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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.07.2019, RV/3100296/2019

Kein Pfändungsschutz bei Rückforderungsansprüchen aus Abgabengutschriften

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerde­sache A, vertreten durch Dr. Stefan Dorner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17-19, gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Innsbruck vom betreffend Abweisung eines Rückzahlungsantrages zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung des Guthabens aus der Arbeitnehmerveranlagung für 2016 in Höhe von € 110,00. Begründend wurde ausgeführt, dem Bescheid über die antragslose Arbeitnehmerveranlagung für 2016 sei zu entnehmen, dass eine Aufrechnung mit Abgabenrückständen erfolgt sei. Diese Aufrechnung sei jedoch unzulässig, da in Bezug auf die Pensionsbezüge der Beschwerdeführerin eine trägerübergreifende Aufrechnung mit Forderungen der SVA erfolgen würde. Aufgrund dieser Aufrechnung würde der Beschwerdeführerin ohnedies nicht das ungekürzte Einkommen in der Höhe der Pfändungsfreigrenzen verbleiben. Vor diesem Hintergrund sei die durchgeführte Aufrechnung unzulässig.

Angeschlossen war die Leistungsmitteilung der PVA betreffend das Jahr 2016.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Innsbruck den Rückzahlungsantrag abgewiesen und begründend ausgeführt, bei der Einkommensteuergutschrift in Höhe von € 110,00 für den Zeitraum 2016 würde es sich nicht um ein Arbeitseinkommen handeln, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche würden keinem Pfändungsschutz unterliegen. Nach § 215 Abs. 1 BAO sei ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben‚ deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat. Auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin würde derzeit kein Guthaben bestehen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, der Bescheid vom sei unrichtigerweise nicht den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin, sondern dieser direkt zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin würde als Bezieherin niedriger Einkünfte Anspruch auf Refundierung von 50% der entrichteten SV-Beiträge, maximal € 110,00, haben. Einkommensteuerpflichtig sei sie im Veranlagungszeitraum nicht gewesen. Der Sozialversicherungsträger würde in Bezug auf die Pension der Beschwerdeführerin ohnedies bereits einen Abzug im Rahmen der (trägerübergreifenden) Aufrechnung vornehmen, der das Existenzminimum unterschreiten würde. Aus diesen Gründen sei die Abgabengutschrift von € 110,00 erstattungsfähig und an die Beschwerdeführerin auszubezahlen. Die Einhebung von Abgaben sei in Bezug auf die Beschwerdeführerin zudem ausgesetzt, sodass auch aus diesem Grund die Rückzahlung der Einkommensteuergutschrift in Höhe von € 110,00 zu erfolgen habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Innsbruck diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und führte nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges begründend aus, bei der vorgenommenen Aussetzung würde es sich nicht um die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, sondern um die interne Maßnahme der Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 BAO handeln. Die Gründe, die zur Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1. BAO geführt hätten, seien in Höhe der sich aus der Arbeitnehmerveranlagung für 2016 ergebenden Gutschrift weggefallen. Die ausgesetzte Einbringung sei daher wieder aufzunehmen gewesen, womit die Abgabenschuldigkeiten wieder fällig gewesen wären. Bei der Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten bzw. Verrechnung sonstiger Gutschriften mit bestehenden Abgabenschuldigkeiten gemäß §§ 214f BAO würde es sich um eine Einhebungs- und nicht um eine Exekutionsmaßnahme handeln, weshalb schon deshalb exekutionsrechtliche Pfändungsbeschränkungen hier grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen könnten. Auch würde es sich hier um zwingendes Recht handeln, dessen Anwendung nicht dem Ermessen der Abgabenbehörde überlassen sei. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0155 ausgeführt habe, würde die Einkommensteuer das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit voraussetzen. Der Abgabenanspruch habe seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei dem in Rede stehenden Rückforderungsanspruch handle es sich um einen negativen Abgabenanspruch. Auch solche Ansprüche würden kraft Gesetzes entstehen. Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes würde zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraussetzen‚ seine Rechtsgrundlage würde sich aber im öffentlichen Recht finden. Daher handle es sich bei der entstandenen Einkommensteuergutschrift rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger. Solche Ansprüche würden keinem Pfändungsschutz unterliegen.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Zur Beschwerde wurde erwogen:

Zum Beschwerdevorbringen, der angefochtene Bescheid sei unrichtigerweise nicht den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin, sondern dieser direkt zugestellt worden, ist darauf zu verweisen, dass im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden können (§ 103 Abs. 1 BAO). Von dieser Möglichkeit hat das Finanzamt Innsbruck im gegenständlichen Einhebungsverfahren Gebrauch gemacht.

Gemäß § 2 lit. a Z. 2 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Erstattungen, Vergütungen und Abgeltungen von Abgaben und Beiträgen.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung (§ 213 BAO) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.

Gemäß § 215 Abs. 4 BAO sind Guthaben, soweit sie nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213 BAO) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Gemäß § 231 Abs. 1 BAO kann die Einbringung fälliger Abgaben ausgesetzt werden, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht worden sind oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen werden, aber die Möglichkeit besteht, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können. Das gleiche gilt, wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zu dem einzubringenden Betrag stehen würde. Wenn die Gründe, die zur Aussetzung der Einbringung geführt haben (Abs. 1), innerhalb der Verjährungsfrist wegfallen, ist die ausgesetzte Einbringung wieder aufzunehmen (§ 231 Abs. 2 BAO).

Auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin, StNr. X, war zum hinsichtlich eines fälligen Betrages von € 34.342,94 die Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO ausgesetzt.

Aus dem in Folge der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung ergangenen Einkommensteuerbescheid 2016 vom zu StNr. X ergab sich eine Gutschrift in Höhe von € 110,00. Das Finanzamt Innsbruck verrechnete das sich aus dieser Gutschrift ergebende Guthaben mit der in gleicher Höhe wiederaufgenommenen Einbringung der Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin.

Strittig ist, ob diese Aufrechnung im Hinblick auf eine dadurch erfolgte Unterschreitung von Pfändungsfreigrenzen zulässig ist. Damit geht es im vorliegenden Fall primär darum, ob das Finanzamt die vorgenommene Aufrechnung des Guthabens durchführen durfte. Diese Frage ist nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären. Der angefochtene Bescheid kann seinem materiellen Inhalt nach als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO gedeutet werden (vgl. , mit Hinweis auf ).

Abgabenrückforderungsansprüche des Abgabepflichtigen sind "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird (§ 4 Abs. 1 BAO). Auf die Bescheiderlassung und die näheren Modalitäten der Geltendmachung der Ansprüche kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs ().

Gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015 sind, wenn sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag haben, nach § 33 Abs. 1 und 2 EStG 1988 eine Einkommensteuer unter null ergibt, 50% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988, höchstens aber € 110,00 jährlich, rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Die Anwendung dieser Bestimmung führte im gegenständlichen Fall zu einer Gutschrift von € 110,00 (vgl. dazu Kanduth-Kirsten in Jakom EStG10 2017, § 33 Rz. 71).

Die Einkommensteuer stellt eine Geldleistung dar, die der Bund kraft öffentlichen Rechts erhebt. Zwar ist der Einkommensteuer das Einkommen - zu welchen auch die gegenständlichen Pensionseinkünfte der Beschwerdeführerin zählen (vgl. § 25 EStG 1988) - zu Grunde zu legen, das der oder die Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Der Abgabenanspruch hat aber seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsansprüchen der Beschwerdeführerin handelt es sich um nichts anderes als um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz, BAO6, § 4 Tz. 2). Die im gegenständlichen Fall entstandene Einkommensteuergutschrift stellt damit rechtlich kein Arbeitseinkommen dar, sondern es ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz ().

Damit war das auf dem Abgabenkonto entstandene Guthaben gemäß § 215 Abs. 2 BAO zur Gänze zur Tilgung der fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um zwingendes Recht; ein Ermessen für die Verwendung des Guthabens besteht nicht.

Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auf die zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen wird verwiesen. Die Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 103 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 lit. a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 213 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 231 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 231 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 33 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 215 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 25 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Pfändungsschutz
Rückforderungsanspruch
Abgabenanspruch
Arbeitseinkommen
negativer Abgabenanspruch
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100296.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at