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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.07.2019, RV/3100057/2018

Einkünfte gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache A.K., Anschr., vertreten durch Stb., gegen die Bescheide des Finanzamtes Landeck Reutte vom , betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 und Einkommensteuer 2009, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin bezog in den Jahren 2005 und 2006 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer 10 % igen Kommanditbeteiligung an der X-GmbHuCoKG, Adresse.

In den Einkommensteuerbescheiden ab dem Jahre 2007 scheinen gewerbliche Einkünfte aus der genannten Kommanditbeteiligung nicht mehr auf.

Im Jahre 2013 fand bei der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2008 bis 2010 statt. Im Rahmen dieser Prüfung traf der Prüfer u.a. folgende Feststellung:

“Tz. 2 Gewinnanteil X-GmbHuCoKG

Frau K. war bei der X-GmbHuCoKG bis (Eintragung ins Firmenbuch) mit 10% als Kommanditistin beteiligt. Nach Streitigkeiten mit dem Mehrheitseigentümer hat Frau K. Klage wegen ausstehender Zahlungen für ihre Leistungen für die oa. Firma beim Arbeitsgericht eingebracht. Im Jahr 2009 wurde ihrer Klage entsprochen und ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis samt Ansprüchen in der Höhe von brutto € 35.094,29 für den Zeitraum bis zugesprochen.

Bei der Klagsausfertigung ist aus steuerlicher Sicht jedoch zu beachten, dass Frau K. auf Grund ihrer Beteiligung nicht Dienstnehmerin nach § 47 EStG ist und der Ansatz eines Dienstverhältnisses daher in steuerlicher Hinsicht nicht in Frage kommen kann. Der im Klagswege erstrittene Betrag ist daher als Gewinnanteil anzusehen und im Jahre 2009 bei Frau K. als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen.

Die Änderung erfolgt im Rahmen einer Wiederaufnahme gem. § 303 (4) BAO, zumal es sich bei der Prüfungsfeststellung um neue Tatsachen handelt, von denen erst im Rahmen der Betriebsprüfung Kenntnis erlangt wurde.“

Die Abgabenbehörde folgte der Feststellung des Prüfers, verfügte mit Bescheid vom eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009 und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid. Darin brachte sie den Betrag von € 35.094,29 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Ansatz.

Gegen die genannten Bescheide erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihres steuerlichen Vertreters mit Schriftsatz vom Berufung.

Darin wird Folgendes ausgeführt:

1) Zu Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2009:
Die Wiederaufnahme sei nicht begründet, weil keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahre 2009 vorlägen. Die Einkünfte seien im Jahre 2005 und 2006 bezogen worden. Diese Jahre seien zu berichtigen.

2) Zu Einkommensteuerbescheid 2009:

Die Beschwerdeführerin sei an der Firma X-GmbHuCoKG in den Jahren 2005 und 2006 als Kommanditistin beteiligt gewesen. Die Firma ermittle ihren Gewinn nach § 5 EStG. Gemäß § 293b BAO seien die Bilanzen der Firma X-GmbHuCoKG rückwirkend zu berichtigen und die bezogenen Unternehmergehälter von Frau K. periodengerecht zuzuteilen.
Es werde der Antrag gestellt, die Feststellungsbescheide der Jahre 2005 und 2006 der Firma X-GmbHuCoKG um die bezogenen Unternehmergehälter von Frau K. zu ändern.

Die Höhe des Bezuges an Unternehmerlohn sei vom Prüfer unrichtig angesetzt worden. Die Beschwerdeführerin habe folgende Lohnbezüge erhalten:


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2005
2006
Summe
Brutto
20.070,53
15.023,76
35.094,29
Netto
14.528,05
10.842,35
25.370,40
ausbezahlt
3.600,--
6.450,--
10.050,--

Die darauf entfallenden SV-Beiträge seien vom Arbeitgeber einzubehalten und als Werbungskosten vom Bruttolohn abzuziehen. Allenfalls im Haftungswege dem Arbeitgeber vorgeschriebene Lohnsteuerbeträge seien anzurechnen. Das Berechnungsblatt über den Lohnbezug der Beschwerdeführerin sei dem Prüfer im Zuge der Prüfung bereits vorgelegt worden.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom gab die Abgabenbehörde der Berufung (nunmehr Bescheidbeschwerde) keine Folge.

In der Beschwerdevorentscheidung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens führte sie aus, das Vorbringen in der Bescheidbeschwerde, wonach für das Jahr 2009 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen und somit eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gerechtfertigt sei, sei nicht zutreffend. Wie aus der Begründung der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2009 zu entnehmen sei, lägen Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2009 sehr wohl vor. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher zu Recht erfolgt.

In der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2009 äußerte sich die Abgabenbehörde dahingehend, die Beschwerdeführerin sei in den Jahren 2005 und 2006 als Kommanditistin an der KG (gemeint X-GmbHuCoKG) beteiligt und somit Mitunternehmerin gewesen. Sämtliche Vergütungen für die Tätigkeit als Mitunternehmer an der KG stellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 seien Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit derselben Einkunftsart zuzurechnen, zu der die aufgegebene Tätigkeit gehöre. Der erstrittene und im Jahr 2009 zugeflossene Betrag für die Tätigkeit für die KG betreffend die Jahre 2005 und 2006 stelle daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Da es sich in steuerlicher Hinsicht um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handle und nicht um Lohnaufwand, sei die Einstellung einer Rückstellung bei der KG für die Jahre 2005 und 2006 nicht möglich. Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte sei bisher nicht nachgewiesen worden, dass diese Einkünfte betreffend Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden seien. Da es sich um keinen Lohnbezug handle, sei auch keine Sozialversicherung bzw. Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.

Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin im Weg ihres steuerlichen Vertreters den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Darin wird vorgebracht, die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Begründung, wonach bestritten werde, dass bei der Beschwerdeführerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen, sei nicht korrekt. Bestritten werde, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2009 bei der Beschwerdeführerin angefallen seien. Es handle sich bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb um Vorwegbezüge der Beschwerdeführerin aus der Kommanditbeteiligung an der Firma X-GmbHuCoKG in den Jahren 2005 und 2006. Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer der Beschwerdeführerin für das Jahr 2009 sei daher nicht korrekt. Zu berichtigen seien die Feststellungsbescheide der X-GmbHuCoKG der Jahre 2005 und 2006. Im Jahr 2009 sei die Beschwerdeführerin nicht mehr an der KG beteiligt gewesen, sondern diese sei im Jahr 2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden. In der Beilage würden die Bescheide über die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem ASVG für diese Bezüge in der Zeit vom bis vorgelegt (Anmerkung des BFG: Als Beilage wurde jeweils nur die Seite 1 des Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung vom , GZ. xy, und des Bescheides des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz vom , GZ. xy, vorgelegt. – Unter den von der Abgabenbehörde vorgelegten Aktunterlagen findet sich eine vollständige Fassung des Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung vom . Eine vollständige Fassung des Bescheides des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz vom wurde über Anforderung des BFG von der Beschwerdeführerin am nachgereicht).

Über Auftrag des Bundesfinanzgerichtes vom legte die Abgabenbehörde am den Gesellschaftsvertrag betreffend die X-GmbHuCoKG vor und gab den Veräußerungsgewinn, der anlässlich des Ausscheidens der Beschwerdeführerin aus der KG ermittelt wurde (unter Beischluss eines Auszuges aus dem Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO für das Jahr 2006) mit € 18.052,03 bekannt.

Mit Schreiben vom nahm das Bundesfinanzgericht auf die Ausführungen der Abgabenbehörde betr. Sozialversicherung in der Beschwerdevorentscheidung vom und im Vorlagebericht vom (darin wies die Abgabenbehörde darauf hin, dass allfällig entrichtete SV-Beiträge vom Betrag von € 35.094,29 in Abzug gebracht werden könnten, die Beschwerdeführerin jedoch bis dato den Nachweis schuldig geblieben sei, dass derartige Beträge für die erstrittene Summe geleistet worden seien) Bezug und räumte der Beschwerdeführerin letztmalig die Möglichkeit ein, einen  diesbezüglichen Nachweis vorzulegen. Dem kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin beteiligte sich an der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten X-GmbHuCoKG (FN xx) als Kommanditistin mit 10 %. Die von der genannten Personengesellschaft erzielten Einkünfte wurden mit Bescheid gemäß § 188 BAO festgestellt und auf die einzelnen Beteiligten, so auch die Beschwerdeführerin aufgeteilt.

Anlässlich der im Rahmen der Ehescheidung am getroffenen Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse übertrug die Beschwerdeführerin ihren 10 % igen Kommanditanteil ihrem Ehegatten F.M.. Die Anmeldung zur Eintragung der Änderung in den Gesellschaftsverhältnissen langte am beim Firmenbuch ein und wurde die Änderung im Firmenbuch am durchgeführt.

Aus Anlass des Ausscheidens der Beschwerdeführerin aus der X-GmbHuCoKG ergab sich im Jahr 2006 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von € 18.052,03 (siehe dazu Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO vom für das Jahr 2006 betr. die X-GmbHuCoKG).

Mit Bescheid vom stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse fest, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis als Angestellte beim Dienstgeber X-GmbHuCoKG gemäß § 4 Abs. 2 ASVG sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Den gegen den genannten Bescheid von der X-GmbHuCoKG erhobenen Einspruch wies das Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom , GZ. xy, als unbegründet ab. Der dagegen eingebrachten Berufung gab das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz mit Bescheid vom , GZ. xy, keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Mit Klage vom machte die Beschwerdeführerin ihre Ansprüche aus dem in der Zeit vom bis zur X-GmbHuCoKG bestehenden Dienstverhältnis beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht geltend. In dem unter GZ.xx geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren bejahte das Gericht eine der Beschwerdeführerin zustehende Forderung von € 35.094,29 brutto (siehe dazu das Urteil des LG Innsbruck vom , bestätigt durch das Teilurteil des OLG Innsbruck vom , GZ.xx). Hinsichtlich der Höhe des genannten Betrages und dessen Aufgliederung wird auf die Entscheidung des OLG Innsbruck vom , GZ.xx, ergangen zum Urteil des LG Innsbruck vom , mittels dem über die eingewendete Gegenforderung abgesprochen wurde, verwiesen.

Nach einer bei der Beschwerdeführerin im Jahre 2013 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung erfasste die Abgabenbehörde den Betrag von € 35.094,29 im Jahre 2009 als nachträgliche Betriebseinnahme und unterzog ihn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer.

Dieser Sachverhalt gründet sich auf die von der Abgabenbehörde mit der Bescheidbeschwerde vorgelegten Aktunterlagen und die nachträglich erteilten Auskünfte und vorgelegten Unterlagen sowie auf die Einsichtnahme des Bundesfinanzgerichtes in das Firmenbuch und den Akt des Landesgerichtes Innsbruck GZ.xx.

Rechtslage und rechtliche Beurteilung:

1) Wiederaufnahme Einkommensteuer 2009

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als im Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz BAO6 § 303 Tz 21 und die dort angeführte Judikatur).

Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumption zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. z.B. , , , ).

Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. z.B. , , ).

Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. z.B. , ). Maßgebend ist der Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. z.B. , , ).

Im gegenständlichen Fall war der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides () nicht bekannt, dass der Beschwerdeführerin mit Urteil des LG Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ.xx, bestätigt durch das Teilurteil des OLG Innsbruck vom , GZ.xx, als Abgeltung für ihre im Zeitraum bis für die X-GmbHuCoKG geleistete Tätigkeit ein Betrag von € 35.094,29 brutto zuerkannt wurde. Erst anlässlich der bei der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 durchgeführten Betriebsprüfung erlangte die Abgabenbehörde aufgrund der Gerichtsurteile davon Kenntnis. Es handelt sich dabei um einen Umstand, der im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides bereits existent war, der Behörde aber erst nach Bescheiderlassung zur Kenntnis gelangt ist und dessen Kenntnis zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte.

Die Verfügung der Wiederaufnahme liegt im Ermessen. Wie bei allen Ermessensentscheidungen kommt dem Gleichheitssatz, dem Normzweck und den im § 20 genannten Kriterien Bedeutung zu. Stets hat eine Abwägung aller für die Ermessensübung relevanten Umstände zu erfolgen (vgl. Ritz BAO6 § 303 Tz 62, 63).

Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der Ermessen einräumenden Norm. Zweck des § 303 ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis (, , ). Daher ist bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben (vgl. , , ). Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde.

Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in der für das Jahr 2009 eingereichten Abgabenerklärung den ihr gerichtlich zuerkannten Betrag für die im Zeitraum bis für die X-GmbHuCoKG geleistete Tätigkeit zur Gänze verschwiegen. Angesichts dieses Umstandes ist bei der vorzunehmenden Interessensabwägung dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, der auf die Herstellung der Rechtsrichtigkeit und Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerichtet ist, gegenüber dem Prinzip der Billigkeit, das insbesondere die Partei in ihrem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Bescheides und vor einer Unverhältnismäßigkeit des herangezogenen Grundes im Verhältnis zu den Folgen der Wiederaufnahme schützen soll, der Vorrang einzuräumen (vgl. ).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2009 erfolgte daher zu Recht.

2) Einkommensteuer 2009

Gemäß § 23 Z 2 EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften), sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben.

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 (zB Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall von Forderungen), und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger.

Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass der Beschwerdeführerin für ihre im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses für die X-GmbHuCoKG im Zeitraum bis ausgeübte Tätigkeit ein Betrag von € 35.094,29 brutto gerichtlich zuerkannt wurde.

Streit herrscht zwischen den Parteien, wie dieser Betrag steuerrechtlich zu behandeln ist.

Die Abgabenbehörde hat den gerichtlich zuerkannten Betrag als nachträgliche Einkünfte gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 aus der ehemaligen Kommanditbeteiligung an der X-GmbHuCoKG qualifiziert und als gewerbliche Einkünfte im Jahr 2009 der Besteuerung unterzogen.

Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit der von ihr gegen den neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2009 erhobenen Bescheidbeschwerde, in der sie den § 293b BAO ins Treffen führt und (wenngleich dies im Vorlageantrag in Abrede gestellt wird) von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ausgeht. An dieser Auffassung hält die Beschwerdeführerin - nach ergangener Beschwerdevorentscheidung (siehe dazu die betreffenden Ausführungen) - im Vorlageantrag nicht mehr fest, sondern gesteht ausdrücklich zu, dass es sich bei dem in Rede stehenden Betrag um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt. Sie begründet ihr Beschwerdebegehren nunmehr damit, es habe sich bei den Einkünften um Vorwegbezüge aus ihrer Kommanditbeteiligung an der X-GmbHuCoKG in den Jahren 2005 und 2006 gehandelt. Eine Erfassung der Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuer 2009 sei verfehlt. Zu berichtigen seien die Feststellungbescheide betr. die X-GmbHuCoKG der Jahre 2005 und 2006. Im Jahr 2009 sei sie nicht mehr an der KG beteiligt gewesen, sondern im Jahr 2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin nicht durchzudringen.

Dass die Gesellschafter der X-GmbHuCoKG eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätten, dass der Beschwerdeführerin für die im Zeitraum bis für die KG erbrachten Dienstleistungen eine Vergütung vorweg aus dem Gewinn (Gewinnvorab) gewährt wird, lässt sich dem Gesellschaftsvertrag vom nicht entnehmen.

Der genannte Vertrag sieht hinsichtlich der Gewinnverteilung Folgendes vor:

“10.0 Gewinn- und Verlustbeteiligung

10.1 Die Gesellschaft trägt nur solche Aufwendungen, die der Komplementärin unmittelbar durch die Geschäftsführung entstehen.

10.2 Ferner erhält die Komplementärin für die Übernahme des Haftungsrisikos und ihre Geschäftstätigkeit eine Vergütung von 10 % ihres Stammkapitals pro Geschäftsjahr, zahlbar vor Ablauf jedes jeweiligen Geschäftsjahres, auch wenn der Jahresabschluß der Gesellschaft einen Überschuß nicht ausweist.

10.3 Zinsen auf den Verrechnungskonten sind in gleicher Weise als Aufwand bzw. Ertrag der Gesellschaft anzusetzen.

10.4 Das verbleibende Ergebnis steht den Gesellschaftern in einem Verhältnis ihrer Beteiligung am Festkapital zu. Ein etwaiger Verlust wird unter den Gesellschaftern in dem Verhältnis aufgeteilt, wie sie am Festkapital der Gesellschaft beteiligt sind. Die Verlustanteile werden auf den Verlustvortragskonten verbucht. Ein verbleibender Gewinn wird zunächst zum Ausgleich eines etwaigen Saldos auf dem Verlustvortragskonto verwendet. Die Komplementärin nimmt am Verlust nicht teil. Die Beteiligung der Gesellschafter an einem Verlust begründet - auch im Falle der Liquidation - keine Nachschußpflicht der Kommanditisten und läßt die Beschränkung ihrer Haftung auf die im Handelsregister eingetragene Kommanditeinlage (Haftsumme) unberührt. Ein Anspruch der Komplementärin gegen die Kommmanditisten auf Freistellung von der Inanspruchnahme aus Gesellschaftsverbindlichkeiten oder Erstattung gezahlter Gesellschaftsschulden besteht nicht.

10.5 Die Gesellschafter können beschließen, Teile des danach verbleibenden Gewinns den Verrechnungskonten zuzuführen.“

Abgesehen vom Umstand, dass der von der Beschwerdeführerin behauptete Vorweggewinn im Gesellschaftsvertrag keine Deckung findet, spricht gegen einen Vorweggewinn (Gewinnvorab) allein schon das beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht durchgeführte Verfahren GZ.xx. Eben weil der Beschwerdeführerin für die von ihr für die KG erbrachten Dienstleistungen keine Vergütung gewährt wurde, musste sie sich diese im Weg eines zivilgerichtlichen Verfahrens erkämpfen.

Nicht zu folgen vermag das Gericht auch dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach eine Erfassung der Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuer 2009 nicht zutreffend sei, da sie im Jahr 2009 nicht mehr an der KG beteiligt gewesen, sondern im Jahr 2006 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei; zu berichtigen seien die Feststellungsbescheide betr. die X-GmbHuCoKG der Jahre 2005 und 2006.

Gemäß § 23 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb neben den Gewinnanteilen der Gesellschafter auch die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen haben. Unter diese Vergütungen fallen u.a. Vergütungen für arbeitsrechtliche Dienstleistungen der Gesellschafter z.B. Gehalt für den an der KG angestellten Kommanditisten (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar 65. Lfg.§ 23 Tz 411).

Liegen Leistungsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter und der Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, vor, so gilt es zu unterscheiden zwischen Leistungsbeziehungen, deren Ursache in einem selbständigen Betrieb des Gesellschafters und dem Betrieb der Personengesellschaft liegt, und solchen, die ihre Ursache in der Person des Gesellschafters haben. Leistungsbeziehungen zwischen der Person des Gesellschafters und der Personengesellschaft sind gleich zu behandeln wie solche zwischen einem Einzelunternehmer und seinem Unternehmen (vgl. Hofstätter/Reichel a.a.O. § 23 Tz 424, 425). Zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern gibt es weder Forderungen noch Schulden (vgl. Hofstätter/Reichel a.a.O.§ 23 Tz 428).

Vergütungen, die die Gesellschafter für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen haben, zählen gemäß § 23 Z 2 EStG 1988 zu den Gewinnanteilen der Gesellschafter und führen bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht zu Betriebsausgaben (vgl. Hofstätter/Reichel a.a.O.§ 23 Tz 408). Da die Leistung einer Vergütung iSd § 23 Z 2 EStG 1988 an einen Gesellschafter für eine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bei der Gesellschaft steuerrechtlich keine Betriebsausgabe darstellt, kann für eine solche Vergütung auch keine Rückstellung gebildet werden.

Zu den Einkünften gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 zählen Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3. Bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebes ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe ein Veräußerungsgewinn nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches zu ermitteln. Auf Grund des § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 sind aber auch Vorgänge, die sich nach dem Zeitpunkt der Veräußerung bzw. Aufgabe des Betriebes ereignen und im Vermögen des bisherigen Betriebsinhabers auswirken, von einkommensteuerlicher Relevanz (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar 63. Lfg.§ 32 Tz 59).

Der Norm des § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 kommt die Funktion zu, die Steuerwirksamkeit von Ereignissen, die in einem engen Zusammenhang mit einer seinerzeitigen Einkünfteerzielung stehen, aber erst nach Beendigung der Betätigung anfallen, zu sichern (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 32 Rz 21).

Die Einkünfte sind der Einkunftsart zuzurechnen, der die frühere Tätigkeit zuzuordnen war (vgl. z.B.  u.a.).

Der Begriff der Einkünfte iSd § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 ist sowohl im positiven wie im negativen Sinn zu verstehen. Er umfasst daher sowohl nachträgliche Einnahmen als auch nachträgliche Ausgaben aus einer ehemaligen Tätigkeit oder einem früheren Rechtsverhältnis (vgl. Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar 63. Lfg. § 32 Tz 65).

Zu nachträglichen Betriebseinnahmen führt beispielsweise das Hervorkommen bisher nicht bekannter Ansprüche (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2019, § 32 Rz 27).

Laut in der Literatur vertretener Auffassung (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG12 § 32 Tz 79, 80) hat die Ermittlung nachträglicher betrieblicher Einkünfte nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches zu erfolgen. Zur Begründung - so die Autorenmeinung - verweise der VwGH auf die Anknüpfung an die Aufgabebilanz als Ausgangspunkt für nachträgliche Vermögensänderungen, auf die in den Erläuternden Bemerkungen erwähnte Vortragsfähigkeit eines nachträglichen Verlustes und auf die ausdrückliche Anführung des Forderungsausfalls in § 32. Nach der Verwaltungspraxis seien – so die Autoren - nachträgliche betriebliche Einkünfte nach der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln, soweit sie nicht bereits bei der Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinnes gewinnwirksam gewesen seien.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Ehescheidung am ihren 10 %igen Kommanditanteil an der X-GmbHuCoKG an ihren Ehegatten F.M. übertragen. Aus Anlass dieser Übertragung wurde im Jahr 2006 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von € 18.052,03 ermittelt (vgl. Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom für das Jahr 2006 betr. die  X-GmbHuCoKG). Erst nach der Übertragung der Kommanditbeteiligung und Ermittlung des Veräußerungsgewinnes aus Anlass des Ausscheidens aus der Personengesellschaft ist hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Abgeltung ihrer im Zeitraum bis für die X-GmbHuCoKG geleistete Tätigkeit hat. Dies erfolgte durch das Urteil des LG Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ.xx, das mit Teilurteil des OLG Innsbruck vom , GZ.xx, bestätigt wurde. Mit dem genannten, im Jahr 2009 rechtskräftig gewordenen Urteil wurde der Beschwerdeführerin ein Betrag von € 35.094,29 brutto zugesprochen.

Die Abgabenbehörde hat demnach zu Recht den gerichtlich zugesprochenen Betrag in Höhe von € 35.094,29 als nachträgliche Einkünfte gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 im Jahr 2009 erfasst. Was die Höhe dieser Einkünfte anlangt, hielt die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung vom fest, dass bislang kein Nachweis erbracht wurde, dass hinsichtlich dieser Einkünfte Sozialversicherung bezahlt worden sei. Der Beschwerdevorentscheidung kommt Vorhaltecharakter zu. Im Vorlagebericht vom nahm die Abgabenbehörde noch einmal auf die Sozialversicherung Bezug und wies darauf hin, dass allfällig entrichtete SV-Beiträge vom Betrag von € 35.094,29 in Abzug gebracht werden könnten, die Beschwerdeführerin jedoch bis dato den Nachweis schuldig geblieben sei, dass derartige Beträge für die erstrittene Summe geleistet worden seien. Mit Schreiben vom räumte das Bundesfinanzgericht der Beschwerdeführerin letztmalig die Möglichkeit ein, einen diesbezüglichen Nachweis vorzulegen. Ein entsprechender Nachweis erfolgte seitens der Beschwerdeführerin nicht.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

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