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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.08.2019, RV/7104492/2018

Zurückweisung eines Antrages nach § 295 Abs. 4 BAO wegen Verspätung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse_Bf., vertreten durch Rabel & Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Hallerschloßstraße 1, 8010 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Zurückweisung eines Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008  zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist, ob ein Antrag des Beschwerdeführers (Bf.) auf Aufhebung gemäߧ 295 Abs. 4 BAO fristgerecht eingebracht wurde oder nicht.

Der Bf. beteiligte sich im Jahr 2008 an der steuerlichen Mitunternehmerschaft AB_AG_Still (Steuernummer: xxxxx) als atypisch stiller Gesellschafter. Im Jahr 2008 wurde dem Bf. eine Ergebnistangente in Höhe von -8.001,81 € von der CD_GmbH_u_Co_KG zugewiesen, welche der Bf. in die Einkommensteuererklärung 2008, welche am eingebracht wurde, angab. Mit („abgeleitetem“) Bescheid vom wurde die Einkommensteuer des Bf. für 2008 unter Berücksichtigung dieses Verlustanteiles festgesetzt.

Am erging ein Bescheid über die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO der CD_GmbH_u_Co_KG in dem dem Bf. ein Anteil von -8.001.81 € zugewiesen wurde. Der davon abgeleitete Einkommensteuerbescheid erging am .

Im Anschluss an eine bei der  „AB_AG_Still“ durchgeführte Außenprüfung wurde der Verlustanteil des Bf. für das Jahr 2008 mit Feststellungsbescheid vom auf -1.646,59 € vermindert. Am erging an den Bf. ein gemäß § 295 Abs.1 BAO entsprechend berichtigter Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2008.

Gegen den (neuen) Feststellungsbescheid der AB_AG_Still für 2008 wurde am das Rechtsmittel der Beschwerde (damals Berufung), ergänzt durch einen Schriftsatz vom erhoben. Diese wurde vom als unzulässig zurückgewiesen, da die Bescheide nicht ordnungsgemäß adressiert waren.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO, da dieser auf einem „Nicht-Bescheid“ basiere.

Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit dem nun beschwerdegegenständlichen Bescheid vom zurückgewiesen, da der Antrag erst nach Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei.

In der dagegen erhobenen – umfassend begründeten – Beschwerde wird im Wesentlichen (auszugsweise wörtlich wieder gegeben) geltend gemacht:

"(…) Durch die Novellierung des § 304 BAO mit dem Finanzverwaltungsgerichtbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG 2012) wurde die Antragsfrist gemäß § 295 Abs. 4 BAO dahingehend verkürzt, dass ein Antrag fristgerecht nur bis zum Eintritt der Bemessungsverjährung nach § 207 BAO gestellt werden kann. Diese Änderung trat gemäß § 232 Abs. 37 BAO mit in Kraft.

Interpretiert man die Bestimmungen des § 295 Abs. 4 iVm § 304 und § 323 Abs. 37 BAO wörtlich, kommt man daher zum Ergebnis, dass der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom (…) nur dann fristgerecht gestellt worden wäre, wenn dies bis zum (Eintritt der Verjährung betreffend die Einkommensteuer 2008) erfolgt wäre.

Zu diesem Zeitpunkt war ein Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO jedoch gar nicht möglich, da eine Zurückweisung der Bescheidbeschwerde aufgrund des Vorliegens eines "Nichtbescheides" erst am ergangen ist. Genau diese wörtliche Gesetzesauslegung und die sich daraus ergebenen Rechtsfolgen wendet die Behörde durch den beschwerdegegenständlichen Zurückweisungsbescheid an. …..

Die Gesetzesauslegung darf jedoch nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben. Da im vorliegenden Fall die wörtliche Auslegung des Gesetzes zu einem dem logischen Denkansätzen widersprechenden und Rechtsschutzgrundsätzen grob verletzenden Ergebnis führen würde, wird in weitere Folge eine historische, teleologische, systematische sowie verfassungskonforme Interpretation der relevanten gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen. (…)"

Der steuerliche Vertreter verwies auf die Entscheidungen Ro 2015/13/0005 vom des Verwaltungsgerichtshofes und führte dazu aus:

"Der VwGH befasste sich in diesem Erkenntnis bereits mit der Frage der Fristigkeit der Antragstellung gemäß § 295 Abs. 4 BAO. Letztlich wies der VwGH mit diesem Erkenntnis die Revision ab, da der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO verspätet eingebracht wurde. Dieses VwGH-Erkenntnis ist jedoch auf den beschwerdegegenständlichen Fall keineswegs übertragbar, da sich die zugrundeliegenden Sachverhalte wesentlich voneinander unterscheiden.

Dem zitierten VwGH-Erkenntnis liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Finanzamt erließ am Einkommensteuerbescheide des Revisionswerbers für die Jahre 1998 und 1999. Der UFS stellte am und fest, dass diese Einkommensteuerbescheide auf nichtigen Grundlagenbescheiden („Nichtbescheiden") beruhten. Daraufhin stellte der Revisionswerber am den Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung dieser Einkommensteuerbescheide. Der VwGH wies die Revision zurück, da dieser Antrag sowohl nach der Rechtslage vor als auch nach dem FVwGG 2012 verspätet war (außerhalb der Frist des § 304 BAO). Zum Zeitpunkt der Erlassung der Einkommensteuerbescheide () existierte die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO jedoch noch nicht. Daher stellte der VwGH fest, dass der Revisionswerber Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 erheben hätte können, aufgrund der Tatsache, dass diese von Nichtbescheiden abgeleitet wurden. Diese Vorgehensweise sei zum damaligen Zeitpunkt laut VwGH auch üblich gewesen.

Insofern ist dieses VwGH-Erkenntnis nicht auf den gegenständlichen Fall übertragbar, da der Einkommensteuerbescheid 2008 am erlassen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO in Kraft und hatte ausdrücklich zum Ziel, Beschwerdeverfahren auf Einkommensteuerebene zu vermeiden. Der VwGH stellte bei seiner Begründung in den Vordergrund, dass sich (aufgrund der im Jahr 2006 herrschenden Rechtslage) der Revisionswerber gegen seine Einkommensteuerbescheide "wehren" hätte müssen, in dem er dagegen Beschwerde erhoben hätte und den Nichtbescheidcharakter der Grundlagenbescheide vorgebracht hätte. Durch die Einführung des § 295 Abs. 4 BAO wurde jedoch eine Bestimmung eingeführt, die im Sinne einer lex specialis den Rechtschutz des Steuerpflichtigen für solche Fälle wahren sollte und deren Zweck es ua. ist, Beschwerdeverfahren gegen von Nichtbescheiden abgeleiteten Einkommensteuerbescheide zu vermeiden…"

Unter Zugrundelegung einer historischen und teleologischen Gesetzesauslegung sowie unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 209a Abs. 4 BAO ergebe sich für den Beschwerdefall laut steuerlichen Vertreter folgende Lösung:

"….. Mit der Nichtigerklärung des im Zuge der Wiederaufnahme neu erlassenen Feststellungsbescheides 2008 der AB_AG_Still entfällt die Rechtsgrundlage für die von der Erklärung abweichende Veranlagung unseres Mandanten nach § 295 Abs. 1 BAO. Die Rechtskraft des ursprünglichen, erklärungsgemäßen Feststellungsbescheides 2008 vom verpflichtet zur erklärungsgemäßen Veranlagung unseres Mandanten nach § 295 Abs. 4 BAO. Die Verjährungssperre nach § 209a Abs. 2 und 4 BAO schützt unseren Mandanten vor einer Verjährung zu seinen Lasten. Auf diese Weise wird die nach dem Rechtsstaatsprinzip gebotene Effizienz des Rechtsschutzes erreicht."

In seinen Überlegungen zur systematischen Interpretation des § 295 Abs. 4 BAO als Rechtsschutzbestimmung führt der steuerliche Vertreter des Bf. ua. aus:

"Damit hängt aber für den Fall, dass sich im Laufe des gegen die als Grundlagenbescheid gedachte Erledigung geführten Rechtsmittelverfahrens deren „Nichtbescheidcharakter” herausstellt, das Ergebnis im Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerverfahren letztlich von Zufälligkeiten ab. Wartet das Finanzamt nämlich iSd § 295 Abs. 1 letzter Satz BAO mit der Erlassung des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheids bis zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens gegen den Grundlagenbescheid ab, so ist ausgeschlossen, dass der Abgabenpflichtige mit einem von einem rechtlichen Nichts abgeleiteten rechtswidrigen Abgabenbescheid belastet wird. Erlässt es hingegen sofort einen Änderungsbescheid, kann (ohne Antragsmöglichkeit nach § 295 Abs. 4 BAO) der Fall eintreten, dass aufgrund von langen Verfahrensdauern ein von einem „rechtlichen Nichts" und somit rechtswidrig „abgeleiteter” Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid aufgrund des Eintritts der Verjährung nicht mehr aus dem Rechtsbestand beseitigt werden kann.

§ 295 Abs. 4 BAO stellt somit eine Ergänzung des Rechtsschutzsystems in jenen Fällen dar, in denen der „unbedingte Handlungsbedarf” des § 295 Abs. 1 BAO systemwidrig aufgrund des Vorliegens eines Nichtbescheids nicht greifen kann. Somit ergibt sich auch aus der Funktion des § 295 Abs. 4 BAO als "Rechtsschutzmaßnahme" die Notwenigkeit, diese Bestimmung auf eine Weise zu interpretieren, dass das Antragsrecht nicht regelmäßig zu jenem Zeitpunkt bereits verwirkt ist, zu dem erstmals darüber Klarheit geschaffen wurde, ob das Berichtigungssystem des § 295 Abs. 1 BAO überhaupt greift. Diese Notwendigkeit besteht unter Rechtsschutzgesichtspunkten umso mehr, als der (wie  das den Änderungsbescheid erlassende Finanzamt) keine Kenntnis vom Nichtbescheidcharakter der als Grundlagenbescheid gedachten Erledigung habende Abgabenpflichtige mangels Rechtsanspruchs auf ein Zuwarten mit der Erlassung des abgeleiteten Bescheids bis zum Ende des gegen einen Grundlagenbescheid geführten Rechtsmittelverfahrens nicht beeinflussen kann, ob er schlussendlich mit einer rechtswidrigen Erledigung belastet bleibt.

......

Auch die systematische Interpretation des § 295 Abs. 4 BAO führt daher letztlich zum Ergebnis, dass aufgrund des Rechtsschutzcharakters dieser Bestimmung der Einkommensteuerbescheid 2008 vom und der Anspruchszinsenbescheid 2008 vom unseres Mandanten, die auf einem rechtlich absolut nichtigen Verwaltungsakt basieren, aufzuheben sind."

Weiters legte der steuerliche Vertreter seine verfassungskonformer Interpretation des § 295 Abs. 4 iVm § 304 BAO (Anwendung § 304 BAO idF vor FVwGG 2012) in der Beschwerde dar:

"Wie bereits oben beschrieben ist § 304 BAO idF ab dem FVwGG 2012 als Verfahrensvorschrift bei wörtlicher Interpretation des § 323 Abs. 37 BAO für alle Amtshandlungen ab und daher auf alle zu diesem Zeitpunkt offenen Verfahren anzuwenden. Diesem Grundsatz können jedoch verfassungsrechtliche Überlegungen entgegenstehen bzw. sind die Inkrafttretensbestimmungen (§ 323 Abs. 37) verfassungskonform zu Interpretieren. Die Finanzverwaltung selbst ist beispielsweise der Auffassung, dass ein vor dem rechtzeitig eingebrachter Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO auch nach dem als rechtzeitig gestellt anzusehen und nicht als verspätet zurückzuweisen ist, obwohl zum Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung bereits die Bemessungsverjährung eingetreten ist. Die Änderung der Rechtslage kann in verfassungskonformer Interpretation der Inkrafttretensbestimmung des § 323 Abs. 37 BAO nicht dazu führen, dass ein vor dem Inkrafttreten rechtzeitig gestellter Antrag nun als verspätet zu beurteilen ist.

Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde zwar kein Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO vor dem gestellt, was jedoch damit zu begründen ist, dass die Voraussetzung zur Antragstellung - nämlich die Entscheidung über das Vorliegen eines "Nichtfeststellungsbescheides" - zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen ist (diese Entscheidung erging erst im November 2017). Der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 gemäß § 295 Abs. 4 BAO wurde in weiterer Folge am eingebracht.

Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist.

Nach dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Interpretation ist unter mehreren möglichen Auslegungsvarianten jene zu wählen, die die Norm nicht als verfassungswidrig erscheinen lässt. Das erforderliche Mindestmaß an faktischer Effizienz haben Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach nur dann, wenn durch das Ergreifen eines Rechtsbehelfs nicht bloß das Erreichen einer Entscheidung rechtsrichtigen Inhalts, sondern auch die "Umsetzung einer solchen Entscheidung in den Tatsachenbereich" bewirkt werden kann. Dementsprechend ist ein Rechtsschutzsystem nur dann effektiv, wenn es in zeitlicher Hinsicht überhaupt ermöglicht, Rechtsmittel sinnhaft zu ergreifen. Folglich leidet die Effektivität des Rechtsschutzsystems auch und vor allem dann, wenn der inhaltlich perfekte Rechtsschutz zu spät kommt. Unter Rechtsschutz ist nämlich auch die rechtzeitige Gewährleistung einer faktischen Position zu verstehen, weshalb Rechtsschutzeinrichtungen diesen Zweck notwendig in sich schließen.

Schließlich gipfelt der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass "nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufen erlassen wurden". Gerade diese Anforderung kann aber bei einem von einem als Grundlagenbescheid gedachten Nichtbescheid „abgeleiteten" Abgabenbescheid zweifelsfrei keinesfalls erfüllt sein.

Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der VfGH die Bestimmung des § 304 BAO, BGBl Nr. 194/1961, idF BGBl, I Nr. 14/2013 als verfassungswidrig aufgehoben hat. Der Gesetzgeber hat mittlerweile darauf reagiert und die Wiederaufnahme zeitlich begrenzt mit dem Eintritt der Verjährung oder wenn sie innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."

Schließlich werden in der Beschwerde noch Überlegungen zum Grundsatz von Treu und Glauben ins Treffen geführt:

"… Nach Treu und Glauben und nach dem Rechtsstaatsprinzip darf die Fehlleitung von Rechtsbehelfen nach § 252 BAO aufgrund der Nichtigkeit von Feststellungsbescheiden nicht zur "Fallgrube" für den Rechtsschutz führen. Das Rechtsschutzziel ist von Anfang an klar: Der Abgabenpflichtige wehrt sich gegen die Folgelasten nach § 295 BAO. Mit der Nichtigkeit des Feststellungsbescheids entfällt die Rechtsgrundlage für die bekämpften Folgelasten. Diesem Rechtsschutzbegehren ist aufgrund der Nichtigkeit des Feststellungsbescheids stattzugeben. § 295 Abs. 4 und § 209a Abs. 4 BAO idF AbgÄG 2011 stellen insofern klar, was nach Treu und Glauben, dem Rechtsstaatsprinzip und dem Sachlichkeitsgebot (Art 7 B-VG) verfassungsrechtlich z wingend geboten ist."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen sowie aus der Beschwerdeschrift:

Der Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO) erging zunächst am , der davon „abgeleitete“ Einkommensteuerbescheid für 2008 am .

Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der "AB_AG_Still" wurde der Verlustanteil des Bf. für das Jahr 2008 mit als Feststellungsbescheid intendierter Erledigung vom auf -1.646,59 € vermindert. In der Folge erging am an den Bf. ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO berichtigter Einkommensteuerbescheid 2008.

Gegen den (neuen) „Feststellungsbescheid“ für 2008 vom wurde am Beschwerde erhoben, welche mit als unzulässig zurückgewiesen wurde, da die Feststellungsbescheide aufgrund mangelhafter Adressierung als “Nichtbescheide” zu qualifizieren waren.

In Folge wurde vom steuerlichen Vertreter des Bf. die Aufhebung des gemäß § 295 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheides 2008 vom begehrt, da sich der Änderungsbescheid auf einen Nichtbescheid stützt. Da die Frist des § 304 BAO bereits abgelaufen war, wurde der Antrag durch die Abgabenbehörde mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom zurückgewiesen.

Rechtlich gilt Folgendes:

Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1 BAO) gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen. § 304 BAO in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung lautet:

"Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist."

Der auf § 295 Abs. 4 BAO gestützte Antrag des Bf. aufAufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 wurde am bei der belangten Behörde eingebracht.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer fünf Jahre. Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung für die Einkommensteuer mit Ablauf des Jahres in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährung um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Daraus ergibt sich, dass im Beschwerdefall die Verjährungsfrist der Einkommensteuer 2008 mit zu laufen begann. Während der laufenden fünfjährigen Verjährungsfrist wurde der Bf. mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2008 veranlagt. Dadurch verlängerte sich die Verjährungsfrist um ein Jahr bis zum . Zu einer weiteren Verlängerung der Verjährungsfrist kam es gemäß § 209 Abs. 1 BAO nicht, da im Jahre 2014, keine Amtshandlung erfolgte.

Die Verjährung ist in Bezug auf die Einkommensteuer 2008 sohin am eingetreten.

Der am eingebrachte Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO wurde damit – nach dem diesbezüglich klaren Gesetzeswortlaut - unzweifelhaft erst nach Eintritt der Verjährung eingebracht.

Die Beschwerde äußert umfangreiche Bedenken gegen eine (bloß) wörtliche Interpretation der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und macht geltend, im Sinne einer historischen, teleologischen, systematischen und verfassungskonformen Interpretation wäre der Einkommensteuerbescheid 2008 vom ersatzlos aufzuheben. In Anbetracht des oa. – in Bezug auf die Befristung des Antragsrechtes nach § 295 Abs. 4 BAO eindeutigen – Gesetzeswortlautes bleibt aber nach Ansicht des BFG kein Raum für die in der Beschwerde dargestellten Überlegungen zu weiter gehenden bzw. dem Gesetzestext widersprechenden Interpretationen (in diesem Sinne auch zB , sowie vom , RV/7100877/2018).

In der Beschwerde wird (ua.) auf das Erkenntnis des , Bezug genommen. Darin stellt der VwGH zunächst klar: "Wortlaut und Sinnzusammenhang lassen keinen Zweifel daran, dass sich die zuletzt wiedergegebene Wendung auf den in § 304 BAO festgelegten Ablauf der Frist für Wiederaufnahmen im Verfahren zur Festsetzung (im vorliegenden Fall) der Einkommensteuer bezieht. Dies ergibt sich auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, mit dem § 295 Abs. 4 BAO eingeführt wurde, soweit dort als eines der mit der Änderung verfolgten Ziele die Vermeidung aufwändiger Wiederaufnahmsverfahren in Einkommen- oder Körperschaftsteuerverfahren genannt ist (1212 BlgNR 24. GP 30)."

Im do. Beschwerdefall wurde vom Revisionswerber angeregt, "betreffend § 295 Abs. 4 BAO gem. Art. 140 B-VG an den VfGH einen Antrag zu stellen, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und diese Bestimmung wegen Gleichheitswidrigkeit als verfassungswidrig aufzuheben". Dieser Anregung hielt der VwGH den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom entgegen, in welchem der VfGH festgehalten hatte, dem Gesetzgeber könne "nicht entgegengetreten werden, wenn er das Recht zur Antragstellung zur Aufhebung in Rechtskraft erwachsener Bescheide mit Hinweis auf § 304 BAO in einer der verfassungskonformen Auslegung zugänglichen Weise befristet".

Unter Rn 19 führt der VwGH im Weiteren aus: "Es ist auch nicht "denkunmöglich", dass die Frist für den Aufhebungsantrag schon vor der als Voraussetzung für den Antrag formulierten Zurückweisung des gegen den vermeintlichen Grundlagenbescheid gerichteten Rechtsmittels abläuft. Das Gesetz verknüpft den Aufhebungsantrag durch die Bezugnahme auf § 304 BAO mit der Möglichkeit einer Wiederaufnahme und sieht die Zurückweisung des Rechtsmittels nur als Voraussetzung dafür vor, dass an die Stelle der (vor allem nach damaliger Rechtslage) strengeren Voraussetzungen einer Wiederaufnahme ein vereinfachtes Verfahren tritt."

In seinem Erkenntnis Ra 2015/15/0031 vom führt der VwGH unter Hinweis auf das vorzitierte Erkenntnis aus: "Dass der Gesetzgeber in § 295 Abs. 4 BAO (…) ein für den Fall des Vorliegens einer Zurückweisung vereinfachtes, aber ebenfalls an die Bedingungen des § 304 BAO geknüpftes Verfahren zur Aufhebung von einem Nichtbescheid abgeleiteter Bescheide einführte, bedeutete lediglich eine zeitliche Begrenzung der solcherart möglichen alternativen Geltendmachung der fehlenden Bescheidqualität des Grundlagenbescheides."

Wenn daher der steuerliche Vertreter des Bf. zu der Auffassung gelangt, die sich aus den Bestimmungen nach § 209a Abs. 2 und 4 BAO ergebende Nichtverjährbarkeit (zugunsten des Abgabepflichtigen) führe zu einer "unbefristeten Antragsoption nach § 295 Abs. 4 BAO" (s. S. 8 zweiter Absatz der Beschwerde), so erweist sich diese Auffassung in Anbetracht der vorzitierten Judikatur jedenfalls als unzutreffend.

Unter Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben bringt der steuerliche Vertreter des Bf. des Weiteren vor, das Rechtsmittel gegen den Nichtbescheid sei als ein Rechtsmittel gegen den vom Nichtbescheid abgeleiteten Abgabenbescheid zu verstehen. Auch diese Argumentation geht ins Leere: Der VwGH hat im zitierten Erkenntnis Ro 2015/13/0005 ausgesprochen, dass auf eben diesen Einwand mangels Verfahrensgegenständlichkeit der Bescheide, mit denen das Rechtsmittel gegen die Nichtbescheide zurückgewiesen wurde, nicht einzugehen ist.

Wenn der Bf. weiters geltend macht, die Verjährungssperre nach § 209a Abs. 2 und 4 BAO schütze ihn vor einer Verjährung zu seinen Lasten, so ist zu entgegnen, dass § 209a BAO zwar Abgabenfestsetzungen nach Eintritt der Verjährung erlaubt, jedoch keine Durchbrechungen der Rechtskraft regelt. Wann diese auch nach Eintritt der Verjährung in Betracht kommt, regelt § 295 Abs. 4 iVm. § 304 BAO (s. abermals ).

Der Bf. vermeint, das bereits mehrfach angesprochene VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0005, führe zu einer Rechtsschutzlücke contra legem und widerspreche den verfassungsgesetzlichen Grundrechten. Überdies sei dieses Erkenntnis auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sich die zugrunde liegenden Sachverhalte wesentlich voneinander unterscheiden würden. Im VwGH-Fall habe die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO noch nicht existiert, weshalb der Gerichtshof auch festgestellt habe, dass der do. Revisionswerber Beschwerde gegen den abgeleiteten Bescheid erheben hätte können. Diese Vorgehensweise sei damals (vor Einführung des § 295 Abs. 4 BAO) auch üblich gewesen. Ziel der Einführung des Antragsrechtes nach § 295 Abs. 4 BAO sei gerade die Vermeidung von Beschwerdeverfahren auf Einkommensteuerebene gewesen.

Dass das Erkenntnis Ro 2015/13/0005 auf den Beschwerdefall nicht übertragbar sein soll, vermag das BFG nicht zu teilen. Denn der VwGH begründet seine Entscheidung nicht allein damit, dass es dem Pflichtigen – wie damals "üblich" – freigestanden wäre, die abgeleiteten Bescheide mangels Bescheidqualität der Erledigungen, auf die sich gründeten, zu bekämpfen. Dem Bf. ist zwar zuzugestehen, dass sich der Rechtsbehelf des § 295 Abs. 4 BAO in bestimmten Fällen tatsächlich als unzulänglich, weil dem Abgabepflichtigen (unverschuldetermaßen) nicht mehr offen stehend, erweisen kann.

Genau das bringt der VwGH in seiner Entscheidung zum Ausdruck, wenn er ausführt, es sei "nicht denkunmöglich, dass die Frist für den Aufhebungsantrag schon vor der als Voraussetzung für den Antrag formulierten Zurückweisung des gegen den vermeintlichen Grundlagenbescheid gerichteten Rechtsmittels abläuft." Damit ist jedoch klargestellt, dass es keinen Unterschied macht, ob die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO zum Zeitpunkt der Erlassung der von einem Nichtbescheid abgeleiteten Bescheide bereits in Kraft stand oder nicht. Bei im Raum stehendem Nichtbescheidcharakter der Feststellung gemäß § 188 BAO wird somit – nach wie vor - nur über die begleitende Nutzung des Rechtsschutzwegs gegen die abgeleiteten Bescheide ein Verjährungsrisiko vermieden. Erhebt der Abgabenpflichtige gegen die Einkommensteuerbescheide keine Rechtsmittel, setzt er sich für den Fall einer späteren Zurückweisung der Rechtsmittel gegen die als Grundlagenbescheide herangezogenen Erledigungen dem Erfordernis einer Rechtskraftdurchbrechung aus, denn das in § 295 Abs. 4 BAO vorgesehene vereinfachte Verfahren zur Aufhebung von einem Nichtbescheid abgeleiteter Bescheide ist durch den Verweis auf § 304 lediglich eine zeitlich begrenzte alternative Möglichkeit zur Geltendmachung der fehlenden Bescheidqualität des Grundlagenbescheides (s. zB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 2, Stand , § 209a Anmerkung 21a). Wenngleich damit – neben der primär angestrebten Vermeidung aufwendiger und für den Abgabepflichtigen mitunter riskanter Wiederaufnahmeverfahren - der zweite vom Gesetzgeber verfolgte Zweck der Regelung des § 295 Abs. 4 BAO (nämlich die Vermeidung vorsorglich erhobener Rechtsmittel) tatsächlich nur in eingeschränktem Maße umgesetzt worden sein mag, ändert dies nichts an der Tatsache, dass das Antragsrecht nach § 295 Abs. 4 BAO einer klar umschriebenen zeitlichen Begrenzung unterliegt.

Die Zurückweisung durch das Finanzamt aus dem Grunde der Verspätung erfolgte daher zu Recht und die dagegen gerichtete Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

Zur Nichtzulassung der Revision:

Wie oben dargelegt konnte sich das BFG in seiner Entscheidung maßgeblich auf das Erkenntnis des , stützen. Mit Beschlüssen vom , Ra 2015/15/0047, und , Ra 2015/15/0031, hat der VwGH zwei weitere wegen der hier zu beurteilenden Rechtsfrage anhängige Beschwerden unter Verweis auf dieses Erkenntnis zurückgewiesen. Diese Judikatur ist entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung jedenfalls (auch) auf den Beschwerdefall übertragbar (s. oben).

Auch vom BFG gibt es bereits Entscheidungen, in denen diese VwGH-Judikatur für Fälle herangezogen wurde, in denen § 295 Abs. 4 BAO im Zeitpunkt der Erlassung der abgeleiteten Bescheide bereits in Geltung stand (zB ).

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt sohin nicht vor, weshalb die Revision als unzulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 37 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323 Abs. 37 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104492.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at