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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2019, RV/3100855/2016

Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. A in der Beschwerdesache Agrargemeinschaft D, 6580 E, vertreten durch B Steuerberatungs GmbH, Adr., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des C betreffend Körperschaftsteuer der Jahre 2009, 2011, 2012 und 2014 mit Ausfertigungsdatum

zu Recht erkannt: 

1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden – ersatzlos – aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die von der Agrargemeinschaft D (und Beschwerdeführerin kurz: Bf.) für die Jahre 2009, 2011 und 2012 im elektronischen Wege eingereichten Körperschaftsteuererklärungen wurden erklärungsgemäß veranlagt.

2. Im Zuge der bei der Bf. die Jahre 2009 bis 2014 umfassenden durchgeführten abgabenbehördlichen Außenprüfung stellte der Prüfer in der Niederschrift über die Schlussbesprechung gem. § 149 Abs. 1 BAO und Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gem. § 150 BAO vom (ABNr. 126037/2015) fest, dass diverse Entschädigungszahlungen den erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen seien.

3. Den Prüfungsfeststellungen folgend verfügte die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO unter anderem hinsichtlich der Körperschaftsteuer der Jahre 2009, 2011 und 2012 und fertigte gleichzeitig am neue Sachbescheide aus.
Der Körperschaftsteuerbescheid 2014 erging entsprechend der am elektronisch eingelangten Körperschaftsteuererklärung 2014 am erklärungsgemäß. 

4. Aufgrund zeitgerecht eingebrachter Fristverlängerungsanträge zur Einbringung einer Beschwerde langte die gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2009, 2011, 2012 und 2014 erhobene Beschwerde am fristgerecht ein.

Eingewandt wurde: "Die Beschwerde richtet sich gegen die rechtswidrige Zurechnung und Besteuerung von (Passiv-)Einkünften aus der nicht land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsüberlassung von Grundstücken an die Agrargemeinschaft D, welche ertragsteuerlich ausschließlich der Gemeinde E zuzurechnen sind. Wir beantragen, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben, da körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte bei der Agrargemeinschaft D in den streitgegenständlichen Veranlagungsjahren nicht vorlagen bzw. die körperschaftsteuerlichen Einkünfte mit null Euro festzusetzen."

Der Sachverhalt stelle sich wie folgt wiedergegeben dar:

"Die Agrargemeinschaft D ist als typische Gemeindegutsagrargemeinschaft zu qualifizieren, d.h. Grund und Boden steht im zivilrechtlichen Eigentum der Gemeinde. Als
Nachweis dient der Grundbuchsauszug zur Einlagezahl XX, Katastralgemeinde E (Anlage ./1).
Die Agrargemeinschaft D verfügt über landwirtschaftliche Nutzungsrechte an den
Liegenschaften der EZ XX, hat jedoch keinen zivilrechtlichen Anspruch auf irgendwelche
sonstigen Erträge. Die jüngere Judikatur des VfGH hat atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft (Grundstücke befinden sich im zivilrechtlichen Eigentum der Agrargemeinschaft) betroffen. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist jedoch auch das bisherige Vorgehen bei der typischen Gemeindegutsagrargemeinschaft D kritisch zu hinterfragen.
Die Agrargemeinschaft D hat unter Mitwirkung der Gemeindeleitung bis Ende 2014 Verträge mit diversen Vertragspartnern über Pachten und Dienstbarkeiten abgeschlossen - siehe hierzu beispielhaft den Dienstbarkeitsvertrag vom 17. April xxx1, abgeschlossen zwischen F Aktiengesellschaft, Gemeinde D und Agrargemeinschaft D (Anlage ./2). Zahlungen aus abgeschlossenen Pacht- und Servitutsverträgen wurden in der Folge ausschließlich und direkt von der Agrargemeinschaft D vereinnahmt. Zudem sind Entgelte für Dienstbarkeiten, welche vertraglich ausschließlich von der Gemeinde D als  Liegenschaftseigentümerin vereinbart wurden, durch die Agrargemeinschaft D eingehoben worden. Dies wird belegt durch den Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag zwischen der Gemeinde D und der F Aktiengesellschaft E & Co. Restaurant vom 24. Jänner XXX2 (Anlage ./3). Auch dieses Entgelt wurde bis inklusive 2014 von der Agrargemeinschaft D vereinnahmt und steuerlich erklärt.
Hinsichtlich dieser Vorgehensweise wurde zwischen Agrargemeinschaft und Gemeinde keine vertragliche Vereinbarung im Sinne eines Fruchtgenusses oder ähnlichem abgeschlossen.
Zwischen den Organen der Gemeinde und der Agrargemeinschaft bestand eine mündliche
Übereinkunft, wonach die Agrargemeinschaft in Belangen der agrarisch genutzten Grundstücke nach Außen als Berechtigte hinsichtlich der agrarischen Grundstücke auftreten solle. Es war den Organen der Gemeinde sowie den Organen der Agrargemeinschaft stets klar, dass die vereinnahmten Bestands - bzw. Dienstbarkeitsentgelte, welche ausschließlich Liegenschaften der Gemeinde betreffen, ausnahmslos der Gemeinde zustanden bzw. zustehen. Es wurde aber bewusst die Agrargemeinschaft als Verhandlungspartner gegenüber Dritten (bspw. F) positioniert, um möglichst hohe Entgelte zu lukrieren. Die Gemeinde selbst sah sich aus politischen Motiven in einer für Verhandlungen ungünstigen Position. Die von der Agrargemeinschaft durch diese Vorgehensweise vereinnahmten Gelder wurden von dieser wieder vollständig in die land- und forstwirtschaftliche Substanz der Gemeinde, vor allem in die Erhaltung von Wegen und Weideflächen, reinvestiert.
Ausschüttungen an Agrargemeinschaftsmitglieder haben in den fraglichen Jahren nicht stattgefunden.
Die Gemeinde betrachtete die von der Agrargemeinschaft vereinnahmten Entgelte stets als eigene Einnahmen, auch wenn diese nicht der Gemeinde zugingen. Keinesfalls war beabsichtigt, Agrarmitglieder zu begünstigen. Mangels Ausschüttungen haben die Agrarmitglieder von den vereinnahmten Geldern auch nicht profitiert. Insofern besteht auch kein Rückforderungsanspruch der Gemeinde gegenüber der Agrargemeinschaft oder deren Mitgliedern. Vielmehr hat die Agrargemeinschaft der Gemeinde zuzurechnende Einnahmen für deren Interessen einzusetzen.
Die Gemeinde D verfügte im Jahr 2014, dass ab dem alle Einnahmen aus dem Gemeindegut direkt durch die Gemeinde zu vereinnahmen sind. (Protokoll Gemeinderatssitzung vom 16.12.xxx3 in Anlage ./4). Diese Änderung erfolgte vor dem Hintergrund der Diskussionen rund um die atypischen Agrargemeinschaften."

Nach ausführlicher Darlegung des steuerlichen Standpunktes vertrat die Bf. die Ansicht, dass die Grundstücke im zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum der Gemeinde gestanden seien und die Agrargemeinschaft nur agrarische Nutzungsrechte und keinerlei Rechte an diesen Grundstücken habe, weshalb die Zurechnung der Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung (Dienstbarkeitsentgelte, Verpachtung etc.) an die Gemeinde zu erfolgen haben. Die bis zum bestehende Rechtstellung der Agrargemeinschaft sei als Treuhandschaft in Sinne einer "Ermächtigungstreuhand" zu qualifizieren.

5. Mit einer jeweils separat am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung wurden die Beschwerden betreffend Körperschaftsteuer 2009, 2011 und 2012 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2014 wurde teilweise stattgegeben. In den Begründungen wurde darauf hingewiesen, dass mit Inkrafttreten der Änderung im TFLG 1996 ab eine Zurechnung der Einkünfte an die substanzberechtigte Gemeinde zu erfolgen habe, was im Jahr 2014 zum Ansatz der Hälfte des Gewinnes führe.

6. Mit Eingabe vom wurde die Vorlage der Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2009, 2011, 2012 und 2014 an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung gestellt. Es wurde die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

7. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht am zur Entscheidung vorgelegt.  

II. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 34 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG) 1996 eine Körperschaft Öffentlichen Rechts.

2. Die mit Ausfertigungsdatum erlassenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2009, 2011, 2012 und 2014 waren nicht an einen als "Betrieb gewerblicher Art" bezeichneten Bescheidadressaten der Agrargemeinschaft D, sondern an die Körperschaft öffentlichen Rechts selbst gerichtet.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 KStG 1988 sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

2. Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist "Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die   
– wirtschaftlich selbständig ist und
– ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und
– zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und
– nicht der Land- und Forstwirtschaft (§ 21 des Einkommensteuergesetzes 1988) dient. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit der Einrichtung gilt stets als Gewerbebetrieb."

Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 2 KStG 1988 Sonderformen von Betrieben gewerblicher Art darunter die entgeltliche Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken durch Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Art. 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes) und Siedlungsträger,
die nach den zur Ausführung des § 6 Abs. 2 des landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anerkannt sind (§ 2 Abs. 2 Z 3 leg. cit.), vor.

3. Der Betrieb gewerblicher Art ist ein selbständiges fiktives Steuersubjekt, das neben die Körperschaft öffentlichen Rechts tritt und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (vgl. ; vgl. ).

IV. Erwägungen

1. Körperschaften öffentlichen Rechts sind nicht unbeschränkt körpersteuerpflichtig, sondern unterliegen grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Z 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988. 
Der Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts stellt ein eigenes Rechtssubjekt dar, das von der Person des Rechtsträgers - der Körperschaft öffentlichen Rechts - verschieden ist. Zivilrechtlich existiert allerdings nur eine juristische Person und zwar die Körperschaft öffentlichen Rechts.
Das Gesetz weist die Steuerpflicht dem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts und nicht der Körperschaft öffentlichen Rechts für ihren Betrieb gewerblicher Art zu (vgl. ; vgl. ).

2. Ein Körperschaftsteuerbescheid hat daher unmittelbar an den Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft öffentlichen Rechts als Bescheidadressaten zu ergehen. Betreibt die Körperschaft öffentlichen Rechts mehrere Betriebe gewerblicher Art, so stellt ein jeder dieser Betriebe für sich ein eigenes Steuersubjekt dar. Für jeden einzelnen Betrieb gewerblicher Art hat die Abgabenbehörde eine eigene Steuernummer zu vergeben zu der mittels Körperschaftsteuererklärung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erklären sind.

3. Im gegenständlichen Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin (Trägerkörperschaft) über Jahre hinweg, unter anderem auch in den Beschwerdejahren zu ihrer Steuernummer als Unternehmerin im Sinne des UStG 1994 neben den Umsatzsteuererklärungen auch Körperschaftsteuererklärungen bei der Abgabenbehörde eingereicht, in denen sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der "Vermietung, Verpachtung von eigenen oder geleasten Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen" erklärte.

4. Nach zunächst erklärungsgemäß ergangenen Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 2009, 2011 und 2012 verfügte die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer und erließ neue Sachbescheide wie auch den Körperschaftsteuerbescheid 2014, alle mit Ausfertigungsdatum
Indem die Abgabenbehörde die Körperschaft öffentlichen Rechts selbst als Steuersubjekt für Einkünfte aus einem Betrieb gewerblicher Art zur Körperschaftsteuer heranzog, hat sie die Rechtslage verkannt.

Die am ausgefertigten an den Bescheidadressaten "Agrargemeinschaft D" gerichteten Körperschaftsteuerbescheide waren mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, da die Körperschaft öffentlichen Rechts nicht der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt.

5. Die Körperschaftsteuerbescheide 2009, 2011, 2012 und 2014 vom waren daher aufzuheben.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass ein Betrieb gewerblicher Art neben der Körperschaft öffentlichen Rechts ein fiktives selbständiges Steuersubjekt darstellt, findet Deckung in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Punkt III. 3.).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100855.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at