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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.08.2019, RV/5100942/2014

Grabsteinerrichtungskosten als außergewöhnliche Belastung durch Nichterben, Kosten im Rahmen des Selbstbehaltes gem. § 34 Abs. 4 EStG 1988

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christoph Kordik in der Beschwerdesache A, Adr. , St.Nr. 0000, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt B vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Beschwerdepunkt

Zu beurteilen war, ob die Finanzierung von Grabsteinkosten ( € 3.672,46) durch den Enkel (=Bf.) der verstorbenen Großmutter steuermindernd zu berücksichtigen ist.

Am tt.mm.2008 verstarb die Großmutter, Frau Name, geb. 000,  des beschwerdeführenden Enkels, Hrn. A.

Im Beschluss des Bezirksgerichtes Braunau vom (Pkt. 21) waren folgende Aktiva im Nachlass ausgewiesen:


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Bankforderung
€ 468,12

Es gab zwei erbberechtigte Personen, nämlich Frau Vorname Nachname. und Frau Vorname2 Nachname (Töchter der Verstorbenen). Der Nachlass war überschuldet. Die im Jahre 2008 angefallenen Begräbniskosten wurden am von den erbberechtigten Personen (Töchter der Verstorbenen) beglichen (€ 3.414,87).Das Verfahren wurde gem.§ 153 Außerstreitgesetz („Überlassung an Zahlungs statt“) beendet. Eine Einantwortung gab es daher nicht. Die Rechnung des Steinmetzmeisters A Ort , v. zu RGs-Nr.000 betreffend die Errichtung des Grabsteines wurde vom beschwerdeführenden Enkel zur Gänze bezahlt.

Verfahren

In der eingereichten Erklärung betreffend Arbeitnehmerveranlagung für das 2012 wurden Kosten für den Grabstein im Ausmaß von € 3.672,80 geltend gemacht.

Im Erstbescheid 2012 von wurden dies zur Gänze nicht anerkannt. Eine Begründung dazu fehlte. Auch die Darstellung des Selbstbehaltes fehlte noch in diesem Erstbescheid. Das Sonderausgabenpauschale wurde gewährt. Nachweise über Sonderausgaben wurden im Verfahren nicht vorgelegt. Die Nachforderung betrug € 112.

In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom wurde zusammengefasst Folgendes ausgeführt:

Bei der Berechnung der Arbeitnehmerveranlagung 2012 seien die Kosten für den Grabstein als außergewöhnliche Belastung nicht berücksichtigt worden. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO gestellt. Weiters wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass auch die Sonderausgaben nicht berücksichtigt worden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid vom abgeändert (keine ziffernmäßige Änderung im Vergleich zum Erstbescheid). In der gesonderten Bescheidbegründung wurde Folgendes ausgeführt:

Begräbniskosten stellen nur insoweit eine außergewöhnliche Belastung dar, als sie nicht aus dem Nachlass bestritten werden können. Die sittliche Verpflichtung zur Tragung der Begräbniskosten trifft in erster Linie die Erben, zumal diese über Einkünfte verfügen. Bei Ermittlung ob und in welcher Höhe ein Anteil bei den Erben gegeben ist (der bei den Erben zu tragen als zumutbar angesehen werden kann), ist der sog. Ausgleichszulagenrichtsatz anzuwenden. Da nach Berechnung mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz bei den Erben (Nachname Vorname und Nachname Vorname2) die Begräbniskosten in Höhe von 1.344,33 € als zumutbar angesehen werden konnen, konnten bei Ihnen nur noch Begräbniskosten in Höhe von 1.860,13 € berücksichtigt werden."

Dagegen wurde rechtzeitig der Vorlageantrag erhoben. Auf die darin vorgebrachte Begründung (vor allem mit dem Hinweis auf die finanziellen Engpässe der Erbberechtigen im Jahre 2012) wird verwiesen.

Beweiswürdigung

Der im Wege freier Beweiswürdigung festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der dem Bundesfinanzgericht bekannten Aktenlage.

Über die Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht erwogen:

§ 34 EStG 1988 räumt dem unbeschränkt Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens ein, wenn folgende im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

1. Sie müssen außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie müssen zwangsläufig sein (Abs.3).

3. Sie müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen (Abs.4).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde ist davon enthoben zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht (vgl. u. )

Der VwGH führt im Erkenntnis vom , 84/14/0040 wie folgt aus: "Dass Aufwendungen wie die hier in Rede stehenden als außergewöhnliche Belastung nur dann in Betracht kommen, wenn sie mangels eines reinen Nachlasses das Einkommen des Erben belasten, d. h. wenn sie im Werte der übernommenen Vermögenssubstanz nicht Deckung finden, ist ständige Rechtsprechung dieses Gerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom , Z. 13/3814/80,) und entspricht auch der Meinung des einschlägigen österreichischen Schrifttums (Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 34 EStG 1972 "Einzelfälle", Tz. 2 "Begräbniskosten")."  An dieser Rechtsprechung hat sich auch in der Folge nichts geändert (auch nicht im Anwendungsbereich des EStG 1988).

Ansicht des Finanzamtes:

Auch die Rechnung vom zu RGs-Nr. 000 unterliege der primären Kostentragung durch die erbberechtigten Personen. Erst allfällige restliche (von den erbberechtigten Personen nicht zu übernehmende Kosten) könnten vom Enkel überhaupt als ao. Belastung – obwohl die Freiwilligkeit der Kostenübernahme durch den Bf.(=Enkel) unstrittig vorlag - in Betracht kommen. Im gegenständlichen Fall wären allerdings die maximal anrechenbaren Kosten unter dem vom Bf. zu leistenden Selbstbehalt gem.§ 34 Abs. 4 EStG 1988 gelegen.

Der Bf. begehrte die von ihm zur Gänze getragenen Kosten im Ausmaß v. € 3.672,46.

Gemäß § 549 ABGB gehören die dem Gebrauche des Ortes, dem Stande und dem Vermögen des Verstorbenen angemessenen Begräbniskosten zu den auf der Erbschaft haftenden Lasten. Sie sind sohin vorrangig aus den Aktiva des Nachlasses zu tragen (vgl. hiezu Apathy in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg.), ABGB3, § 549 Rz 3).

Ist überhaupt kein Nachlass vorhanden oder reicht er nicht aus, um die angemessenen Begräbniskosten zu decken, dann haften die nach dem Gesetz zum Unterhalt des Verstorbenen verpflichteten Personen (vgl. Eccher in Schwimann, ABGB3, § 549 Rz 8; Welser in Rummel, ABGB I3, § 549 Rz 4; OGH EvBl 1966/90). Subsidiär haften die Unterhaltspflichtigen für die Begräbniskosten (vgl. Apathy, aaO, Rz 3). Zur familienrechtlichen Haftungsverpflichtung der Deckung bzw. Kostentragung von Begräbniskosten verweist der VwGH im Erkenntnis vom ,2008/15/0009, auf die Anordnung des § 143 ABGB, wonach der angemessene Unterhalt durch den jeweiligen Unterhaltsverpflichteten geschuldet wird. Die Begräbniskosten werden vom Gesetz also so behandelt, als ob sie vom Erblasser selbst zu tragen wären. Sie sind demnach aus einem vorhandenen, verwertbaren Nachlassvermögen (Aktiva) zu bestreiten; dh. die Kosten des Begräbnisses sind von der Verlassenschaft zu tragen und der Besteller der Leistung hat ein Regressrecht gegen die Verlassenschaft. Auch gilt zu beachten, dass nach den angeführten zivilrechtlichen Regelungen die zum Unterhalt des Verstorbenen Verpflichteten subsidiär für die nicht im Nachlass gedeckten Begräbniskosten haften (siehe Dittrich/Tades, ABGB, 36. Auflage [MGA 2003] § 549 E 18 m.w.N.), sodass sich bei Vorhandensein Unterhaltspflichtiger eine Zwangsläufigkeit der (endgültigen) Zahlung durch einen nicht unterhaltspflichtigen Besteller des Begräbnisses nur bei mangelnder Durchsetzbarkeit des Regressanspruches ergibt (vgl. Wanke in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, MSA EStG [], GL § 34, Anm. 78, ABC der außergewöhnlichen Belastungen , Stichwort: "Begräbniskosten").

Zunächst war fiktiv der für die erbberechtigten Personen zu ermittelnde Anteil von Grabsteinerrichtungskosten zu berechnen. Die Töchter der Verstorbenen wären in erster Linie auch für diese Kosten heranzuziehen gewesen (siehe sonstige Todfallskosten lt. Pkt. 28 zu GZ 0000).

Eine Überprüfung des berechneten Anteiles durch das Gericht zeigte dessen Richtigkeit auf (Eigenpension der jeweilig erbberechtigten Person abzüglich Ausgleichszulagenrichtsatz 2012 ergab einen Anteil für Frau Vorname Nachname idHv. € 463,32 sowie für Frau Vorname2  Nachname v. € 881,01, in Summe also v.€ 1.344,33). Somit kämen nur mehr € 1.860,13 (Differenz zu € 3.204,46) für den Bf. in Betracht, die ev. als ao.Belastung Berücksichtigung hätten finden können (s. zu dieser Problematik auch Pülzl in RdW 1999, 553).

Fraglich blieb, ob nicht sittliche Gründe für die Kostentragung und deren allfällige teilweiser Berücksichtigung herangezogen werden können.

Die Sittenordnung verlangt zweifellos die Hilfeleistung an finanziell in Not geratene Angehörige (siehe dazu die folgende wörtlich zitierte EStG-Kommentarmeinung von Baldauf in Jakom, 5. Auflage 2012, § 34 Rz 44, lit. cc, Stichwort "Sittl. Gründe":

"Sittliche Gründe ergeben sich aus den Normenkreisen der Sittlichkeit bzw der Sitte (Konvention; aA ), wie sie im mitteleuropäischen Kulturbereich "allg anerkannt sind" (). Der StPfl. darf sich der Leistung nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen nicht entziehen können (). Es reicht nicht aus, dass das Handeln des StPfl. menschlich  verständlich, wünschenswert, lobenswert () oder förderungswürdig () erscheint bzw eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden soll. Dass eine Handlung von der Sittenordnung gutgeheißen wird, genügt noch nicht (; , 91/14/0052); es muss die Sittenordnung dieses Handeln vielmehr gebieten bzw. fordern (). Ausschlaggebend ist nicht die subjektive Meinung des Helfenden, sondern die obj. Lage des Hilfsbedürftigen, wie sie sich dem zu Hilfe Gerufenen bei obj. Betrachtung darstellt ()".

Die Sachverhaltskonstellation für das Tatbestandsmerkmal einer "sittlichen Verpflichtung" im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 kann zwar verschiedenste Ursachen haben, muss aber inhaltlich solche Indizien aufweisen, die es rechtfertigen, den durch die Steuerermäßigung eintretenden Steuerausfall auf die Allgemeinheit abzuwälzen.  Eine sittliche Verpflichtung bezüglich der Übernahme von diversen Aufwendungen gegenüber finanziell in Not geratenen Angehörigen wird in der Regel daher nur dann anzunehmen sein, wenn die Aufwandsübernahme bzw. Kostentragung durch die Sittenordnung - also auf Grund besonderer Verhältnisse im Einzelfall "zwangsläufig" - geboten ist. Lobenswert erscheinende Motive, die jemanden zu einem freiwilligen und moralisch wünschenswerten Willensentschluss bewegen, sind für sich betrachtet nicht ausreichend, um auf einen sittlichen Verpflichtungsgrund nach § 34 Abs. 3 leg.cit. schließen zu können.

Im Vorlageantrag wurde vom Bf. auf die schlechte finanzielle Situation der erbberechtigten Personen hingewiesen (geringe Eigenpension, Verpflichtung der Bezahlung v. mtl. Betriebskosten für die Wohnung).

Selbst wenn man im gegenständlichen Fall eine rechtliche oder eine sittliche Verpflichtung des Enkels dem Grunde nach bejahen würde, würde dennoch aus folgendem Grund die Abzugsfähigkeit gegenständlicher Kosten nicht gegeben sein:

Nach der Aktenlage wurde ein aus der Sicht des Gerichtes nicht anzuzweifelnder Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 im Ausmaß von € 2.095,72 ermittelt (siehe Begründung der Beschwerdevorentscheidung v. ). Dagegen wurde in rechnerischer Hinsicht vom Bf. kein Einwand erhoben.

Da die maximal anrechenbaren Kosten im Ausmaß von € 1.860,13 (siehe BVE v.) unter dem Selbstbehalt des § 34 Abs. 4 EStG 1988 im Ausmaß v. € 2.095,72 lagen, ergaben sich keine steuerlich wirksamen Kosten aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung.

Die Übernahme der Kosten durch den Bf. ist - auch vor dem Hintergrund der im Vorlageantrag angeführten Umstände - menschlich verständlich, reicht aber nach Lehre und Rechtsprechung nicht aus, um die Berücksichtigung der Grabsteinerrichtungskosten als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG 1988 zu begründen.

Hinweise:

Begründungsmängel (hinsichtlich des Erstbescheides v. ) im erstinstanzlichen Verfahren können im Rechtsmittelverfahren saniert werden (s. ).Nachweise v. Sonderausgaben wurden im Verfahren nicht vorgelegt.

Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdefall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen. 

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Grabsteinerrichtungskosten
Nichterbe
Selbstbehalt
Freiwilligkeit
sittliche Gründe der Kostenübernahme bei nahen Angehörigen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100942.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at