Aufwendungen für Familienheimfahrten; doppelte Haushaltsführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. R in der Beschwerdesache Bf, adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog in den streitgegenständlichen Jahren als Bauarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
In seiner elektronisch eingebrachten Arbeitnehmerveranlagungserklärung für das Jahr 2017 machte der Bf. Aufwendungen für Familienheimfahrten nach Polen iHv 2.400 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 3.780 € geltend.
Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017, mit welchem es die vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannte. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung im vorliegenden Fall nicht zutreffen.
Gegen den angeführten Bescheid erhob der Bf. am Beschwerde mit der Begründung, dass er verheiratet sei, regelmäßig zu seiner Familie fahre und einen Mietvertrag habe.
Am erging ein Ergänzungsersuchen des Finanzamts an den Bf. betreffend Nachreichung folgender Unterlagen:
„Belege betreffend der beantragten Kosten inklusive Fahrtenbuch
Formular E9 Ihrer Ehegattin unterfertigt von der ausländischen Steuerbehörde
Berücksichtigungswürdige Gründe warum die Wohnsitzverlegung nach Österreich nicht möglich ist. Diese sind darzulegen, da die Doppelte Haushaltsführung grundsätzlich nur für zwei Jahre anzuerkennen ist"
In teilweiser Beantwortung dieses Ergänzungsersuchens legte der Bf. dem Finanzamt das Formular E 9 „Bescheinigung EU/EWR der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)", wonach die in Y wohnhafte Ehefrau des Bf. im Jahr 2017 keine Einkünfte bezogen hat, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es dazu im Wesentlichen aus, dass die Ehegattin des Bf. im Veranlagungsjahr 2017 keine Einkünfte bezogen habe und dass der Bf. weder Belege betreffend der Mietzahlungen noch berücksichtigungswürdige Gründe für die Weitergewährung der doppelten Haushaltsführung dargelegt habe. Da somit nichts gegen eine Wohnsitzverlegung nach Österreich spreche, hätten die geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht anerkannt werden können.
In seinem Vorlageantrag vom führte der Bf. aus, dass seine Ehefrau Landwirtin und eine Verlegung des Wohnsitzes unzumutbar sei. Der Familienwohnsitz sei zu weit entfernt und er habe Kosten für doppelte Haushaltsführung. Für eine einfache Fahrt zahle er 50 €, für die Miete 307 €.
Dem Vorlageantrag waren beigelegt:
Die beglaubigte Übersetzung aus dem Polnischen einer von der Kasse der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung, Lokalstelle in C (Polen), ausgestellten Bescheinigung vom , wonach die in Y wohnhafte B (Ehefrau des Bf.) in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung im folgenden Zeitraum versichert ist:
"-- vom 1991-01-01 bis 2001-07-19 auf Antrag in der Unfall-, Kranken- und Mutterschaftsversicherung als Hausgenosse,
-- vom 2001-07-20 bis 2005-07-04 auf Antrag in der Unfall-, Kranken- und Mutterschaftsversicherung als Landwirt
-- vom 2005-07-05 bis weiterhin auf Antrag in der Renten-, Unfall-, Kranken- und Mutterschaftsversicherung als Landwirt.“
Eine von der polnischen Firma D in E ausgestellte Bescheinigung vom , wonach der Bf. im Jahr 2017 die Dienste dieser Firma für Fahrten Y (PL) - Wien (AT) und Wien (AT) - Y (PL) genutzt habe. Der Preis für eine einfache Fahrt AT-PL-AT habe 60,00 € betragen.
Zahlungsbelege betreffend Mietzahlungen iHv jeweils 307,06 € (Vorschreibungen für 2/2017, 4/2017, 5/20017 und 7/2017)
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Es wird von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Bf. ist polnischer Staatsbürger und erzielt in Österreich als Bauarbeiter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Laut Abfrage im zentralen Melderegister ist der Bf. seit ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet, seit ist er in der adr, wohnhaft. Die monatlichen Mietaufwendungen betragen 307,06 €.
Der Bf. ist verheiratet und hat zwei Kinder, T (geb. ****) und P (geb. ****). Der Familienwohnsitz befindet sich in Y, Polen.
Seine Ehegattin erzielte im Jahr 2017 keine Einkünfte.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen und ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:
Gem. § 16 Abs. 1 1. Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gem. § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
"1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufwendeten Beträge.
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen."
Gem. § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten , nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind die Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. bspw. ).
Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen gilt jedenfalls jener Ort, an dem er mit seiner Ehegattin einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet, als sein Familienwohnsitz ().
Dem Steuerpflichtigen ist nach einer - nicht schematisch geregelten Zeit - in der Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab und beträgt nach der Verwaltungspraxis bei einem verheirateten Steuerpflichtigen zwei Jahre. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl. Jakom 2019, EStG, § 16, ABC der Werbungskosten, "doppelte Haushaltsführung").
Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt ().
Im beschwerdegegenständlichen Streitfall ist der Familienwohnsitz des Bf ca. 400 Kilometer von seinem Beschäftigungsort entfernt, sodass ihm eine tägliche Rückkehr zweifelsfrei nicht zugemutet werden kann.
Der Bf. bringt vor, dass seine Ehefrau Landwirtin und daher eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar sei.
Voraussetzung für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung ist, dass der Ehegatte am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000,00 Euro jährlich (angelehnt an die Einkommensgrenze des Ehepartners beim Alleinverdienerabsetzbetrag) erzielt oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (vgl. , unter Hinweis auf , LStR 2002 des BMF, Rz 344).
Gegenständlich bezog die Gattin des Bf. laut der vorgelegten Bescheinigung der polnischen Steuerbehörde im Jahr 2017 keine Einkünfte.
Zwar hat sich der VwGH in einigen Erkenntnissen auch mit der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort auseinandergesetzt, wenn am Familienwohnsitz eine nur der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft betrieben wird, doch waren in den den Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten neben den wirtschaftlichen Gründen auch andere Faktoren (zB nicht selbsterhaltungsfähige Kinder, Hindernisse aufgrund von fremdenrechtlichen Bestimmungen) vorhanden, die eine Begründung des Familienwohnsitzes in Österreich nicht bzw. nur unter schwierigsten Bedingungen ermöglichten (vgl. ; , 2006/15/0313; ; , 2005/14/0127).
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen von Gründen für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN).
Dass dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort (auch) aus anderen Gründen nicht zugemutet werden kann (vgl dazu Jakom/Lenneis EStG, 2019, § 16 Rz 56, "Doppelte Haushaltsführung"), hat er trotz Aufforderung durch die Abgabenbehörde nicht vorgebracht.
Die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung liegen somit nicht vor.
Aufwendungen für Familienheimfahrten vom Wohnsitz am Arbeitsplatz zum Familienwohnsitz sind dann Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (vgl. Doralt, EStG20, § 16 Tz 220 Familienheimfahrten sowie Tz 200/14).
Da im Streitzeitraum keine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vorlag, sind auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten nicht anzuerkennen.
Anzumerken ist, dass der Bf. auch keinen Nachweis der tatsächlich angefallenen Kosten für die Familienheimfahrten erbracht hat. D ie oa. Bescheinigung der polnischen Firma D, wonach der Bf. im Jahr 2017 deren Dienste für Fahrten von Y nach Wien und retour genutzt habe und der Preis für eine einfache Fahrt Österreich - Polen - Österreich 60,00 € betragen habe, vermag den belegmäßigen Nachweis über das Ausmaß der tatsächlich durchgeführten Fahrten und die dadurch erwachsenen Aufwendungen nicht zu ersetzen (vgl. ).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Nichtzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, d a das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | steuerlich relevante Einkünfte Landwirtschaft |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100445.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at