Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.08.2019, RV/7103875/2016

Haftung gemäß § 11 BAO, Einwand des höheren Strafrahmens bei einer fahrlässigen Abgabenverkürzung im Vergleich zur hier vorliegenden Finanzordnungswidrigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Anschrift, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erich Hirt, Rudolfsplatz 5/28, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung für Abgabenschulden der G-1 gemäß § 11 BAO zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 11 BAO für nachstehende Abgaben der G-1 in der Höhe von € 103.267,41 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
09/2012
13.967,63
Umsatzsteuer
02/2012
1.615,20
Umsatzsteuer
02/2013
11.534,06
Umsatzsteuer
01-02/2013
21.340,85
Umsatzsteuer
04/2013
6.699,64
Umsatzsteuer
05/2013
3.454,42
Umsatzsteuer
2011
3.215,02
Umsatzsteuer
2012
9.722,62
Umsatzsteuer
2013
31.717,98

Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf. laut Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom nach § 49 Abs. 2 FinStrG rechtskräftig verurteilt worden sei, weshalb er gemäß § 11 BAO für den Betrag hafte, um den die Abgaben verkürzt worden seien.

Weiters werde festgehalten, dass bei den einzelnen haftungsrelevanten Abgaben die Quote laut Sanierungsplan in Höhe von 20% bereits zur Gänze in Abzug gebracht worden sei.

Die der Haftung zugrunde liegenden Bescheide seien im Konvolut beigefügt.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass es sich bei den Haftungsschulden um diverse Umsatzsteuern handle, hinsichtlich derer er mit Erkenntnis des Spruchsenates beim FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG rechtskräftig verurteilt worden sei.

Die erkennende Behörde gehe davon aus, dass auch Finanzordnungswidrigkeiten Grundlage für einen Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO darstellten. Dass Finanzordnungswidrigkeiten auch hinsichtlich der damit verbundenen Haftung als Finanzvergehen anzusehen seien, darüber seien sich die Autoren und Rechtsgelehrten, die überwiegend aus dem öffentlichen Dienst stammten und daher grundsätzlich von dem Grundsatz in dubio pro fisco ausgingen, einig. Sie übersähen in ihren Ausführungen den Umstand, dass das FinStrG im Großen und Ganzen 3 Gruppen an strafbaren Tatbeständen beinhalte. Das seien die vorsätzliche Abgabenhinterziehung in allen Erscheinungsformen gemäß § 33 FinStrG, die fahrlässige Abgabenhinterziehung (Anmerkung: gemeint wohl Abgabenverkürzung) gemäß § 34 FinStrG und die Finanzordnungswidrigkeiten der §§ 49ff FinStrG. Schon die Abgrenzung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung und der Umstand, dass eine Abgabenhinterziehung wesentlich schwerer bestraft werde als die Sachverhalte, die nach §§ 49ff FinStrG zu beurteilen seien, sprächen für sich. Während für die Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 FinStrG Geldstrafen, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages betrage, betrügen die Strafen für Finanzordnungswidrigkeiten nach § 50 FinStrG oder § 51 pauschalierte geringe Geldbeträge. Ganz im Gegensatz dazu sei die Abgabenhinterziehung, abhängig von der Schwere des Delikts, nicht nur mit Geld-, sondern auch mit Haftstrafen bedroht. Auch die fahrlässige „Abgabenhinterziehung“ werde mit höheren Geldstrafen bestraft, wobei jedoch im Falle einer fahrlässigen Begehung der „Abgabenhinterziehung“ gemäß § 34 FinStrG zufolge Wegfalls der Vorsätzlichkeit der Haftungstatbestand des § 11 nicht verwirklicht ist. Wenn eine fahrlässige „Abgabenhinterziehung“, deren Absicht immerhin auf „Hinterziehung“ von Abgaben gerichtet sei, vorliege und in diesem Fall eine Haftung gemäß § 11 BAO nicht Platz greife, so sei es unverständlich, wieso bei einer bloßen Finanzordnungswidrigkeit, die vordergründlich nicht auf eine Hinterziehung der Abgabe abziele, eine abgabenrechtliche Haftung begründet sein solle. Auf diesem Umweg werde die vom Gesetzgeber gedachte geringere Strafdrohung ins Gegenteil verkehrt und der Straftäter gemäß § 34 FinStrG gegenüber Finanzordnungswidrigkeiten begünstigt.

Dies zeige, dass eine Haftung gemäß § 11 BAO für Finanzordnungswidrigkeiten systemwidrig sei, weil es gleiche Tatbestände nicht gleich regle. Diese ungleiche Behandlung widerstreite dem Gleichheitsgrundsatz der Österreichischen Bundesverfassung, da auf dem Umweg über die Anwendung des § 11 BAO der nach § 49 FinStrG Bestrafte schlechter gestellt sei als ein fahrlässiger Täter, der mit dieser Schuldform an einem „Absichtsdelikt“ beteiligt sei.

Aus diesem Grunde erscheine die Anwendung des § 11 BAO auf Abgaben, hinsichtlich derer eine Verurteilung wegen einer Finanzordnungswidrigkeit erfolgt sei, nicht gerechtfertigt.

Es werde daher beantragt, diese „Berufung“ dem Bundesfinanzgericht vorzulegen, welches den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben möge.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass gemäß § 11 BAO bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte hafteten, wenn sie nicht selbst abgabepflichtig seien, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt worden seien.

Die Haftung nach § 11 BAO setze nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () lediglich eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Haftende eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen worden sei. Vorsätzliche Finanzvergehen seien in diesem Zusammenhang insbesondere auch Finanzordnungswidrigkeiten (vgl. Ritz, BAO Kommentar, § 11 Tz 2).

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/19/19 Klosterneuburg sei der Beschwerdeführer für schuldig erkannt worden, als verantwortliche Geschäftsführerin der Firma G-1 vorsätzlich Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Restschuld laut Erklärung für 2010, 01-03/2011, Restschuld laut Erklärung 2011, 02-09/2012, Restschuld laut Erklärung 2012, 01-05/2013 sowie Restschuld laut Erklärung 2013 und 02/2014 als auch Lohnsteuer 2008 – 2010 sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für 2008 – 2010 in der Höhe von insgesamt € 211.272,13 nicht spätestens am fünften Tag nach eingetretener Fälligkeit entrichtet und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen zu haben.

Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG sei über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von € 15.000,00, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 37 Tagen verhängt worden.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 BAO sei die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma G-1 im Ausmaß von € 103.267,41 zu Recht erfolgt. Bei den einzelnen haftungsrelevanten Abgaben seien die Quoten laut Sanierungsplan in Höhe von 20% bereits zur Gänze in Abzug gebracht worden.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen (…) rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, insbesondere Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar.

Einzige Tatbestandsvoraussetzung der Haftungsbestimmung des § 11 BAO ist die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (; ).

Im gegenständlichen Fall wurde der Bf. mit Erkenntnis des Spruchsenates vom , N-2, zu einer Geldstrafe von € 15.000,00 sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Uneinbringlichkeit von 37 Tagen verurteilt, da er im Bereich des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 als verantwortlicher Geschäftsführer der G-1 vorsätzlich folgende Abgaben:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
2010
16.229,05
Umsatzsteuer
01, 03/2011
36.866,76
Umsatzsteuer
2011
4.494,52
Umsatzsteuer
02, 09/2012
19.478,54
Umsatzsteuer
2012
16.153,27
Umsatzsteuer
01-05/2013
53.752,62
Umsatzsteuer
2013
41.407,49
Umsatzsteuer
02/2014
11.636,38
Lohnsteuer
2008-2010
7.750,21
Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen
2008-2010
3.503,29

nicht spätestens am fünften Tag nach eingetretener Fälligkeit entrichtet (abgeführt) und dadurch das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen hat.

Die Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 11 BAO ist daher zweifelsfrei erfüllt, da im Beschwerdefall der Bf. unstrittig vor Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides hinsichtlich vorsätzlicher Finanzvergehen rechtskräftig schuldig gesprochen wurde und sich der Haftungsbescheid bei der Höhe des Haftungsausspruches an den vom Spruchsenat festgestellten verkürzten Betrag (abzüglich der im Sanierungsverfahren vereinbarten Zahlungsquote von 20%) hielt.

Die finanzstrafbehördliche Verurteilung und deren Rechtskraft stehen ohnehin nicht in Streit. Der Bf. zieht auch weder die Höhe noch die Zusammensetzung des Haftungsbetrages in Zweifel. Er bringt lediglich vor, dass die Anwendung des § 11 BAO im Falle des Vorliegens einer Verurteilung lediglich wegen einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 FinStrG nicht gerechtfertigt sei, da die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 FinStrG die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO trotz höheren Strafrahmens ausschließe.

Aus diesem Einwand lässt sich jedoch nichts gewinnen, weil es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers steht, nicht auf die Strafdrohung abzustellen, sondern auf die Verschuldensform.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 11 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der G-1 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103875.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at