Maßgeblicher Zeitraum und Bemessungsgrundlagen für die Festsetzung von Anspruchszinsen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch die Seeberger Steuerberatungs-GmbH, Am Postplatz 2, 6700 Bludenz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Feldkirch vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) für die Jahre 2012 und 2013 zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Anspruchszinsen 2012 werden mit 624,18 Euro festgesetzt.
Die Anspruchszinsen 2013 werden mit 652,86 Euro festgesetzt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang, Sachverhalt
1. Mit den angefochtenen Bescheiden setzte das Finanzamt Anspruchszinsen für das Jahr 2012 in Höhe von 622,82 Euro und für das Jahr 2013 in Höhe von 650,59 Euro fest. Grundlage für die Anspruchszinsenfestsetzungen waren die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, aus denen sich Nachforderungen gegenüber den Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 12.065,00 Euro im Jahr 2012 und 19.931,00 Euro im Jahr 2013 ergaben.
Die Verzinsung erfolgte im Fall der Einkommensteuernachforderung 2012 (Differenzbetrag) für den Zeitraum vom bis zum und im Fall der Einkommensteuernachforderung 2013 (Differenzbetrag) für den Zeitraum vom bis zum .
2. In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) die Herabsetzung der Anspruchszinsen in der Weise, dass sie nur für den Zeitraum vom bis zum „logischen Veranlagungszeitraum“ berechnet würden. Unter dem „logischen Veranlagungszeitraum“ verstand der Bf. den Zeitraum vom Eintreffen seiner Steuererklärungen bis 2 Wochen danach. Dieser Zeitraum sei der einzige, der seiner Sphäre zuzurechnen sei. Er sei die Entscheidung des Finanzamtes gewesen, mit der Erlassung des Bescheides bis zur Entscheidung des Bundesministeriums für Finanzen (in der Folge: BMF) über seinen Antrag auf Gewährung der Zuzugsbegünstigung zuzuwarten. Zudem sei der nicht rechtsgültige erstinstanzliche Bescheid über die Zuzugsbegünstigung schon im Frühjahr 2015 erlassen worden, weshalb es nicht nachvollziehbar sei, weshalb er Anspruchszinsen bezahlen müsse. Ferner habe er in letzte Zeit immer ein Guthaben auf seinem Steuerkonto gehabt.
3. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Mit der Festsetzungen von Anspruchszinsen verfolge der Gesetzgeber den Zweck, Zinsvorteile oder Nachteile, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergäben, auszugleichen. Dabei sei es bedeutungslos, aus welchen Gründen es zu diesen unterschiedlichen Zeitpunkten komme oder ob ein Verschulden des Abgabenpflichtigen oder der Abgabenbehörde vorliege. Bei der Festsetzung von Anspruchszinsen sei der Abgabenbehörde kein Ermessensspielraum eingeräumt.
4. Im Vorlageantrag vom führte der Bf. aus, bei der Festsetzung von Anspruchszinsen sei zwischen der Zeitdauer, für die die Zinsen anfielen, und dem der Festsetzung zugrundeliegenden Betrag (Bemessungsgrundlage) zu unterscheiden. Für die Zeitdauer verwies er auf seine diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde.
Zur Bemessungsgrundlage hielt er fest, die den Zinsenfestsetzungen zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 seien am aufgrund von Beschwerden abgeändert und die Einkommensteuern reduziert worden. Damit hätten sich die Bemessungsgrundlagen für die Anspruchszinsen geändert. Dieser Umstand hätte bereits in die Beschwerdevorentscheidung einfließen müssen. Die Bagatellgrenze von 50,00 Euro wäre in diesem Fall nicht zu berücksichtigen gewesen. Dazu verwies er auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0040-I/07, wonach sich die Freigrenze des § 205 Abs. 2 BAO ausschließlich auf den jeweiligen Anspruchszinsenbescheid und nicht auf einen eventuell sich zwischen dem ursprünglichen Nachforderungsbescheid und dem aufgrund einer Neuberechnung der Abgabenfestsetzung zu erlassenden Gutschriftenzinsenbescheid verbleibenden Differenzbetrag beziehe. Daraus folge nämlich im Umkehrschluss, dass die Bagatellgrenze nicht gelte, wenn durch die Änderung des Grundlagenbescheides eine Senkung der Anspruchszinsen erfolge.
5. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Rechtslage und rechtliche Würdigung
1. Gemäß § 205 Abs. 1 erster Satz BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden, b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt und c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassener Rückzahlungsbescheiden.
Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.
2. Den Gesetzesmaterialien zufolge ist es Zweck der Anspruchszinsen, mögliche Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (ErlRV 311 BlgNR 21. GP).
Dabei löst jede Nachforderung bzw. jede Gutschrift einen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Der Zinsenbescheid ist an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 33).
Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 ist es daher bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgt. Die Verzinsung unterscheidet daher nicht, ob der Abgabepflichtige die Steuererklärung innerhalb der gesetzlichen Erklärungsfrist einreicht oder ob die Festsetzung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer wegen Verletzung der Pflicht des Finanzamtes, über die Abgabenerklärung ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, relativ spät erfolgt. Bei der Verzinsung, die sich aus Abänderungen von Bescheiden ergibt, ist es bedeutungslos, aus welchen Gründen die ursprüngliche Abgabenfestsetzung unrichtig war (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 3 und 4, mit der dort zitierten hg. Rechtsprechung).
Der Zinsenbescheid ist mit Bescheidbeschwerde anfechtbar, z.B. mit der Begründung, der im Zinsenbescheid angenommene Zeitpunkt sei unrichtig. Aufgrund der Bindung des Anspruchszinsenbescheids an den grundlegenden Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid kann ein Anspruchszinsenbescheid aber nicht mit der Begründung angefochten werden, der maßgebende Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Diesem Umstand ist durch die Erlassung eines neuen Anspruchszinsenbescheides und nicht durch Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides Rechnung zu tragen (vgl. , 2006/15/0332; Ritz, BAO6, § 205 Tz 34 und 35).
3. Das bedeutet für den Beschwerdefall:
Aufgrund der Gegenüberstellung der mit den Einkommensteuerbescheiden vom für die Jahre 2012 und 2013 festgesetzten Einkommensteuern und den bisher vorgeschriebenen Einkommensteuervorauszahlungen ergaben sich Nachforderungen an Einkommensteuern in Höhe von 12.065,00 Euro im Jahr 2012 und 19.931,00 Euro im Jahr 2013. Damit waren die objektiven Voraussetzungen für die Festsetzung von Anspruchszinsen - das Bestehen von Einkommensteuernachforderungen - erfüllt.
In Streit stehen der Zeitraum und die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Anspruchszinsen.
4. Hiezu wurde erwogen:
a) Maßgeblicher Zeitraum für die Festsetzung der Anspruchszinsen
Maßgeblicher Zeitraum für die Festsetzung von Anspruchszinsen ist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 205 Abs. 1 BAO jener ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides.
Der Abgabenanspruch entsteht bei der zu veranlagenden Einkommensteuer gemäß § 4 Abs. 2 lit. b BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Der Abgabenanspruch entstand somit für die Einkommensteuer 2012 mit Ablauf des Jahres 2012 und für die Einkommensteuer 2013 mit Ablauf des Jahres 2013.
Der Zeitraum für die Festsetzung der Anspruchszinsen 2012 begann daher mit und jener für die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 mit .
Der Zeitpunkt, in dem der Anspruchszinsenzeitraum endet, ist vom Gesetz mit der Bekanntgabe des die Einkommensteuernachforderungen aussprechenden Einkommensteuerbescheides bestimmt. Maßgeblich für diesen Zeitpunkt ist nicht der Tag, an dem der Bescheid erlassen wurde (das war im Beschwerdefall der ), sondern der Tag, an dem der Bescheid zugestellt wurde (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 16).
Laut den unstrittigen Angaben des Bf. wurden die Einkommenssteuerbescheide 2012 und 2013 (wie auch der angefochtenen Anspruchszinsenbescheide) am zugestellt. Der Anspruchszinsenzeitraum endete somit am und nicht am , aber auch nicht am vom Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden angegebenen . Die Berechnung der Anspruchszinsen war daher derart abzuändern, dass der Festsetzungszeitraum für die Anspruchszinsen 2012 vom bis zum und für die Anspruchszinsen 2013 vom bis zum zu verlängern war.
Dem Begehren des Bf., die Anspruchszinsen lediglich für den Zeitraum vom 1.10. des auf die Entstehung des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis 2 Wochen nach Eintreffen der Steuererklärungen für die Jahre 2012 (die elektronische Steuererklärung erfolgte für dieses Jahr am ) und 2013 (die elektronische Steuererklärung erfolgte für dieses Jahr am ) festzusetzen, kann nicht Rechnung getragen werden. Der Zeitraum für die Festsetzung von Anspruchszinsen ist durch das Gesetz eindeutig bestimmt. Aus welchen Gründen die Bekanntgabe der Steuernachforderung an einem bestimmten Tage erfolgte und ob diese früher hätte erfolgen können oder nicht, ist für die Bestimmung des Festsetzungszeitraumes unmaßgeblich.
b) Bemessungsgrundlage
Auch dem weiteren Beschwerdebegehren, bei der Festsetzung der Anspruchszinsen die mit den Beschwerdevorentscheidungen vom neu festgesetzten Einkommensteuern 2012 und 2013 zu berücksichtigen, kann nicht gefolgt werden.
Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist für die Berechnung der Anspruchszinsen ausschließlich die sich aus dem jeweiligen Abgabenbescheid ergebende Steuernachforderung bzw. -gutschrift maßgeblich. Dabei löst jede Nachforderung bzw. Gutschrift einen Anspruchszinsenbescheid aus. Erweist sich die Steuerfestsetzung in einem Abgabenbescheid als unrichtig und wird diese und damit auch die Nachforderung bzw. die Gutschrift durch einen weiteren Abgabenbescheid zum Beispiel durch eine Beschwerdevorentscheidung entsprechend abgeändert, so ist ein neuer Anspruchszinsenbescheid zu erlassen. Für die neue Festsetzung von Anspruchszinsen aufgrund dieses neuen Abgabenbescheides ist aber nicht die Gesamtsumme aus den Nachforderungen oder Gutschriften in den beiden Bescheiden maßgeblich, sondern ausschließlich die mit dem neuen Abgabenbescheid ausgesprochene Nachforderung bzw. Gutschrift.
Daraus folgt, dass aus dem Umstand, dass mit den Beschwerdevorentscheidungen die Einkommensteuern 2012 und 2013 gegenüber den ursprünglichen Bescheiden ein wenig reduziert wurden, für die Beschwerde gegen die angefochtenen Anspruchszinsenbescheide nichts zu gewinnen ist. Für diese waren ausschließlich die mit den Einkommensteuerbescheiden 2012 und 2013 vom ausgesprochenen Nachforderungen maßgeblich.
Den mit den Beschwerdevorentscheidungen vorgenommenen geänderten Einkommensteuerfestsetzungen könnte allenfalls durch neue Anspruchszinsenbescheide Rechnung getragen werden. Wie erwähnt, sind dabei aber ausschließlich die gegenüber den ursprünglichen Bescheiden resultierende Nachforderung bzw. Gutschriften als Differenzbeträge gemäß § 205 Abs. 1 BAO heranzuziehen. Im Beschwerdefall waren das Abgabengutschriften in Höhe von 215,00 Euro im Jahr 2012 und 72,00 Euro im Jahr 2013. Für diese Zinsenfestsetzung gilt auch die Bagatellregelung des § 205 Abs. 2 BAO (vgl. dazu ).
Berechnung:
Die Anspruchszinsen waren somit wie folgt neu zu berechnen:
Anspruchszinsen 2012:
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Zeitraum | Differenzbetrag | Bemessungsgrundlage | Anzahl Tage | Tageszinssatz | Zinsen |
- | 12.065,00 | 12.065,00 | 897 | 0,0052 | 562,75 |
– | 12.065,00 | 12.065,00 | 134 | 0,0038 | 61,43 |
Abgabenschuld | 624,18 |
Anspruchszinsen 2013:
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Zeitraum | Differenzbetrag | Bemessungsgrundlage | Anzahl Tage | Tageszinssatz | Zinsen |
- | 19.931,00 | 19.931,00 | 532 | 0,0052 | 551,37 |
– | 19.931,00 | 19.931,00 | 134 | 0,0038 | 101,49 |
Abgabenschuld | 652,86 |
III. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis beruht auf einer eindeutigen, durch das Gesetz und die dazu ergangene Rechtsprechung gebildeten Rechtsgrundlage. Es hängt daher nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ab und ist eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Mag. Peter Bilger
Richter
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 205 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100081.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at