C-2011/707, Rn. 50).“
Dass diese Grundsätze plötzlich nicht mehr zu beachten seien, ist keinem der von der Bf. ins Spiel gebrachten Entscheidungen des EuGH zu entnehmen.
Damit steht fest, dass es entgegen der Ansicht der Bf. keine Rolle spielt, dass der (von ihr nicht in Abrede gestellte) Mehrwertsteuerbetrug darauf abzielte, die Begehung der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen innergemeinschaftlichen Verbringen durch Nichtentrichtung der Steuer im Bestimmungsmitgliedstaat zu erreichen.
Außerdem ist damit eindeutig die Relevanz des Einwands der Bf. widerlegt, wonach die Warenführer (auf Grund fehlender güterbeförderungsrechtlicher Bewilligungen) das österreichische Steuergebiet nicht berührt haben. Aus dem selben Grund kann der Bf. auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint nicht Österreich, sondern jener (im vorliegenden Fall nicht einmal bekannter) Mitgliedstaat sei für die Klärung der Frage der Steuerbefreiung zuständig, in dem der Erwerber seine Umsätze tätige.
Die Bf. behauptet, die Abgabenvorschreibung verstoße gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom , in dem bestätigt wird, dass für die Bf. keine EUSt-Schuld in den von ihr beschriebenen Fällen entsteht. Dazu genügt der Hinweis, dass sich diese Auskunft bei verständiger Würdigung auf konkrete Einfuhren bezieht, die lange vor den verfahrensgegenständlichen Abfertigungen durchgeführt worden sind und schon deshalb keine Aussage zur Rechtmäßigkeit der hier strittigen Abgabenfestsetzung betreffend Importe des Jahres 2011 treffen kann. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich das Bundesfinanzgericht nicht an Auskünfte des Bundesministeriums für Finanzen gebunden erachtet.
Die geltend gemachte Gutgläubigkeit (so wie auch der Vertrauensschutz) ist in einem eigenen Verfahren auf Erlass der Einfuhrumsatzsteuer nach § 26 Abs. 1 UStG iVm Art. 239 Zollkodex und § 83 ZollR-DG zu prüfen, wobei die Aussetzung der Verpflichtung zur Abgabenentrichtung bereits auf Grund des Antrages auf Erlass der Steuer bewirkt, dass im Heranziehen des Gesamtschuldners gemäß § 71a ZollR-DG für die Einfuhrumsatzsteuerschuld keine de facto unbedingte Haftung vorliegt, welche nach der Rechtsprechung des EuGH unverhältnismäßig wäre (). Die Bf. hat einen Antrag auf Erlass gemäß Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG gestellt. Das betreffende Verfahren ist nach der Aktenlage noch immer beim Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien anhängig und kann darüber aus diesem Grund im Rahmen der vorliegenden Entscheidung nicht abgesprochen werden.
Mit ihrem Einwand, Art. 239 ZK sei hinsichtlich der EUSt nicht anwendbar, übersieht die Bf., dass diese Bestimmung nicht unmittelbar, sondern zufolge des Verweises in § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß anzuwenden ist.
Zum Vertrauensschutz ist darüber hinaus auch auf das Erkenntnis des , zu verweisen, worin das Höchstgericht klar ausgesprochen hat, dass die in Anspruch genommene Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG bei dieser Sachlage nicht greift, weil es im Falle des innergemeinschaftlichen Verbringens iSd Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG an einem Abnehmer mangelt, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte.
Die Bf. vermeint, die Überprüfung der Zollanmeldung im Zuge der Zollabfertigung sei eine Abschließende. Daraus folge, dass nachträgliche Überprüfungen dahingehend, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verfahrens 4200 vorgelegen sind genauso unzulässig seien, wie daraus resultierende Nachforderungen.
Dazu genügt es, die Bf. auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Mitteilung eines (nachträglich) buchmäßig erfassten Abgabenbetrags nach Art. 220 und 221 ZK einen ursprünglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag und einen darüber ergangenen Abgabenbescheid unberührt lässt und weder ändert noch ersetzt, sondern dazu mit einer eigenen Mitteilung, einem eigenen Bescheid, ergänzend hinzutritt (vgl. ). Durch die bloße Mitteilung, dass von den Eingangsabgaben die EUSt mit Null "festgesetzt" wird, sohin buchmäßig erfasst wird, wird nicht in Form einer gesonderten Entscheidung iSd § 87 Abs. 1 Z 1 ZollR-DG (Grundlagenbescheid) über eine Eingangsabgabenfreiheit abgesprochen (vgl. ).
Die Bf. scheint mit ihrer Argumentation zu übersehen, dass das unionsrechtliche Zollrecht – anders als das nationale Abgabenrecht – grundsätzlich nicht die Änderung rechtskräftiger Abgabenbescheide ausschließt. Vielmehr werden innerhalb der bestehenden Verjährungsfristen den Änderungen durch die Zollbehörden, sofern die übrigen Bestimmungen beachtet werden, keine inhaltlichen sondern nur zeitliche Grenzen gesetzt (siehe Witte, 6. Auflage, Rz. 27, Vor Art. 220 ZK).
Die Bf. macht darüber hinaus geltend, die verfahrensgegenständlichen Waren seien in Österreich nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Die betreffenden LKW seien im Rahmen der Zollabfertigung höchstens 50 Meter in das österreichische Staatsgebiet eingereist.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass im Zuge der durchgeführten Ermittlungen nicht mit der für die Durchführung eines Abgabenverfahrens erforderlichen Sicherheit geklärt werden konnte, wohin die Waren tatsächlich verbracht worden sind. Es steht allerdings nach der Aktenlage fest, dass die Waren in Frankreich nicht versteuert worden sind. Es spricht daher alles dafür, dass die Erzeugnisse (in welchem Land auch immer) unversteuert in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind.
Weiters steht außer Streit, dass die in Rede stehenden Waren in Österreich in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind (Art. 60 MwStSystRL). Damit unterlagen sie nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 61 MwStSystRL (vgl. auch ). Dass die Waren anschließend allenfalls dann im freien Verkehr in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sind, ändert daran nichts. Andernfalls wäre die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (Art. 143 Abs. 1 Buchst. D MwStSystRL) inhaltsleer, weil sie die grundsätzliche Entstehung der EUSt im Einfuhrmitgliedstaat erfordert, um unter den dort genannten Voraussetzungen von dieser EUSt wieder zu befreien (vgl. ; dies offensichtlich voraussetzend , "Enteco Baltic" UAB, Rn. 44ff).
Das BFG sieht aufgrund der Gesetzeslage, der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH und des VwGH auch keine Veranlassung, den EuGH zur Frage des Vertrauensschutzes im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen.
Zum Antrag der Bf. das Bundesfinanzgericht möge im Zuge des Verfahrens nach Art. 267 AEUV den Gerichtshof der Europäischen Union die Frage stellen, ob es der Zollbehörde erlaubt sei, im Verfahren 4200 einem Spediteur die direkte Vertretung zu verbieten, wird festgestellt, dass diesem Begehren nicht zu entsprechen ist.
Denn Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht erfolgt ist.
Der EuGH beantwortet aber keine hypothetischen Fragen ().
Die Bf. möchte auch das Urteil des EuGH in der Rechtssache Fedex () für sich in Anspruch nehmen und meint es stehe nunmehr fest, dass die Besteuerung in jenem Mitgliedstaat zu erfolgen habe, in den die betreffenden Wirtschaftsgüter letztlich gelangt seien.
Dem ist zu entgegnen, dass in jenem Fall erwiesen war, dass die fraglichen Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat, ihren endgültigen Bestimmungsort, weiterbefördert worden sind, wo sie verbraucht wurden (siehe Tenor des angesprochenen Urteils). Im Streitfall steht hingegen – wie oben ausführlich dargelegt – bis heute nicht fest, in welchem Mitgliedstaat die verfahrensgegenständlichen Wirtschaftsgüter verbraucht worden sind und wo sie in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt sind.
Die Bf. kann sich daher nicht mit Erfolg auf das erwähnte Urteil stützen.
Auch mit der Rüge, die Vorschreibung der Abgabenerhöhung sei aufgrund des Außerkrafttretens des § 108 Abs. 1 ZollR-DG zum zu Unrecht erfolgt, vermag die Bf. nicht durchzudringen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , Ra 2017/16/0098, ausgesprochen, dass die Aufhebung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG durch das AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, mit nur für Sachverhalte gilt, die ab diesem Zeitpunkt verwirklicht werden. Auf vor dem verwirklichte Sachverhalte (die hier in Rede stehenden Einfuhren sind im Jahr 2011 und die Abgabenvorschreibung im Jahr 2014 erfolgt) ist § 108 Abs. 1 ZollR-DG weiterhin anzuwenden ().
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 71a ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7200013.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at