Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.07.2019, RV/7100761/2017

Familienheimfahrten nach Polen, doppelte Haushaltsführung, Alleinverdienerabsetzbetrag (AVAB)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde des A**** B****, [Adresse], Polen, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Einkommensteuer 2014 (Arbeitnehmerveranlagung), zu Recht:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist nichtselbständig beschäftigt. Mit Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2014 beantragte er die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages (AVAB) mit einem Kind sowie Werbungskosten für Familienheimfahrten von EUR 3.672,00 und doppelte Haushaltsführung von EUR 696,00.

Mit Ersuchen um Ergänzung forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, folgende Nachweise betreffend die Arbeitnehmerveranlagung 2014 zu erbringen:

„Alleinverdienerabsetzbetrag:

  • Nachweis der beantragten Kosten,

  • Bestätigung der Heimatgemeinde, welche Personen haushaltszugehörig sind

  • Begründung der Unzumutbarkeit eines gemeinsamen Wohnsitzes am Berufsort

  • Bei Wohnkosten auch Mietvertrag und Zahlungsbelege

  • Familienheimfahrten:

  • Nachweis der tatsächlich angefallenen Kosten und Beilage einer Aufstellung falls mit PKW: Fahrtenbuch mit Datum, Kilometerstände sowie Zulassungsschein und Nachweise über die Kilometerstände (ZB. Servicerechnungen)

  • Arbeitgeberbestätigung ob diesbezüglich steuerfreie Ersätze bezahlt wurden“

Das Ergänzungsersuchen blieb unbeantwortet, woraufhin das Finanzamt mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom die Arbeitnehmerveranlagung 2014 ohne die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages, Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten durchführte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, welche sich inhaltlich gegen die Nichtanerkennung der Aufwendungen für die Familienheimfahrten und der Kosten für die doppelte Haushaltsführung sowie gegen die Nichtanerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages wendet. Begründend führt der Beschwerdeführer aus, dass in Ausnahmefällen zB in Berufszweigen mit typisch hoher Fluktuation, wie dem Baugewerbe oä oder bei fremdenrechtlichen Zuzugsbeschränkungen, auch ein längerer Zeitraum zur Gewährung der Kosten der doppelten Haushaltsführung gerechtfertigt sein könne. Außerdem habe seine Frau kein Einkommen in Polen.

Beiliegend zu der Beschwerde waren folgende Dokumente:

  • Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffend die Ehefrau des Beschwerdeführer

  • Handschriftliche Aufstellung des Beschwerdeführers der Hin- und Rückfahrten zwischen Familienwohnsitz und Arbeitsort.

  • Zulassungsschein des für die Fahrten verwendeten Autos.

  • Diverse Tankrechnungen.

  • Verdienstnachweise des Beschwerdeführer für die Zeiträume Mai, Juli, August, September und Oktober 2014.

Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vollinhaltlich abgewiesen. In der Begründung erläuterte das Finanzamt, dass die Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten anzuerkennen gewesen seien, da keine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vorliege. Der Beschwerdeführer habe überdies bereits in den Jahren 2011 bis 2013 Familienheimfahrten zuerkannt bekommen, weshalb auch keine vorübergehende Gewährung der Kosten mehr möglich sei. Sonstige rechtliche oder rechnerische Differenzen lägen nicht vor.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein. Zusätzlich zum Beschwerdebegehren bringt der Beschwerdeführer betreffend Alleinverdienerabsetzbetrag vor, dass er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet gewesen und von seinem Ehepartner nicht dauernd getrennt sei. Auch sei die Voraussetzung, „dass der Ehepartner Einkünfte von höchstens Euro jährlich erzielt“, erfüllt. Eine Bescheinigung des polnischen Finanzamtes betreffend die Einkünfte der Ehefrau liege bei. Der Alleinverdienerabsetzbetrag sei daher zu berücksichtigen.
Die Anrechnung von Werbungskosten ivon EUR 132 sei nicht gerechtfertigt. Er habe Anspruch auf Abzug der monatlichen Pauschale für die durchgeführten Familienheimfahrten. Er sei monatlich mehrmals gefahren und habe deshalb den Jahresbetrag in der Steuererklärung angegeben.
Des Weiteren bestehe für ihn keine Verpflichtung mit seiner Frau und seinem Kind nach Österreich zu ziehen. Seine Frau sei schwanger und stehe unter der Obhut eines Arztes. Er pendele jede Woche nach Hause, verfüge aber nicht über alle Nachweise.

Das Finanzamt erließ daraufhin einen Vorhalt und ersuchte um Ergänzung folgender Punkte:

„Alleinverdienerabsetzbetrag:

-Nachweis Ihrer Auslandseinkünfte durch eine Bescheinigung der ausländischen Abgabenbehörde (Formular E9)

Mit Ersuchen um Ergänzung vom wurden Sie bereits aufgefordert, Unterlagen zum Nachweis der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten vorzubringen. Diese Unterlagen wurden nur teilweise vorgelegt. Sie werden deshalb ersucht, folgende Unterlagen an das Finanzamt zu übermitteln:

Doppelte Haushaltsführung:

-Aufgliederung der beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv € 696,00. In diesem Zusammenhang werden nur € 462,33 durch Ihre Lohnzettel belegt. Falls noch weitere Kosten angefallen sind, ersuchen wir um Vorlage der Zahlungsbelege.

-Mietvertrag

- Bestätigung der Heimatgemeinde, welche Personen im Jahr 2014 haushaltszugehörig waren.

Auflistung der Tätigkeitsorte (zB Baustellen) im Jahr 2014.

-Wo haben Sie im Jahr 2014 gewohnt? Hat es sich dabei um vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Wohnungen gehandelt oder haben Sie diese angemietet? Wie groß waren/war die Wohnung/en?

Familienheimfahrten:

-Fahrtenbuch mit Kilometerständen und Nachweis über die Kilometerstände (zB Servicerechnungen)

-Arbeitgeberbestätigung, ob für diese Fahrten steuerfreie Ersätze bezahlt wurden“

Im Antwortschreiben verwies der Beschwerdeführer bloß auf seine Antwort auf das letzte Schreiben, welches ihm vom Finanzamt geschickt worden sei. Diesem Antwortschreiben seien alle abverlangten Dokumente als Anhang hinzugefügt.

Im Vorlagebericht zur Beschwerdevorlage wiederholte das Finanzamt im Wesentlichen die rechtlichen Ausführungen der Beschwerdevorentscheidung betreffend die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes sei zumutbar, da die Ehefrau des Beschwerdeführers keinerlei Einkünfte in Polen habe.

Die vorübergehende Geltendmachung der Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten sei auch nicht möglich, da die Frist von zwei Jahren zur Übersiedlung in den Nahebereich der Arbeitsstätte überschritten sei.

Bezüglich des Alleinverdienerabsetzbetrages führte das Finanzamt aus, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in Österreich nicht unbeschränkt steuerpflichtig sei; der Beschwerdeführer sei jedoch aufgrund seines Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthaltes in Österreich steuerpflichtig. Er könne daher nicht nach § 1 Abs 4 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren. Der Alleinverdienerabsetzbetrag würde dem Beschwerdeführer zwar zustehen, er habe jedoch seine ausländischen Einkünfte nicht mittels des Formulars E9 offengelegt.

Das Finanzamt beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsbürger und war im Jahr 2014 abwechselnd bei drei Personalüberlassungsfirmen nichtselbstständig beschäftigt sowie mehrere Zeiträume als arbeitssuchend gemeldet:


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Personalüberlassungsfirma_1
01.01.-
Personalüberlassungsfirma_2
12.05.-
AMS Wien
28.10.-
Personalüberlassungsfirma_3
03.11.-
AMS Wien
08.11.-
Personalüberlassungsfirma_1
17.11.-
AMS Wien
23.12.-

Im Veranlagungszeitraum 2014 erzielte der Beschwerdeführer aus diesen Tätigkeiten insgesamt ein Einkommen von EUR 21.495,51. Des Weiteren bezog der Beschwerdeführer Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ein Kind.

Im Streitjahr war der Beschwerdeführer in Österreich nach Auskunft des Zentralen Melderegisters an mehreren Adressen nebenwohnsitzgemeldet.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers wohnte mit dem Kind ganzjährig am Familienwohnsitz in Polen und bezog dort keine Einkünfte. Die Entfernung zwischen den Wohnsitzen und dem Familienwohnsitz beträgt zwischen 300 und über 500 km.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf das Vorbringen der Verfahrensparteien und die im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens vorgelegten Unterlagen. Dagegen sprechende Umstände sind nicht ersichtlich.

Rechtliche Beurteilung

Alleinverdienerabsetzbetrag

Gemäß § 33 Abs 4 EStG steht Alleinverdienern ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind iSd § 106 Abs 1 EStG 494 Euro.

Alleinverdiener sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind iSd § 106 EStG, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihrem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partner nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für EU- /EWR-Bürger ist im Falle einer Option zur unbeschränkten Steuerpflicht iSd § 1 Abs 4 EStG die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe)Partner (§ 106 Abs 3 EStG) Einkünfte von höchstens EUR 6.000 jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs 1 Z 4 lit a, weiters nach § 3 Abs 1 Z 10, 11 und 32 EStG und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 106 Abs 1 EStG gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe-)Partner (Abs 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr eine Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 EStG zusteht. Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 EStG zusteht (Abs 2). Nach Abs 3 EStG ist (Ehe)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft iSd des Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) eingetragen ist. Für Steuerpflichtige iSd § 1 Abs 4 sind die Abs 1 bis 3 sinngemäß anzuwenden (Abs 4).

Gemäß § 1 Abs 4 EStG werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte iSd § 98 EStG haben.

Kann ein Steuerpflichtiger nur deshalb nicht nach § 1 Abs 4 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren, weil er bereits auf Grund seines Wohnsitzes oder seines gewöhnlichen Aufenthalts unbeschränkt steuerpflichtig ist, steht ihm der Alleinverdienerabsetzbetrag zu, wenn die übrigen Tatbestandselemente mit Ausnahme der unbeschränkten Steuerpflicht des (Ehe)Partners gegeben und die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Steuerpflichtige erfüllt die Voraussetzungen nach § 1 Abs 4 EStG mit Ausnahme des fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes.

  • Der Nachweis der Auslandseinkünfte des Steuerpflichtigen ist durch eine Bescheinigung der ausländischen Abgabenbehörde (Formular E9 – Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU oder des EWR) zu erbringen.

  • Es ist ein Einkommensnachweis über die Einkünfte des (Ehe)Partners der ausländischen Steuerbehörde vorzulegen, aus dem hervorgeht, dass der Grenzbetrag nicht überschritten wird (vgl Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 33 Anm 59 Stand , rdb.at).

Im Abgabenverfahren gibt es keine verfahrensförmliche subjektive Beweislastregel. Als allgemein anerkannte verfahrensvernünftige Handlungsmaxime gilt aber, dass die Abgabenbehörde ergebnishaft letzten Endes die Behauptungs- und Feststellungsbürde für die Tatsachen trägt, die vorliegen müssen, um den Abgabenanspruch geltend machen zu können (; Stoll, BAO-Kommentar S 1561). Der VfGH sieht den Alleinverdienerabsetzbetrages als Begünstigung, er schränkt den Abgabenanspruch ein und begünstigt den Abgabepflichtigen (Kanduth-Kristen in Jakom, EStG 201811 § 33 Rz 21). Die Behauptung und der Beweis des Vorbringens obliegt daher vornehmlich dem Abgabepflichtigen.

Im Streitfall liegen, wie oben festgestellt wurde, alle Voraussetzungen des § 33 Abs 4 EStG – mit Ausnahme der unbeschränkten Steuerpflicht des Ehegatten vor. Der Beschwerdeführer kann nur deshalb nicht zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren, weil er bereits aufgrund eines Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht ihm jedoch nicht zu, da er seine Auslandseinkünfte im Veranlagungsjahr 2014 – trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die belangte Behörde – nicht durch eine Bescheinigung der ausländischen Abgabenbehörde (Formular E9) erklärt hat.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag ist dem Beschwerdeführer daher für das Streitjahr 2014 nicht zu gewähren und der Bescheid bleibt in diesem Punkt unverändert.

Familienheimfahrten/Doppelte Haushaltsführung

Gemäß § 16 Abs 1 EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20 Abs 1 Z 1 EStG zufolge dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Ebenfalls nicht abzugsfähig (Abs 1 Z 2 EStG) sind Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswertigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG angeführten Betrag übersteigen.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Wenn dem Steuerpflichtigen Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss, und die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs 1 EStG.

Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet.

In der Regel ist es dem Steuerpflichtigen nach einer – nicht schematisch geregelten Zeit – zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab und beträgt nach der Verwaltungspraxis bei einem verheirateten Steuerpflichtigen zwei Jahre. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird (vgl Lenneis in Jakom, EStG12 § 16 ABC der Werbungskosten „doppelte Haushaltsführung“).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen (vgl ). Der Grund warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momentane bloße persönliche Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reicht nicht aus (). Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehepartners haben (; ; ).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (; ; ). Ob die Verlegung des Wohnsitzes früher zumutbar war, ist nicht maßgeblich (; ).

Ein für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund liegt bei ständig wechselnder Arbeitsstätte (zB bei einem Bauarbeiter, bei saisonal Beschäftigten oder bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung) vor. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist oder die berufliche Position einen flexiblen Einsatzbereich erfordert und sich der Steuerpflichtige somit an keinem Standort richtig niederlassen kann (). Die abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reicht dazu nicht aus, es muss vielmehr um eine konkret, ernsthafte und latent drohende Möglichkeit handeln (). Eine ständig wechselnde Arbeitsstätte liegt nach LStR 345 nicht mehr vor, wenn die Arbeitsstätte fünf Jahre beibehalten wurde (Lenneis in Jakom, EStG 201811 § 16 ABC der Werbungskosten „Doppelte Haushaltsführung“).

Im Streitfall folgt rechtlich hieraus, dass im betreffenden Veranlagungsjahr die Verlegung des Familienwohnsitzes in den Naheberich der Arbeitsstätte unzumutbar war, da der Beschwerdeführer bei drei verschiedenen Arbeitskräfteüberlassungsfirmen beschäftigt war und seine Arbeitsstätte dadurch mehrmals im Jahr gewechselt hat. Im gegenständlichen Fall steht dem Beschwerdeführer daher dem Grunde nach der Abzug der Aufwendungen aus Familienheimfahrten und doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten zu.

Der Beschwerdeführer machte einen Betrag von EUR 3.672,00 an Kosten für Familienheimfahrten sowie einen Betrag von EUR 696 an Kosten für doppelte Haushaltsführung geltend. Nach Aufforderung des Finanzamtes hat der Beschwerdeführer Unterlagen vorgelegt, die wie folgt zu werten sind:

Aufwendungen für Familienheimfahrten:

Die vorgelegten Aufzeichnungen des Beschwerdeführers erweisen sich als mangelhaft, es ist daher in freier Beweiswürdigung bzw mittels Schätzung vorzugehen.

Die Höhe der absetzbaren Kosten ist durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG mit dem höchsten Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG begrenzt. Dabei ist diese jährliche Höchstgrenze auf Monatsbeträge umzurechnen, wobei ein voller Monatsbetrag auch für angefangene Kalendermonate der auswärtigen (Berufs)Tätigkeit zusteht (Lenneis in Jakom, EStG 201811 § 16 ABC der Werbungskosten „Doppelte Haushaltsführung“).

Im März fanden nach den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers keine Familienheimfahrten statt, dem Beschwerdeführer entstand kein Mehraufwand und somit steht für diesen Monat auch kein Werbungskostenabzug zu.

Nach den vorgelegten Aufzeichnungen ist der Beschwerdeführer zwischen vier und sechs Mal pro Monat zum Familienwohnsitz gefahren. Über die anzuerkennende Häufigkeit der Familienheimfahrten bestehen keine gesetzlichen Regelungen, weshalb die anzuerkennende Anzahl der Familienheimfahrten im Einzelfall zu prüfen ist. Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen sind grundsätzlich die Kosten von wöchentlichen Familienheimfahrten zu berücksichtigen (Lenneis in Jakom, EStG 201811 § 16 ABC der Werbungskosten „Doppelte Haushaltsführung“) Die Berücksichtigung der Fahrtkosten erfolgt daher unter der Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der Familienheimfahrten über das Veranlagungsjahr.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung einen Betrag von EUR 3.672 geltend gemacht. Dies entspricht dem Jahresbetrag der höchsten Pendlerpauschale und einem monatlichen Betrag von EUR 306. Anhand der vorgelegten Aufzeichnungen hochgerechnete Kosten ergaben einen Betrag von EUR 4.040,40.

Aus dem Gesagten ergibt sich daher, dass  Aufwendungen für Familienheimfahrten von monatlich EUR 306 nur für die Monate Jänner, Februar sowie April bis Dezember als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Im Ergebnis sind daher Aufwendungen für Familienheimfahrten von EUR 3.366 als Werbungskosten zu gewähren.

Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung:

Der Beschwerdeführer hat in seiner Arbeitnehmerveranlagung Aufwendungen von EUR 696 für doppelte Haushaltsführung geltend gemacht. Im Zuge des abgabenbehördlichen Verfahrens hat er jedoch lediglich Kosten von EUR 462,33 nachgewiesen. Im Ergebnis sind daher Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung von EUR 462,33 als Werbungskosten zu gewähren.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden und solche, welche im Gesetz eindeutig gelöst sind. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Tatfragen sind kein Thema für eine ordentliche Revision.

Der Beschwerde war daher § 279 BAO teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu Gunsten des Beschwerdeführers abzuändern.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at